1. Reisebericht 12.Mai 2005
Wenn wir gewusst hätten, dass...
... wir immer hinter einen Baum müssen zum Wasserlösen
... wir die einzigen Velofahrer sind, die gegen den Wind fahren
... wir den Baulärm auf der Schweizerseite des Rheins auch auf der Deutschen
Seite hören
... es in der Nacht eisig kalt wird
... uns der Schwan den Waschplatz streitig macht
... uns der Eisenbahnlärm mitten in der Nacht aus den Träumen reisst
... sich Mäsi im kalten Rhein waschen muss
... das Essen in Deutschland auch nicht mehr so günstig ist wie es mal war
... wir ohne Fischerrute den Fischen nur beim Springen zuschauen, sie aber
nicht braten können
... wir schon nach 6 Tagen eine Pause brauchen (mehr darüber im nächsten
Reisebericht)
... der Rhein so lange ist
... wir beim Velofahren schwitzen
... es im Mai immer noch so kalt ist und oft regnet
... uns die Bauern nicht auf ihrem Land zelten lassen
... es sowieso so weit bis nach Indien ist
... hätten wir wo anders gebucht!
Nichts desto Trotz, uns gefällts!
PS 1: Was haben wir mit einer Schnecke gemeinsam? Auch wir haben immer unser
Haus dabei ;o)
PS 2: Wir waren zu diesem Zeitpunkt in Balm, Deutschland, kein Internetcafe
weit und breit...
Maja und Marcel
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M&M's Fotos Nr.1 |
2. Reisebericht 20. Mai 2005
Das Lazarett
Ja, beim 1. Reisebericht wars uns noch zum Lachen und die Ironie nahm kein
Ende. Aber das Lachen verging uns schnell und wir mussten schon alle Joker
ziehen die wir uns für später aufbewahren wollten. Zuerst der Reihe nach:
Alles war perfekt: Die Abschiedsparties, die Begleitung und der Support
während der ersten Tage und sogar die Sonne wärmte uns wenigstens am Tag ein
paar Stunden auf.
Dem Rhein entlang genossen wir die Ruhe und das Leben der Natur, wir fuhren
unseren eigenen Rhythmus und stellten unser Zelt auf, wo es uns passte.
Bis Maja's linkes Knie eine Pause brauchte. Noch nie hatte Maja Probleme mit
den Knien aber jetzt reagierte es wohl auf die Anstrengungen und das kalte,
nasse Wetter der ersten Tage, obwohl wir nie dachten es könnte zuviel sein.
Doch nach 6 Tagen und 330km war eine Pause sowieso angebracht. Weit weg von
der Zivilisation stationierten wir unser Zelt direkt am Rhein und blieben
drei Nächte. Beim Grillieren, Wäsche waschen und Wäscheleine spannen, beim
Haare waschen und lesen konnten wir uns ablenken. Und Marcel verwöhnte und
entlastete Maja wo immer es ging. Die zwei Sonnentage nutzten wir auch um
die Fischreiher, Enten und Schwäne beim Starten und Landen zu beobachten,
die uns wie Haustiere ans Herz gewachsen sind. Ein weniger freundliches
Haustier klaute uns in der Nacht Käse und Krackers....
Leider hat die Pause nicht den erwünschten Zweck erfüllt, so konsultierte
Maja am Pfingst-Sonntag den Dökti in Romanshorn mit der Diagnose: 2 Wochen
Velo-Fahr-Pause wegen einer Sehnenansatzentzündung am linken Knie: SCHOCK!
Die Haare standen uns sogar unter den Velohelmen zu Berg! Wir quartierten
uns auf einem nahegelgenen Zeltplatz ein und überlegten wie es weiter gehen
soll. Wäre es doch schön warm, dann könnten wir uns am Bodensee
niederlassen, aber bei diesem Rheuma-Wetter kann Maja's Knie nicht gesund
werden. Nach einer fast schlaflosen und eiskalten Nacht wollte dann auch
Mäsi mal für eine Schlagzeile sorgen und holte sich beim Essen eines nicht
ganz durchgekochten Ei einen gewaltigen Durchfall (wer isst schon ein fast
rohes Ei?) Nun wars schon fast perfekt, aber es kam noch besser:
Nach einigen Sitzungen fühlte sich Mäsi so geschwächt, dass er mit mir im
Zug nach Feldkirch fuhr und wir eine Nacht in einer Jugi verbrachten. Hier
entschieden wir dann den 1. Joker einzusetzen: ein gutes Hotel mit
Schwimmbad, mit dem Zug erreichbar.
Endlich einmal definitiv aus der Schweiz raus, wurden wir sofort mit der
Velo-Transport-Unfreundlichen ÖBB bestraft. Der arme, geschwächte Mäsi
musste überall die Velos hochtragen und stürzte beim Aussteigen kopfüber mit
dem schweren Fahrrad aus dem Zug. Ein anderes Mal musste er im
unglücklichsten Moment eine Toilette aufsuchen und das Velo stürzt, die
Passanten sind sauer, aber Hauptsache Mäsi ist erleichtert.
Eigentlich wollten wir ja mit den Velos eine Reise machen, damit wir dem
umständlichen Zugfahren und dem Unterkunft im Internet suchen entgehen
können.
In Tschagguns, im 4-Sterne-Hotel Montafoner Hof angekommen, waren die Sorgen
schnell vergessen. Nach dem ersten Wellness-Erlebnis genossen wir das
5-Gang-Menu; Mäsi noch nicht mit vollem Appetit, dafür Maja wie wir sie
kennen. Leider kehrte das Wohlsein in Minutenschnelle in Unwohlsein und Maja
wurde das feine Znacht in hohem Bogen wieder los. Auch Mäsis Durchfall
erreichte den Höhepunkt und wir zwei wechselten uns während der ganzen Nacht
auf der Toilette ab. Der absolute Höhepunkt war dann aber bei Mäsi die
Diagnose Salmonellen. Während eine Infusion in seinen Arm tröpfelte, kämpfte
Maja im Hotel mit Fieber.
Statt dem guten Z'Morge-Buffet und dem 5-Gang-Menu verpflegen wir uns mit
Zwieback, Bananen und Cola. Aber es kann jetzt nur noch besser kommen...!
Und das wird es auch!
PS 1: In Mäsi's Dickdarm besprechen sich die Salmonellen: Sagt die eine:
"Komm wir machen ein Wettrennen wer zuerst unten raus ist". Sagt die andere:
"Geht's dir noch gut? Das scheisst mich an!"
PS 2: Wir sind noch nicht dort wo wir eigentlich sein wollten, aber es ist
auch hier schön!
Liebe Grüsse und Achtung vor den Drei-Minuten Eiern!
Maja und Marcel
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3. Reisebericht 3. Juni 2005
Die ersten 1000 Kilometer
Es geht aufwärts! Das spürten wir bereits am Samstagmorgen nach unseren
Magendarmstörungen. Nach einem königlichen Frühstück im Montafoner Hof
lernten wir Schurle Rhomberg und Franz Kuster kennen. Zwei Urgesteine des Montafonertals. Spontan luden Sie uns in Schurle's Jagdhütte Gafluna, im
tiefen Silbertal, ein, wo wir während zwei Tagen vollkommen gesund werden
und unsere Speicher mit Rehgulasch, Schinkenspeck, Wein, Bier und Caipirinha
wieder füllen konnten. Zwischen Hirschgeweihen und Fuchsfellen fiel manch
guter Spruch! Danke Euch allen für die tolle Zeit, ihr seid einmalig!
Nachdem sich Maja´s Knieschmerzen gebessert haben, wagten wir einen
Neuanfang und fuhren via St. Anton und Reschenpass ins Südtirol. Nun sind
wir also in Italien. Das spüren wir nicht nur an den Strassen die holpriger
sind, sondern es ist alles deutsch und italienisch angeschrieben, über
Mittag sind alle Geschäfte länger geschlossen; die Siesta lähmt die Dörfer.
Die Speisekarte verändert sich wie auch die Häuser und jedes Dorf hat seine
spezielle Kirche, oder zwei... Auf jeder Erhöhung steht eine Burg oder ein
Schloss, doch das Wurstel bleibt zum Glück dasselbe.
Wir geniessen die Abfahrt durch Weinberge und Apfelplantagen und steuern
Richtung Meran, wo wir das erste Mal richtig schönes und heisses Wetter
hatten. Nun ist "la dolce vita" angesagt: Genüsslich Gelati schlecken, durch
die schönen Strassen und Lauben schlendern, einheimischen Wein degustieren
und nach Pizza und Pasta Tiramisu´ essen!
Wir wollten mehr davon und somit war die weitere Reiseroute gegeben mit
Ziel: Venedig!
Via Bozen fuhren wir nach Brixen wo wir von einem Gewitter überrascht
wurden. Es war schon spät also entschieden wir uns ein Zimmer zu suchen,
anstatt weiterzufahren und irgendwo unser Zelt ins nasse Gras zu stellen.
Mäsi meinte: "Komm, wir wenden Trick 77 an und fragen beim Pfarrer um ein
Bett". Beim Dom standen wir dann und warteten bis der Regen vorbei ist,
schon schickt uns der Himmel einen Engel, aber ohne die Hilfe des Pfarrers:
Herbert! Er interessiert sich sehr für unsere Reise und lädt uns spontan ein
bei ihm zu übernachten (nachdem auch seine Frau Irmgard ihren Segen dazu
gab!). Die Zwei haben uns dann auch noch kulinarisch verwöhnt und wir danken
Ihnen ganz herzlich dafür. War schön Euch kennenzulernen.
Bei höchstem Sonnenstand fuhren wir am Sonntag los Richtung Bruneck. Schon
nach drei Kilometern in der brütenden Hitze schwörten wir uns, nie mehr zur
Siestazeit zu fahren. Um die Pause sinnvoll zu gestalten, verpflegten wir
uns mit einer "Jause": Wurstel und Käse, Schüttelbrot mit Kümmel und
Fenchel, Schinkenspeck, Gemüse und viel Schoggi. Etwa so oder regional
angepasst sieht unsere Jause (=Zwischenverpflegung gross = 1x pro Tag) immer
aus. Wenn möglich schalten wir aber noch eine Kaffee- und Kuchenpause ein;
die Südtiroler Torten darf man sich nicht entgehen lassen! Wir fahren
zwischen 2 und 5 Stunden pro Tag, also müssen die Speicher regelmässig
gefüllt werden. Dazu gibts ein reichhaltiges Frühstück, zwei weitere
Schoggi- und Riegelpausen und natürlich das Znacht mit Dessert! Soviel als
kleiner Ausschweifer zur momentanen Verpflegung.
Der Radweg bis Toblach ist sehr schön, geht immer hoch und runter und somit
auch in die Oberschenkel und an die Pumpe. Aber die Sicht auf die
wunderschönen und imposanten Dolomiten lassen uns schwere Beine und Hunger
vergessen. Aber nicht Maja´s Geburtstag. Den feierten wir mit lauwarmem
Prosecco. Dafür gabs eine warme Dusche auf dem Campingplatz, Holländer vom
Caravan nebenan die Happy Birthday sangen und Mäsi der mit dem Benzinkocher
ein super Menu kochte. Und zur Krönung schenkte uns der Herrgott ein
gewaltiges Dolomitengewitter das gleichzeitig wiedermal unsere Velos blitz
und blank reinigte!
Da wir bis Toblach schon einige Höhenmeter geleistet hatten, war dann der
Pass, auf dem Weg nach Cortina d´Ampezzo, nur noch Genuss. Die Dolomiten mit
den drei Zinnen begeisterten uns sehr und wir konnten nicht genügend Fotos
machen.
Wir schafften es gerade noch nach Cortina, als uns ein Gewitter einholte,
das sich zusehends wie in einem Hexenkessel zusammen gebraut hatte. In der
Kirche vor dem Regen Zuschlupf suchend, werden wir uns bewusst, wie schön
wir es eigentlich haben. Wir dürfen so nah die Natur erleben, uns Zeit
nehmen um sie zu spüren und natürlich zu fotografieren. Wir können unseren
eigenen Rhythmus leben, in Abhängigkeit mit dem Wetter, aber das gehört für
uns ganz einfach dazu. Nach jedem Tief kam wieder ein Hoch, in jedem Sinn,
und gab uns immer mehr die Sicherheit, dass wir das Richtige machen. Wir
fühlen uns sehr wohl auf dieser gemeinsamen, spannenden Reise mit
unbeschreiblichen Abenteuer und Erlebnissen!
Da unser Ziel am Meer liegt, verabschieden wir uns während der Fahrt ins Tal
von den Bergen und fahren langsam ins flach werdende Norditalien. Vorbei an
verfallenen Häusern und Industrie, riesigen Autobahnbrücken und endloser
Fläche kam uns ein italienischer Feiertag entgegen und wir radelten auf fast
leeren Strassen was das Zeug hielt nach Venedig. Maja wurde von den
entgegenkommenden männlichen Radgruppen frenetisch gefeiert.
Eigentlich wollten wir unbedingt ein Foto von uns mit dem Velos auf der
Piazza San Marco machen, aber nachdem wir die Fahrräder über drei Brücken
mit Treppenstufen gestossen, getragen und gezogen haben und das bei
sommerlich heissen Temperaturen, haben wir aufgegeben. Wir hätten mindestens
hundert Brücken überqueren müssen, aber mit unseren schweren Pferden ist das
unmöglich! Wir zogen mit unseren schwer beladenen Bikes mitten in Venedig
die Blicke auf uns; einige gratulierten und staunten, andere belächelten uns
und denken zu wissen, dass Indien ja gar nicht per Landweg erreichbar ist...
Ein paar starke Italiener trugen Maja dann das Velo über die Brücke, Mäsi
bekam Hilfe von einem Amerikaner :o)
Das Hotelzimmer bezogen und frisch geduscht genossen wir "la dolce vita"
weiter und spazierten, zur Abwechslung, stundenlang durch die Gassen und
bestaunten die Geburtsstadt von Marco Polo, dem grossen Entdecker! Und wir
feierten ausgiebig die ersten 1000 Fahrrad-Kilometer! Prompt mitten in
Venedig wechselte der Kilometerzähler von 999 auf 1000! Wow, für uns ein
wahnsinnig tolles Gefühl!
Nun gehts ans Meer; knackig sind wir schon, jetzt fehlt nur noch die
Bräune...!
PS 1: Italienisch mit Mäsi: Ciao ragazzoni, tutto basilikum? (Für
Fortgeschrittene: tutto pesto?)
PS 2: Wir sind im Internetcafe, 2. Strasse links, über die Brücke, dann
rechts in die kleine Gasse, an der Kirche vorbei über den grossen Platz, das
3. Haus rechts im Hinterhof. Kommst du auch?
Maja und Marcel
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Bilder Reisebericht 3 |
4. Reisebericht 21.Juni 2005
Croačia ižt wuncešchon...
Getrieben von der Freiheit und dem Durst nach mehr Abenteuer sind wir
bereits weitere 600 km gefahren und geniessen jeden Tag aufs Neue. Meistens
in voelligem Gefuehl der Unabhaengigkeit und den Erinnerungen an schoene
Begegnungen, manchmal unter der Last der bruetenden Hitze und dem Gestank
der Motoren.
Seit mehreren Tagen geniessen wir die Sonne entlang der kroatischen Kueste
und haben uns braeunen lassen. Aber sehr unregelmaessig! Man kennt ja die
Radfahrerstreifen an Oberarmen und Oberschenkel und die lassen den Bauch
noch weisser erscheinen als er wirklich ist!
Venedig haben wir per Faehre verlassen. Noch einmal geniessen wir den Blick
auf die schoenen Haeuser und San Marco. Wieder auf dem Festland fuhren wir via
Jesolo und Caorle nach Trieste. Unterwegs konnten wir bei einem Gemuese- und
Fruechtehaendler endlich mal das Gewicht der Raeder wiegen lassen und zogen
damit die Aufmerksamkeit aller Angestellten und Kunden auf uns. Tigi,
Marcels Rad wiegt satte 75 kg und Majas Elif 55 kg. Je nach dem wieviel
Essen und Getraenke wir beladen haben kommen noch bis 5 kg dazu. Jetzt ist
uns auch klar, weshalb wir bergab so schnell sind und bergauf stark gebremst
werden. Hoffentlich schreckt das Gewicht jeden ab, der das Rad stehlen will.
Ein Dieb muesste schon die Kraft eines Schwarzeneggers und die
Geschicklichkeit eines Seiltaenzers haben, wenn er mit unseren Fahrraedern
davon fahren moechte! Wenn man alle Radfahrer in verschiedene Gruppen
aufteilen wuerde, gehen wir unter die LKW-Fahrer. Marcel als 40 Toenner,
Maja als 28 Toenner.
Von Trieste aus haben wir mal ohne Gepaeck einen Ausflug gemacht und die
Škocjanske Tropfsteinhoehlen in Slowenien besucht. Es war richtig toll,
einmal ohne die ganze Last zu fahren und die 56 km und einige Hoehenmeter so
ungewohnt leicht hinter uns zu bringen. Wir waren aber auch froh, dass wir
nicht mit dem voll beladenen Rad auf den slowenischen Patchwork-Strassen
fahren mussten, die uns komplett durchgeschuettelt haben. Auch der ganze
slowenische Kuestenabschnitt war nicht sehr fahrradfreundlich und auch die
Autofahrer sind respektloser, ja sogar gefaehrlicher als in den Laendern
zuvor.
Die Hoehle war fantastisch. Im Anfangsteil hatte es blumenkohlartige
Stalakmiten in riesigen Hallen, weiter hinten eine unterirdische Schlucht
mit einem wilden Fluss der jahrtausendelang wunderschoene und einzigartige
Formen in das Gestein gewaschen hat. Wir waren einmal mehr sehr fasziniert
von der Kraft der Natur die ohne menschliches Einwirken so vollkommen ist.
Nach einer Nacht auf einem slowenischen Zeltplatz ueberquerten wir die
Grenze nach Kroatien, das 6. Land auf unserer Reise. Seit Slowenien ist fuer
uns viel mehr fremd und unbekannt. Erstens die Sprache und die Schrift die
wir absolut nicht mehr verstehen, ausser in den Trouristenorten wo fast
jeder deutsch oder englisch spricht. Und auch die Kultur die uns sehr
interessiert und uns dank den alten Bauten und den Ueberresten aus der
Roemerzeit, wie das Amphitheater in Pula (Istrien) begeistert. Weiter ist
die Waehrung fuer uns unbekannt, SIT in Slowenien und KUNA in Kroatien.
Nachdem wir einige Male uebers Ohr gehauen wurden, haben wir aber jetzt das
Umrechnen im Griff!
Einerseits suchen wir das urtuemliche Kroatien und moechten uns von den
anderen Touristen unterscheiden und entfernen, anderseits sind wir froh wenn
jemand sprachlich versteht, was wir wollen und wir unsere Reisefazination
mit anderen Globetrottern teilen koennen. Fast auf jedem Camping haben wir
bis jetzt ganz tolle Begegnungen erlebt und jeder hilft jedem. Weil die
Nachbarn in Pula nicht zusehen wollten, dass wir zum Essen auf dem Boden
sitzen muessen, haben sie uns ganz spontan Tisch und Stuehle und sogar ihre
Elektroherdplatte zur Verfuegung gestellt. Oder wir werden zum Apero
eingeladen oder koennen bei jemandem Kaese und Butter in den Kuehlschrank
stellen. Die ersten 5 Wochen hatten wir nie ein Temperaturproblem, da es
ausser in Meran nie richtig heiss war. Wir brauchten noch jeden Abend eine
dicke Jacke. Erst seit Kroatien ist es sommerlich heiss und wir muessen
unsere Einkaufsliste dem Wetter anpassen.
In Zadar entschlossen wir uns, eine von den 1165 Inseln Kroatiens zu
beradeln: Dugi Otok, 50 km lang und unterschiedlich breit mit einer Strasse
von Sueden nach Norden. Wir starten im Sueden und besuchen den Nationalpark
Telašc'ica, da wir dort unter anderem den Silbersee aus dem Winnetoufilm
umwandern koennen. Wir muessen noch sagen, dass Kroatien sehr huegelig ist
und wir nur noch rauf und runter fahren. So auch auf dieser Insel, einmal
mehr waehrend der Mittagszeit. Wir kurven von Bucht zu Bucht und setzen uns
dann ganz hungrig ans Meer wo wir waehrend dem Essen die Segeljachten
bewundern. „Weht dort nicht eine Schweizer Fahne?“ Nach der Verdauungspause
genossen wir den Sprung ins kuehle und wunderschoen klare, tuerkisfarbene
Wasser und schwammen Richtung Schweizer Jacht. Nach unseren „Hopp
Schwiiz“-Rufen wurden wir auf der PRESENT herzlich von Rolf und Eva aus
Muenchenstein BL begruesst. Sie waren echt ueberrascht ueber den Besuch aus
dem Wasser und wir von ihrer spontanen Gastfreundschaft auf ihrer
Traumjacht, die seit drei Wochen und fuer mehrere Jahre ihr Zuhause sein
wird. Sofort erzaehlten wir einander unsere Projekte.
Bevor wir uns spaeter noch zum Biertrinken treffen, umwandern wir den
Silbersee und stellen uns Winnetou vor wie er den Schatz sucht. Wir sind
fasziniert von der Gegend und der wilden Natur. Die Waelder sind sehr dicht
und die Buschlandschaften stachelig. So wird es fuer uns auch sehr schwierig
einen Platz fuers Zelt zu finden. Da uns der Parkwaechter bereits gesagt
hat, dass man beim Silbersee nicht campen darf, muessen wir uns etwas weiter
weg einen guten Platz suchen, wo wir nicht zu sehen sind. Den finden wir
auch und wir fuehlen uns wie Winnetou der im Versteck lauert und die Cowboys
nichts ahnend an ihm vorbeiziehen.
Nach einer unglaublich ruhigen Nacht sind wir auf der Present zum
Fruehstueck eingeladen. Danke vielmals Eva und Rolf fuer die tolle
Bekanntschaft. Wir sehen uns bestimmt wieder!
Nach einem weiteren Schwumm im Meer fahren wir Richtung Norden. Schon bald
sehen wir rechts und links aufs Meer und die Fahrt ist, abgesehen von der
Tropenhitze, fantastisch! Ueberhaupt keinen Verkehr und eine geniale
Aussicht aufs Meer und die vielen Inseln, die satten gruenen Waelder und die
malerischen Doerfer. Wir verbringen zwei weitere Naechte wild auf der Insel
und haben das Gefuehl, dass wir niemanden stoeren und uns auch niemand
sieht. Diese Insel ist ein echter Geheimtipp fuer alle die gerne Natur und
wunderschoene Steinstraende haben und mit dem Fahrrad: perfekt!
PS 1a: Pas ili macka?
PS 1b: Kroatien ist sehr duenn besiedelt. Oder wohnen die woanders...?
PS 2: Momentan sind wir auf einem Zeltplatz in Seline beim Paklenica
National Park und machen einen Ruhetag, das heisst Maja schreibt den
Reisebericht und waescht die ganze Waesche einmal mehr von Hand. Marcel
repariert die Fahrraeder, ist doch schon einiges reparaturfaellig: der
Fronttaschenhalter, der Kilometerzaehler, die Lichtkabel, die Ketten
reinigen und oelen,... Auch hier haben wir eine tolle Bekanntschaft gemacht.
Ein Hobbytueftler, der sogar den Loetkolben dabei hat und Marcel Tipps gibt
und Tricks zeigt und ihn zum angehenden Velo-Reparatur-Tueftler ausbildet.
Danke Sepp!
Maja und Marcel
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Bilder Reisebericht 4 |
5. Reisebericht 1. Juli 2005 (bereits 3 Monate verheiratet!)
HVALA HRVATSKA! Danke Kroatien!
Eigentlich bevorzugen wir das wilde Campen. Irgendwo an einem schoenen
Platz das Zelt aufstellen, mitten in der Natur wo nur die kleinen Viehcher
wie Muecken, Ameisen und Wespen Feinde sind (die anderen haben Angst vor
uns...), Abends zirpen die Heuschrecken, am Morgen werden wir mit
Vogelgezwitscher geweckt. Unser Zelt ist unser Daheim, wir richten es genau
so ein wie und wo es bequem ist und langsam sind wir sehr geuebt und ein
eingespieltes Team beim Aufbauen. Die Toilettengaenge sind komfortabel, es
stinkt nie und keiner macht das Licht aus, wenn er die Toilette verlaesst
und wir noch sitzen.
So passiert es manchmal auf den Campingplaetzen. Auch hoert man nie den
Nachbarn schnarchen wenn man irgendwo zwischen Bueschen und Graesern
schlaeft. Wir finden natuerlich nicht ueberall einen Platz zum Wildcampen
und manchmal ist es auch schoen wieder mal eine Dusche zu haben. Dann gehen
wir auf einen Campingplatz und meistens haben wir tolle Bekanntschaften
gemacht mit den Platznachbaren. So auch wieder in Seline beim Paklenica
National Park. Nicht nur der Campingplatz war schoen weil er direkt am Meer
liegt, auch die drei Paare aus Oesterreich, die wir hier kennenlernten,
haben uns dazu bewegt 5 Naechte zu bleiben. So waren wir waehrend diesen
Tagen, neben dem Plaudern, Velo flicken, schreiben und lesen, auch oft im
Meer und haben eine 7-stuendige Wanderung durch die gewaltigen Schluchten im
Paklenica NP gemacht. Obwohl uns beim Velofahren immer die Oberschenkel
brennen, wir uns aber bereits recht fit fuehlen, spuerten wir danach alle
die Muskeln, die wir beim Radeln nicht so brauchen.
Kroatien hat viele unterschiedliche National Parks. So besuchten wir auf
unserem weiteren Weg nach Osten den Krka National Park. Hier hat es
unzaehlige, groessere und kleinere, Wasserfaelle, verschiedene Seen und
Schluchten gefuellt mit Suesswasser aus den Bergen. Die Paklenica dagegen
enthaelt nur nach der Schneeschmelze im Maerz und April Wasser und war nun
trocken. Beide Naturschutzgebiete waren voller Schmetterlinge in
verschiedenen Farben, Groessen und Formen. Wir sahen grasgruene Echsen und
meterlange Schlangen. Die steilen und hohen Kalksteinfelsen im Paklenica NP
sind ein Paradies fuer Kletterer. Marcel bekam beim Hinsehen traenende
Augen!
Da wir einerseits genug hatten von den viel befahrenen Strassen und
andererseits einmal das Landesinnere erleben wollten, steuerten wir durchs
Land auf Nebenstrassen Richtung Split.
Seit Zadar sind die Spuren vom Krieg deutlich zu sehen. Einschussloecher in
den Haeusern und verlassene Doerfer, Tafeln die vor Minen warnen und
eingestuerzte Bruecken. Oftmals fahren wir ueber Schotterstrassen die gerade
renoviert werden oder noch das Geld fehlt um sie fertig zustellen. Hier
getrauten wir uns dann nicht mehr wild zu campen und fragten einen Bauern um
einen Platz auf seinem Feld. Nachdem wir uns endlich, mit Haenden und
Fuessen, verstaendigen konnten, wurde uns ein Platz zwischen freilaufenden
Huehnern zur Verfuegung gestellt und wir wurden sofort zum Kava (Kaffee) und
selbstgebranntem Schnaps eingeladen. Die Unterhaltung war recht lustig,
keiner verstand den anderen und doch fuehlten wir uns verstanden. Unser
Begegnungsbuch mit der Reiseroute hilft uns in diesen Situationen weiter und
nun haben wir auch noch einen Eintrag auf kroatisch.
Als wir am Morgen danach um halb sieben aufstanden, hing bereits ein
geschlachtetes Lamm kopfueber im Hof und eine aeltere Frau spaziert mit
einem Kessel voller Pfirsiche auf uns zu. Sie moechte uns gerne ein paar
mitgeben, denken wir! Aber nachdem wir zaghaft ein paar genommen haben,
verfaellt sie in einen Rederausch und fuellt uns voller Euphorie alle
Taschen die offen stehen. Mit Mueh und Not koennen wir sie bremsen ohne sie
zu beleidigen. Ihr Kessel ist nun halb leer und voller Stolz verlaesst sie
uns wieder. Wir sind wie gelaehmt von dieser Begegnung und der
Grosszuegigkeit dieser Menschen. Sie wird uns noch lange in Erinnerungs
bleiben. Nicht nur wegen der 32, zum Glueck noch harten, Pfirsichen, die wir
nur mit grosser Cleverness verstauen konnten, sondern auch wegen der
Gastfreundschaft die wir auch 10 km weiter entfernt erleben durften. In
einem vom Krieg deutlich gezeichneten Dorf hat uns ein aelterer Herr auf der
Strasse angesprochen und uns zu sich zum Mittagessen eingeladen. Seine Frau
tischt uns in der dunklen und spaerlich eingerichteten Kueche selbstgemachte
Wurst, Kaese und Brot auf. Der Mann und der Sohn reden ununterbrochen und
wiederholen staendig die wichtigen Woerter, aber sorry, kein Wort
verstanden! Wir bedanken uns indem wir von ihnen Fotos machen. Sie stehen
naemlich gerne Modell. Zum Abschied gibt er uns noch einen halben Laib Kaese
mit; unglaublich! Die naechsten Kilometer fahren wir mit einer riesigen
Dankbarkeit. Sie haben selber nicht viel und wollen uns trotzdem etwas
mitgeben - Wir West-Europaeer koennen noch viel von ihnen lernen! Marcel,
der Pfirsichtransporter, meint:" Das geschenkte Essen wiegt leicht, weil es
von Herzen kommt!"
Wir sind begeistert und positiv ueberrascht von Kroatien, vorallem von
der Region Dalmatien. Das kristallklare Meer, idyllischen Buchten, huegelige
Landschaften, die zahlreichen, spannenden Inseln und die wahre
Gastfreundschaft abseits der Touristenorte haben uns beruehrt. Als negativ
zu erwaehnen ist das ungeloeste Abfallproblem. Jeder Kroate (und vielleicht
auch Tourist) schmeisst seinen Abfall in die Natur. Kuehlschraenke und
Waschmaschinen liegen in den Strassenabgruenden; weiterer Muell wird achtlos
in den Wald geworfen. Das Geld wird lieber in den Autobahnbau investiert
anstatt Verbrennungsanlagen zu bauen. Soeben haben sie eine neue Autobahn
eroeffnet damit die reichen Leute aus Zagreb das Ferienhaus am Meer schnell
erreichen.
Wir hoffen, dass Kroatien seinen wahren Schatz bald erkennt und behuetet!
PS 1: Was ist der Unterschied zwischen Oetzi und einem intelligenten
Schweizer? Oetzi haben sie bereits gefunden! (Danke Hermann aus dem Tirol
fuer deine Einlage!)
PS 2: Damit wir die vielbefahrene Kuestenstrasse bis Dubrovnik umgehen
koennen, entschieden wir uns fuer Inselhopping, denn die 20 km vom Vorort
bis Split-Hafen haben uns gereicht, dass wir diesen Stress und die Gefahr
nicht mehr haben muessen. Wir beradelten nun die wunderschoenen Inseln Hvar
und Korčula und fahren nun via Dubrovnik zur Grenze Serbien-Montenegro. Von
dort gehts dann weiter in den Kosovo zu Marcels Bruder Adrian und den
KFOR-Soldaten.
Maja und Marcel
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Bilder Reisebericht 5 |
6. Reisebericht 16.07.2005
Krasse Gegensätze
Bei der Vorbereitung für unsere Reise haben wir uns vorwiegend mit dem
Nahen Osten, sprich Türkei, Iran und Pakistan, beschäftigt. Mit Europa, das
nur cirka ein Viertel der Reise ausmacht, sehr wenig. Wir haben fast keine
Reiseführer gelesen, noch haben wir welche dabei. Wir reisen von Tag zu Tag
und fragen andere Reisende oder Einheimische, was man sehen muss. Oder wir
bekommen einen Reiseführer ausgeliehen aus dem wir uns das Wichtigste
rausschreiben können.
Was uns immer wieder empfohlen wurde war Dubrovnik. Und das zurecht, denn
die Altstadt, mit der urtümlichen und voll intakten Stadtmauer, hat uns
total begeistert. Wir sind die 2 Kilometer auf der massiven Mauer rund um „Stari
Grad“ (alte Stadt) spaziert und haben die Aussicht über die Dächer, den
Hafen und das Meer genossen, uns vorgestellt, wie die Wachen schon vor
Hunderten von Jahren von hier oben die Stadt bewacht haben. Gleichzeitig hat
uns erstaunt, dass fast keine Spuren von den serbischen Luftangriffen
während dem Krieg 91/92 zu sehen sind, ausser dass fast alle Dächer
renoviert sind. Dubrovnik wurde sehr schlimm verwüstet, aber davon ist heute
fast nichts mehr zu sehen.
Wir verbrachten noch einen weiteren Tag und Abend in dieser wunderschönen,
geschichtsträchtigen Stadt und erkundeten die vielen Gässchen, Plätze und
die schmucken Restaurants.
Nach mehr als vier Wochen Kroatien überquerten wir die Grenze nach
Montenegro und der Unterschied ist sichtbar. Hier wird neben der
lateinischen Schrift auch kyrillisch geschrieben und die Einheimischen
bekommen langsam die typischen Balkangesichtszüge. Da der montenegrinische
Küstenabschnitt nicht sehr lange ist, sind die Strände viel voller und die
Menschen scheuen sich nicht Seite an Seite zu liegen. Auch wir werden nach
der ruhigen Siestazeit umzingelt und waren sehr dankbar, dass uns niemand
auf die Füsse gestanden ist.
Seit Kroatien sind wir definitiv Exoten und die Leute gaffen unsere breiten
Fahrräder an, bis wir ihnen mit einem Lächeln winken, dann winken sie uns
lächelnd zurück. In Montenegro gibt es eigentlich nur noch einheimische
Touristen, das heisst Montenegriner und Serben die ans Meer reisen und
solche die im Ausland wohnen und hier ihre Familien besuchen. Das bemerkten
wir erst, als wir viele Autos mit Schweizer Kennzeichen sahen, die Insassen
aber weniger schweizerisch aussahen (wenn CH drauf, ist nicht gleich CH
drin!)
In der Nähe von Herzeg Novi lernten wir einen Serben kennen der uns zum
Kaffee einlud und dann mit uns und seiner Tochter um die Meereszunge bei
Kotor radelte. Er, als passionierter Radfahrer, hatte natürlich einen
riesigen Spass mit uns. So fuhr auch er einige Kilometer mit Marcels Velo
und zeigte uns die Sehenswürdigkeiten und die guten Bäckereien. Wir konnten
uns über Nacht in seiner Ferienwohnung einquartieren, so hatten wir viel
Zeit zum Diskutieren. Es ist sehr interessant nach der kroatischen auch die
serbische Meinung über den Krieg zu erfahren.
Der Grenzübertritt zu Albanien verlief für uns reibungslos, nur die
Autofahrer warteten über eine Stunde bis sie abgefertigt wurden. Wir konnten
mit den Rädern ganz locker die Kolonne überholen, yeah!
Nun waren wir in einer anderen Welt, um Jahre zurück versetzt. Und als
Velofahrer eine Attraktion, dass die Kinder oftmals mitrannten oder uns mit
ihren eigenen, quietschenden Fahrrädern ein paar Meter begleiteten. Die
Kinder haben nie nach Geld oder anderem gebettelt, sie freuen sich über eine
solche Abwechslung. Wir fühlten uns sehr willkommen und waren sehr positiv
überrascht, weil uns einige vom Durchqueren von Albanien abgeraten haben,
aufgrund der Kriminalität und Rückständigkeit dieses Landes. Wir mussten
weder Angst haben, dass uns jemand etwas stehlen würde, noch störte uns das
einfache Leben. Hier wird zum Teil noch mit Esel und Pferd Ackerbau
betrieben. Die Gastfreundschaft ist riesig und kommt von ganzem Herzen,
obwohl die Menschen hier sehr arm sind. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 70%,
das ist natürlich spürbar.
Für die erste Nacht durften wir bei einem Weinbauer das Zelt hinter seine
Reben stellen und ihre Dusche benützen. Wir waren beide schockiert, mit
welchen primitiven sanitären Anlagen die Menschen hier leben müssen und
trotzdem so zufrieden sind. Wir schämten uns fast mit unserem Luxus-Zelt,
das uns zuverlässig vor Wind und Regen schützt, und dieser Unabhängigkeit,
einfach gehen und leben zu können wie wir wollen. Die Jugendlichen träumen
von der weiten, grossen Welt und wir sind uns nicht sicher ob sie sie jemals
sehen werden. Oder ob es ihnen überhaupt gut tun würde unsere Heimat zu
sehen, wenn sie nachher wieder zurück in das landschaftlich wunderschöne,
aber wirtschaftlich rückständige Albanien gehen müssen.
Am Morgen wurden wir zum typischen albanischen Frühstück eingeladen und beim
Abschied wurden wir umarmt und geküsst. Obwohl wir uns nie richtig
verständigen konnten standen wir dieser Familie nah. So auch bei der
nächsten Familie wo uns der Vater auf der Strasse angehalten und uns zu sich
nach Hause eingeladen hat. Er hat 5 Kinder und wohnt in einem schönen Haus,
wo wir sofort ein Zimmer mit einem Doppelbett zugewiesen bekamen. Er kann so
wenig italienisch wie wir und trotzdem konnten wir sehr gut erzählen und uns
austauschen. Wir erfuhren, dass er genug Arbeit hat, weil er sich sehr
vielseitig engagiert. Er ist unter anderem Sportminister dieser Region und
konnte im 2003 bei der ersten albanischen Expedition am Mount Everest
teilnehmen. So haben sich Mäsi und er gefunden und vom Himalaya geträumt. Er
zeigt uns alle seine Fotoalben und Auszeichnungen, seine Frau und Kinder
verwöhnten uns mit feinem albanischem Essen.
Die Strassen in Albanien sind sehr schlecht, mit vielen Schlaglöcher oder
sogar Kies. Für die erste hügelige Etappe brauchten wir mehr als 4 Stunden
für 38 Kilometer. Bergauf extrem anstrengend, da es nur holpert und bergab
ist kein Tempo möglich, weil alles schüttelt und wir den Löchern ausweichen
müssen. Deshalb führte uns unser Gastgeber am nächsten Tag ein paar
Kilometer mit seinem Ladewagen, bis der Belag etwas besser wurde. Wir hätten
sonst unser nächstes Ziel, ein grösserer Ort, wo wir übernachten konnten,
nie erreicht. Diese Autofahrt im albanischen Stil war ein weiteres
abenteuerliches Erlebnis und wir waren froh, wieder mit unseren eigenen
Pferdestärken fahren zu können.
Was in Albanien extrem auffällt, ist, dass hier eigentlich jeder einen
Mercedes fährt. Und zwar den älteren, kantigeren Typ aus den 80er Jahren.
Einige davon haben sogar immer noch einen CH- oder D-Kleber; wer weiss, wie
diese Autos nach Albanien kamen... In der Strasse einer Kleinstadt haben wir
15 hintereinander parkierte Mercedes gezählt, dann kam ein VW und weitere
fünf Mercedes. Auch die Lastwagen sind aus der Schweiz oder Deutschland. Sie
sind immer noch mit der Werbung versehen wie z.B. ein ausgedienter
Feldschlössli LKW oder alte Postautos, die hier noch lange dienen.
Auf dem weiteren Weg meisterten wir einige Höhenmeter, wir fuhren sozusagen
durch die albanischen Alpen. Es gibt keine grossen Brücken also führt die
Strasse dem Berg entlang hoch und runter, von einem Plateau ins Tal und
wieder hoch. Wir bewältigten viele Serpentinen und bei der Talfahrt sahen
wir schon die Nächsten. Albanien ist spektakulär, eigentlich ein echter
Reisetipp, wenn man es gerne abenteuerlich hat. Die Landschaft sieht ähnlich
aus wie in der Schweiz.
Innerhalb der letzten zwei Wochen durften wir nun drei Länder erleben die
sehr unterschiedlich sind. Vom wohlhabenden, touristischen Dubrovnik, ins
fremde und unantastbare Montenegro durchs spektakuläre und sehr
gastfreundliche, einfache Albanien.
PS 1: Humor ist der Schwimmgürtel im Strom des Lebens!
PS 2: Wir sind noch im Kosovo und fahren bald weiter nach Mazedonien.
Maja
und Marcel
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Bilder Reisebericht 6 |
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7. Reisebericht 2. August 2005
Ende Balkan, Asien in Sicht
Nun sind wir im tiefsten Sommer angekommen: in Griechenland. Das Land der
Olivenbaeume, Fetakaese, Moussakas, Souvlakis und wie sie alle heissen, die
feinen griechieschen Spezialitaeten.
Die Hitze von ueber 50 Grad Celsius in der Sonne lockt uns jeden Morgen sehr
frueh aus dem Zelt, ueber Mittag versuchen wir uns, im eigenen Schweiss
liegend, etwas zu erholen und Nachts wuenschen wir uns eine Klimaanlage!
Doch was geschah bevor wir die Grenze ins Hellas-Land ueberschritten und die
Uhr um eine Stunde vorstellen durften?
Wir ueberschritten die Grenze in den Kosovo. Wenn wir von den Leuten ueber
unsere Reiseroute gefragt wurden, war der Kosovo immer als schlimmste Wahl
in Europa verurteilt worden. Sogar ein Beamter in Bern hat uns davon
abgeraten:'Wir haetten sicher schon am Zoll Schwierigkeiten.' Gefuehrt von
unserem eigenen Gefuehl fuhren wir trotzdem durch Albanien und waren sehr
gespannt was am Zoll auf uns zu kommen wird.
Wider aller Erwartungen begruessten uns sehr freundliche UN-Polizisten wie
z.B. Thomas aus Deutschland. Sofort wurden wir zum Kaffee eingeladen und
erfuhren, dass Polizisten aller Laender im Kosovo stationiert sind um die
kosovarische Polizei zu unterstuetzen und auszubilden. Uns kam das sehr
entgegen, waren doch alle sehr begeistert, dass zwei Tourenfahrer bei ihnen
am Zoll vorbeifahren und erst noch nach Indien wollen. Wir fuhren mit ein
paar weiteren Kontakt-Adressen und einem guten Gefuehl weiter in den Kosovo
hinein.
Der Kosovo ist fuer die Serben das Herz des Landes, da es Landschaftlich wie
Geschichtlich sehr interessant ist. Da sich nun aber die Albaner, die schon
seit Jahrhunderten hier sesshaft sind, und die Serben nicht (mehr)
verstehen, gibt es zwischen ihnen schon lange eine Feindseligkeit die 1999
mit dem Kosovokrieg den Hoehepunkt erreichte. Seither sind hier unzaehlig
viele Polizisten und KFOR-Soldaten stationiert, die fuer Sicherheit und den
Wiederaufbau sorgen. Die konstante Praesenz bemerkten wir auch, als wir in
Prizren, der suedlichsten Stadt im Kosovo, in einem Strassenbeizli sassen,
die Grillspezialitaeten probierten und eine Patrouille nach der anderen
vollbewaffnet vorbeispazieren sahen.
Im Vergleich zu Montenegro und Albanien gehts dem Kosovo bedeutend besser.
Einmal organisierten wir uns einen Chauffeur, der uns einen Tag lang, den
Westen mit der eindruecklichen Schlucht im noerdlichen Teil, zeigte. Einen
weiteren Einblick erhielten wir bei den Schweizer KFOR-Soldaten wo wir
Adrian, Marcels Bruder, trafen. Ihre Aufgaben und die Organisation
beeindruckten uns sehr. Und natuerlich war es sehr toll, wieder einmal
Adrian zu sehen und ueber seine Witze lachen zu koennen.
Auf unserem Weiterweg nach Mazedonien fuhren wir ueber den Prevalac, ein
wunderschoener, kurvenreicher und wenig befahrener Pass. Wir hoerten, dass
auf der Passhoehe manchmal Zelte stehen, waren aber trotzdem erstaunt, als
wir schon von Weitem so viele Zelte sahen. Dann, oben angekommen, standen
wir Mitten in der Zeltstadt, die eher wie ein Fluechtlingslager aussah mit
all den alten UNHCR-Zelten, uralten Wohnwagen und kleinen Camions, deren
Ladeflaeche als Schlaflager diente. Und dann wir Mitten drin mit unserem
North Face Zelt und ein Trubel Leute um uns herum. Hier verbringen also die
Kosovo-Albaner ihre Ferien.
Beim Zeltnachbarn durften wir ueber Nacht unsere Raeder ans Bettgestell
ketten. Auch sie sind sich der Diebstahlgefahr durch ihre Landsleute
bewusst. Da wir aber sichtlich eine Attraktion waren, wurden wir von 1000
Augen bewacht und wir fuehlten uns sehr wohl. Fuer uns ein einmaliges
Erlebnis.
Mazedonien durchquerten wir recht zuegig, da es sehr fahrradunfreundlich
war. Es gibt wohl keine Abgaskontrollen, denn was die Wagen hier rauslassen
ist absolute Zumutung. Maja wurde es einmal richtig uebel waehrend einer
Fahrt bergauf. Dann hat es fast nur Autobahnen oder Schnellstrassen die wir
zu meiden versuchten. Sehenswuerdigkeiten gibt es nicht sehr viele, schoen
war der Lake Ohrid im Westen. Das ist der groesste, aelteste und tiefste See
Europas. von hier aus ueberquerten wir einen weiteren wunderschoenen Pass
der uns durch einen National Park fuehrte.
Bei der momentanen Hitze sind Paesse recht anstrengend. Die Emotionen
wechseln von super schoen zu grausam brutal waehrend dem man den Berg
hochklettert. Doch die wunderschoene Aussicht, die man auf der Passhoehe
geniessen kann, und die rassante Abfahrt durch baumgesaeumte Alleen mit
Blick auf die Landschaft die wir als naechstes durchradeln duerfen, belohnen
die Muehe. Waehrend der Abfahrt denken wir oft, zum Glueck sind wir nicht
diese Seite hochgefahren, denn man hat das Gefuehl dieser Aufstieg sei viel
laenger da man Meter um Meter im Nu hinter sich laesst. Wir waehlen die
Routen so aus, dass wir auf Nebenstrassen fahren koennen die verkehrsarm
sind. Die fuehren aber meistens ueber einen Berg. Inzwischen haben wir schon
einige Hoehenmeter geleistet, dass die Steigungen nun recht gut zu meistern
sind. Wir sind bereits Turbo-Schnecken wenns ums bergauf fahren geht!
Griechenland ist definitiv unser haertestes Trainingslager bevor wir durch
die Weite Anatoliens und spaeter durch die Wuesten Irans radeln werden. Der
Strassenbelag ist makellos aber mit den steilen Strassen haben die Griechen
nicht gespart. Wenn es hoch geht, dann richtig massiv, ohne den Gipfel des
Huegels auszulassen. Kaum haben sich die Oberschenkel waehrend der Abfahrt
erholt beginnt schon die naechste Steigung. Unser Schwung, dank des vielen
Gepaecks, wird abrupt unterbochen und schon kriechen wir, wegen des vielen
Gepaecks, wie Lastesel dem Strassenrand entlang Richtung naechstem
Schattenplatz. Die Sonne geizt nicht mit Hitze und Braeune. Maja wuenscht
sich zur Zeit nichts sehnlicher als eine Getraenkeflasche die stets mit
eisgekuehltem Wasser gefuehlt ist. Marcel hingegen trinkt gerne heisses
Wasser, wuenscht sich aber eine konstante Regenwolke vor der Sonne
platziert; ohne zu regnen natuerlich!
In jedem Land informieren wir uns bei den Einheimischen ueber seine
Geschichte. Nachdem im ganzen Balkan das Thema Krieg im Vordergrund
gestanden hat, ist es hier die Geschichte von Philipp, dem Vater von
Alexander dem Grossen, den Roemern, den Byzantinern und den Tuerken, die in
Griechenland ihre Spuren hinterlassen haben. Die kann man teilweise noch
heute sehen. So stehen wir in Mitten eines Amphitheaters und stellen uns
vor, Marcel ist der Gladiator und Maja der Loewe; wer gewinnt?
PS1: Maja natuerlich! Nein, Marcel, was meinst du denn? Nein, Frauenpower...
PS2: Wie jeden Abend suchten wir auch letzten Sonntag einen kuscheligen
Platz fuer unser Zelt. Peter, ein Deutscher, der schon seit 17 Jahren in
Griechenland lebt und seine Frau Efi, eine echte Griechin, haben uns ganz
spontan ein kuscheliges Plaetzchen im Garten unter einem Birnenbaum
angeboten. Nach zwei Naechten und gutem Verhalten wurde uns nun sogar ein
Bett im Haus zugewiesen; wir sind wirklich Glueckspilze! Efcharısto Peter,
Efı und Jasonas (ıhr kleıner 4jaehrıger Sohn), wir sehen uns wieder! Wir muessen nun leider weiterfahren nachdem
alles am Fahrrad wieder funktionstuechtig ist (die Griechen halfen uns beim
Schweissen, Schleiffen, und wieder zusammen bauen), denn wir stecken in
einem kleinen Nest in Nordgriechenland und sollten Mitte August in Istanbul
sein, wo wir Joerg, Maja's Bruder treffen...
Maja und Marcel
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Bilder zum 7.Reisebericht |
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8. Reisebericht 31. August 2005
Letzte Wochen in Europa
Ein paar Tage nachdem der letzte Reisebericht abgeschickt wurde, indem
wir wegen dem sehr heissen Wetter jammerten, überraschte uns ein gewaltiges
Gewitter und es kühlte ein wenig ab. Es goss in solchen Mengen, dass die
griechische Kanalisation vollstaendig versagt und sich tiefe Lachen
bildeten. Aber wir zwei Wetterfrösche haben frühzeitig reagiert und konnten
vom Trockenen aus zusehen, wie die Autos das tiefe Wasser wegspritzten.
Lieber sie als wir!
Nachdem wir ja bei und mit Efi, Peter und Jasonas ein paar tolle Tage
erleben durften, fuhren wir durchs Landesinnere damit wir dem Ferienverkehr
der Küste entlang ausweichen konnten. Die Türken, vorwiegend aus
Deutschland, sind unterwegs in ihre Heimat. Meistens vier - fünf Autos rasen
hintereinander sehr zielstrebig Richtung Osten.
Viel langsamer, aber nicht weniger zielstrebig, sind wir unterwegs.
Langsamer vorallem wenn wir der Landkarte vertrauen und das Gefühl haben,
wir kommen über die kleinsten Landstrassen im Nordosten von Griechenland
problemlos vorwaerts. Waere gut möglich, wenn die Strassen asphaltiert und
für nicht griechisch beherrschende Travellers beschildert sein würden. So
fuhren wir im Zickzack und forderten unseren Kompass und die Nerven.
Höhepunkt war eine Dreckschlacht, die klumpenweise an unseren Fahrradtaschen
klebte und an allen erdenklichen Stellen die Bewegung blockierte, igitt!
Dabei hatte sie Marcel zwei Tage vorher auf Hochglanz poliert. Nach ein paar
Beruhigungsminuten war der Wille, den Dreck abzuwischen und den richtigen
Weg zu finden, wieder komplett da und wir kamen spaeter sogar auf die
richtige Strasse Richtung Alexandroupoli. Leider war das eine
Zufahrtsstrasse zur Autobahn (auf welche uns alle Griechen immer schicken
wollten) also blieben uns wieder mal nur die Nebenstrassen. Unterwegs holte
uns der Hunger sowie die Müdigkeit ein und die hügelige Landschaft quaelte
uns trotz wunderschöner Kulisse. Wie eine Fata Morgana sahen wir im
naechsten kleinen Dorf einen Wohnwagen neben einem Haus stehen und sogar ein
Auto mit österreichischem Kennzeichen stand davor. Nach freundlichen
Hallo-Rufen luden uns Franz und Erika zu einem Bier ein und boten uns sogar
den Wohnwagen als Schlafplatz an, wow! Wir werden von ihnen kulinarisch
verwöhnt, am Abend füllt sich sogar die ganze Stube mit Freunden und
Einheimischen um den Besuch zu begrüssen und über unsere wahnwitzigen
Reiseplaene zu lachen.
Am naechsten Tag gehen wir zusammen ans Meer, Maja bleibt bei einer
türkischen Familie am Strand, waehrend Marcel mit Franz im Meer nach
Miesmuscheln taucht. Die gibts dann mit Öl und Knoblauch gekocht zum Znacht,
dazu natürlich Ouzo!
Von Alexandroupoli aus nahmen wir die Faehre nach Samothraki und verbrachten
auf dieser kleinen, gemütlichen Insel drei Ruhetage. Aus Zufall (oder doch
Schicksal?) erholten sich auch Gabi und Susanne aus Basel auf der Insel. Als
wir von der Besichtigung einiger Saeulen aus dem x. Jahrhundert vor Christus
zu unseren Fahrraedern zurück kamen, begrüsst uns Susanne mit einem "Hoi
zaemme" auf echt Baseldyytsch. Da staunten wir nicht schlecht, sass sie doch
neben zwei vollbepackten Tourenbikes und wartete auf Gabi die auch die
Saeulen bestaunte. Jetzt ging die Fragerei, das Velobestaunen und
Fachsimpeln los. Zum Glück nahmen sie dieselbe Faehre wie wir so konnten wir
uns gegenseitig Erlebnisse erzaehlen. Sie sind seit dem 2. April durch
Frankreich und Italien gefahren, mit der Faehre nach Igoumenitsa und quer
durch Nordgriechenland geradelt. Eigentlich wollten die M&M's nach Ankunft
in Alexandroupoli direkt losradeln, aber wir entschieden uns dann mit Gabi
und Susanne eine Nacht auf dem Campingplatz zu bleiben, Sardellen zu braten
und am naechsten Tag zusammen über die türkische Grenze zu radeln. Wir
wollen naemlich alle nach Istanbul, wieso denn nicht zusammen fahren?
In einer 4er-Kolonne, die Spitze wechselt sich regelmaessig ab, die anderen
fahren im Windschatten, radelten wir mit vier Pferdestaerken und einem neuen
Fahrgefühl, die letzten zehn Kilometer sogar über die Autobahn, in die
Türkei hinein. Nach der Grenze campierten wir zwischen Sanddünen und Marcel
und Gabi kochten ein feines Znacht. Mit zwei Kochern und sechs Pfannen
laesst sich einiges machen!
Die naechsten sechs Tage bis Istanbul waren lustig und auch lernreich, wir
konnten sehr gut voneinader profitieren. Natürlich lenkten wir die
Aufmerksamkeit noch mehr auf uns: Ein Mann und sein Harem und alle auf
Fahrraedern! Ein ziemlich komisches Bild, das sahen wir ihren Gesichtern an.
Am 17. August erreichten wir Istanbul nach stolzen 3700 Fahrradkilometern.
Das war ein Erinnerungsfoto vor der Sultan Ahmed Moschee (blaue Moschee)
wert!
Die folgenden zwei Tage machten wir uns mit dem hektischen Istanbuler Leben
vertraut, lernten am Grand Bazaar richtig feilschen, erledigten und
besorgten uns Notwendiges bis dann unser Besuch, Maja's Bruder Jörg und
Katrin, eintrafen. Das Wiedersehen war wunderschön, sind doch schon
dreieinhalb Monate seit dem Abschied in der Schweiz vergangen. Mit ihnen
besichtigten wir alles Sehenswerte: Moscheen, Palaeste, die diversen Bazaars
und assen uns durch die Welt der Kebabs. Da wir schon über eine Woche in der
Türkei waren, kannten wir die türkische Mentalitaet schon ein bisschen und
wir konnten unserem Besuch beim Einstieg in den Orient etwas helfen. Zum
Schluss war sogar Jölle, der zu-gutmütige, ein guter Feilscher und
ergatterte sich 12 Paar Nike-Socken für 14 Franken.
Istanbul ist eine gewaltige Stadt mit 16-20 Millionen Einwohner. Wo man
hingeht, es wimmelt von Leuten die gemütlich Çay trinken oder enthusiastisch
Diskutieren, alles erdenkliche fotografieren oder ehrfürchtig die Moscheen
bestaunen. Sechs Mal pro Tag beten die Muezzins von den Minaretten, die
Gesaenge vermischen sich in ein Wirrwarr voller Stimmen und Gefühle. Ein
grausames Chaos herrscht auf den Strassen, überall sind Haendler die ihren
Kram verkaufen wollen; wenn die Sonne scheint Ansichtskarten, beim kleinsten
Regen Regenschirme. Die Verkaeufer können jede Sprache wenns ums Geschaeft
geht; die Cleverness ist nicht an ihnen vorbei gegangen! Istanbul lebt!
PS1: Die Plumpsklos, welche hier die Grundausstattung einer Toilette
darstellen, haben, wenn man sich erst daran gewöhnt hat, auch ihr Gutes: 1.
man kommt nicht in Versuchung auf der Toilette die Zeitung zu lesen 2. man
ist immer über das Geschehen im Darm informiert 3. wenns mal dreckig sein
sollte (was es eigentlich immer ist) kann mit dem Schlauch nachgereinigt
werden. Aber eines bleibt: der Gestank!
PS2: Waehrenddem Gabi und Susanne bereits Richtung Syrien radeln, Jörg und
Katrin heil in der sauberen und organisierten Schweiz angekommen sind, haben
wir den Kontinent gewechselt und fahren nun dem Schwarzen Meer entlang gen
Osten... Marcels Eltern, Margrit und Peter, besuchen uns zur Zeit und, wie
Jörg, waren auch sie eine "Filling-Station" mit Material und Energy Food aus
der Schweiz. Nun sind Elif und Tigi noch schwerer, aber mit viel Gutem
bepackt!
Maja und Marcel
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Bilder zum 8.Reisebericht |
9. Reisebericht 11. September 2005
Land und Leute
Istanbul haben wir mit der Fähre verlassen wie wir diese Weltstadt
angesteuert haben, um den ganzen stressigen Verkehr bis in die Stadtmitte zu
umgehen. Sogar Einheimische haben uns dazu geraten und das war eine gute
Entscheidung, lernten wir doch noch die kleine Türkeli Adasi Insel im
Marmarameer kennen, die als Party-Insel alle Istanbuler aus der Stadt zieht.
Und kaum waren wir aus Istanbul raus und haben den asiatischen Kontinent
betreten, bemerkten wir, dass auch hier, ca. 80km vom Stadtzentrum entfernt
ein wunderschöner Ort liegt, der im Sommer pulsiert. In Sile, wunderschön am
Schwarzen Meer gelegen, erholen sich die Istanbuler vom hektischen und
lauten Leben in der Stadt.
Für uns ist es ein riesiger Schritt nun in Asien unterwegs zu sein, nachdem
wir so viel darüber geredet und geträumt haben. Gerne hätten wir den
Bosporus selber überquert, doch Fahrradfahrer dürfen die Brücke nicht selber
überqueren. Schade, wäre sicher ein super Erlebnis gewesen, eine dieser zwei
bombastischen Brücken überqueren zu dürfen. Unter uns die riesigen
Frachtschiffe, die mit gewaltiger Kraft das Wasser vor sich herschieben und
die kleinen Schiffe zum Schaukeln bringen. Daneben die Touristenschiffe und
Fähren die tagaus tagein den Bosporus belagern um Sehenswürdigkeiten zu
zeigen bzw. die Menschenmassen auf die andere Seite zu bringen.
Wir haben uns nun aber sofort wieder mit viel Verkehr, schlechten Strassen
und rasenden
Busfahrern zu beschäftigen die uns das Radeln nicht sehr einfach machen. Wir
wussten, dass die Küstenstrasse dem Schwarzen Meer entlang sehr hügelig und
anstrengend ist, doch wenn nur die Strassen besser wären! Patchwork-Strassen
oder Kieselbeläge schütteln uns durch und lassen die Arme fibrieren bis sie
beissen. Die Gummis unserer Pneus werden abgeschafft, die Räder müssen die
ganzen Schläge aushalten und uns sollte noch die Sonnenbrille auf der Nase
sitzen bleiben. Nicht selten quälen wir uns im 1. Gang die Strasse hoch,
neben uns quietschen die Reifen des Taxichauffeurs und die kleinen
Kieselsteine spicken uns an die Beine. Wenn es regnet, was es hier an der
Schwarzmeerküste öfters tut, füllen sich alle Schlaglöcher mit Wasser und
wir müssen uns sehr konzentrieren, dass wir unsere Rösser um die Lachen
herumsteuern. Wenn der Teer durch die Sonne aufgeheizt ist, wird er für uns
klebrig, das bremst ganz gemein und man hat das Gefühl eine Platte zu haben.
An vielen Stellen erneuern sie die Strassen, da fahren wir nur auf einer
Piste. Jeder fährt wo es ihm passt und staubt und hupt uns ein. Vor allem
bei Regen wird's richtig mühsam und der Schlamm klebt zwischen Felgen und
Bremsklotz. Die seitlichen Abschlüsse der Strassen sind sehr ungenau und
brüchig, oft gibt's keinen Platz für Fahrradfahrer, denn wer fährt in der
Türkei schon mit dem Fahrrad?
Uns kann kein Türke verstehen, was wir mit dem Fahrrad hier machen.
Fahrradfahren ist anstrengend, zu gesund und, da haben sie recht, sehr
gefährlich. Jeder Türke weiss, dass die Türken schreckliche Autofahrer sind,
deshalb würde er aber nicht anständiger fahren. Im Gespräch, unter Freunden
und in der Familie ist jeder Mitmensch das Wichtigste, sie zelebrieren ihren
Freundschaftssinn sehr intensiv, aber auf der Strasse ist jeder ein Feind.
Diese Meinung haben wir, sie wohl nicht, denn sie haben sichtlich den Spass
beim Fahren und zusehen wie uns die Wasserlache anspritzt!
Aber Achtung, es tönt alles viel schlimmer als es ist. Wir können es
meistens mit Humor nehmen, sind langsam gewohnte Radfahrer und haben auch
unsere Tricks. Und zwischendurch mal einem Autofahrer nach schreien tut auch
gut! Der Spass am Radeln ist uns noch lange nicht vergangen, wir haben ja
noch einige Kilometer vor uns, zum Glück.
Die erste Woche nachdem wir Istanbul verlassen haben, hatten wir unsere
Reisebegleiter dabei, Marcels Eltern Margrit und Peter, die uns mit dem Auto
begleiteten. Auch sie hatten mit diesen schlimmen Strassen zu kämpfen, das
heisst nicht nur wir Radfahrer leiden. Zur Erleichterung konnten wir ihnen
einen Tag lang das Gepäck abgeben, das war dann schon ein anderes
Fahrgefühl, dafür hatte das kleine Auto seine Mühe.
Für uns war es das erste Mal, dass wir mit einer Begleitung unterwegs waren
die nicht Fahrrad fährt. So war auch die Organisation viel schwieriger und
die Rücksichtnahme von Peter und Margrit sehr gefordert. Sie haben das aber
souverän und mit sichtlichem Einsatz gemacht obwohl es für sie nicht die
erholsamen Ferien waren die sie eigentlich verdient hätten. Denn hier an der
Schwarzmeerküste herrscht noch kein Tourismus, jedenfalls kein
Ausländischer. Die Hauptwirtschaftszweige sind Kohle-, Erdöl- und
Schiffsindustrie, das Wetter ist eher rau und wild und das Leben sehr
einfach und teilweise noch ziemlich rückständig. Was aber nicht weniger
interessant ist, konnten wir doch schon öfters die Haselnussernte
beobachten. Trotzdem werden wir oft gefragt was wir hier überhaupt machen,
denn logischerweise fallen wir auf, auch wenn wir schon recht gut den
türkischen Akzent beherrschen. Wir mussten erfahren, dass es nicht in jeder
Ortschaft ein Hotel hat und man nicht den Anspruch auf ein schönes Zimmer
haben kann mit einem Standart, einer Sorgfalt und Sauberkeit wie wir es
gewohnt sind. Dann kommt noch der Kulturwechsel dazu und die gemütliche
Lebenseinstellung. Leider regnete es zu Beginn etwas heftig, dass auch wir
ins Hotel ausweichen mussten; hier spürten wir dann den Budget-Unterschied,
doch man leistet sich ja sonst nichts….Im Zelt schlafen können wir noch
lange genug!
Da nun die Tage wegen des Sonnenstandes immer kürzer werden, müssen wir
weiterhin unser Zeitmanagement sehr flexibel halten und täglich neu
organisieren und Entscheide treffen. So wollte Maja um 17 Uhr noch ins
Stadtzentrum von Karasu steuern, Mäsi bereits einen Zeltplatz suchen. Da wir
aber noch ein paar Lebensmittel einkaufen mussten, gewann Maja die heutige
Entscheidung. Während sie im Supermarket das Notwendigste einkauft unterhält
sich Mäsi draussen mit einer Schar Männer, die sich zu ihm gesellt hat und
interessiert die Fahrräder bestaunt. Als Maja dann raus kommt staunt sie
nicht schlecht, steht doch ein Türke vor ihr der ihr sehr bekannt vor kommt
und "Berndüütsch" spricht. Das gibt's doch nicht! Da sind Marcel und Maja
ein Jahr lang die Aarbergergasse in Bern rauf und runter spaziert, haben
täglich den Kebab-Take-Away-Stand passiert und gedacht, ja in der Türkei
essen wir dann wohl nur noch Kebab und da steht er nun, Cengiz, der
Pronto-Bar-Besitzer der hier in Karasu aufgewachsen ist und nun Ferien
macht. Die Freude war riesig, der Zufall unglaublich, eine ganz verrückte
Begegnung! Seiner Einladung hin folgend vergassen wir unser Zeitmanagement
und liessen uns von ihm zuerst mit türkischer Kost, dann mit türkischer
Glace und türkischem Cay verführen. Die Türken sind ja bekannt für ihre
Gastfreundschaft und auch Cengiz wollte für uns nur das Beste! Zusammen mit
ihm als Dolmetscher und seiner Familie verbrachten wir dann den Abend, uns
wurde eine Wohnung zugewiesen und eingerichtet, wir fühlten uns wie Könige.
Es wurde wiedermals bestätigt, dass viele Entscheidungen richtig sind und
ein gutes Ende nehmen. Wir können uns immer nur auf unser Bauchgefühl
verlassen und das hat uns noch selten enttäuscht! Danke Cengiz, wir freuen
uns schon jetzt auf einen Besuch und auf einen feinen Kebab bei dir in Bern!
Seit dem Grenzüberschritt in die Türkei sind wir nun definitiv im Islam und
werden täglich mehrmals daran erinnert. Jedes Dorf, auch wenn es in Mitten
der dichten Wälder sehr einem Schweizer Dorf ähnelt, hat eine Moschee mit
der typischen hohen Minarett die schon von Weitem zu sehen ist. Der Muezzin
singt mehrmals im Tag von seiner Minarett, manchmal gefühlsvoll und
ergreifend, manchmal eher schräg und kläglich.
In der Türkei gibt es undurchsichtige Vorschriften. So ist es für uns noch
ein Rätsel was die Meinung ist wie sich eine Frau kleiden sollte. Man sieht
von bauchfrei und Trägershirt bis komplett verhüllt alles. Manchmal bleiben
nur noch zwei Augen die zwischen viel schwarzem Stoff blinzeln. Maja ist es
sich bereits gewohnt gewesen, dass man sie mustert, doch seit der Türkei
zieht sie mit den blonden Haaren und natürlich auf dem Fahrrad sitzend noch
mehr Blicke auf sich und hat nun ihre Kleidungsart etwas umgestellt. Die
schulterfreien Fahrradtrikots hat sie bereits mit nach Hause gegeben und
sucht auf den Märkten nach passender Bekleidung. Das Kopftuch, welches nur
bei Moscheenbesuch benötigt wird, bleibt aber hoffentlich bis im Iran in der
Lenkertasche und dient als Polsterung der Fotokamera.
Um nun auf die Umfrage zurückzukommen, wo man abstimmen konnte ob sich Maja
die Haare kurz schneiden und schwarz färben sollte: Man hat Maja geraten die
Haare nicht kurz zu tragen, da es sehr wichtig sei, dass man die Frau sofort
erkennt. Also hat sie sich in Istanbul nur die Haare gekürzt um von der
Hitze der ganzen Haarpracht etwas erleichtert zu werden. Und schwarz färben
lohnt sich nur bei ganz kurzen Haaren, also bleibt sie blond, aber in
ständiger Begleitung von Mäsi ;o)
PS 1: kommt später…
PS 2: Zwischen dem tosenden Meer und den hügeligen Bergen, wenn möglich im
Trockenen!
Maja und Marcel
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Bilder zum 9.Reisebericht |
10. Reisebericht 29. September 2005
Maennerwelt
Wir radeln also der Schwarzmeerküste entlang, bergauf, bergab, in eine
Bucht hinein und wieder zum Meer. Durch dichte Waelder, fettes Grün, mal
Gegenwind, mal Seitenwind, mit Aussicht auf die steilen Felswaende rechts
und das weite grosse Schwarze Meer links. Wir kommen nur langsam vorwaerts,
mit Steigungen die jenseits von 15 % liegen. Wir fahren eine halbe Stunde
lang im 1. Gang bei 4 km/h, am Abend sind wir müde, die Beine schwer und auf
unserer 1:700'000 Landkarte (es gibt keine genaueren) sind wir ein paar
Centimeter weitergekommen. Wir absolvieren ein super Ganzkörpertraining,
alle Muskeln müssen mitarbeiten. Das Hinterteil schmerzt ab und zu, vorallem
beim Bergauffahren, dann brauchts eine Schüttelpause und es geht wieder. Und
Hornhaut gibt es definitiv nicht, unsere Pos sind samt und weich wie eh und
je!
Hier haben wir auch weitere Tourenfahrer getroffen, mit Fahrrad oder
Seitenwagen unterwegs. Wir konnten Strapazen und Erfahrungen untereinander
austauschen und über die kriminellen Automobilisten jammern. Doch nicht nur
die stinkigen Abgase, auch der schlechte Strassenbelag fordern uns alle
heraus.
Nach einer Abfahrt auf rutschigen Kieselsteinen freuten wir uns sehr auf den
kommenden alten, feinen, durchgefahrenen, schwarzen Belag, der die Raeder
schön rollen laesst. Waehrenddem wir dann im Dorflaedeli einkaufen,
geschieht der 20 Sekunden Spuk: Eine riesige Teermaschine kommt uns
entgegen, spritzt eine Schicht Teer auf den Belag. Hintendran der Laster,
der die kirschgrossen, spitzigen Kieselsteine regelmaessig auf der Strasse
verteilt und dann die Walze, die die Kieselsteine in den Teer drückt.
Fertig! Uns bleibt der Atem weg, der Frust waechst. Der Belag kostet uns so
viel Kraft und Konzentration, dass wir die wunderbare Aussicht kaum mehr
geniessen können. Das sind dann auch ein Teil der Gründe, warum wir uns in
Sinop vom Meer verabschiedeten und landeinwaerts fuhren.
Das war eine super Entscheidung. Zwar mussten wir zuerst eine hohe Bergkette
überqueren, die das Schwarze Meer von Zentralanatolien trennt, aber das
Lanschaftsbild veraenderte sich von Kilometer zu Kilometer und nach dem
vielen Grün genossen wir die ockerfarben, braun, rötlich schimmernde Flaeche.
Wir bemerkten nun so richtig dass es Herbst wird. Zu unserem Erstaunen
konnten wir wiedermal 50 Kilometer auf der Flaeche radeln und kamen
vorwaerts. Gibt es sie also doch noch, die flachen Strecken in der Türkei?!
Auf den Feldern war Hochbetrieb. Die Ernte von Aepfeln, Zwiebeln,
Zuckerrüben, Mais, Tomaten, grünen Paprikas, Kartoffeln, riesigen
Kohlköpfen, Feigen und Pfirsichen waren in vollem Gange. Der Strasse entlang
stehen immer wieder kleine Verkaufsstaende wo man das Gemüse und die Früchte
frisch ab Bauernhof kaufen kann. Unter einem Kilo laeuft aber gar nichts.
Wir wollten nur vier Aepfel, mussten uns dann mit Haenden und Füssen wehren,
dass wir am Schluss nur 8 Stück mitnehmen mussten. Die Haelfte bezahlt die
Haelfte geschenkt. Die Grosszügigkeit der Türken ist riesig, viele wollen
uns etwas schenken. Sie halten uns auf der Strasse an, bringen Früchte. Wir
fotografieren Maiskolben die an einer Hauswand haengen und in der Sonne
leuchten, die Baeuerin schenkt uns Tomaten, Paprika und Schafskaese. Wir
denken wir haben einen gut versteckten Zeltplatz gefunden, da kommen Kinder
und bringen Melonen und Trauben. Alles immer ganz frisch geerntet, es
schmeckt super. Einmal mussten wir dreimal am Tag Tomaten essen, damit
wieder Platz hatten für neue Geschenke. Manchmal konnten wir uns nicht mehr
wehren und mussten unsere Taschenorganisation auf den Kopf stellen, damit
wir auch die geschenkten zehn Eier heil transportieren konnten. Oftmals
waren wir richtig überwaeltigt von der Gastfreundschaft und Grosszuegigkeit.
Die Leute rufen uns zu, wir sollen zum Çay kommen, wollen türkischen Kaffee
servieren; wenn wir jedes Angebot angenommen haetten würden wir ein halbes
Jahr nur in der Türkei unterwegs sein.
In Zentralanatolien wurde es tagsüber wieder richtig heiss, der Schweiss
lief non-stop und brannte in den Augen. Wir tranken sehr viel Wasser und
mussten einmal bei Knappheit zu einem Haus fahren und nach Wasser fragen
bevor wir einen Zeltplatz suchten. Die Frau, eine waschechte Türkin wie im
Bilderbuch, nannte uns Madame Maja und Monsieur Marcel. Sonst sprach sie nur
türkisch. Sie nahm Maja mit ins Haus, zeigte ihr wie man Çay und türkischen
Kaffee macht, nebenbei noch wo die Toilette und die Dusche ist und das Bett
wo wir schlafen sollen!!!??? Wir hatten noch kein Wort von Schlafen
gesprochen doch für sie und ihren Mann war ganz klar, dass wir bei ihnen
bleiben wie wenn wir angemeldet gewesen waeren. Das war natürlich ein super
Angebot. Als wir uns dann fürs Abendessen kochen behilflich machen wollten,
scheuchte sie Marcel aus der Küche. Er musste mit dem Hausherr in der Stube
fernsehen, waehrenddem Maja in der Küche kraeftig mithelfen musste. So wars
auch beim Abraeumen, Abwaschen, Tee servieren. Die Aufgaben sind klar
verteilt.
Das bemerken wir jeden Tag wenn wir in ein Dorf fahren. Es sind nur Maenner
auf der Strasse, sitzen im Çay Evi (Teehaus), trinken Çay, spielen
Backgammon oder Karten, plaudern und diskutieren oder sitzen einfach nur da
und gaffen! Vor allem wenn zwei Fahrradfahrer vorbeifahren, einer davon sogar
weiblich und blond. Die Frauen sehen wir oft nur aus den Fenstern blinzeln
oder sie sind auf den Feldern am Arbeiten.
Die Hauptaufgabe der Maenner scheint zu sein, die Frauen am Morgen aufs Feld
zu fahren und sie am Abend mit dem Traktor wieder abzuholen. Dazwischen
beten sie in der Moschee, spielen geschickt einhaendig mit dem muslimischen
Gebetskranz, rauchen eine Zigarette nach der anderen, und knabbern
Sonnenblumenkerne mit spezieller Technik aus der Schale raus. Oder dann
arbeitet einer und fünf schauen zu. Sie trinken aber nie Alkohol. Die Türken
nehmen es eh ganz gemütlich, sie haben immer Zeit für uns oder für ihre
Freunde. Im Einkaufsladen gehts langsam aber stetig vorwaerts, an der
Hotelreception genau so. Aber auf der Strasse sind sie absolut im Stress.
Jeder will schneller sein, überholt an den unmöglichsten Stellen, hupt,
bremst, gibt Gas. Der dauernde penetrante Verwesungsgestank zeigt, dass auch
nicht auf die Tiere Rücksicht genommen wird die an der Strasse stehen. Wir
haben schon einige Schildkröten vor dem Überfahrungstod gerettet. Die
Lastwagenfahrer scheuchen uns auch mit ihrem endlosen Hupen wie Hühner von
der Strasse.
Und auch beim Essen geht es immer schnell. Hier wechselt unser Tischnachbar
dreimal waehrenddem wir essen. Wir bevorzugen die Lokantas die es in jedem
Dorf gibt. Dort kann man direkt in die Pfannen und Töpfe schauen und
bestellen was einem passt. Oftmals gemischtes Gemüse mit Huhn-, Rind- oder
Lammfleisch dazu Reis. Oder dann einen Döner vom Spiess wo das Fleisch daran
bruzelt und abgeschabt wird. Fürs Dessert geht man dann zum Pastanesi wo wir
sehr gerne Sütlaç (Milchreis) oder die zuckersüssen Baklavas essen.
In Amasya angekommen, eine wunderschöne Stadt wie ein Amphitheater an den
Berg gebaut, treffen wir auf Rahel und Rene aus Bern, die für drei Wochen in
der Türkei mit dem Fahrrad Ferien machen. Mit ihnen besteigen wir das Castle
hoch oberhalb der Stadt mit einer 360 Grad Aussicht und gehen dann das erste
Mal ins Hamam. Dieses Hamam (türkisches Bad) ist gemischt, also können wir
vier Neulinge gemeinsam das Abenteuer geniessen. Man bekommt farbige Tücher
die man sich umbindet, dann gehts zuerst in die Sauna zum Schwitzen. Wenn
dann alle Poren offen sind kommt der Schrubbelmeister und schrubbt alle
Körperstellen, die nicht vom Tuch bedeckt sind, mit einem Schrubbelhandschuh
ab. Uiuiui, nach 4 Tagen nicht mehr duschen, im Zelt schlafen und dich von
den Lastwagen einstauben lassen, gibt es einige schwarze Dreckröllchen.
Schnell mit Wasser abspülen, nun folgt die Schaummassage. Der Masseur nimmt
einen Stoffsack, blaest hinein, drückt die Luft raus, so entstehen Berge von
Schaum. Darunter liegt man dann, es duftet fein und die Muskeln werden
durchgeknetet. Auch zum Zuschauen ein Erlebnis, wenn der, der auf dem
steinharten Tisch liegt, lacht, weil es kitzelt oder stöhnt wenn die
verspannten Wadenmuskeln heftig durchgeknetet werden. Zum Abschluss gibts
noch Haarewaschen, eine kalte Dusche und in der Umkleidekabine einen Çay.
Der Biorhythmus von Maja zwingt uns jeden Monat zu zwei Tagen Pause. Und da
man nie weiss wann die genau kommen, steckten wir auch schon an einem Ort
fest wo wir nicht bleiben konnten oder wollten. So entschieden wir uns für
eine kurze Strecke einmal den Zug zu nehmen, das andere Mal den Bus bis zum
naechsten Ort. Organisatorisch ist das aber recht mühsam bis alles verladen
ist, doch die Türken sind sehr hilfsbereit und finden immer eine Lösung und
einen Platz für die sperrigen Fahrraeder. So hörten wir dann die Fahrraeder
auf dem Dachtraeger quietschen. Das tut ganz schön weh in den Ohren und im
Herz! Doch es waren auch interessante Erlebnisse und im Nachhinein toll,
dass wir diese Seite des Reisens auch erleben konnten. Die Zugfahrt zum
Beispiel erinnerte uns sehr an unsere Kindheit. Denn der Konduktör kommt in
der Uniform mit steifem Hut und knippst mit dem Locher in die Kartonbillette
wie wir sie früher hatten. In den kleinen Reisebussen, die die Menschen von
Ort zu Ort bringen, hat es ca. 13 offizielle Sitzplaetze. Man kann den Bus
aber auch mit über 20 Personen füllen, z.T. auf Plastikhocker sitzend, z.T.
Mensch auf Mensch gestapelt, da kennen sie keine Berührungsaengste. Ganz
interessant wird es dann aber erst wenn der Busbegleiter, der das Geld
einkassiert, sich mit einem Reisegast von der hintersten Reihe unterhaelt
und seinen üblen Mundgeruch laut redend im Bus verteilt. Der beste Platz hat
aber noch immer der Chauffeur, der laessig seinen Arm zum Fenster raus haelt
und dabei den Luftzug unter seiner Achselhöhle hindurch zu uns gleiten
laesst.
Nach einem langen Radler-Tag wollten wir nur noch einen Platz fürs Zelt
finden, uns waschen, kochen, schlafen. Da rief uns ein Alt-Hippie vom
Strassenrand auf englisch zu, dass er in vier Kilometern ein Teehaus habe,
wir sollen vorbei kommen. Aber fürs Tee trinken hatten wir grad keine Zeit
mehr, weil es bald eindunkeln würde und vier Kilometer können auch zehn
Kilometer sein. So stossen wir ein paar Minuten spaeter, vor dem naechsten
steilen Aufstieg, unsere Velos von der Strasse in eine Baumplantage und
schon steht er wieder vor uns, der türkische Hippie, mit langen Haaren, in
Militaerkluft. Daneben sein Sohn der uns auf perfekt englisch anspricht. Sie
haetten gleich in der Mitte diese Anstiegs ein Teehaus, wir könnten auch in
ihrem Garten campieren, die Waschmaschine benutzen. Sie haben gerne Reisende
bei sich, da der Alt-Hippie auch schon fast die ganze Welt gesehen hatte und
so auch Ömers Mutter, eine Amerikanerin, kennenlernte. Nach dem Çay bekamen
wir die beste Wiese im Dorf. Waehrenddem wir das Zelt aufstellten kam sogar
der Imam (muslimischer Priester) vorbei um uns zu begrüssen und lud uns ganz
spontan zum Znacht ein. Vorher durften wir aber noch die neue Moschee
ansehen und den Moslems beim Beten zuschauen; sehr interessant. Das
Highlight war dann aber dass wir auf die Minarette steigen durften. Sie ist
45 Meter hoch, die Treppe so breit dass man knapp Platz hat und oben auf dem
Minibalkon kann man sich nur seitwaerts bewegen. Wir können nun verstehen,
warum der Imam vom sicheren Boden aus ein Mikrofon bedient um die Glaeubigen
zusammen zu rufen, obwohl das natürlich ein super Fitnesstraining waere,
fünf Mal am Tag da hochzusteigen. Zusammen mit seine jungen Familie, er ist
erst 30 Jahe alt, genossen wir ein sehr feines Znacht um den tiefen Tisch
auf dem Boden sitzend, tranken viel Çay und Ömer konnte als Dolmetscher die
ganze Konversation um Einiges vereinfachen.
Die Begegnung und die Gespraeche haben uns das islamische Denken und handeln
etwas vertrauter gemacht. Jedenfalls kennen wir nun einen solchen Muezzin
der von der Minarette betet.
PS1: Maesi möchte euch mitteilen, dass es hier überall penetrant nach
Fussschweiss riecht. In der Moschee, im Hotelzimmer und selbst hier in
diesem Internetcafe.
PS2: Wir sind in Erzurum auf 1850 Meter über Meer. Am Berg hinter der Stadt
kann man im Winter Skifahren, bis 3100 M.ü.M. Es ist bereits recht kalt und
auf dem Spitz des Berges liegt ein Hauch weiss.
Maja und Marcel
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Bilder zum 10.Reisebericht |
11. Reisebericht 6. Oktober 2005
Der wilde Osten
Jetzt sind wir da, im Osten der Türkei. In der Zeitung hat man viel
darüber gelesen, in den Kurdengebieten ist es wieder unruhig. Selbst die
Türken haben Respekt vor dieser Gegend und rieten uns ab dort durch zu
reisen. Wir hatten aber keine Wahl und folgten unserem Weg, mieden aber die
unsichersten Gebiete. Ab Amasya nahmen wir den direktesten Weg nach Osten
welcher auch die Transitfahrer benützen. Wir mussten nun nicht mehr viel
überlegen und dauernd die Karte studieren, sondern konnten drauf los fahren
und die Veraenderungen der Landschaft wahrnehmen. Wir fuhren durch eine
Schlucht, die Strasse und daneben ein Fluss inmitten hoher Felsen; dann
folgt ein Pass und eine weite Ebene, rechts und links flankiert mit Bergen,
die sich am Horizont wieder schliessen und die naechste Schlucht bilden.
Dann der naechste Berg, wieder eine Ebene u.s.w. Nach jedem Pass waren wir
wieder auf einem höheren Plateau. So konnten wir nun mal einige Kilometer
bolzen und kamen innerhalb einer Woche sehr gut vorwaerts. Machmal fühlten
wir uns wie im Niemandsland, nur die vorbei donnernden Lastwagen passten
nicht ganz ins Bild. Zu Beginn gab es sehr viel Landwirtschaft je weiter im
Osten um so weniger. Die Landschaft wurde sehr karg, weniger Baeume, weniger
Traktoren und Menschen auf den Feldern. Aber was es überall hat, auch auf
den Paessen, sind Schaf- und Kuhhirten mit ihren Herden. Wir fahren nun
meistens zwischen 1400 und 2000 Meter über Meer und es wird nun am Abend
ganz schön kalt, gegen null Grad. Wir suchen uns nun meistens ein Zimmer in
einem Oteli wegen der Kaelte aber auch weil es im Osten zu gefaehrlich ist
zum Zelten. Obwohl wir manchmal lieber unser eigenes Zelt haetten als so
herunter gekommene Zimmer mit schmutziger Bettwaesche und einer schrecklich
stinkender Toilette. Aber so ist es nun mal und man muss nehmen was es gibt!
Wie die Gegend, veraenderten sich auch die Menschen. Die Gesichter wurden
dunkler, kantiger, teilweise bedrohlicher und auch das Herzliche ist etwas
verschwunden. Man merkt sehr gut, dass es dem Osten viel schlechter geht. In
den Dörfern und am Rand der Staedte leben die Menschen in Stein- oder
Lehmhütten, trockenen Kuhfladen die sie im Winter als Heizmaterial nutzen
können und sammeln zur Zeit das Heu auf ihren Daechern. Die Kinder kommen
und betteln manchmal nach Geld. Vorallem die Knaben sind viel frecher
geworden und kommen uns immer sehr nahe, wollen alles anfassen. Nachdem wir
einmal eine ganze Schulklasse fotografiert hatten und wegfuhren warfen sie
uns sogar Steine nach. Das war für uns bis jetzt das frustrierendste
Erlebnis.
Was uns auch schon seit der Einreise in die Türkei begleitet sind die
staendigen Hello-Rufe und die zwei Standartfragen: What's your name? Where
are you from? Am Anfang wars ja noch toll und wir beantworteten jedem Kind
seine Fragen aber nun nach fast zwei Monaten können wir es nicht mehr hören.
Vorallem bleibt es ja bei dieser einseitigen Fragerei, da die Kinder sonst
noch kein Englisch können. In der Türkei lernen sie erst seit ein paar
Jahren Englisch an der Schule, deshalb können auch die aelteren Leute keine
andere Sprache wie die Eigene. Es sind eben die Europaeer die Reisen und
sogar mit dem Fahrrad die Türkei durchqueren und die können doch alle
Englisch. Eigentlich ist es ja eine tolle Geste von den Kindern dass sie uns
begrüssen, doch nun verstehen wir nur noch Französisch...
Die Maenner/Frauenrolle ist hier noch intensiver zu spüren. Man sieht viel
mehr Frauen im Tschador oder vorallem alte Frauen in braune Tücher
gewickelt. Manchmal verdecken sie sogar ihr Gesicht komplett, dann sehen sie
aus wie wandelnde Kartoffelsaecke. Maenner und Frauen treten selten zusammen
auf, oftmals sieht man Maenner die Haende halten oder Arm in Arm spazieren.
Sie gaffen hier noch viel offensichtlicher, sehr durchdringend, stehen
direkt vor uns und glotzen. Wir sind das doch absolut nicht gewohnt von Haus
auf, haben es nun aber sehr gelernt, manchmal genau gleich intensiv zurück
zu schauen. Vorallem Maesi ist langsam gut wenn er die Maenner angafft die
Maja nachschauen. Es wird ihnen dann doch etwas peinlich.
Für die Türken ist die EU ein brennendes Thema. Fast alle fragen uns nach
unserer Meinung. Da die Schweiz nicht in der EU ist, das wissen die
wenigsten Türken, können wir diese Thema schnell beenden und müssen uns so
politisch nicht aeussern. Die wenigsten Türken erhalten Visas um zu
verreisen. Der Wunsch in einem anderen Land zu wohnen ist aber riesig,
vorallem in der Schweiz natürlich. Wir werden also nicht umsonst so oft
gefragt ob wir verheiratet sind.
Das Thema verheiratet ist in der Türkei eh ganz wichtig. Wir wurden sogar
mal in einer Pension gefragt ob wir verheiratet sind bevor er uns sagte ob
er ein Zimmer frei hat. Aber die Frage kommt immer, von jung und alt und
dann natürlich die nächste Frage ob wir Kinder haben und warum nicht. So
merken wir erst dass sie sich gar nicht vorstellen können wie weit und lange
wir bereits gefahren sind obwohl wir ihnen die Kilometer und Anzahl Monate
mitgeteilt haben. Sie reisen nicht, können wohl nicht, kennen sehr selten
sogar ihr eigenes Land und sehen zum ersten Mal eine Landkarte.
In Erzurum entschieden wir uns einen Umweg über Kars zu machen, eine Stadt
im Nordosten, um Ani zu besuchen. Ani war einst die Hauptstadt des
armenischen Reiches, in der bis zu 100'000 Menschen lebten. Heute sind nur
noch Ruinen der gewaltigen Stadtmauer zu sehen, einige Kirchen und Moscheen
auf einer riesigen Flaeche direkt an der Grenze zu Armenien. Überhaupt ist
dieses Grenzgebiet sehr geschichtstraechtig. Hier fanden viele Schlachten
und Eroberungszüge statt.
Überraschenderweise war in Kars gerade an diesem Wochenende, wo wir dort
waren, Kulturfestival auf der riesigen Burg oberhalb der Stadt. Am ersten
Abend führten verschiedene Laender wie Azerbaijan, Armenien, Georgien,
Slowenien und die Türkei selbst traditionelle Taenze auf der grossen Bühne
auf. Am zweiten Abend stürmten Tausende zur Burg hoch, wir mit ihnen,
erfuhren aber erst oben dass heute Sezen Aksu, eine sehr bekannte Saengerin,
ein Konzert gibt. Am letzten Abend gaben noch weitere türkische Saenger ihr
Bestes. Uns gefiel der erste Abend am Besten, tönt doch die türkische Musik,
wenn man den Text nicht versteht, sehr melancholisch. Das faszinierendste am
Ganzen war aber das Ambiente zwischen diesen alten Festungsmauern, die
Aussicht auf das Lichtermeer der Stadt, das grandiose Feuerwerk (ohne Plan,
einfach alles muss hoch), die super Lightshow und die vielen tanzenden
Türken um uns herum. Vorallem die Maenner tanzen hier einen speziellen
Kreistanz und singen laut dazu (wie wir früher beim Headbangen in der
Schülerdisco!). Das Erstaunlichste war für uns aber dass wir nie einen
Eintritt bezahlen mussten, so waren alle hier; alt, jung, arm und
wohlhabender. Es gab auch nur einen Çay- und Köftestand sonst absolut kein
Angebot. Wie wir dann bemerkten, waren wir die einzigen die eine Flasche
Wasser dabei hatten. Die Türken selbst knabbern nur die Sonnenblumenkerne
und sind so zufrieden.
Nun sind wir in Dogubayazt, haben eine wunderschöne Fahrt der armenischen
Grenze entlang erlebt, sind um den Berg Ararat gefahren der nun vor uns
steht mit seinem Wolkenhut. Wir nehmen Abschied von der Türkei, geben noch
die restlichen Yeni Türk Liras? aus und verlassen nach knapp zwei Monaten
die Türkei mit vielen schönen und bleibenden Erinnerungen.
PS1: Es ist seit zwei Tagen Ramadan das spürt man hier den Menschen an...
uns nicht, wir dürfen essen, jedoch im Versteckten.
PS2: Wir sind 35 km von der iranischen Grenze entfernt. Ab dem 7. Oktober
heisst es Kopftuch montieren...
Maja und Marcel
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Bilder zum 11.Reisebericht |
12. Reisebericht 28. Oktober 2005 (nach dem iranischen Kalender
zaehlen wir heute den 6. August 1384)
Gemischte Gefuehle
Unterwegs zur Grenze fuhren wir am Fusse des Ararats vorbei. Der Himmel
war stahlblau, keine Wolke verdeckte den heiligen Berg. In voller Groesse
stand er vor uns, rechts der kleine Ararat, beide mit ewigem Schnee bedeckt.
Ein gigantischer Anblick!
Wie es der Zufall will, trafen wir Rob und Lucie wieder, ein hollaendisches
Paar die in 22 Monaten bis Peking radeln. Bereits in der Tuerkei sind wir
einen Tag zusammen gefahren, nun konnten wir gemeinsam den Grenzuebertritt
machen und die ersten Eindruecke vom Iran sammeln. Bevor wir aber die
magische Linie uebertreten konnten, mussten sich die Frauen das Kopftuch
montieren und die lange Bluse, die das Gesaess bedeckt, anziehen. Denn im
Iran blaest nun ein anderer Wind: Als islamistische Republik wird die
Religion vom Staat vorgeschrieben und somit auch viele Regeln und Verbote.
Neben dem Kopftuch und der langen Bluse, beziehungsweise dem Tschador, die
nur im Hotelzimmer ausgezogen werden duerfen, ist nun auch Kuessen, Umarmen
und Haendchen halten in der Oeffentlichkeit verboten. Fuer uns zwei eine
gewaltige Umstellung an die wir uns zuerst gewoehnen mussten.
Eine weitere Umstellung ist das Geld, bzw. die Waehrung. Bereits vor und
nach dem Zoll standen Maenner die alle Waehrungen in iranische Rials
wechselten, der Schwarzmarkt also. Die Typen waren schrecklich aufdringlich!
Da wir wussten wie der Kurs sein sollte, warteten wir auf das perfekte
Angebot und unsere acht Augen zaehlten genau mit. Denn die groesste Note,
20'000 Rials, hat einen Wert von Fr. 3.-; die 10'000 Rial-Note, der gruene
Khomeini genannt, Fr. 1.50. Somit erhielten wir fuer $40 36 Noten. Das gibt
einen dicken Hosensack! Da die Geldwechsler uns natuerlich reinlegen
wollten, es aber nicht schafften, gehen wir nun zur Bank zum Wechseln. Denn
im Iran gibt es keine Moeglichkeit Geld zu beziehen oder Traveller Cheques
einzuloesen, also muss man genuegend Dollars zum Wechseln dabei haben.
Nun sind wir also im Iran. Ein riesiges Land das unter Reisenden viel
diskutiert wird. Man hoert alles und davon noch das Gegenteil, damit die
Verwirrung der Gefuehle, wie sich dieses Land praesentieren wird,
gewaehrleistet ist. Wir stecken nun bereits selber mitten drin und sind
froh, dass wir Erfahrungen machen und unsere Meinung selber bilden koennen.
Wenn schon das Fahren in langaermeligen Kleidern und Kopftuch etwas
umstaendlicher ist, ist wenigstens der Strassenbelag super. Der grenzt
oftmals an Schweizer Qualitaet, es ist eine Freude! Jedenfalls Ueberland. In
den Staedten und Doerfern bleibts beim tuerkischen Bild mit Schlagloechern,
Rissen und Schwellen. Aber der Verkehr und die Fahrkuenste der Lenker sind
nochmals 10 Mal schlimmer als in den Laendern vorher. Da das Benzin so
guenstig ist faehrt einfach jeder ein Auto oder Motorrad, rast durch die
Gegend wie wenn es keine Gesetze gaebe und interessiert sich kein bisschen
wie dreckig und stinkig es aus seinem Auspuff rauskommt. An den vielen
Glasscherben die am Strassenrand liegen wird es auch viele Unfaelle geben.
Die Taxifahrer sind die Schlimmsten, die steuern nach rechts an den
Strassenrand, vor unsere Nase, bremsen uns aus und quetschen sich danach
wieder ins rollende Blechchaos. Wir haben das Gefuehl wir sind durchsichtig,
so ruecksichtslos und unberechenbar fahren alle! Auch die Fussgaenger haben
hier absolut kein Recht. Selbst bei gruen brausen die Autos und Motorraeder
vor den Fuessen durch. Falls man einen Fussgaenger umfaehrt kann man nur
hoffen es war eine Frau. Die Busse faellt tiefer aus.
Seitdem wir unsere Benzinflasche fuer den Kocher an einer Tankstelle
auffuellen liessen und der Kassier nur verlegen abwinkte als wir bezahlen
wollten, wissen wir nun wie guenstig das Benzin wirklich ist. Halb so teuer
wie ein Liter Wasser, 12 Rappen der Liter! Kein Wunder verbringt hier jeder
auch seine Freizeit auf der Strasse. Das Verkehrsnetz ist dementsprechend
ausgebaut und ueberlastet, in den Staedten meist dreispurig, die Kreisel
riesig, ohne Strich damit jeder seinen Weg auf seine Art suchen kann (der
Staerkere und Skrupellosere gewinnt!). Die Autos, Laster und Motorraeder,
meistens aus den 70er Jahren, uralt, rostig, klappernd, laut und stinkig.
Die Luft ist immer benzingeschwaengert und dick. Es gab bereits Strecken wo
das Fahrrad fahren zur Hoelle wurde und wir uns fragten ob es Sinn macht in
diesem Gestank und mit dieser Gefahr zu fahren.
Deshalb entschieden wir uns nicht die Hauptverkehrsachse Richtung Teheran zu
nehmen und steuerten in Tabriz direkt in den Sueden um nach 162 km
ueberfuellter Strasse und entlang stinkender Industriekamine, eine
Landstrasse durch die Berge zu nehmen. Das war verkehrstechnisch eine gute
Entscheidung, jedoch quaelten uns wieder einige Huegel und diesmal extremer
Gegenwind. Wenn wir das gewusst haetten! Wir erlebten die schlimmsten
Sturmtage unserer Veloreise. Boenartig blies der Wind meistens von vorne und
der Seite, gluecklicherweise auch mal von hinten, dass wir die Energie des
Windes einmal positiv erleben konnten. Nie sonst wuerden wir mit 18 km/h den
Berg hoch fahren. Mit Gegenwind dafuer nur mit 4 km/h. Da die Landschaft
sehr trocken, meist unbebaut, duerr und steppenartig war, wirbelte es den
ganzen Tag Staub, Sand und Steinchen durch die Luft. Wir die Velos und
Taschen sahen aus wie frisch gepudert. Es erinnerte uns sehr an die eisigen
Winde auf dem Klein Matterhorn in Zermatt. Der Wind war so stark dass wir
uns seitwaerts dagegen stemmen mussten. Gefaehrlich waren dann die
Luftloecher, damit wir nicht das Gleichgewicht verloren. Es forderte
hoechste Konzentration und Kraft. Am Abend waren wir todmuede und unser Zelt
verwandelte sich in eine Staubhoehle.
Obwohl es nachts bereits eisig kalt wird, schlafen wir lieber in unserem
Zelt als in einer iranischen Arbeiter-Absteige wo es schmuddelige
Bettwaesche und stinkende Stehklos hat und wo ruecksichtslos rumgelaermt
wird. Aber oftmals bietet sich nur diese Moeglichkeit wenn uns die Gegend
nicht genug sicher vorkommt.
Der Westen Irans ist kurdisches Gebiet, auch wieder eine politische Gegend
die es zu meiden hiess. Wir zwei positiv Denkenden suchen aber unsere Wege
nach gut duenken. Bis jetzt gings immer gut, doch das Gefuehl war recht
komisch, zu wissen, dass wir ganz nah an der irakischen Grenze fahren. Dem
Irak, der dauernd in Konflikte verwickelt ist. Deshalb fanden wir es sehr
alarmierend, als uns einer bei der Einfahrt in eine Ortschaft stoppte und
den Passport verlangte. Wir hatten zuvor schon einige Schauermaerchen
gehoert wo sich Maenner als Zivilpolizisten ausgaben, den Passport
verlangten und gleich noch das Geld raubten. So glaubten wir ihnen nicht und
fuhren weiter. Die zwei dunklen Typen folgten uns dann aber in ihrem weissen
Auto; Dorf auf und ab, weil wir ein Hotel suchten. Wir schickten sie weg,
weil wir ihnen nicht glaubten dass sie Polizisten sind. Wie sollen wir
dieser ID-Cart glauben die auf Farsi geschrieben ist und wir es nicht lesen
koennen? Bald waren ueber 20 Maenner um uns versammelt und alle wollten
mitreden: Police, Passport, Suisse, Hotel,... Obwohl uns einer auf Englisch
uebersetzte, dass es richtige Polizisten seien, blieben wir misstrauisch.
Niemand konnte uns erklaeren warum sie den Passport, bzw. das Visa sehen
wollten. Nach ueber zwei Stunden diskutieren gaben wir ihnen eine Visakopie,
dann gaben sie auf. Seither haben wir uns an verschiedenen Orten erkundigt
und alle sagten es gaebe keine Zivilpolizei! Wir sind heute noch nicht
sicher was sie wirklich wollten, wir sind gluecklicherweise heil davon
gekommen.
Natuerlich weiss jeder Iraner dass die Touristen viel Bargeld auf sich haben
da man kein Geld beziehen kann. Und Veloreisende verweilen sehr lange im
Iran, also wuerde sich ein Ueberfall lohnen. Da wir uns aber in einem streng
muslimischen Land befinden, koennen wir nur hoffen, dass sie gute Glaeubige
sind!
Wir haben bis jetzt nur sehr wenige Moscheen gesehen. Minaretten gibt es
fast keine mehr; das typische Kennzeichen jedes Dorfes in der Tuerkei. Im
Nordwesten herrscht ein grosses Voelkergemisch, auch Armenier welche
Christen sind, und natuerlich viele Tuerken und Azerbaijaner mit denen wir
uns weit ueber die Grenze hinaus mit tuerkisch verstaendigen konnten.
Als wir uns wiedermal nach einem Hotel umsahen trafen wir Reza, der uns zu
sich nach Hause einlud. Er ist Iraner mit tuerkischen Wurzeln. Von ihm
erfuehren wir sehr viel von der Geschichte Irans und der Revolution vor 25
Jahren als dann Khomeini an die Macht kam. Wir spuerten aus dem Gespraech
dass er nicht zufrieden ist mit der Regierung und all den Gesetzen und
Verboten. Er wird zum Beispiel seinen Kindern nie tuerkische Namen geben
duerfen, nur Persische. Alkohol ist im ganzen Land verboten wie auch
auslaendische Fernsehkanaele. Trotzdem hat er einen Satelliten damit er
nicht nur die bestehenden 5 iranischen Sender ansehen muss, davon 2 nur
geistliche Sender sind: Allah 1 und Allah 2. Im Kino werden nur iranische
Filme gezeigt, man kann auch keine auslaendische Filme oder Musik kaufen.
Diskotheken und Bars sind verboten, nur Teehaeuser dienen zur Unterhaltung.
Es gibt nur maennliche Saenger, den Frauen ist es verboten zu singen.
Sowieso sollte sich die Frau so unauffaellig wie moeglich verhalten, den
Tschador tragen, ein riesiges Tuch, das sie um sich wickeln muss, dass man
so wenig Haut wie moeglich sehen kann. Zu Hause einen blauweiss geblumten,
auf der Strasse einen Schwarzen. Da er meistens keine Aermel oder Knoepfe
hat, halten die Zaehne den Tschador fest, wenn die Frau in einer Hand die
Einkaufstasche und in der anderen ihr Kind tragen muss. Ein sehr fremdes,
abschreckendes Bild. Die Frauen duerfen sich nicht schminken und auch nicht
Motorrad fahren. Die Frau sollte einfach in keinem Sinne die Aufmerksamkeit
des Mannes wecken. Doch beim Suchen eines passenden Oberteils fuer Maja, die
ganz sicher nie so einen Tschador tragen wird ( ausser einen Ausgeliehenen
bei Moscheenbesuchen) sahen wir unzaehlige Shops mit Abendkleidern, engen
Shirts und Jeans. Wir fragten uns dann natuerlich wann die Frauen das alles
tragen koennen? Die Antwort ist: Zu Hause fuer den Mann oder an Parties die
getrennt stattfinden. Sogar die Hochzeitsfeste finden getrennt statt. Die
Braut feiert mit den Frauen, der Braeutigam mit den Maennern. Bei gemischten
Anlaessen muss streng der Tschador und das Kopftuch getragen werden. Strikte
und sehr strenge Regeln. Keine Ahnung ob der Koran das wirklich so verlangt.
Die Regierung jedenfalls schon!
Ramadan: Der Fastenmonat der Moslems. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang
duerfen sie nichts essen und trinken. Der Muezzin gibt das Kommando wenn das
Fasten anfaengt und aufhoert. Jedes Jahr beginnt der Ramadan zehn Tage
frueher. Und wir sind froh, wenn er bald zu Ende ist! Bis jetzt haben wir
den Iran nur im Ramadan erlebt und wir sind ueberzeugt, dass das Leben hier
waehrend diesen 30 Tagen ganz anders tickt. Die Geschaefte sind morgens bis
ca. 13 Uhr geoeffnet, dann schliessen die Meisten und gehen ruhen, da man
mit Hunger nicht arbeiten kann. Nach 16 Uhr oeffenen sie wieder bis sie
essen duerfen. Einige schliessen dann waehrend einer halben Stunde, die
anderen essen direkt im Geschaeft. Bis zum Fastenbrechen herrscht das totale
Chaos auf den Strassen, dann wird es fuer ca. 20 Minuten viel ruhiger. Die
Iraner sind Schnellesser, Kebab rein und weiter gehts. In den Restaurants
ist waehrend einer Stunde Hochbetrieb, dann schliessen die Meisten wieder;
ausverkauft. Wenn wir Glueck haben finden wir noch fruehzeitig einen Take
away Stand, der traditionelle persische Gerichte verkauft. Denn die Kebabs
koennen wir nicht mehr sehen! Vorallem im Iran ist das Fleisch und der Reis
meistens sehr trocken, da brauchts eine Cola zum Runterspuelen. Waehrend des
Tages koennen wir kaum Lebensmittel einkaufen, und wenn, dann muessen wir
ein Versteck suchen wo wir essen koennen. Mitten auf der Strasse essen macht
sich nicht so gut. Wir zwei Vielesser haben schon oft gelitten und wir
freuen uns sehr auf den Iran nach dem Ramadan, wenn Teehaeuser und
Restaurants auch tagsueber offen haben, die Leute nicht mehr so gereizt sind
weil sie Hunger haben und nicht rauchen duerfen. Und vorallem freuen wir uns
auf die grossen Staedte mit den wunderschoenen Moscheen und mehr
orientalischem Flair.
PS1: Wir haben bemerkt, dass wir mit den Moslems einiges gemeinsam haben:
Vor dem Zelteingang ziehen wir die Schuhe aus, gegessen wird bei uns auch
auf dem Boden sitzend und Maja musste schon immer vor Marcel kuschen... am
Fussschweiss arbeiten wir noch!
PS2: Fast eine Woche haben wir nun in Teheran verbracht um die Visas fuer
Indien zu besorgen. Eigentlich wollten wir die Visas erst in Islamabad,
Pakistan besorgen, doch wegen des Erdbebens ist ein Besuch in diesem Gebiet
wohl nicht sehr angebracht.
Maja und Marcel
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Bilder zum 12.Reisebericht |
13. Reisebericht 21. November 2005 -
Unser 200. Tag on tour
Ello Misteeeer
So werden wir hier auf der Strasse begruesst, nicht nur Maesi, auch Maja,
weil sie meistens nicht mehr koennen. Doch "I love you" oder " Dollar change"
hoeren wir auch noch oft und natuerlich "very cheap" und "hand made". Viel
oefters als bisher treffen wir aber Einheimische die gut Englisch sprechen
und wir uns ueber sehr Interessantes unterhalten koennen, wie z.B. Teppiche.
Darueber haben wir nun schon sehr viel erfahren, uns ueber Machart,
Unterschiede der Qualitaet und die Preise erkundigt. Leider fehlt nur das
noetige Geld und die Wohnung fuer solch einen Perser. Und vorallem wuerde es
ja sehr gut aussehen, eine Teppichrolle quer uebers Rad gelegt!
Unsere Reise durch den Iran gestaltet sich sowieso ganz anders als in den
Laendern zuvor. Dieses Land ist soooo riesig. Zwischen zwei Staedten viel
Nichts, mitten durch eine breite Strasse voller rollenden Lastwagen. Hundert
Kilometer lang keine Wasserstelle, ein paar Lehmhaeuser, am Horizont die
naechste Bergkette und dahinter eine pulsierende Stadt mit Bazaar, Moscheen,
Mullahs, Tschadors, Teppichverkaeufern, Kebab-Buden und Teehaeusern wo man
Wasserpfeife raucht. Um von einer Stadt zur Naechsten zu gelangen radeln wir
durchschnittlich 100 Kilometer. Das Leben spielt sich nur in den Staedten
ab, die Landschaft darum herum ist steinig, sandig, huegelig, umbebaut,
manchmal abwechslungsreich durch die verschiedenen Farbtoene, doch meistens
bis zum Horizont Steinwueste. Mit dem Auto sind diese so genannten
Hometrainer-Strecken leicht zu durchqueren, mit dem Fahrrad jedoch endlos.
Die Beine treten, die Gedanken sind weit weg, vielleicht beim naechsten
Reisebericht oder beim leeren Magen; was gibt es heute zum Znacht?
Eigentlich wollten wir unser Visa fuer Indien erst in Islamabad,
Pakistan, organisieren, doch wegen des schrecklichen Erdbebens Anfangs
Oktober, welches auch die Stadt stark beschaedigt hat, haben wir uns
kurzfristig entschieden doch nach Teheran zu fahren damit wir nicht extra
ins Krisengebiet gehen muessen. In Qom, ca. 150 km suedlich von der
Hauptstadt, konnten wir unsere Raeder in einem Hotel einstellen und fuhren
mit dem Bus nach Teheran. Schon von weitem sahen wir die Smog-Glocke die
ueber der Stadt haengt und die Berge dahinter diffus aussehen laesst.
Beim Betreten der Schweizer Botschaft, wo wir das Empfehlungsschreiben
holen mussten, fuehlten wir uns wie nach Hause versetzt inmitten der Poster
aus der Schweiz und dem freundlichen "Gruezi" vom Schweizer Konsul. Wir
wurden mit vielen guten Tipps fuer die Zeit in Teheran ausgeruestet und
konnten uns ueber die politische Situation erkundigen.
Die indische Botschaft, in der es um einiges hektischer und
unorganisierter zugeht, konnten wir dann aber erst am folgenden Tag
aufsuchen. Am Tag unserer Ankunft feierten die Moslems
den Todestag von Imam Ali. Wir wussten es nicht und deshalb waren wir extrem
ueberrascht wie leer und ausgestorben die Strassen Teherans waren. Feiertag
und Ramadan, das war fuer uns ein wahrer Hungertag. Wir fuehlten uns wie im
falschen Film.
Am anderen Morgen war dann aber Rambazamba, alle Geschaefte offen,
hektisches Feilschen und einkaufen, gestossen volle Strassen, ewiges Gehuppe
und risikofreudige Motorradfahrer die ueberall in jedem Tempo durchrasen.
Ein Buenzli-Schweizer-Autofahrer waere hier absolut verloren! Wir kaempften
uns durch den Bazaar, besuchten das Teppichmuseum; eine Oase der Ruhe;
spazierten, fuhren Taxi und atmeten die Abgase ein bis wir Kopfschmerzen
hatten. Teheran faszinierte uns auf eine Weise sehr, weil wir wunderschoene
Palaeste aus der Shahzeit besuchen konnten, die Frauen sich sehr mutig
kleiden, viel Haar zeigen und somit etwas provozieren, und wir am Abend doch
noch feine Restaurants mit persischem Flair fanden. Weniger schoene
Erlebnisse waren der Rausschmiss aus einem Hotel, weil wir mit einem
belgischen Radlerpaar ca. vier Stunden in der Lounge geredet haben
(schliesslich bezahlen wir ja fuers Zimmer und nicht fuer die Lounge), dass die
Armee die ganze Stadt kontrolliert, ueberall rassistische Plakate haengen
und Maja nicht in die Moscheen durfte; it's a mens world!
Maja hatte am Anfang wirklich Muehe mit all den Umstellungen. Zuerst das
Kopftuch, das strikt getragen werden muss, und dann spueren dass man als
Frau weniger wert ist. Sie weiss auch nie ob das Gruessen oder Winken falsch
aufgefasst wird. Hier zaehlt nur das Wort eines Mannes, also muss Marcel
alles selber in die Hand nehmen, und z.B. ueber den Preis diskutieren.
Oftmals wird nur er begruesst, Maja wird wie Luft behandelt. Marcel ist die
Ansprechsperson weil er bei der direkten Begegnung wichtig ist. Doch sonst
ist Maja der Blickfang und Maesi muss den Polizist spielen. Das ist manchmal
sehr ermuedend und nervig. Die Perser sind totale Machos - Karate und
Bodybuilding sind hoch im Kurs - einige pfeifen auf der Strasse nach und
versuchen Maja zu betatschen. Seit Maja die Haare schwarz gefaerbt hat
lassen sie die Maenner meistens in Ruhe. Wir verstehen nun langsam warum so
viele Frauen den Tschador freiwillig tragen. Einerseits wohl als
Schutzmantel andererseits sicher aus religioeser Ueberzeugung.
Nach einem windigen Radeltag fahren wir in eine Stadt rein, ohne
Guidebook voellig orientierungslos, muede und verloren. Ploetzlich steht
Fahimah neben uns, eine junge Studentin komplett in den Tschador gehuellt
und bietet uns ihre Hilfe an. Nebendem sie uns zum Hotel fuehrte, mit ihrem
guten Englisch alle Sprachbarrieren ueberwand, uns in ihrem Auto durch die
ganze Stadt kutschierte, und uns die besten Souvenirlaeden zeigte, wurde sie
eine gute Freundin mit der wir ueber ihre Religion, die Ausbildung,
Freiheiten und Gesetze sprechen konnten. Fahimah ist in unseren Augen sehr
ueberzeugt von ihrer Religion und lebt sie auch vollkommen aus. Sie
erzaehlte uns viel von ihren Ritualen und Traditionen. Eines Abends wurden
wir von ihrer Familie eingeladen zusammen das Fasten zu brechen und durften
richtig feines persisches Essen geniessen. Voller Begeisterung erzaehlten
sie von ihrem Besuch in Mekka und Medina und zeigten uns das Video von der
Begruessung und dem Fest nach der Pilgerfahrt mit der ganzen Verwandtschaft.
Solche Begegnungen machen unsere Reise interessant und unvergesslich und
lassen uns viel tiefer in andere Kulturen und Religionen eintauchen. Danke
Fahimah!
Nach vier Wochen Ramadan war dann endlich ein Ende in Sicht. In Kashan,
einer Wuestenstadt, erlebten wir die letzten zwei Tage sehr intensiv mit,
stand doch unser Hotel direkt neben einer Moschee von welcher der Mullah,
wie er hier im Iran heisst, seine Gebete singt. Von 4-5 Uhr morgens voller
Lautstaerke waehrend die Moslems vor dem Sonnenaufgang fruehstuecken (er
dient sozusagen als Wecker) und von 17-17.30 Uhr bevor man wieder essen
darf. Eigentlich toenen die Gebete schoen, aber dieser Mullah toente wie von
einem alten Tonband abgespielt und wir fragten uns ob das wohl jemandem
gefaellt. Wir wissen es nicht, so wenig wie die Moslems wissen wann das
lange Fasten ein Ende hat. Der Ramadan dauert eine Mondlaenge und der Mullah
gibt das Ende bekannt wenn er den Neumond sieht. In Qom wurde schliesslich
der Neumond einen Tag frueher gesichtet als in Teheran und Kashan obwohl Qom
dazwischen liegt. Somit fasteten auch wir einen Tag laenger! Nachher wieder
unbeschwert auf der Strasse essen und trinken kam uns richtig fremd aber
befreiend vor.
Wir sind immer noch erstaunt ueber die iranische Esskultur. Zwar bekommt
man wieder den ganzen Tag etwas zu essen, doch neben Kebabs und den feinen
Eintoepfen liegen hier Innereien wie Hirn, Leber und Magen hoch im Kurs;
sowie ganze Lammkoepfe oder Unterschenkel samt Huf. Gerupfte Huehner fuellen
ganze Kuehlvitrinen und warten auf Kaeufer, wie auch die halben Kuhseiten
die beim Metzger im Tuereingang haengen. Richtig schlimm finden wir dann
aber die bis ueber den Rand mit Skelettresten gefuellten Abfalleimer die vor
den Restaurants auf die Muellabfuhr warten und vor sich hin stinken.
Damit das Radeln im Iran wegen dem Verkehr und den endlos langen Strassen
trotzdem Spass macht, entschieden wir uns auf der Autobahn zu fahren, wo wir
den breiten Pannenstreifen ausnuetzen koennen. Das war noch ganz toll,
bleiben doch die Lastwagen auf der gebuehrenfreien Hauptstrasse und koennen
uns somit nicht anhuppen und vollrussen.
Unterwegs nach Esfahan blies uns aber ein heftiger Wind entgegen, so dass
wir kaum vorwaerts kamen und da Maja komplett erkaeltet war und es Maesi
furchtbar anschiss, hielten wir am Strassenrand und versuchten einen leeren
Pickup zu stoppen der uns mitnehmen koennte. Statt einem Pickup hielt dann
aber ein Schweizer Militaerpinzgauer (Sani-Pinz), bemalt mit mystischen Feen
und Tieren und einem blonden Zauberer der ein Insekt mit Loewenkopf
verzaubert. Dieser Blonde steigt dann auch aus und es ist Dieter, der
Zirkusdirektor aus Deutschland. Nachdem wir unsere Raeder in den clever
eingerichteten Camper gestellt haben ging die Fahrt motorisiert weiter. Wir
erfahren dass er den kleinsten Zirkus der Welt hat und mit Huehnern, Tauben,
Schweinen, Katzen und weiteren Kleintieren Vorstellungen gibt. Zusammen mit
seinen zwei Hunden macht er nun vier Wochen Ferien im Iran und kann mit dem
6x6 in die verlassensten Winkel, ueber Stock und Stein fahren. Waehrend
einem Spiegeleier-Stopp fernab der Strasse erzaehlen wir uns Erlebnisse und
wir geben ihm Tipps fuer wunderschoene Strecken durch die Wueste die wir mit
dem Fahrrad leider nicht machen koennen. Ganz spontan laed er uns dann ein,
die naechsten Tage mit ihm durch die Wueste zu fahren; ja sogar bis nach
Shiraz und zurueck nach Esfahan. Die Fahrraeder aufs Dach und los gehts! Wow!
Fuer uns oeffneten sich Tore und das Reisen im Iran erhielt eine andere
Dimension. Anstatt nur von Stadt zu Stadt zu reisen konnten wir auch weniger
touristische Gegenden sehen. In diesem Pinzgauer fuhren wir zum Zelten raus
in die Steinwueste, weit weg von Zivilisation und Lichtquellen. Der
Sternenhimmel lag klar und dicht und leuchtend ueber uns. Die Naechte wurden
eisig kalt, doch wir zwei genossen diese langen Naechte und durften kuscheln
ohne dass die Sittenpolizei etwas dagegen haben konnte!
Wir wussten gar nicht dass eine Wueste so abwechslungsreich sein kann:
Eine endlos flimmernde Flaeche, kantige Felsen, massive Berge in tiefsten
Rot- und Brauntoenen, Sandduenen und Steinfelder. In regelmaessigen
Abstaenden eine verlassene Keravanserei, viele wilde Kamele und immer wieder
eine Fata Morgana. Wir denken dort muss ein Salzsee sein, doch als wir
naeher kommen ist dort kein Tropfen Wasser zu sehen. Das Lichtspiel ist
genial.
Nach zwei Tagen Fahrt erreichten wir eine Oase voller Dattelbaeumen und
Lehmhaeuser, Garmeh, ein 200 Seelendorf. Im Guesthouse quartierten wir uns
ein und genossen mit Einheimischen und jungen Teheranern einen
unterhaltsamen Abend. Dieter fuehrte ein paar Zaubertricks vor und die
Besitzer machten Musik mit Amphoren, Bongos, Digeridoo und Rasseln. Die
Atmosphaere war ganz locker, die Frauen trugen kein Kopftuch und wir
erlebten einmal mehr Iraner die mit der Religion und der Politik nicht viel
anfangen koennen.
Nachdem Maesi seine Taschen mit Datteln gefuellt hatte, fuhren wir von
Garmeh nach Yazd. Hier stellten wir unsere Fahrraeder in einem Hotel ein und
fuhren weiter nach Persepolis und Shiraz. Wir sind Dieter sehr dankbar,
konnten wir doch noch mehr vom Iran sehen und er bot uns an unsere Souvenirs
mit nach Hause zu nehmen. Unserem Budget tats nicht so gut aber ein paar
orientalisch-persische Erinnerungen mussten wir haben.
Als Europaeer ist man im Iran sehr willkommen, wenn wir sagen wir sind
aus der Schweiz, dann finden die das super. Meistens wird dann auch gleich
der Preis hoeher angesetzt, weil ja in der Schweiz das Geld angeblich aus
dem Wasserhahn tropft und alle sehr reich sind. Oftmals muessen wir ihnen
die Relationen aufzeichnen damit sie verstehen dass auch bei uns keine
Geldbaeume wachsen. Klar ist der Iran fuer uns sehr guenstig, wir bezahlen
fuer ein feines Abendessen um die CHF 12.-, eine zehnminuetige Taxifahrt
kostet um die CHF 2.- und das Brot keine 10 Rappen. Doch
die Hotels sind verhaeltnismaessig teuer.
Wenn wir also durch die Bazaars schlendern, die hat es in jeder Stadt,
erzaehlen wir erst nach dem Handel von wo wir kommen und wenn wir ihnen
erklaeren, dass wir mit dem Fahrrad hier sind, dann sind wir richtige
Helden, sind doch die meisten Iraner unsportlich. Weil wir auf
Hochzeitsreise sind bekommen wir manchmal sogar kleine Geschenke.
Jede persische Stadt ist anders und doch gleichen sie einander sehr.
Viele Moscheen mit farbigen Kacheln verziehrt, mit hohen Minaretten und
glimmernden Gedaenkstaetten die nur Moslems besuchen duerften. Breite
Strassen, viele Menschen, kuppelartige Teehaeuser mit teppichbezogenen
breiten Baenken wo man im Schneidersitz Tee trinkt und Dizi isst. Esfahan
mit der einzigen Fussgaengerzone, den verschiedenen Bruecken und Teehaeusern
hat uns sehr gut gefallen. Der Glanz der persischen Kultur konnte uns
verzaubern!
PS 1: Die romantischsten Maenner haben wir hier im Iran getroffen.
Augenaufschlaege, Hueftschwung durch enge Hosen betont und ein Singen in der
Stimme… ob das auch mit der Geschlechtertrennung zu tun hat?
PS 2: Nun sind wir in der Wuestenstadt Yazd, eine der aeltesten Staedte
Irans, gebaut aus Lehmziegeln, mit dem bewundernswerten Kanatensystem
welches die Wasserzufuhr von den Bergen zur Stadt schon seit Jahrhunderten
sichert. Und den dominanten Windtuermen die den Einheimischen auch waehrend
des heissen Sommers kuehle Luft in die Wohnungen leiten.
Maja und Marcel
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14. Reisebericht 3.12.2005
Iran zum Letzten
Wir naehern uns dem Osten Irans, der Region Baluchistan, die sich bis
weit ueber die Grenze Pakistans und auch einen Teil Afghanistans erstreckt.
Eine karge Gegend vorwiegend aus Stein, Geroell und Sand, tagsueber momentan
angenehm warm, nachts eisigkalt. Die wenigen Menschen die hier leben sind
Halbnomaden, leben im Sommer in Zelten in den Bergen, im Winter in ihren
Lehmhuetten.
Bereits in Kerman sahen wir einige dieser Maenner in langen Blusen und
Turbanen; ein Voelkergemisch der besonderen Art. Hier noch der schicke
Iraner im Anzug, dort ein Pakistani oder Afghani in Tuecher gehuellt.
Nach 19 Tagen Fahrrad-frei freuten wir uns sehr endlich wieder radeln zu
koennen und am Abend spuerten wir ganz schoen unsere Beine und das
Hinterteil. Uns wurde wieder ganz klar bewusst wie langsam wir eigentlich
unterwegs sind, nachdem wir in ein paar Tagen mit Dieter im Pinzgauer ueber
1000km zurueck gelegt hatten. Zum Radeln ist die Jahreszeit optimal, nicht
so heiss, jedoch jeden Tag Sonne. Leider sind die Tage etwas kurz, um 16.30
Uhr wird es schon dunkel und es kuehlt heftig ab.
Zusammen mit unseren Freunden aus Holland, Rob und Lucie, sind wir als
Vierergespann unterwegs. Seit wir uns in der Tuerkei das erste Mal getroffen
haben, laufen wir uns immer wieder ueber den Weg, haben das selbe Tempo,
suchen oft dieselben Hotels und Restaurants auf. Da die Durchreise durch
Pakistan, wie wir mehrmals gehoert hatten, nicht unkompliziert werden
koennte, haben wir uns entschieden die naechsten Wochen zusammen zu reisen,
uns gegenseitig zu unterstuetzen. So nehmen wir ab Kerman den Bus bis Quetta,
Pakistan (ca. 1200km) bringen diesen Teil der Region Baluchistan so schnell
wie moeglich hinter uns, welcher fuer Drogenschmuggel und Kriminalitaet
bekannt ist. Wir waeren tagelang geradelt, haetten bei Polizeiposten neben
der Strasse uebernachten muessen; doch wir radeln aus Freude an der Bewegung
und an den Begegnungen und nicht weil wir die Kilometer zaehlen. So sassen
wir im Bus, blickten auf eine wunderschoene Kulisse und konnten unsere Zeit
im Iran verarbeiten und Revue passieren lassen.
Der Iran bleibt fuer uns ein Geheimnis. Er hat mehrere Seiten, das faengt
bei der Politik an, geht weiter ueber die Verbote, Gesetze, ueber die
Religion, die Kultur, die Zeit des Shas und dessen Denkmaeler, bis zu den
jungen Menschen die Iran lieben oder hassen. So wurden auch wir nicht ganz
schluessig, waren dauernd hin und her gerissen wem wir nun was glauben
sollten, wollten unser Bild objektiv gestalten, wurden aber immer wieder
beeinflusst und irritiert.
Fasziniert hat uns die persische Geschichte, weniger der Khomeini-Kult. Sein
Gesicht und das seines Nachfolgers haengt in jedem Haus, an Waenden und
Moscheen. Beeindruckt waren wir von der Offenheit der Menschen die ueber
ihre Gefuehle gesprochen haben und uns tiefer in ihre Welt eintauchen
liessen. Gelacht haben wir ueber die Stuehle und Sessel, die immer noch im
Verpackungsplastik verkleidet bereits gebraucht werden, der Preis und die
Ettikette noch dran. Genossen haben wir den Moslem-freien Nachmittag wo wir
in Esfahan den armenischen Viertel besuchten und uns die christliche Vank
Kathedrale ansahen. Kirchenmusik hiess uns Willkommen, wunderschoene
Malereien der Bibelgeschichte und ein sorgfaeltig gefuertes Museum mit der
kleinsten Bibel der Welt. Bei einem Kaffe im Coffee-Shop nebenan erfuhren
wir von einem jungen Armenier wie schwierig ihr Leben hier in dieser
islamischen Welt ist. Gefreut haben wir uns ueber die Einladung von Fahimah
in Hamadan ihre Englischstunde im Institut zu besuchen. Die acht jungen
Frauen loecherten uns mit Fragen ueber unsere Reise, unsere Hochzeit, die
Kultur in der Schweiz, unsere Religion, Regierung, Geld, Ausbildung, Job.
Wir spuerten den Wissensdurst dieser jungen Leute die durch ihre Isolierung
viel zu wenig vom Rest der Welt wissen, es aber erfahren moechten. Wir sind
froh gibt es nun auch Internet im Iran. Gelangweilt hat uns die iranische
Kueche. Die trockenen Kebabs blieben uns im Hals stecken, die Suppe
schmeckte immer gleich und die Stews, das einzige was wir gerne hatten,
verloren am Schluss auch ihre Reize. Richtig gut gegessen hatten wir bei
jemandem zu Hause, das war immer ein Festessen. Schade gibt es diese
Vielfalt selten in Restaurants und Take Away-Buden. Wir werden dieses Essen
nicht vermissen. Das einzig Lustige daran ist, dass man nur mit Gabel und
Loeffel isst und dazu viel Brot. Kompliziert wurde die Verstaendigung durch
die neue Sprache Farsi und deren fremde Schrift (aehnlich wie arabisch),
vorallem wenn die Wegweiser nur in Farsi angeschrieben waren... Traurig
stimmte es uns wenn wir eine wunderschoene Moschee sahen und sie nicht
besichtigen durften weil wir nicht Moslems sind. Nur ein tiefer Griff in die
Trickkiste ermoeglichte uns ab und zu einen Besuch. Erstaunt hat uns dabei
wie innig die Moslems ihre Heiligen verehren, ihnen wunderschoene Shrines
bauen, mit tausenden von Spiegelchen dekoriert. Die Glaeubigen besuchen und
kuessen die Grabstaetten, beten und teilen ihre Trauer. Genervt haben wir
uns wegen den ruecksichtslosen Taxi-, Auto- und Motorradfahrer, die keinem
einzigen Fussgaenger je eine Chance geben anstaendig ueber die Strasse zu
kommen. Wir empfanden dieses Verhalten als sehr respektlos. Amuesiert haben
wir uns ueber die kichernden jungen Frauen die uns ansahen, evt. etwas
sagten und dann zusammen hinter dem Tschador versteckt kicherten. Wir
glauben es war ihr Stolz, dass sie sich getrauten uns anzusprechen, oder
vielleicht machte sie Marcel etwas verlegen oder sie lachten ueber Maja die
ihr Kopftuch wiedermal nicht Khomeini-tauglich trug... Jedenfalls wurde Maja
von allen Frauen mit grossen Augen bestaunt und immer foehlich angelaechelt.
Das tat ihr so gut, in dieser maennerdominierten Welt. Angezogen wurden wir
von den Bazaars. Das Treiben, Feilschen, Diskutieren, Gestikulieren,
Handeln, Schmieden, Weben, Schlagen, Tragen, Naehen,... jahrhundertealte
Traditionen von Handwerken werden gepflegt, an Junge weitergegeben, dem
Touristen verkauft. Nicht selten wurden wir zum Tee trinken eingeladen,
haben ueber die Antiquitaeten diskutiert oder die Reise oder die Politik. In
kilometerlangen Gaengen mit Kuppeldaechern wird Sinnvolles, Nuetzliches,
Kitschiges, Unbrauchbares, Wertvolles und Wertloses verkauft, ein Geschaeft
neben dem anderen, manchmal mit guter manchmal mit skrupelloser
Nachbarschaft. Die Bazaars leben, das gefaellt uns!
In Zahedan angekommen, der letzten grossen Stadt Irans, 100 km vor der
pakistanischen Grenze, werden wir nochmals eingehend von den Einheimischen
bestaunt, unsere Fahrraeder betatscht. Unsere Viererkarawane wird wieder von
Motorradfahrern eskortiert die halsbrecherisch vorfahren, die Polizisten
kennen die eigene Stadt nicht und geben uns den falschen Wegbeschrieb, im
Hotel funktioniert die Heizung nicht und unsere kalten Fuesse bleiben kalt.
Kroenend verabschiedeten wir den Iran mit einem Chickenkebab und liessen uns
am naechsten Morgen mit einem Pickup zur Grenze fahren. Mit Rob und Lucie
haben wir bereits unser Iranerlebnis eroeffnet, nun schliessen wir es wieder
gemeinsam.
PS1: Zum Ausprobieren wie ein iranischer Chickenkebab schmeckt, hier das
Rezept: Man nehme die sauersten Zitronen die man finden kann, lege die
Chickenfleischwuerfel darin ein (am Besten ueber mehrere Stunden) bis dem
Fleisch der ganze Saft entzogen wurde und die Farbe des Fleisches
Schwefelgelb ist. Danach grilliert man das Fleisch in der Pfanne oder Grill
drahtig und faserig. Eine halbe Stunde auskuehlen lassen und mit trockenem
weissen Reis servieren, zusaetzlich ein paar kalte Pommes Frites als
Dekoration passen hervorragend dazu.
PS2: wir sind nun dort wo wir nach 15 Stunden eisigkalter Busfahrt
ausgestiegen sind; in einer komplett anderen Welt!
Maja und Marcel
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Bilder zum 14.Reisebericht |
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15. Reisebericht 21. Dezember 2005
Assalam Alaikum
Kaum haben wir die Grenze ueberquert hiess uns eine komplett andere Welt
willkommen: Pakistan; gutes, wuerziges Essen bereits im Zollhaus, Maenner
mit langen Blusen, weiten Hosen und Tuecher um den Kopf gewickelt,
Linksverkehr, schlechte Strassen, funkelnde Lastwagen, Frauen in farbigen
Kleidern und sehr viele Fahrradfahrer! Wir staunten nicht schlecht, ist doch
der Unterschied zum Iran gewaltig und ueberraschend positiv!
Die letzten paar Wochen haben wir viel Informationen eingeholt wie das
Reisen in Pakistan sein koennte. Von Travellers die waehrend der letzten
Wochen durch Pakistan gereist sind haben wir nicht sehr erfreuliche Infos
erhalten. Die Meisten hatten Polizeieskorten ob sie per Camper, Motorrad
oder Fahrrad unterwegs waren. Vorallem die Fahrradfahrer hatten Muehe mit
den Eskorten, weil es der Polizei zu langsam ging und sie die Radler,
vorallem die Weiblichen, unter Druck setzten. Pipipausen und Fotostopps
seien unerwuenscht. Ja, nicht gerade ermutigend fuer uns. Dann kommt noch
dazu dass auch die Aemter fuer die Durchreise durch Regionen wie Baluchistan
und Sindh abraten. Wir wollten kein Risiko eingehen also planten wir per Bus
und Zug diese Gebiete zu durchreisen udn hofften spaeter doch noch ein paar
Kilometer radeln zu koennen. Wir waren zu viert unterwegs, mit Rob und Lucie
aus Holland; wir hofften so gehts problemloser.
Nach einer unkomplizierten Einreise wollten wir einen Bus finden der uns
nach Quetta bringt, ca. 650 km ins Landesinnere. Ein Bus stand direkt neben
dem Zollhaus bereits vollbeladen mit viel geschmuggeltem Benzin aus Iran, im
Bus drin und auf dem Dach; x Schachteln mit Praffin auf dem Boden ausgelegt,
gebrochene Frontscheibe, eng und schmutzig. Wir entschieden uns fuer diesen
Bus obwohl Maja ein sehr schlechtes Gefuehl hatte, denn er wuerde bald
fahren und lange suchen wollten wir nicht. Unsere Maenner verfrachteten die
Raeder aufs Dach und waehrenddem sie oben die Raeder fixieren wollten fuhr
er los in die naechste Ortschaft Taftan. Waehrend mehreren Stunden wurde
weiteres Material aufs Dach verladen bis auch den anderen nicht merh wohl
war. Erstens wegen der Gefahr waehrend der Fahrt, der Schwerpunkt war
ziemlich weit oben und dann gingen sie sehr unvorsichtig mit unseren Raedern
um. Die haetten am Schluss auf dem ueber 2 Meter hohen Materialberg gelegen.
Als wir den Bus wechseln wollten, gabs einen heftigen Aufstand des
Besitzers. Auf dem Dach des Busses sprach er auf Marcel ein, unten standen
Hunderte von Pakistanis die uns umringten und zuschauten. Schliesslich
konnten wir wechseln, unsere Fahrraeder sicher auf einem anderen Bus
fixieren und zusehen wie der vollbeladene Bus schwankend Taftan verliess.
Waehrenddem wir auf die Abfahrt warteten knipste Marcel einen Fotofilm voll
von der Stimmung dieser Grenzstadt, den Baluchi-Gesichtern mit Bart und
Turban, von der Open-Air Moschee und den Maenner im Shalwar Kameez. Die
ersten 300 km waren recht angenehm, nachher fing der Schuettelbecher an. Zum
Glueck war es Nacht, wir konnten die Strassenzustaende nicht sehen nur
fuehlen. Immer wieer sahen wir aber etwas blinkendes, funkelndes,
leuchtendes auf uns zukommen, das sind die pakistanischen Trucks; fahrende
Weihnachtsbaeume! Im Bus drin sahen die Maenner in ihre Tuecher gehuellt im
dumpfen Licht der Businnenbeleuchtung recht gespenstisch aus. Nach 15
Stunden Fahrt kamen wir halb eingefroren in Quetta an. Zusammen mit
Fahrradfahrern, Autorikshaws, Eselskarren, Bussen und Autos fuhren wir durch
die Strassen, die Leute hiessen uns Willkommen und begleiteten uns. Wir
hatten riesig Spass. Spaeter setzten wir uns in so eine Autorikshaw und
liessen uns durch den dichten Verkehr bis zum Bazaar chauffieren. Nach zwei
weiteren Tagen Bazaar war uns aber klar, dass eigentlich ganz Quetta ein
einziger Bazaar ist. Von Morgens bis Abends ist Betrieb, jeder hat sein
Business auf der Strasse oder in einem kleinen Shop. Wir staunten nicht
schlecht als wir eine Strasse entdeckten mit Fahrradgeschaeften wo man sein
Fahrrad zum Dekorieren lassen bringen kann. Eine Stunde spaeter erkennt man
es nicht wieder. Verschiedene Farben, Scherenschnitte, Plastikblumen,
Wimpel, Rueschchen, Gloeckchen,... alles kann man haben. Die Versuchung war
gross unsere Bikes dekorieren zu lassen, aber wir wollten sie ja nicht noch
attraktiver machen als sie hier eh schon sind! Wir sind ueberzeugt, dass das
Voelkergemisch Quetta einen speziellen und interessanten Touch gibt. Hier
leben Baluchen, Afghani, Pastunen, Nomaden und weitere Voelker zusammen. Die
Leute waren sehr aufgeschlossen, suchten Kontakt mit uns und wollten immer
fotografiert werden.
Weiter gings mit dem Zug. Nachdem wir alle unsere Taschen in zwei grosse
Getreidesaecke gestopft hatten, mischten wir uns unter die vielen Leute die
alle auch in diesen Zug wollten. Wie vermutet gabs dann ein riesiges Chaos
beim Einsteigen. jeder Pakistani hatte mindestens so viel Gepaeck dabei wie
wir und die reservierten plaetze waren teils doppelt belegt. Wir hatten
extra "First Class Sleeper" gebucht, dass wir die 16 Stunden einigermassen
gemuetlich verbringen koennen. Am Schluss standen uns aber statt vier nur
drei Betten zur Verfuegung und wir zwei teilten uns einen solchen schmalen
Schragen. Aber halb so wild, um 2.30 Uhr in der Nacht mussten wir in Bahawal
Pur aussteigen, bekamen unsere Raeder einwandfrei zurueck und warteten vier
Stunden in der Kaelte bis es Tag wurde. Diese pakistanische Zugfahrt war
aber ein geniales Erlebnis, so mussten die Zuege in der Schweiz vor 50
Jahren gerattert und geschaukelt haben. Sehr gemuetlich fuhr er zuerst den
armseligen Siedlungen entlang, dann ueber den Bolanpass durch eine
spektakulaere Bergwelt. In den offenen Tueren stehend liessen wir den Wind
durch die Kleider blasen und waren immer bereit fuer Schnappschuesse. An den
Stationen konnten wir uns mit feinem Essen eindecken, Dhal, Reis und Cay.
Auf der Faleche gab der Zug dann richtig Gas und wir fuehlten uns wie auf
einem Schnellboot das ueber die Wellen reitet. Ziemlich zuegig raste er bei
Nomaden und ihren Zelten vorbei und wi sahen die Sonne in der Wueste
versinken.
In Bahawal Pur merkten wir dann das erste Mal wie gross die Kluft zwischen
Arm und Reich ist. In einem Stadtteil gibt es Traumvillen, schicke
Restaurants und viele Privatschulen. Daneben hausen die Menschen in aermsten
Bedingungen, betteln auf der Strasse. Daran muessen wir uns nun gewoehnen,
in Indien wird es nicht anders sein. Reich werden die Leute hier mit
Baumwolle. Waehrend unserem ersten Radeltag bis Multan sahen wir
Baumwollfelder bis an den Horizont, darin farbige Punkte: Frauen bei der
Ernte. Es war eine richtig schoene und interessante Fahrt, nicht viel
Verkehr und wenn dann sehr angenehm. Radfahrer begleiteten uns, einer hatte
sogar einen Lautsprecher montiert und leiss Musik laufen, kurvte 10 km lang
hinter uns her. Eine tolle Abwechslung. Den Strassen entlang ist wieder
Leben, kleine Doerfer, Teehaeuser, Fruchtmaerkte, Reparaturwerkstaetten und
viel Leute die uns zurufen und winken. Es ist einfach wunderschoen wenn man
das Strahlen auf ihren Gesichtern sieht wenn wir mit ihnen Kontakt
aufnehmen. Sobald wir anhalten bildet sich eine Menschentraube um uns, meist
zurueck haltend, mit Abstand. Wenn dann einer etwas fragt kommen auch die
anderen naeher und druecken auf unsere Hupen, das finden sie besonders
lustig!
Die Strassenbelaege waren nicht hervorragend, doch als wir nach Multan rein
fuhren, schaetzten wir die Strassen bis hierher. Hier gabs nur noch
Schotter, Staub, Dreck, Sumpf, verstopfte Strassen, stinkende Rikshaws und
dahinter ein Esel, seine Nase direkt am Auspuff. Unglaublich was die Pferde,
Bueffel, Esel und Kamele hier alles leisten,schwere karren durch den dichten
und lauten Verkehr ziehen muessen. Einmal sahen wir sogar Ziegen die Tag und
Nacht auf einer kleinen Verkehrsinsel ihr leben verbringen muessen. Sie
fressen was gerde an Abfall geflogen kommt und starren abgedroschen ihren
tierischen Freunden nach die dasselbe mitmachen muessen.
Nun werden wir also jeden Abend voll verstaubt vom Rad steigen, haben
literweise Abgase und Staub eingeatmet und sind froh wenn wir ein ruhiges
Hotelzimmer finden.
In Multan lernten wir einen Pakistani kennen der uns eine bemalte Camel Skin
Lampe verkaufte und uns den Handicraftbazaar zeigte. Hier arbeiten 18
Handwerker Seite an Seite und demonstrieren ihre Arbeit. Wir wurden zum Cay
eingeladen und wurden mit Geschenken ueberhaeuft plus organisierete er einen
Fernsehauftritt fuer uns. Irgend ein City Channel. Mit 2,5 Stunden
Verspaetung traf die zweikoepfige Crew ein, einer mit Mikrofon der andere
mit einer Pocketvideokamera auf einem Dreibeinstativ. Maesi, der die
traditionelle Pakistani-Kluft trug, musste zuerst ein paar Fragen
beantworten, dann kamen Maja, Lucie und Rob dran. Anschliessend wollten sie
uns noch auf den Fahrraedern filmen und da diese Reportage diese Nacht um 3
Uhr ausgestrahlt wird mussten wir noch im Dunkeln, ohne Gepaeck natuerlich,
vor dem Hotel hin und her fahren. Wir amuesierten uns sehr und staunten wie
ernst die zwei ihre Arbeit nahmen. Leider hatte unser Hotel-TV diesen Sender
nicht und ein Tape davon haben wir auch nicht erhalten. Wir vergassen sogar
zu fotografieren so waren wir beschaeftig mit Zuhoeren und das Lachen
zurueckzuhalten.
Wenn wir in so ueberfuellten Staedten wie z.B. Multan sind fahren wir
eigentlich nie mit dem Fahrrad zum Bazaar oder zu Sehenswuerdigkeiten. Dann
fahren wir mit einer Rikshaw. Will man ein bisschen Privatrssphaere dann
steigt man in eine Autorikshaw ein die Tueren hat und man nur ueber die
Schulter des Chauffeurs auf die Strasse sieht. Der Nachteil ist, dass die
Abgase drinnen haengen bleiben und man jede Bodenwelle und Schlagloecher
unsanft mitbekommt. Ein Gruss an die Bandscheiben. Aber dieses Gefaehrt ist
wendig wie ein Putsch-Auto an der Herbstmesse nur putscht es zum Glueck
selten bis nie! Die Motorradrikshaw hingegen ist offen, man kann vorwaerts
oder rueckwaerts fahren. Das aehnelt dann eher einer Geisterbahnfahrt,
vorallem Nachts wenn man nur Scheinwerfer sieht und Schatten der Maenner auf
den Velos in Tuecher gehuellt langsam oder schneller vorbei huschen.
Anstaendig sitzend haben bei dieser Rikshaw 4 Leute Platz sonst 7-10. Hier
kann man den ganzen Verkehr beobachten und die Gesichter der erstaunten
Pakistanis sehen wenn sie sehen dass zwei Europaeer hinten drauf sitzen.
Weiter gibts noch die Fahrradrikshaw, einer tretet zwei bis drei personen
sitzen weich gepolsterst im Anhaenger und lassen sich rumchauffieren. Das
haben wir bis jetzt noch nie probiert. Die Typen tun uns so leid denn sie
haben nur einen Gang und das ist harte Arbeit. Dafuer ist man langsam
unterwegs und man muss sich nicht fuerchten vor dem Fahrstil des Drivers.
Manche Motorisierten fahren mit der Gunst der Millimeter und lassen kein
Schlagloch aus!
Lucie hatte in einem Reisebericht eines Hollaenders gelesen, dass er in Mian
Channun, einer Stadt auf unserem Weg nach Lahore, bei einem homoeopatischen
Arzt uebernachtet hat. Da wir dachten zu viert wollen wir diesen Arzt nicht
terrorisieren, checkten wir zuerst die Hotels ab. Auf Grund des
Zimmerzustandes entschieden wir uns dann doch den Arzt aufzusuchen. Voller
Erstaunen hiess uns der Sohn Gudu willkommen, fuehrte uns in das riesige
Haus und zeigte uns den Schlafraum mit zehn Betten. Wir waren sehr
ueberrascht, erfuhren dann aber dass sein Vater, Dr. Mirza, bereits 82 Jahre
und 7 Monate alt (wie er selber sagt) in den 60er Jahren selbst mit dem
Fahrrad um die Welt fuhr. Er freue sich ueber jeden Besuch von World Cycle
Tourists, wie er so schoen sagt. Im Gaestebuch konnten wir nachlesen, dass
er bereits seit ueber 25 Jahre Gaeste empfaengt, ihnen ein Bett und Essen
anbietet; sogar aus der Schweiz waren einige dabei. Dr. Mirza selbst ist
sehr ruestig und fit und weiss viel zu erzaehlen. Er weiss genau was ein
Fahrradfahrer braucht und so schickte er uns um 21.30 Uhr ins Bett! Da er es
nicht akzeptieren wollte dass wir am anderen Tag weiter fuhren verbrachten
wir den Morgen mit Fotos anschauen; 2000 Bilder von seinen Gaesten, viele
auch doppelt und dreifach. Da maja die ueppigen French Toast vom Fruehstueck
nicht verdauen konnte blieben wir auf der Sonnenterrasse und warteten nach
ein paar Zaubertropfen von Dr. Mirza auf Besserung. Mirzas Grosskinder
sorgten fuer genuegend Unterhaltung und standen gerne Modell fuer unsere
Fotosammlung. Wir haben uns sehr gefreut, konnten wir Dr. Mirza kennenlernen.
Er wird fuer uns ein Beispiel bleiben wie man mit wenig Material aber viel
Herz, Charme und Gastfreundschaft andere Menschen gluecklich machen kann.
Nach vielen schlechten Erfahrungen von anderen Travellers koennen wir nur
positives ueber das Reisen in Pakistan berichten. Die Polizei begruesste uns
immer freundlich, nahm Notiz wohin wir fahren und nur die letzten 20 km bis
Lahore begleiteten sie uns. Wie wir erfuhren sind die Eskorten nur zum
Schutz der Touristen gedacht, da in den letzten Jahren bereits Auslaender
entfuehrt wurden.
Die Pakistanis sind fuer uns definitiv die Kuenstler des Kitschs! Hier
blinkt, funkelt, hornt, leuchtet, rasselt alles. Vom Truck bis zum Fahrrad,
von der Gedenkstaette bis zum Mandarinenverkaeufer, vom Kopf bis zu den
Fuessen. Eine farbig frohe Welt, auch die Frauen sind in allen Farben
gekleidet; es ist eine Freude! Genauso abwechslungsreich ist auch ihre
Kueche. nach den Hungerphasen im Iran koennte man sich hier auf alles
stuerzen, doch wir muessen vorsichtig sein, sind doch die hygienischen
Verhaeltnisse drastisch gesunken. Wir alle hatten schon unsere
Durchfall-Attacken durchgemacht, sie jedoch gut ueberstanden. Nun verlassen
wir die Moslems und erreichen unser 14. Land unserer Reise: INDIEN, ein
grosses Ziel ist erreicht!
PS 1: und wenn schon keine gewohnte Weihnachtstimmung aufkommen konnte,
dann hatten wir wenigstens die wunderschoenen Lastwagen zu bewundern die wie
Weihnachtsbaeume aussehen. Wenn schon kein Christ-Baum dann wenigstens ein
Moslem-Truck!
PS 2: Wir verbrachten nun zwei friedliche Tage in Amritsar, besuchten den
fantastischen Golden Tempel und hausten im Pilgerhaus der Sikhs, wo wir
einen Einblick in ihre Religion bekamen. Weiter gehts in die Berge nach
Dharamsala wo der Dalai Lama zu Hause ist. Dort moechten wir Weihnachten
feiern und unser Gerber-Fondue essen, das wir von Zuhause zugeschickt
bekommen haben... wir freuen uns sehr darauf! Wir wuenschen unseren Lesern
und treuen Verfolgern frohe Weihnachten und ein erfolgreiches, glueckliches
Neues Jahr! Eure Inder
Maja und Marcel
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Bilder zum 15.Reisebericht |
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16. Reisebericht 19. Januar 2006
Freude herrscht!!!
Die magische Linie. Nun liegt sie vor unseren Fuessen, markiert durch
einen weissen Strich. Unser Herz schlaegt schneller, ein paar Traenchen
fuellen unsere Augen, gleichzeitig ueberfaellt uns ein Sturm der Freude und
auch ein bisschen Stolz. Nach 7 Monaten und 13 Tagen stehen wir also an der
Grenze zu Indien, dem Land der Gerueche, Farben, Religionen und Gegensaetze.
Noch ein Foto in Pakistan mit dem Grenzwaechter, Schritt, nun ein Foto mit
dem Eintrittstor und ein paar Indern die Gepaeckstuecke, an der Linie von
den Pakistanis uebernommen, in ihr Land tragen. Wir sind nun also in
Indien!!! Wie oft haben wir davon gesprochen, wie oft haben wir unterwegs
unsere Reiseroute mit dem Ziel Indien erklaert? Bis wir aber in New Delhi
sind, unserem 1. grossen Ziel, muessen wir noch ein bisschen radeln, haben
etwas Zeit einen Bruchteil dieses Landes kennenzulernen und zu erleben.
Doch zuerst musste Maesi, noch bevor wir den definitiven Einreisestempel
erhalten haben, inmitten von Hundert staunenden Indern, einen Platten
reparieren. Knapp vor der Grenze hat er unseren 2. Plattfuss dieser Reise
eingefahren. Dann radeln wir los Richtung Amritsar. Entfernen uns von den
muslimischen Laendern und fahren direkt in die naechte Religion hinein, die
der Sikhs. Im atemberaubenden Golden Tempel Komplex aus weissem Marmor,
ihrer heiligsten Gedenkstaette, steht in der Mitte des heiligen Sees ein
wirklich goldiger Tempel, erreichbar durch einen Steg, genannt Guru's
Bridge. Tausende von Pilgern kommen taeglich hier hin um das heilige Buch
und ihre Gurus anzubeten. Auch wir mischten uns unter die Pilger und
quartierten uns im Pilgerhaus ein. Entgegen zu den Sikh-Pilgern, die den
Haeusern entlang auf dem Boden schlafen, hat es im Touristenmassenlager
Betten und sogar eine Dusche mit heissem Wasser. Die Sikhreligion hat ganz
eigene Besonderheiten so dass man sofort sieht wer ein Sikh ist. Sie tragen
richtig schoen gebundene Turbane unter denen sie ihre Haare, die sie ein
Leben lang nicht schneiden, verdecken koennen. Auch die Barthaare werden
teilweise darunter versteckt. Die Anwaerter auf einen richtigen Turban
tragen die Haare auf dem Vorderkopf zu einem Knoten gebunden (auf
Schweizerdeutsch "Pfuerzi"), auch wieder mit einem Tuch bedeckt. Weiter
sollte jeder Sikh ein Messer tragen. So sahen wir im Tempelkomplex ein paar
sehr interessante Gestalten, beobachteten ihre Rituale, genossen die
spirituelle Atmosphaere und lauschten Tag und Nacht den Trommelschlaegen und
Gesaengen. Den Tempel muss man barfuss und mit Kopfbedeckung besuchen, so
kam nun auch Maesi einmal in den Genuss von einem Kopftuch!
Weihnachten wollten wir in Mc Leod Ganj verbringen, dem oberen Dharamshala.
Ein sehr beliebtes Touristendorf mit vielen Shops, Restaurants, der Residenz
des hier im Exil lebenden Dalai Lama und seinen Moenchen und Nonnen und
somit auch vielen Tibetern. Unterwegs vom Flachland in die Berge sahen wir
die ersten Affen die am Strassenrand sassen, sich lausten oder spielten, so
lustig! Wir haetten stundenlang zusehen koennen. Genau am 24. Dezember
erreichten wir dieses Dorf auf 1770 Meter ueber Meer. Sofort machten wir uns
auf, die Beilagen fuer unser Gerber-Fondue zusammen zu suchen und fanden
sogar feines Brot und einen Weisswein. Dick eingepackt in unsere Jacken
sassen wir dicht neben unserer Heizung, welche die Aufgabe des
Weihnachtsbaumes uebernahm, da sie mehr leuchtete als waermte. Genuesslich
und ganz nervoes vor Aufregung tauchten wir die Brotmocken in die Kaesesuppe
und wuenschten uns die Pfanne wuerde nie leer! Mit dem mehr schlecht wie
rechten indischen Wein stiessen wir auf Weihnachten an und dachten ganz fest
an zu Hause. Sie feiern dann Heilig Abend wenn wir schon lange schlafen! Am
Weihnachtsmorgen besuchten wir den Gottesdienst in der katholischen Kirche
und erlebten nun einmal Weihnachten auf indisch. Die Kirche war voller
Inder, einigen Westlern wie wir und mit 15 Minuten Verspaetung gings los.
Der Inder mit der Plastiksamichlausmaske unterhielt uns aber mehr als die
Predigt auf Hindi und die Filmcrew motivierte die Glaeubigen leider auch zu
wenig etwas gehaltvoller zu singen. Nach dem Amen ertoente das "Jingle
Bells" von der Kassette und es wurde Chai serviert. Der gute Masalatee lies
dann doch noch Weihnachtsstimmung aufkommen. Er schmeckt sehr nach
Lebkuchen. Ansonsten gabs nur wenig Weihnachtliches in Mc Leod Ganj, da die
Hindi wie auch die Tibeter natuerlich keine Weihnachten feiern.
Ein bisschen komisch war es schon nun in Indien zu sein denn rings um uns
war vieles tibetisch. Doch die Tibeter sind sehr froehliche und freundliche
Menschen und zusammen mit den Monks and Nuns in den weinroten Kleidern und
den Indern ergibt es ein interessantes Voelker- und Religionsgemisch das
seit Jahrzehnten die Touristen nach Mc Leod Ganj zieht. Nachdem wir so lange
Zeit durch nicht oder wenig touristische Gebiete gereist sind, genossen wir
die Tage hier sehr. Wir machten sozusagen Ferien in den Ferien. Vom tollen
Hotelzimmer aus, das uns einen wunderschoenen Blick ins Tal bot, machten wir
ein paar Schritte und wir waren mitten im Geschehen. Viel Zeit verbrachten
wir mit Essen, fuellten unsere Speicher mit vorwiegend vegetarischen
Koestlichkeiten aus der indischen, tibetischen, chinesischen und
italienischen Kueche auf und versuchten alle moeglichen Kuchen und Tees. Wir
besuchten einen Kochkurs wo wir tibetische Gerichte, wie Momos und Suppen,
zubereiten lernten. Immer wieder besichtigten wir die tibetischen Tempel,
schauten den Butterlampen beim friedlichen Flackern zu, drehten die
Gebetsmuehle und sprachen mit Buddhisten die auf der Suche nach Erleuchtung
sind. Wir spazierten durch die tolle Berglandschaft, eskortiert von einer
Vierer-Hunde-Gang, und genossen die Ruhe und den Spirit unter Hunderten von
Gebetsfahnen. Die Fahrraeder wurden gereinigt und einige Schaeden entdeckt
die bald behoben werden muessen. Einige Stunden verbrachten wir mit Tagebuch
und Email schreiben und Abends genossen wir entweder einen Film im TV oder
einen DVD auf Grossleinwand im Dorfkino. Wenn wir in der Muse fuer Shopping
waren streiften wir durch die Laeden, deckten uns mit Free Tibet-Stickern
ein, liessen die Verkaeufer der Souvenirlaeden auf uns einreden wie toll
ihre Ware ist und wir verliessen den Laden voller Stolz doch mit leeren
Haenden. Kaufen koennte man ja viel, aber unsere Fahrraeder sind so schon
schwer genug.
Am Silvesterabend suchten wir uns ein feines Restaurant aus und bruehten
nachher im Hotelzimmer einen Gluehwein mit indischen Zutaten. Die Handgelenk
mal Pi-Mischung gelang uns nur maessig, doch kuschelig in eine Wolldecke
gehuellt feierten wir auf dem Balkon den Jahreswechsel halt mal anders und
ruhiger. Vergeblich warteten wir aufs Feuerwerk, doch wir zwei feierten
genuesslich unsere drei Jahre M&M's, 9 Monate verheiratet und natuerlich die
bald 8 monatige Reise. Wir sind so begeistert von dieser Art zu reisen, dass
wir unsere Traeume hoffentlich auch im neuen Jahr in weitere spannende
Abenteuer verwandeln koennen!
Ein grosser Wunsch von uns war, wenn wir schon hier sind, Seine Heiligkeit
den Dalai Lama zu sehen. Wir sahen ihn zwar tagtaeglich auf den Postern und
Bildern die in jedem tibetischen Geschaeft haengen und wir sahen auch einen
Film ueber ihn im Kino, doch ihn einemal lebendig zu sehen muss etwas sehr
Spezielles sein. Von Tseten, einem Tibeter der ueber 20 Jahre in der Schweiz
lebt, nun aber gerade hier seine Mutter besucht, erfuhren wir viel ueber
Seine Heiligkeit und der Lage Tibets. Der Zufall lernten wir Tseten in einem
Laden kennen als er uns mit einem "Gruezi" ueberraschte. Fuer uns sehr
speziell wenn wir nach einiger Zeit wieder Schweizerdeutsch sprechen koennen
und sogar mit einem Tibeter! Wir erfuhren, dass es keine Audienz mehr gibt,
wir aber Dalai Lama am 1. Januar bei seiner Abreise zu einem Teaching im
Sueden Indiens sehen koennen. Also standen wir fruehmorgens nach einer
kurzen Nacht auf und pilgerten zu der Residenz Seiner Heiligkeit. Nach
einiger Wartezeit fuhr er in einem PW chauffiert bei uns vorbei, winkte und
laechelte. Leider verging der Moment viel zu schnell, doch diese Sekunden
werden uns ewig bleiben; das Aufstehen hat sich gelohnt!
So ambitioniert wie wir sind suchten wir uns nicht den einfachsten Weg
Richtung Delhi sondern den laengeren, anstrengenderen, kuerveligeren aber
trotzdem schoenen Weg durch die Auslaeufer des Himalayas aus. Schon die
Fahrt nach Dharamshala war wunderschoen und so ging es jetzt weiter. Jeder
Tag war eine Ueberraschung von Morgens bis Abends, koennen wir doch auf
unserer 1:1'500'000 Landkarte sehr schlecht alle Steigungen, Abfahrten und
Umwege sehen. Doch jeder Schweisstropfen lohnte sich, die Aussicht war
jeweils traumhaft schoen! Und als wir dann im Flachland radelten vermissten
wir die Abwechslung und der faszinierende Blick auf die Schneeberge.
Waehrend diesen Tagen lernten wir wieder ein anderes Indien kennen. Jede
Nacht verbrachten wir in einem eisig kalten Hotelzimmer oder im Zelt bei
Minustemperaturen. Ducschen konnten wir zwar meistens warm, doch das
Badezimmer aus Beton oder Stein bleibt trotz Dampf ungemuetlich kalt und
beim Sprechen sehen wir unseren eigenen Atem. Heizungen gibt es keine mehr,
wenn wir sagen "it's cold" ist die Antwort "no problem". Und das heisst
nicht sie bringen eine Heizung sondern "es ist doch nicht kalt"! Nach ein
paar Tagen fragten wir schon nicht mehr, weil es uns bewusst wurde dass wir
sogenannte Warmduscher sind. Wir sahen naemlich wie die Inder leben, oft in
armseligen Verhaeltnissen und dort gibt es sicher keine Heizung also auch
kein warmes Wasser das aus dem Wasserhahn kommt. Nach Sonnenuntergang und
vor Sonnenaufgang brennen ueberall Feuer. Die Menschen sitzen darum herum
und waermen sich auf. Die Frauen sind wieder Schwerstarbeiter und schleppen
den ganzen Tag Aeste. Unglaublich, manchmal sieht man vor lauter Holz und
Blaetter keine Frau mehr! Warme Kleider wie in der westlichen Welt gibt es
nicht, nur Tuecher. Hier zaehlt also die Aussage: "Es gibt kein schlechtes
Wetter, nur schlechte Kleidung" nicht, man kann sich gute Kleider gar nicht
leisten. Manchmal schaemen wir uns, wenn wir gut in unsere warme,
atmungsaktive Kleidung gepackt an Maennern vorbei radeln die an einer
Wasserstelle mit eisig kaltem Wasser im nebligen Morgengrau duschen. Oder
wenn wir sehen, dass alle nur Flipflops tragen oder andere offene Schuhe.
doch die Menschen hier sind das gewohnt, sind abgehaertet, sie lachen und
winken uns immer noch herzhaft zu und das beruhigt uns.
Die grosse Strasse Richtung Delhi war sehr verkehrsreich und somit stieg
auch der Laermpegel im Vergleich zu den Bergstrassen. Damit wir entspannter
radeln koennen, fahren wir ab sofort nur noch mit Ohropax. Wir hoeren immer
noch genug doch das Fahren ist wie in einer anderen Welt da wir das laute
Gehupe und ewige Gehorne nur noch sehr gedaempft mitbekommen. Dafuer
schreien wir uns nun die Kehle heiser wenn wir einander etwas sagen wollen!
Nach der sauberen, frischen Luft in den Bergen wird die Luft bereits 30
Kilometer vor Delhi dick und wir stuelpen uns de Atmungsmaske ueber.
Gluecklicherweise war nur die Einfahrt zwischen den vielen Lastwagen
stinkig, danach ueberraschte uns die bessere Luft dank den vielen Baeumen
und Paerken. Delhi ist eine sehr gruene Stadt doch leider haben sie auch
hier das Abfallproblem nicht ganz im Griff. Aber dieser Kontrast passte zum
gesamten Bild das wir uns machen konnten. Es gibt wunderschoene Quartiere wo
Reiche und besser gestellte Menschen leben, daneben die Slums der Aermsten.
In einem Laden kann man alles aus dem Westen kaufen, auch wenn es unmoeglich
viel kostet, ganz in der Naehe kann man sich sehr billig den Magen voll
schlagen. Entlang der grossen Strassen sitzen alle koerperlich Behinderten
und betteln fuer ein paar Rupees, hundert Meter weiter vorne werden Kinder
der reichsten Familien vom Chauffeur vor die High School gefahren.
Nachdem wir uns im Zick-Zack durch den Delhi-Dschungel gekaempft hatten,
trafen wir Dilip, den Bruder unseres Hochzeitkochs. Er lebt hier mit seiner
Familie und lud uns zu sich nach Hause ein. Ziemlich muede vom ersten
Delhitag genossen wir ihre Gastfreundschaft und fuehlten uns bald wie zu
Hause. die letzten Tage verwoehnte Dilip uns mit bestem Essen, jeder Tag war
ein kulinarisches Highlight. Mit den Kindern entdeckten wir die
Sehenswuerdigkeiten der Stadt wie z.B. ein riesiger Hinditempel, wo wir uns,
begleitet von lauter Musik, die verschiedenen Goetter ansahen. Als Gegensatz
dazu besuchten wir den Lotus Tempel der als Ort der Ruhe und Meditation
gilt. Das India Gate steht in der Mitte eines riesigen Kreisverkehrs ist
aber selber verkehrsfrei und gilt als Gedenkstaette fuer mehr als 90'000
Soldaten die in drei verschiedenen Kriegen starben. Nebenbei erledigten wir
Notwendiges wie Tagebuch schreiben, einkaufen und Fahrrad reparieren. Maesi
musste eine neue Felge organisieren was sich als sehr schwierig erwies.
Jetzt hat er aber eine neue, dicke, schwere, silberne, indische Felge mit 10
Jahren Garantie montiert und wir hoffen die haelt so lange wir noch
unterwegs sein wollen! Denn wir haben New Delhi erreicht, unser 1. grosses
Ziel! Wir sind uebergluecklich dass bis hier hin alles sehr gut funktioniert
hat und hoffen unser Glueck und unsere Schutzengel begleiten uns auch
weiterhin. Seitdem wir wussten, dass wir unser Ziel erreichen werden,
traeumen wir von einer Fortsetztung, die uns nun in den Sueden Indiens
fuehren wird. Entlang der Westkueste moechten wir radeln, endlich wieder in
waermeren Regionen unterwegs sein und die indischen Kontraste weiterhin auf
uns wirken lassen.
PS 1: Da kaempfen wir uns die Serpentinen hoch, ein Bus quietscht um die
Kurve, ueberfaehrt uns fast. Auf Grund seines Fahrstils muss sich ein
Passagier uebergeben, natuerlich zum Fenster raus. Das broecklige, gelbe
Material fliegt in hohem Bogen knapp an Majas Taschen vorbei auf den Teer...
Gefahren lauern ueberall!!!
PS 2: Nach zwei Tagen radeln sind wir bereits in Agra angekommen und
bestaunen den ganzen Tag lang den imposanten Taj Mahal. Da wir nach unserem
Trip in den Sueden wieder zu Dilip und seiner Familie zurueck nach Delhi
gehen werden, haben wir das ganze Winterequipment und das Zelt dort
deponiert und sind nun etwas leichter unterwegs; auch mal schoen!
Maja und
Marcel
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17. Reisebericht 10. Februar 2006
Nur die Kühe sind heilig!
Wir befinden uns auf dem National Highway im Touristen-Dreieck
Delhi-Agra-Jaipur. Die Räder rollen auf dem glatten Asphalt, Marcel vorne,
Maja hinten oder umgekehrt. Wir haben Gegenwind, mittelstark, aber doch
genug, dass wir stärker in die Pedale treten müssen. Wir durchqueren eine
weite Ebene, der Horizont liegt im Dunst. Weil wir Gegenverkehr haben,
müssen wir sehr aufmerksam sein, denn schon flüchten wir von unserer Spur
auf den Schotter neben der Strasse, weil ein Bus des öffentlichen Verkehrs,
nonstop auf der Hupe sitzend, halsbrecherisch einen Lastwagen überholt und
unsere ganze Spur einnimmt. Wieder zurück auf der Strasse ruft uns ein
Motorradfahrer zu, der nun auf unserer Höhe fährt: "which country?" Seine
zwei Mitfahrer, die hinter ihm eingequetscht sitzen, staunen und mustern uns
und unsere Fahrräder wie wenn wir vom Mond kämen. Oder sie überlegen sich
wie teuer wohl so ein Velo ist; den Preis wollen sie alle wissen, doch wir
sagen ihn nicht. Nach minutenlangem Nebenunshertuckern verschwindet er und
hinterlässt uns in einer stinkenden Abgaswolke. Ein Anderer überholt uns,
hält ein paar Meter vor uns an und tut so als habe er eine Panne. Er
hantiert an seinem Motor und verdreht seine Augen zu uns. Es ist doch schon
Zufall, dass gerade jetzt der Motor einen Defekt hat!?! Der Kilometerstein
am Strassenrand gibt uns bekannt, dass wir bald im nächsten Dorf sind, die
Stadt aber noch weit entfernt liegt. Ein Traktor überholt uns laut klabbernd
mit einem Anhänger voller Frauen und Kinder die bei der nächsten
Backsteinfabrik ausgeladen werden. Die dunklen Frauen in ihren farbigen
Saris winken uns scheu zurück, die Kinder mit verkrustetem Rotz an der Nase
auch. Kinderarbeit ist in Indien stark verbreitet, da das Geld fehlt sie in
die Schule zu schicken. Im selben Moment erschreckt uns von hinten ein
weiterer Bus der uns haarscharf überholt. Er ist so voll gestopft, dass die
Männer sogar auf dem Dach sitzen oder sich hinten am Gestänge festhalten.
Sie johlen und kreischen, winken und ziehen den Kopf ein da ein Ast sehr
weit hinunter hängt. Wir sehen wie der Bus eine enge Kurve um den Traktor
nimmt und so fest schwankt, dass wir denken, jetzt fliegt einer vom Dach.
Oftmals kreischen und lachen die Einheimischen wenn sie uns sehen, eine alte
Frau sprach sogar einmal heftig auf Maja ein, denn nur die Ärmsten der
Gesellschaft fahren hier Fahrrad. Also sicher kein Europäer und noch weniger
eine Frau, das gehört sich nicht! Die reichsten Inder fahren einen protzigen
Jeep oder einen edlen Ambassador. Die bessere Mittelschicht ein Motorrad
Hero Honda oder eine Enfield, die anderen Vespa oder Rikshaw. Wir überholen
wieder einen Velofahrer der gemütlich vor sich her pedalt und uns erstaunt
anschaut. Ein paar Sekunden später überholt er uns, tritt voll in die
Pedale, der ganze Körper hilft mit damit er vor uns herfahren kann. Für uns
nichts Neues, denn die Fahrradfahrer wollen uns immer toppen. Einige halten
recht gut mit, andere brechen nach einigen Metern ein und müssen sich,
Schweiss ueberströmt, geschlagen geben; so wie auch dieser. Wir haben
natürlich mit unseren 14 Gängen einen riesigen Vorteil gegenüber den
indischen 1-Gaengern.
Am rechten Strassenrand steht ein Truck der wohl eine Panne hat, denn
darunter liegt der Fahrer, zwei Kollegen schauen zu wie er rumhantiert. Doch
als sie uns sehen wird der Truck uninteressant und sie winken uns zu sich.
Wir, gerade in einem guten Rhythmus, winken zurück und fahren weiter. Denn
Pannen haben sie oft hier, wenn wir bei jedem Truck halten würden, kämen wir
nie vorwärts. Immer wieder steht ein Lastwagen am Strassenrand, im
schlimmsten Fall bleibt er ewig stehen und rostet vor sich hin, beraubt von
allem Wertvollem. Im Reparieren sind die Inder sowieso Künstler, was und wie
hier alles auf der Strasse fährt!?! Wir kommen bei einem sehr modernen
Einkaufscenter vorbei. Für uns eine Möglichkeit etwas einzukaufen das unser
Mittagsessen etwas interessanter gestaltet. Bei den schmuddeligen Buden am
Strassenrand essen wir nicht. Die Chance Morgen krank zu sein ist uns zu
sicher. Der Marmorboden wird von einem Angestellten auf den Knien blitzblank
poliert, nicht mal die Velos dürfen wir vor der Bäckerei parkieren, der
Security Chief pfeift uns sehr forsch mit seiner Trillerpfeife zurück. Wir
merken bald, das ist nur ein Geschäft Für Jeepfahrer, respektive die obere
Kruste. Für die werden schöne Hotels gebaut, Vergnügungsparks und
Shoppingmalls. Und was gibt's Neues Für die untere Schicht?
Nun hat es mehr Leben auf der Strasse, Velofahrer kreuzen uns, Frauen tragen
schwere Holzbündel auf dem Kopf Richtung Dorf und Kinder spielen im Sumpf
der Wasserstelle neben einem Berg stinkendem Abfall. Dort fressen Kühe alles
was rumliegt, sogar Papier und Plastik. Kühe hat es viele in Indien. Für die
Hindis sind sie heilig. Ihre Hoerner werden orange angemalt und mit Ketten
behängt. Und sie werden nicht gegessen, können somit frei rumspazieren wie
gerade diese Kuh die mitten auf unserer Fahrbahn steht und uns nichts sagend
anschaut als wir hupen und dann doch um sie herum steuern müssen. Ehrlich
gesagt haben wir überhaupt keine Lust auf Kuhfleisch, wenn wir sehen was sie
alles fressen. Geht es wohl den Hindis gleich?
Wir fahren ins Dorf hinein. Männer beobachten in der Kauerstellung den
Verkehr, manche davon verrichten gleichzeitig ihr Geschäft, jubeln und
winken uns sogar zu. Seit der Türkei sehen wir wie die Leute in der
Kauerstellung warten, doch hier in Indien wird ziemlich alles in dieser
Stellung verrichtet und zwar bis ins hohe Alter. Sie reparieren, lesen
Zeitung, kochen, waschen, trinken Chai und warten so auf dem Bus. Der Belag
wird schlechter, Drecklöcher zwingen uns den Rhythmus zu unterbrechen. Neben
dem brökeligen Teer gibt's einen Streifen Sandboden, dahinter stehen
Bretterhäuschen in denen Lebensmittel und Anderes verkauft werden. Doch
jeder hat dasselbe, vorwiegend den roten Kautabak der die Zähne orange
verfärbt. Genüsslich wird er laut schmatzend gekaut und später auf den Boden
gespuckt. Weiter vorne hat es fahrende Fruchtstände. Wir möchten uns
Mandarinen und Bananen kaufen und schieben unsere Velos durch den Sand zum
Stand. Sofort stehen Leute um uns herum, beäugen uns und unsere Räder. Ist
ja auch klar, Touristen sehen sie hier nur im Reisecar sitzend vorbeifahren
und wenn da zwei "Weisse" mit tollen Fahrrädern, farbigen Taschen und einem
leuchtenden Helm auf dem Kopf vorbeikommen, muss man das ausnützen und so
viel sehen wie möglich; die Arbeit kann warten. Bevor wir die Früchte
kaufen, wollen wir den Preis wissen. Die Männer diskutieren wild
durcheinander und es erstaunt uns nicht, dass der Kilopreis Für die
Mandarinen doppelt so hoch ist wie sonst. Wir antworten nur: " Tourist price,
he?" und wechseln den Stand, gefolgt von hundert Indern die uns nun recht
mühsam nahe kommen. Schliesslich bekommen wir unsere Früchte Für einen
anständigen Preis und versorgen sie unter neugierigen Blicken in unsere
Taschen. Schon kommt ein verzaustes Kind, das es geschafft hat sich durch
die Menge zu kämpfen, bettelt "money, money". Es führt seine Hand zum Bauch,
zum Mund und streckt sie uns entgegen. Daneben steht ein Junge der in diesem
Augenblick vor Majas Füsse spuckt und hinter Marcel holt ein alter Mann
grässlich gurgelnd ganz tief aus seinen Bronchien einen Rotz und spuckt ihn
ekelerregend aus. Nichts wie weg hier, bevor es uns schlecht wird. An vieles
konnten wir uns in der Zwischenzeit gewöhnen, doch an das ewige, laute Hupen
und die abscheuliche Angewohnheit überall und zu jeder Zeit hinzuspucken
nicht! Das Wasser kaufen wir weiter vorne. Der Verkäufer staubt sogar die
Flaschen ab und verscheucht alle Gaffer, nachdem sie wieder einmal an
unseren Hupen rumgedrückt haben. Er kann etwas englisch und möchte wissen
von wo wir kommen. "Oh, Switzerland, the heaven on earth!" Das hören wir
regelmässig, ist aber auch verständlich, wenn man erlebt in welchem Dreck
sie hier leben müssen, denn das Abfallproblem ist nicht gelöst. Nur die Kühe
und die streunenden Hunde leisten hier Abhilfe oder die abendlichen Feuer
die den beissenden Plastikgestank weit verbreiten. Manche kennen die Schweiz
auch von den Bollywood-Filmen (indische Movies) die ab und zu in der Schweiz
gedreht werden. Teilweise leben die Menschen auch sehr primitiv, vor allem
die der unteren Kasten. Sie hausen in Zelten oder Lehmhütten neben einem
anständigen Haus das dem Herrn der oberen Kaste gehört. Somit erledigen auch
die Menschen der unteren Kaste die Dreck- und Schwerstarbeit, damit es dem
Volk der oberen Schicht gut geht. Eine Für uns sehr schwer nachvollziehbare
Regelung die die Religion vorschreibt. Bis ans Dorfende säumen
Steinhauerbetriebe die Strasse, die alle das gleiche herstellen. Die Männer
und Frauen hämmern verschiedene Formen in den weissen Marmor der aus dieser
Gegend stammt. Laute Musik begleitet uns als wir beim Hinditempel
vorbeifahren wo die Gebete laut scheppernd aus Boxen dröhnen. Die
Hindipriester stehen den Muezzins der Moslems, von denen es hier auch einige
gibt, in nichts nach. Nein, sie übertrumpfen sie regelrecht wenn es um die
Länge der Gesaenge und die Trefferquote der schrägen Töne geht. Zu jeder
Tages- und Nachtzeit wird gebetet, geglöckelt und Räucherstäbchen
abgebrannt. In Indien gilt Für alles und überall: je lauter desto besser!
Ohne Lärm geht hier nichts! Vor uns fährt langsam ein Anhänger mit einer
gewaltig grossen Ladung Zuckerrohr. Der Bauer mit seinem schräg gewickelten
Turban sitzt wie auf einem Thron zuoberst und kaut an einem solchen Stängel.
Doch welches Tier zieht diesen Wagen so langsam und schaukelnd? Ein Kamel!
gemütlich und stolz geht es vor dem Wagen, die Glöcklein um seine Fesseln
klingeln bei jedem Schritt. Amüsiert betrachten wir seine Henna-Bemalungen
und sehen, dass es sogar rasierte Muster im Fell hat. Die Inder sind Für uns
einfach nur "freakig"!
Wir sehen viele Frauen die aus Kuhdung tellergrosse Fladen formen. Es
scheint, neben der Versorgung der Familie und dem Holz schleppen, die
Hauptaufgabe zu sein. Nebeneinander ausgelegt werden die Fladen an der Sonne
getrocknet, gedreht, gestapelt und in Körben auf dem Kopf zum Stall, auch
aus Kuhdung, gebracht. Wir sehen die Frauen oft auch beim Strassenbau
mithelfen, der hier hauptsächlich ohne Maschinen funktioniert. Unsere
Strasse wird zurzeit auf zwei Spuren ausgebaut wo wir den dunklen Arbeitern
zusehen können wie sie Steine in Körben schleppen, Steinbrocken zu
Kieselsteinen hämmern, schaufeln, pickeln und raechen bevor die Walze kommt.
Klar sehen wir sie auch oft Pause machen und Chai trinken, doch sicher
werden sie auch nicht gerecht bezahlt. Am Meisten stört uns der Gegensatz,
wenn die Strasse einwandfrei ist, die Menschen an deren Rand aber unansehbar
notdürftig leben müssen. Die schönen Baumalleen werden Für den Strassenbau
abgeholzt. Wir beobachten Frauen die so geschickt, beweglich und mutig wie
Affen in die Bäume klettern und mit voller Kraft ihre Axt in die Äste
schlagen. Eine ungeheure Energie bewegt ihren Körper, wie wild schlagen sie
die Blätter vom Ast. Dazu reden alle laut durcheinander. Wie auch die
kreischenden Laute der Männer machen die Inder auf uns einen animalischen
Eindruck. Die Wurzeln eines Urvolks sind immer noch vorhanden.
Unsere Mittagspause verbringen wir mehr oder weniger ungestoert und mit den
Ohropax in unseren Ohren sausen wir bei weiteren Dörfern vorbei, überholen
Kamele, Büffel oder Esel die schwere Lasten ziehen. Wir winken den Kindern
zu, die wegen uns an den Strassenrand rennen und uns zu rufen. Leider
verging uns aber die Lust Frauen bei der Arbeit zu fotografieren. Sie
begeistern uns in ihren wunderschönen Kleidern, dem speziellen Schmuck und
der anderen Art ihrer Arbeit. Einzelne posieren gerne, doch die meisten
schreien schon von Weitem nach Geld wenn wir sie fotografieren wollen; dann
lassen wir es eben sein.
Diesen Abend übernachten wir in einem Governmenthotel, das einzige das in
unserer Erreichbarkeit liegt. Für uns ein Graus, denn die sind unmöglich
teuer und es ist kein heggeln möglich. Unsere "Pilgrim-Masche" zieht sonst
recht gut, aber hier leider nicht. Sie bieten nichts, ausser dem Erlebnis
dass man im Badezimmer das Gefühl hat, man stehe mitten auf dem Highway, so
laut dröhnt es durch die offenen Fensterjalousinen. Und dann haben wir fünf
Mal innert 1,5 Stunden Für mehrere Minuten Stromausfall was in Indien an der
Tagesordnung ist. Sie haben hier ein extremes Stromproblem doch bei
Kerzenlicht mit kaltem Wasser duschen ist romantisch!
In Indien ist es normal, dass die Regierung die Touristenpreise Für gewisse
Sehenswürdigkeiten sehr hoch halten. Es stört uns auch nicht, wenn wir das
20 fache mehr bezahlen, doch um den Taj Mahal besuchen zu können wird von
einem Tourist 75-mal mehr verlangt als von einem Inder. Die Armen der
Gesellschaft betteln auch non stop bei den Touristen. Wenns kein Geld gibt
dann Für Schokolade, Kugelschreiber oder Shampoo. Wählerisch sind sie auch
noch, die kleinen Bettler!
Völlig erschöpft vom heutigen Tag besprechen wir unsere Erlebnisse und
versuchen herauszufinden weshalb wir uns ab und zu nerven und was uns
erfreut hat. Wir sind überzeugt, dass wir durch unsere langsame Reise mit
dem Fahrrad mit dem wirklichen Indien konfrontiert werden, uns alles ansehen
dürfen und teilweise auch müssen. Den ganzen Tag überholen oder kreuzen uns
Touristenbusse oder Touris die einen Jeep mit Fahrer gebucht haben und von
Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit fahren. Wir nennen sie Rosinenpicker.
Denn im Reiseführer stehen nur die Rosinen drin die man besuchen sollte und
was dazwischen liegt ist nicht erwähnt. Doch gerade dort spielt sich sicher
auch ein wichtiger Teil des indischen Lebens ab, den wir, langsam
vorwärtskommend, hautnah erleben. Wir benützen auch das "Rosinenbuch",
gebrauchen es Für unsere Planung, erhalten wertvolle Tipps und Informationen
und geniessen in der Stadt auch wieder ein bisschen mehr den Luxus der zur
Verfügung steht. Wir sind aber sehr froh, können wir beide Seiten sehen und
erleben. Wenn wir dann nach ein paar Tagen overland radeln eine
Sehenswürdigkeit besuchen, mischen wir uns ganz gerne in die Menge "weisser"
Touristen, geniessen das unauffällig sein und im Strom schwimmen. Dass wir
schon mehrere Monate unterwegs sind, hilft uns sicher auch enorm, mit dieser
komplett anderen Welt umgehen zu können. Wir lassen uns nun nicht mehr so
schnell übers Ohr hauen, haben einige Tricks auf Lager und können uns auf
der Strasse gut durch den Verkehr schlagen. Wir fühlen uns wohl in Indien.
Wo uns die Räder hintragen sind wir zu Hause!
PS 1: Apropos heilige Kuh: Da steht eine Schar Männer im Halbkreis um eine
Kuh versammelt, die mit Ketten und Tüchern verkleidet ist. Neben der Kuh
steht ein Mann, der als Sprachrohr ihrer Heiligkeit dient. Die Kuh geht im
Kreis und bleibt vor einem der Männer stehen und starrt ihn an. Das
Sprachrohr übersetzt diese Wahrsagung und schickt den Mann aus dem Kreis,
seine schlechte Energie störe die Kuh. Nach ein paar weiteren Runden bleibt
die Kuh vor einem anderen Mann stehen, nickt heftig und das bedeutete er
solle keine Freundschaften knüpfen, das sei gefährlich Für ihn. So geht es
weiter... Aberglaube hat Macht!
PS 2: Nun sind wir in dem Staat wo noch "Let the sunshine in" gesungen wird,
Blumen in die Haare geflochten werden, fleissig Pflanzen angebaut und
verraucht werden, die Touris für alles viel zu viel bezahlen müssen und man
zum Sunset einen Pinacolada schlürfen kann.... go Goa!
Maja und Marcel
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18. Reisebericht 26. Februar 2006
Dem Meer entlang
Nach einer langen Zugfahrt von Jaipur nach Bombay begrüsst uns eine
heisse Luft die uns den Atem verschlägt. Wie wir es gewollt haben sind wir
nun in der Hitze und unser Schweiss läuft uns in Strömen den Rücken hinunter
währenddem wir 30km durch die Stadt bis zum Gateway of India am Meer radeln.
Riesige Hochhäuser und mächtige Autobahnbrücken säumen die Strassen,
manchmal sehen wir das Meer, dann versperren uns Industriezonen und
Hafenanlagen die Sicht. Entlang eines Flussbettes, das schwarzes,
zähflüssiges Wasser mit sich führt, stehen die Slumssiedlungen. Ein Meer aus
schwarzen Zelten, Abfall und Armseligkeit. Dahinter riesige Plakatwände mit
Werbung für eine Omega-Uhr und ein neues Auto. Krasser Gegensatz. Doch das
ist Indien, soweit kennen wir es bereits.
Während des Sonnenuntergangs fahren wir mit einer Fähre, ein einfaches
Holzboot mit Bänken, an die Konkanküste, den Küstenabschnitt des Staates
Maharashtra. Nun sind wir wieder am Meer, sehen die pinkige Sonne im Wasser
versinken und freuen uns auf einen weiteren Abschnitt unserer Reise in
Indien. Bei unserer Ankunft ist es bereits stockdunkel und dazu ist noch
Stromausfall. Mit der Stirnlampe suchen wir uns den Weg durch die unbekannte
Gegend, versuchen allen Schlaglöchern, und all den Menschen die wie Geister
im Dunkeln für Sekunden an uns vorbeihuschen, auszuweichen. Wir sind froh
als wir, nach einer Stunde radeln, endlich ein Guest House erblicken. Nachts
in Indien Fahrradfahren ist nicht so angenehm. Am Morgen sehen wir dann wo
wir gelandet sind: Die Luft riecht nach Meer, viele Palmen, Bäume und
riesige grüne Sträucher säumen die Strasse, die nun wieder hügelig und
kurvig der Küste entlang führt. Gegen Mittag brennt die Sonne rücksichtslos
auf unsere Helme und legt unsere Energie einwenig lahm. Daran müssen wir uns
nun wieder gewöhnen, dafür dürfen wir nach der Anstrengung im Meer baden,
mit den riesigen Wellen surfen und die langen Kleider zuunterst versorgen.
Die Menschen sind sehr lebenslustig und freundlich, sie kichern verlegen
wenn wir die Fotokamera auf sie richten. Wenige wehren ab, die anderen
strahlen und lassen uns Schnappschüsse machen. Uns faszinieren die Frauen,
die im Dorfbrunnen Wasser schöpfen, mit Dreck die Töpfe ausreiben, sie dann
mit Wasser füllen und diese auf dem Kopf balancierend nach Hause tragen. Und
meistens ist es nicht nur ein Topf sondern bis zu drei dieser schweren
Gefässe. Andere waschen ihre Kleider auf dem Boden, reiben und schlagen mit
Stöcken darauf. Ausserhalb des Dorfes waschen die Frauen am Fluss. Ein
wunderbar farbiges Bild! Die Frauen freuen sich über unsere Kurzvisite und
stehen stolz Modell. Ihre Männer hingegen machen in ihren farblosen Hemden
und dunklen Hosen einen eher langweiligen Eindruck und weil sie den Frauen
nur zuschauen erst recht. Die Strasse und die Temperaturen verlangten wieder
einmal viel von uns. Die kleinen Küstensträsschen sind zwar landschaflich
atemberaubend, doch ein echter Challenge. Oft ist der Belag sehr schlecht
oder es ist nur Schotter oder Piste. Bergab können wir höchstens 10km/h
fahren da es uns durchschüttelt und wir etwas Sorge zu unseren Felgen, die
bereits rissig sind, haben sollten. Die Strasse verläuft im Zickzack,
bergauf, bergab. Zusätzlich lässt uns die Sonne auf dem Unterlag der roten
Erde braten. Wir zwei Langschläfer versuchen nun aber jeden Morgen früh
loszufahren, damit wir wenigstens die ersten paar Kilometer angenehm hinter
uns bringen, dann sind nämlich Steigungen halb so schlimm. Eines Morgens
aber wurde die Strasse immer schlechter und schlechter. Wir wussten dass
bald eine Fähre kommen sollte die uns über den Fluss bringt. Statt dessen
fuhren wir immer weiter bergauf mit toller Sicht auf den Fluss. Unsere Räder
spulten ab und zu auf dem erdigen Untergrund, so steil war die Strasse. Die
Männer am Strassenrand schickten uns immer gerade aus, doch einmal konnten
wir es nicht mehr ernst nehmen als wir in einem Dorf neben dem Fluss waren.
Da schloss ein Ladenbesitzer spontan sein Geschäft und führte uns über einen
Indianerpfad zum Fluss wo ein hageres Männlein mit einem Einbaum wartete,
das Stechpadel in der Hand. Das ist also die Fähre, na gut. Wie alle Inder
immer sagen: no problem! Wir nehmen die Taschen ab, legen die Velos auf den
Einbaum, die Lenker teils im Wasser und schon wird Maja hinüber chauffiert.
Marcel kommt dann mit dem Gepäck nach. Ein richtig abenteuerliches Erlebnis.
Aber das war nicht alles. Nun mussten wir unsere Räder durch knietiefes
Salzwasser schieben und zusehen wie der Dreck unsere Bremsklötze und
Schutzbleche verstopft. Später fingen unsere Fahrräder sogar zu rosten an.
Wir mussten noch einige Male Flüsse überqueren, in einem grösseren Einbaum
mit Motor, einem kleinen Passagierboot und sogar mit einer modernen
Autofähre.
Weniger abwechslungsreich gestaltete sich aber das Essen an dieser Küste.
Scharf ist es überall dass die Tränen kommen, aber wir sind in dieser
Beziehung auch schon echte Inder geworden. Trotzdem suchen wir uns ganz
pingelig ein Restaurant aus in dem wir Essen möchten, man weiss ja nie wie
es in der Küche aussieht. Da wir nun am Meer sind gibt es vorwiegend Fisch.
Darauf haben wir uns schon lange gefreut, doch wie bei den Eingeborenen
werden die kleinen Fische in einem Curry serviert mit allem drin und dran.
Dazu gibt es Reis und saisonales Gemüse, auch sehr scharf. Das nennt sich
Fischthali. Ein anderes Mal bestellten wir einen fritierten Fisch wo dann
Mäsi den Kopf erhielt und Maja den Schwanz. Viel zu essen war da nicht dran,
nur dass die Gräten im Hals stecken blieben. Erfreulich sind die feinen
Ananas die nur ca. 30 Rappen kosten oder Mandarinen. Sowieso ist das Leben
in Indien, ausser in den touristischen Städten, sehr günstig. Eine
Hauptmahlzeit kostet zwischen 1 und 5 Franken pro Person, eine
Budget-Hotelübernachtung 5 bis 10 Franken für ein Doppelzimmer.
Da diese Küste sehr nicht-touristisch ist und es oft unbewohnte Gebiete
gibt, mussten wir unsere täglichen Etappen gut planen um nicht irgendwo
fernab der Zivilisation ohne Wasser, Essen oder Schlafplatz stehen zu
bleiben. An einem Abend hatten wir uns aber gewünscht, dass wir noch Zeit
hätten weiter zu fahren, aber leider mussten wir hier bleiben. Denn es war
ein grösseres Fischerdorf wo es auch sehr streng nach Fisch stank. Kein
Wunder, denn seit dem Dorfeingang wurden Fische auf dem Boden zum Trocknen
ausgelegt (zur Freude der Hunde, Katzen und Vögel) und die Ochsenkarren,
Lastwagen und Lieferrikshaws fuhren einer nach dem anderen mit vollen
Ladungen bei uns vorbei. Immer wieder flutschen Fische oder Krebse vom
Anhänger. Leider ist es schwierig während dem Radeln die Luft anzuhalten!
Genau in diesem Ort fragten wir dann auch das erste Mal nach Bier. Wir
dachten, hier sind sogenannte Seebären zu Hause, hier gibt es Bier! Nun ging
das Getuschel los. Wir wussten gar nicht dass es in Indien auch so ein
Problem ist Bier zu erhalten. Nach diesem heissen Tag hatten wir einfach
Lust dazu und es war unser Erstes seit Monaten! Ein Junge führte uns dann
wie auf leisen Pfoten durch dunkle Gässchen und übergab uns in einem
undurchsichtigen Plastiksack die kalte Flasche. Man bekommts, man muss nur
wissen wie und wo.
Was wünscht man sich nicht sehnlicher als einen einsamen Strand wenn man
ans Meer fährt. Hier hat man ihn. Kilometerlang erstreckt sich diese Küste,
nur ist sie nicht oft erschlossen. Wir suchten uns wenn möglich einen Platz
für unser Mittagspiknik am Meer, sprangen noch schnell ins Wasser und
genossen die Ruhe. Was uns dann aber bewusst wurde ist, dass ein verlassener
Strand absolut keine Infrastruktur bietet und wenn es eine hat, dann ist man
nicht mehr alleine. Also aus der Traum vom romatischen Candlelight-Dinner am
verlassenen Strand ausser man organisiert sich das selber. Doch hier sind
die Strände Lebens- und Arbeitsplatz und er wird nicht zum Baden und
Planschen benutzt. So konnten wir Fischer beobachten die am Morgen ihr
Geschäft im Sand verrichten und wie die nächste Welle das Häuflein
wegschwemmt. Oder der Hirte spaziert mit seinen Kühen dem Strand entlang
weil der Weg dem Meer entlang wohl kürzer ist. Natürlich ist es aber der Ort
wo die Fischer ihre Einbäume ins Meer schieben und mit Netzen Fische fangen.
Einmal haben wir eine Fischereigemeinschaft mit 42 Männer getroffen. Sie
haben einen grossen, selbstgebauten Einbaum (vielleicht aus zwei Bäumen) und
ein riesiges Netz das sie nach dem Fang säubern und vor dem Fang ordentlich
aufs Boot legen. Dazu braucht es so viele Männer und weil es keinen Motor
gibt. Im Takt rudern die Männer damit sie sich und ihre Familie ernähren
können. Der tägliche Ertrag sind etwa 10 Kessel Fisch pro Gemeinschaft.
Am Ende dieser wunderschönen Küste gab es einen Strandabschnitt der
paradiesisch war, nur muss man das wissen und mit dem Velo war der sehr gut
erreichbar. Voller Freude folgten wir einem Werbeschild ?Sumati-Resort?.
Aber wenn da Resort steht, heisst das noch lange nicht dass es eine
Ferienanlage wie im Prospekt ist. Zuerst waren wir erstaunt dass sie dieses
Wohnquartier aus einfachen Häusern mit Palmblätterdächer Resort nennen, doch
nachdem wir uns in unserem Zimmer, sogar mit Kaltwasser-Dusche, eingerichtet
haben, der Sohn des Besitzer uns Chai servierte und versprach am Abend ein
feines Fischthali zuzubereiten, fühlten wir uns recht wohl. Vorallem waren
wir die einzigen Touristen und konnten dem Treiben und Leben am Strand ruhig
zusehen. Nur fühlte sich Maja nicht ganz so wohl im Bikini schwimmen zu
gehen, da es die Inderinnen nie tun (sie gehen nur in den Kleidern) und die
Inder sehr schnell an Ort und Stelle sind um diese weisse Gestalt zu
begutachten. Was uns am Meisten faszinierte war die Tierwelt dem Wasser
entlang. Hier sahen wir das erste Mal in unserem Leben lebende Muscheln die
sich nach der Welle, die sie aus dem Sand spühlte, wieder vergruben. Oder
die winzigen farbigen Schnecken die im seichten Wasser ihre Spur durch den
Sand ziehen.
Schon lange wollte Mäsi mal eine Kokosnusspalme erklimmen und so eine
feine exotische Frucht ernten. In unserem Resort standen wunderschöne und
mächtige Palmen die geradezu zum Besteigen einluden. Nachdem der Junge seine
Trickpalette, wie man am einfachsten eine Palme hochklettert, offenbarte,
nutzte Mäsi diese Gelegenheit und kletterte, zwar mit sichtlichem
Kraftaufwand, den Stamm der Palme hoch. Die Inder unter ihm amüsierten sich
sehr, doch man sollte auch mal vergleichen wie fein und gelenkig diese
kleinen Kreaturen sind. Bis zur Kokosnuss schaffte er es knapp nicht, doch
ausser ein paar Kratzern und danach schwabbeligen Adduktoren beurteilte Maja
diese Aktion als erfolgreich. Auf ein Weiteres, Palmen gibt es hier zur
Genüge!
Im Grossen und Ganzen liessen uns die Inder sehr angenehm in Ruhe, kamen
respektvoll nahe und gafften nicht so aufdringlich. Nein, sie waren immer
sehr freundlich und hilfsbereit und gaben uns sogar richtige Angaben zu den
Strassen. Es bettelte auch niemand, wohl weil es selten Touristen hat.
Sowieso haben wir das Gefühl es geht der Bevölkerung hier besser, sie haben
schöne und meist auch farbige Häuser in tollen Gärten zwischen hohen Palmen
und Bananenbäumen. Uns fiel es auf, dass es unglaublich viele Kinder hat.
Jedes Dorf hat mehrere Schulen und alle sind voll, obwohl wir gar nicht so
viele Häuser sahen wo alle wohnen könnten. Die Kinder werden oft draussen
unterrichtet, alle sitzen auf dem Boden. Wie die letzte Volkszählung
bestätigt ist der Bevölkerungswachstum in Indien bei 20% (!), davon sind wir
nun überzeugt. Wir standen immer in engem Kontakt mit den Menschen, sie
waren oft zu Spässen aufgelegt, grüssten immer freundlich und so machte das
Reisen viel Spass. Sogar die Frauen, die neben der Wäsche alles, aber
wirklich ALLES auf dem Kopf tragen, sei es eine Sichel zum Äste schneiden
oder einen Baumstrunk, brachten unter der Last noch ein Lächeln zustande.
Natürlich sind das vorwiegend die Frauen der unteren Kasten die so viel
Arbeit leisten und denen verleihen wir an dieser Stelle eine Goldmedaille.
Der Staat Goa nahte. Wir wussten dass hier viele Westler im Urlaub sind,
in den 60er Jahren Hippies hier hin kamen und blieben, es Strände gibt an
denen Raverparties gefeiert werden, viele Esoteriker hier die Erleuchtung
suchen oder Shiva-Anhänger durch die Einnahme von Drogen Reisen in eine
andere Welt geniessen. Bereits einige Kilometer vor Goa kreuzten uns
westliche Touristen auf Mofas. Voller Freude, wiedermal andere Touristen zu
sehen winkten wir ihnen zu, doch wir wurden keines Blickes gewürdigt. Klar
in Goa hat es vorwiegend Touris, wieso sollen wir denn auffallen. Unter
Overland-Reisenden macht man das so, hier interessiert es niemand von wo man
kommt, wohin man geht. Der Wechsel war krass. Kaum hatten wir den Fluss, den
Goa von Maharashtra trennt, hinter uns, begegneten wir Touristinnen die in
Bikinis auf der Vespa vorbei rasen, coole langhaarige Bärtige die auf ihrer
Enfield lässig ihre Braut rumchauffieren. Im Restaurant bot die Speisekarte
mexikanisches, italienisches, amerikanisches, tibetisches und chinesisches
Essen. Ah und indisches natürlich, denn wir sind ja in Indien obwohl man es
gar nicht mehr bemerkt. Wir fühlten uns eher wie in Ibiza oder Mallorca,
jedenfalls stellen wir uns diese Feriendestinationen so vor. Für uns stand
die Welt Kopf, nach zwei Wochen tiefstem indischem Leben brauchten wir
einige Stunden um uns daran zu gewöhnen. Doch wir amüsierten uns über die
jungen Frauen die mit Federn im Haar und Nietengurt bei uns vorbei
spazierten, über den bereits grauhaarigen Althippie der im Internetcafe die
Börsenkurse studierte, über den hühnerbrüstigen Kiffer der die Musik, die
durch seine Kopfhörer in seine Ohren drang, laut nachsang und dazu
hemmungslos auf der Strasse tanzte. Auf der Suche nach einem Zimmer stiessen
wir per Zufall auf einen Hippie mit abgeschossenem FCB-Käppi. Maja sprach
ihn auf Baseldeutsch an. Der staunte nicht schlecht und meinte ob sie ihn
kennen würde. Nein, aber mit diesem Käppi muss das ja einer aus ihrer Gegend
sein. Wie sich herausstellte kommt er aus dem Dorneck, lebt aber schon über
20 Jahre in Goa, den Sommer verbringt er meistens in Thailand. Locker vom
Hocker, ein paar lustige Sprüche, so schnell wie er kam so schnell verzog er
sich wieder.
Wir genossen in den nächsten Tagen die Vorzüge dieser Touristenoase,
assen uns durch jede Speisekarte (es gab sogar Apfelstrudel und
Vollkornbrot; wie lange ists her...) schlürften zum Sonnenuntergang einen
Pina Colada und wenn wir ein Bier wollten gab es dieses in rohen Mengen.
Geradelt sind wir nicht viel, nur von Beach zu Beach. Hier ist auch ein
hemmungsloses Bikinibaden erlaubt, die Inder sind es in der Zwischenzeit
gewohnt und verdrehen nicht mehr wegen jeder Frau die Augen. Dafür sind sie
gut wenn sie den Touristen Waren verkaufen. Indien ist schon so günstig, da
denken viele, das kauf ich mir zum angebotenen Preis. Klar, viele kommen nur
für ein paar Wochen nach Goa und bezahlen alles. So ist eben auch alles viel
teurer in Goa und wir beissen uns die Zähne aus, wenn wir das dreifache
bezahlen müssen als bisher. Die letzte Woche verbrachten wir im Süden Goas,
an einem ruhigen Beach, wo es keine Parties gibt, nur spezielle Inder die
den ganzen Tag die Tophits der indischen Hitparade ohrenbetäubend durch die
Strassen scheppern lassen. Wenn schon die Touristen etwas schräg aufkreuzen
kann sich ja ein Einheimischer auch mal anders aufführen. Sonst ists
friedlich, so friedlich, dass man in den Restaurants sehr lange aufs Essen
warten muss. Aber wir haben ja Zeit, konnten uns erholen, fein Essen, im
lauwarmen Meer schwimmen, uns mit Reni und Tobi treffen, einem deutschen
Paar das mit den Motorrädern bis hier hin gefahren ist. Stundenlang sassen
wir zusammen auf der Veranda, haben Tigerprawns und Babyshark gekocht, uns
Abenteuer erzählt und über Indien philosophiert.
PS 1: Laut und schräg geht es zu in Indien. Wir sitzen auf der Autofähre
und schauen einem Inder zu wie er sein Auto parkiert. Mehrmals muss er vor
und zurückfahren, das ist ja normal. Aber dass sein Rückwärtsfahren jeweils
von der Melodie des ?Jingle Bells? begleitet wurde, brachte uns zum Lachen,
vorallem weil es ein Hindu war, der keine Weihnachten feiert!
PS 2: Der Monsun kommt bald, wir müssen uns beeilen wenn wir noch bis zur
Südspitze Indiens radeln wollen. Deshalb schicken wir euch ein paar liebe
Grüsse und fahren sofort los...
Maja und Marcel
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19. Reisebericht 29. Maerz 2006
Zur Spitze geradelt
Es schaukelt und ruettelt, die Klimaanlage verteilt kalte Luft im Abteil.
Wir sitzen im Zug nach Delhi. Innerhalb 43 Stunden legen wir ueber 3000
Kilometer im Schnellzugstempo zurueck. Waeren wir diese Strecke geradelt
wuerden wir ueber zwei Monate unterwegs sein, doch unser Indienvisa laeuft
bald aus und sowieso war es nun im Sueden schon sehr drueckend heiss, dass
Radeln nach 10 Uhr nur noch eine Qual war. Dafuer sitzen wir nun in diesem
Kuehlschrank, den Faserpelz ueber die Schultern gelegt und sehen uns die an
uns vorbei fliegende Landschat an, die bereits viel trockener, duerrer,
brauner und lebloser aussieht. Den Inder vis-a-vis interessiert es wenig wie
sein Indien auf der anderen Seite des verspritzten Zugfensters aussieht, uns
jedoch fesselt es immer noch, sind wir doch fast die gleiche Route, wie wir
nun in den Norden fahren, suedlich geradelt. Obwohl wir den Sonnenaufgang
fast taeglich miterleben konnten, staunen wir auch heute ueber diese pinkige
Kugel die zwischen den Kokosnusspalmen zum Vorschein kommt und sich,
waehrenddem Steigen, langsam orange dann gelb und letztlich gleissend hell
verfaerbt. Der Inder sitzt mit dem Ruecken zum Fenster, die Augen
geschlossen; fuer ihn wohl nichts Spezielles. Wir machen uns Gedanken, ob
wir uns in der Schweiz auch schon satt gesehen haben von ihrer eigenen
Schoenheit wo ein Inder in der Schweiz seine Nase ans Zugfenster druecken
wuerde wie wir es hier tun.
Nach den erholsamen Tagen in Goa radeln wir mit unseren frisch geputzten
Velos weiter in den Sueden. Der naechste Staat Karnataka faengt an wie
Maharashtra vor Goa aufgehoert hat: nicht-touristisch, einfach, neugierig.
Frauen tragen wieder Vieles auf dem Kopf, Fische werden in einfachen Booten
ohne Motor und Netzen gefischt, die Leute gruessen und winken herzlich,
dabei haben sie ein warmes und aufgestelltes Lachen welches uns die
Anstrengungen vergessen laesst. Die Landschaft wurde gruener, kraeftiger, es
hat bereits Fluesse die sich wunderschoen durch die Gegend schlaengeln; die
sogenannten Backwaters. In vier Tagen durchqueren wir Karnataka, suchten uns
jeweils die Strassen die am nahesten dem Meer folgen. Wir hatten wieder mehr
Muehe einen Platz zum Schlafen zu finden. Doch eines Mittags trafen wir per
Zufall in einem Dorf ein das als Hindu Pilgerort gilt. Direkt am Meer thront
auf einem Huegel die groesste Shiva-Statue der Welt. Shiva, einer der drei
Hauptgoetter des Hinduismus. Und wenn es einen Tempel hat, hats meistens
auch Hotels. Da es Sonntag war wurde dieser kleine Ort gaenzlich
ueberstroemt. Die Inder pilgerten zu Shiva, zum Tempel und zum Meer. Den
Indern beim Baden zuzusehen ist ein weiteres Erlebnis. Denn eigentlich gehen
nur die Maenner richtig ins Wasser, schwimmen (sofern sie schwimmen koennen)
und toben sich aus. Die Frauen gehen mit den Kleidern ins Wasser, mit den
schoensten Saris, und im Kreis der Frauen werden danach die Kleider
gewechselt. Niemand liegt auf einem Badetuch, es gibt keine WC-Anlagen oder
Duschen, noch weniger Liegestuehle oder Sonnenschirme. Aber Glace- und
Fruchtsaftverkaeufer gibt es, die ihre Ware in klapprigen Kisten auf
Fahrradraedern durch den Sand schieben.
Nachdem wir in Karnataka dauernd den heiligen Kuehen auf der Strasse
ausweichen mussten, sehen wir im naechsten Staat Kerala lange keine mehr.
Dafuer wird hier heftig politisiert. Ueberall wehen Kommunistenfahnen,
daneben die der Partei von Sonia Gandhi. Die Strassen und Haeuserwaende sind
voll geschrieben mit Parteinamen und politischen Parolen. Hier sahen wir
auch das erste Mal eine Autofahrschule. Das hat uns recht erstaunt. So wie
sie hier fahren haetten wir nie gedacht dass es eine solche gibt. Der
Schueler faehrt auf eine Kreuzung zu, hupt und faehrt weiter! Ja, so laeuft
das hier, doch dass sie das sogar auch so lernen, haetten wir nie erwartet.
Das argste ist, dass der der von hinten kommt alle Verkehrssuenden des
Vorderen ausbaden muss und dabei geht es oft nur um Millimeter. Wenn jemand
von links kommt (wir haben Linksverkehr) faehrt der einfach auf die Strasse
ohne vorher nach rechts zu schauen. Hoechst gefaehrlich; da haben wir schon
oft geflucht. Aber Hauptsache so laut wie moeglich hupen, ob es Sinn macht
oder nicht!
Kerala bedeutet das Land der Kokosnusspalmen. Dieser schmale Kuestenstaat
mit der riesigen Flaeche Backwater und den Palmen empfinden wir wie ein
Paradies. Vorallem verwoehnen wir neben unseren Sinnen auch unseren Koerper
und schlemmen zuckersuesse, saftige Ananas, fein aromatisierte Papayas,
versuchen alle Sorten Bananen die hier in jeder Groesse, Farbe und
Konsistenz zu finden sind. Sogar die Mangosaison hat nun angefangen. Selber
gekocht haben wir schon lange nicht mehr, denn das indische Essen ist durchs
Band immer und ueberall sehr gut. Je suedlicher wir kamen desto mehr wurde
von Hand gegessen. Die verschiedenen Saucen des "Thali" werden mit dem Reis
vermischt, geknetet, zu einem Klumpen geformt und mit den Fingern in den
Mund gestossen. Das macht richtig Spass, obwohl wir die Technik noch lange
nicht fehlerfrei beherschen. Dafuer amuesieren sich die Inder sehr ueber
uns. In touristischen Restaurants wird das Essen leider nur schwach gewuerzt,
dann schmeckt es nur halb so gut wie in den indischen Hotels, so heissen
hier die Restaurants. Dort bekommen wir sehr scharf gewuerztes Essen
serviert welches wir inzwischen problemlos essen koennen. Man gewoehnt sich
an die Schaerfe. Doch dass ein Hotel keine Zimmer anbietet hat bei uns recht
lange fuer Verwirrung gesorgt.
Kerala ist ein gut entwickelter Staat, er hat die niedrigste
Analphabetenrate Indiens, die Menschen leben in guten Haeusern, entlang des
National Highways 17 sogar in prunkvollen Villen. Zeltdoerfer der Aermsten
sehen wir keine mehr, obwohl die Bevoelkerungsdichte immens ist. Jeder Meter
gehoert jemandem, keinen Halt koennen wir unbeaufsichtigt geniessen.
Unterwegs Wasser loesen wird fuer Maja ein echtes Problem. Ueberall hat es
Augen und die sind neugierig und gewiss nicht scheu. Privatsphaere gibt es
schon lange keine mehr, und wenn wir sie moechten, wird das selten
begriffen. Dafuer konnten wir den Einheimischen in den Garten blicken und
die verschiedensten Arten der Kokosnussnutzung sehen. Halb aufgeschnitten
werden sie an der Sonne getrocknet, das Fleisch danach gepresst um
Kokosnussoel zu gewinnen oder sie werden als getrocknete Chips verkauft.
Weiter werden die Fasern zu Schnueren verarbeitet die entweder zum Flechten
von Teppichen, zum Befestigen beim Bauen oder zum Verpacken gebraucht
werden. Mit dem Oel wird gekocht und es wird in die Haare geschmiert. Es
dient auch zur Koerperpflege.
Die Backwaters sind ein riesiges Kanalsystem mit kleinen und schmalen bis
grossen und breiten Fluessen die entweder ins Meer fliessen oder in einen
See. Die Gezeiten bestimmen ihren Fluss. Viele Menschen wohnen direkt am
Wasser, es dient ihnen zum Leben. Die Touristen kommen nach Kerala um mit
einem Boot durch die Backwaters zu fahren, die sehr idyllisch und exotisch
durch Palmen gesaeumt sind. Der groesste Renner, und fuer die Inder ein
riesiges Business, ist in einem Hausboot waehrend 22 Stunden rumzugondeln.
Wir stellten uns das sehr romantisch vor. Man hat ein Boot mit drei Mann
Crew fuer sich alleine, man wird bekocht und die Nacht verbringt man unter
dem Sternenhimmel. Dazu loesten wir unser Geschenk zum 10'000. Kilometer von
Maja's Eltern ein und setzten uns protzig in die Sessel auf "unserem Boot",
direkt hinter dem Captain. Leider entpuppte sich das Ganze aber als nicht so
romantisch, da es viele dieser Boote hatte, einige ausgebaut bis zum
schwimmenden Palast. Unser Captain steuerte nur durch breite Kanaele weil er
meinte auch unser Boot sei zu gross fuer die kleineren Kanaele. Und die
Nacht verbrachten wir dann in Reih und Glied mit anderen Booten neben einem
Tempel in dem bis spaet in die Nacht getrommelt und gebetet wurde. Mit dem
Velo sind wir auch schon viel den Backwaters entlang geradelt, nun aber das
Leben vom Wasser aus zu sehen war ganz spannend, aber auch erschreckend. Das
Wasser ist bereits recht verschmutzt wegen den vielen Motorbooten und von
den Seifenprodukten die die Bewohner gebrauchen. Waehrenddem sich der Vater
die Haare einseift waescht die Mutter daneben das Geschirr und die Tocher
trinkt etwas entfernt das Wasser. Das alles zu beobachten ist interessant,
doch die Veraenderung dieses gewaltigen Oekosystems macht etwas Angst.
Stellenweise sind die Kanaele ueberwuchert mit kohlaehnlichen Algen.
Seit ein paar Wochen ziehen Nachmittags vermehrt Wolken auf; ein Vorboote
des nahenden Monsuns. Schon bald koennen die Frauen, die jetzt den Schirm
wegen der Sonne aufspannen, ihn fuer den Regen gebrauchen. Wir warteten
gespannt auf den ersten Regen der dann eines Abends Mitte Maerz, begleitet
von Blitz und Donner, erstmals nur spaerlich vom Himmel fiel. Die folgenden
Abende konnten wir wunderbare Wetterleuchten beobachten. Von Tag zu Tag
wurde es nun heisser und schwueler, der Schweiss lief nur einmal, von
Morgens bis Abends. Noch immer sagen aber die Inder es ist erst Fruehling,
im Sommer (April und Mai, kurz vor dem Monsun) wirds dann richtig heiss. Das
werden wir zum Glueck nicht mehr erleben, aber ein paar Tage heftiger Monsun
waeren sicher ein tolles Erlebnis!
Die Religion spielt in Indien eine zentrale Rolle. Waehrend unserer Fahrt
der Westkueste entlang sahen wir taeglich Tempel, Moscheen und Kirchen.
Erstaunt hat uns die Anzahl der Muslimen, die gewisse Doerfer praegten.
Allzu bekannt waren uns die schwarzen Gestalten, die Frauen komplett in den
Tschador gehuellt, und die Maenner mit den runden Kaeppis. Erfreut haben uns
die ersten richtigen Kirchen die vorallem ab Goa zu sehen waren. Goa war
eine portugiesische Kolonie und so kam das Christentum vor ca. 450 Jahren in
diese Region. Hindus sind ueberall anzutreffen, vorallem in Kerala waren
alle drei Religionen stark vertreten, die Abwechslung vom Tempel ueber die
Moschee zur Kirche war beeindruckend. Als Christen haben wir mehrere Kirchen
besucht und waren erstaunt zu sehen, dass sie Jesus und weitere Heiligkeiten
auch mit Blumenkraenzen und Raeucherstaebli beehren. Die Christen fuehren
die gleichen Rituale wie die Hindus durch, sie werfen sich zu Boden, kuessen
oder beruehren die Statuen und am Feiertag lassen sie laut Musik laufen. In
der Zwischenzeit haben wir erfahren warum Hindus wie auch Christen die Musik
ohrenbetaeubend laut abspielen: Sie wollen Gott auf sich aufmerksam machen.
Wir naeherten uns immer mehr der Suedspitze. Unterwegs machten wir Halt an
verschiedenen Touristenstraenden wo wir das letzte Mal ins Meer huepften,
dann erreichten wir die Gegend die Maja vor fuenf Jahren schon einmal
besucht hatte. Fuer sie war es ein erfreuliches Wiedersehen mit
wunderschoenen Orten die sie nun auch Marcel zeigen konnte. Ein bewegender
Moment war das Eintreffen am suedlichsten Punkt Indiens, in Kanyakumari. Als
Dank fuer die treuen Dienste der letzten 10,5 Monate beehrten wir unsere
Velos Elif und Tigi mit gutriechenden, wunderschoen geknuepften
Blumenkraenzen. Speziell war es dann am anderen Morgen bei der Rueckfahrt.
Nun zeigte nach zwei Monaten wiedereinmal die leuchtende Nordnadel des
Kompass wo es langgeht und die Sonne schien morgens von rechts anstatt von
links.
Der suedlichste Zipfel gehoert zum Staat Tamil Nadu. Das Landschaftsbild
veraendert sich grundsaetzlich. Zu den Palmen gesellen sich nun riesige
Bananenbaumplantagen die im Sonnenlicht grasgruen leuchten. Daneben hat es
grosse Teiche voller Lotusblueten. Leider pfluecken Maenner, die in
Metalleimer sitzend durchs Wasser paddeln, die Knospen bevor sie ihre
wunderschoenen Blueten zeigen koennen. Doch der Anblick dieser Maenner
mitten in einem Meer grosser, gruener, schwimmender Blaetter ist sehr
amuesant.
Wir hatten noch ein paar Tage Zeit bevor wir in Trivandrum in den Zug
stiegen. Maja moechte gerne Ayurveda machen, Marcel zieht es eher in einen
Ashram zum Yoga ueben. Da die Angebote fuer Ayurveda zu teuer waren
entschieden wir uns fuer den Ashram wo auch Massagen angeboten werden. Wir
hatten ja keine Ahnung was wirklich auf uns zukommt, wir wusten nur dass ein
fixer Tagesplan einzuhalten ist, es nur zweimal Essen gibt, sich Maennlein
und Weiblein nicht zu Nahe kommen sollten. Nachdem wir uns angemeldet hatten
erhielten wir den Tagesablauf: 5.20 Uhr Aufstehen 6.00 Uhr Satsang
(Meditieren, gemeinsames Singen und Beten) 7.30 Uhr Tee 8.00 Uhr Asana
(Yoga) 10.00 Uhr Brunch 11.00 Uhr Lecture (Vertiefung des Yogiwissens) 12.30
Uhr Karma Yoga (Selbstloser Dienst fuer die Gemeinschaft = Putzen) 13.30 Uhr
Tee 14.00 Uhr freiwilliges Yoga ueben 16.00 Uhr Asana (Yoga) 18.00 Uhr
Abendessen 20.00 Uhr Satsang 22.30 Uhr Nachtruhe
Uff!! Aber alles halb so schlimm. Am ersten Tag machte uns der fixe
Tagesablauf etwas Muehe. Uns von jemandem den Tag bestimmen zu lassen waren
wir gar nicht gewohnt und er war so ziemlich voll geladen. Abends zogen wir
uns, voll mit neuen Eindruecken und einem bereits leichten Muskelkater von
den skurillsten Yogauebungen, in die Geschlechter getrennten Dorms zurueck.
Waehrend diesen fuenf Tagen erhielten wir einen Einblick in einen Ashram.
Wir konnten auch wiedereinmal alle unsere Muskeln durchdehnen, die etwas
vernachlaessigte Muskulatur fordern, gewisse Yogauebungen ganzheitlich
verbessern und neu lernen. Maesi jedenfalls ist auf dem besten Weg zum
Yogi-Guru kann er doch den Kopfstand mit verschiedensten Steigerungen fuer
mehrere Minuten halten. Maja hat ihre Ambitionen eher einem Termin fuer eine
Ayurvedamassage gewidnet. Die positive Energie die im gemeinsamen Singen, im
Yoga, ja sogar beim stillen Essen zu spueren war staerkte uns sehr, liess
die Hektik des indischen Alltags vergessen und half uns die innere Ruhe
wieder zu finden. Om shanti, shanti, shanti (Frieden in uns, Frieden um uns,
Frieden auf der ganzen Welt)
PS 1: In Suedindien tragen die Maenner einen Schnauz und einen Lunghi (2
Meter langes Tuch das um die Huefte gewickelt wird). Maesi passt sich zu 50%
an, ohne Schnauz dafuer mit Rock. Aber ganz so einfach ist es nicht. So
passierts dass Maesi das Tuch von der Huefte rutscht und er es im letzten
Moment noch fassen kann bevor er nur noch in den Unterhosen auf der Strasse
steht. Das richtige Wickeln will geuebt sein!
PS 2: In Delhi wartet ein Vollprogramm auf uns: Fahrraeder reparieren und
reinigen, Visas besorgen, Einkaeufe machen und unsere Tante Elsbeth in
Empfang nehmen die uns aus der Schweiz besuchen kommt. Darauf freuen wir
uns! Weitere Infos betreffend unserer Weiterreise folgen sobald auch wir
mehr darueber wissen ;o)
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20. Reisebericht 21. April 2006
Ein Jubilaeum jagt das Andere!
Was wir zwei momentan zu feiern haben! Auch wenn es hier im bescheidenen Rahmen ablaeuft, fuer uns sind die Anlaesse sehr wichtig und erfreulich. Erstens fuhren wir Ende Februar den 10'000 sten Kilometer, dann feierten wir den 1. zivilen und den 1. kirchlichen Hochzeitstag. Und wir sind immer noch auf Hochzeitsreise! Genau am 16. April zeigte uns der Kilometerzaehler die magischen 5 Striche: 11111! Auch ein Grund fuer einen dicken Kuss und eine Umarmung, direkt neben der Strasse. Und das in Indien... Nun verlassen wir nach vier Monaten dieses Land der krassesten Gegensaetze und steuern auf einen neuen Abschnitt unserer Reise zu. Im Weiteren feiern wir am 6. Mai unsere bis jetzt 365 Tage auf Achse. Mal schauen wie viele es noch werden. Und ihr, treue Verfolgerinnen und Verfolger, liest die 20. Ausgabe unserer Reiseberichte. Auch ihr beweist Durchhaltevermoegen! Danke vielmals!
Nach der langen Zugfahrt vom Sueden zurueck nach Delhi durften wir uns wieder im Wohnblock neben Dilip und seiner Familie einquartieren. Es war wie ein Heimkommen, waren wir doch bereits Anfangs Jahr ein paar Tage hier. Hier leben viele Menschen auf ziemlich engem Raum in einfachen Zimmern mit improvisierten Kuechen. In der Gasse ist immer etwas los, die kleinen Laeden haben von morgens bis abends geoeffnet, auf Fahrradanhaengern werden die verschiedensten Fruechte und Gemuese angeboten. Fahrende Haendler kommen vorbei mit Plastikwaren oder Gewuerzen auf einem Brett mit Raeder, oder ein Messerschleifer der den Schleifblock direkt am Velo hat und ihn durch Treten ins Drehen bringt. Die Menschen bestaunten uns immer von oben bis unten, doch nach ein paar Tagen waren auch wir einfach Nachbarn. Diese sogenannte Enclave gehoert zum reichen Viertel neben an wo vor jedem Haus ein Security Wache haelt. Zwei verschiedene Welten so nahe bei einander. Ganz klar mochten wir "unsere" Gasse lieber. Hier ist etwas los im Vergleich zur sterilen Stimmung in den breiten, leeren Strassen bei den Villen. Herzlich begruessten uns die Kinder Aasha, Jacob und Usha und obwohl sei nicht so gut englisch sprechen hatten wir viel zu lachen.
Fuer die folgenden zwei Wochen hatten wir ein dichtes Programm. Fuer unsere Weiterreise mussten wir einige Einkaeufe erledigen, Fotos entwickeln, uns um unsere Velos kuemmern und unsere Tante Elsbeth in Empfang nehmen die auch gleich wichtige Ersatzteile, Schoggi und Buendnerfleisch aus der Schweiz mitbrachte. Mitte Februar ueberraschte sie uns mit ihrer Idee uns in Indien besuchen zu kommen. Wir fanden es natuerlich super, ist es doch sehr schoen unterwegs Besuch von zu Hause zu bekommen. Doch Indien ist nicht gerade ein einfaches Land um es alleine zu bereisen und wir werden nicht so viel Zeit fuer sie haben. Sie loeste die Situation aber sehr clever, reservierte sich eine Woche fuer uns und den Rest mit einem Reisefuehrer. Mit ihr besichtigten wir sehenswerte Orte wie das India Gate und die Gedenkstaette Mahatma Gandhis. Wir fuhren aber auch mitten ins hektische Leben von Old Delhi wo tote Huehner zum Verkaufen haengen, Bettler und Behinderte betteln, die Rikschafahrer sich um Passagiere streiten, offene Wasserkanaele gefuellt mit Dreck vor sich hinstinken, diverse Essstaende Duefte verbreiten, die Kuh sich durch den Abfall frisst und uns einer irgendwelchen Plastikkram andrehen will. Natuerlich gibt es genau an solchen Orten viele interessante Gesichter und Situationen zu sehen, vorallem ein Indien gepraegt von den Menschen, nicht von Denkmaelern, Bauten oder futuristischen Einkaufscentren.
Eher spontan organisierten wir uns dann einen Ausflug ins Gruene und fuhren ueber Nacht in einem Schlafwagenzug mit harten Schragen, ohne Leintuch und Kissen, zum Corbett National Park. So coll wie unsere Tante ist machte sie die Zugfahrt voller Freude mit und fand sich einverstanden die billigste Kategorie zu nehmen (CHF 4.- fuer sechs Stunden!) Uns gefiel es, ausser dass wir nachts froren und uns der Chaiverkaeufer an jeder Station aus dem Schlaf riss den wir erst gerade gefunden hatten. Fuer die Safari im Park mieteten wir uns einen Jeep mit Fahrer der uns durch den schoenen Wald chauffierte. Waehrend den ersten Kilometer sahen wir kein einziges Tier, bis mal ein Hirsch ueber die Strasse rannte, uns ein Krokodil vom Flussrand aus beobachtete und eine grosse Echse blitzartig in Bau verschwand. Dann gings aber weiter wie im Zoo. An einem Aussichtspunkt konnten wir schwimmende Wasserschildkroeten, Krokodile und riesige Catfische sehen, weiter vorne wie eine Elefantenherde im Wasser badete. Durch den Feldstecher beobachteten wir wie sie mit dem Ruessel Wasser spritzen und miteinander spielen. Nach einer Mittagspause im Camp des Parks starteten wir die Abendsafari durch den dichten Wald, ueber und durch Fluesse, durch dichtes Gras und Buesche. Elefantenherden, verschiedene Hirsch- und Reharten, kleine bunte Voegel wie auch riesige Geier und Adler, Wildschweine, stolze Pfauen, Schakale und natuerlich Affen konnten wir sehen. Im offenen Jeep fuhren wir ruecksichtsvoll nur auf bestimmten Strassen. Weil die Tiere nie Angst haben mussten, bleiben sie stehen auch wenn wir angefahren kommen. Das fanden wir sehr faszinierend und machte uns gluecklich. Gut gibt es diese Orte noch wo die Tiere regieren und nur sie den natuerlichen Rhythmus bestimmen. Der einzige Feind fuer fast alle Vierbeiner im Park ist der Tiger. Und den wollten wir natuerlich sehen.
Am naechsten Morgen starteten wir vor Sonnenaufgang in eine andere Richtung. Mit scharfem Blick suchten wir das Dickicht ab um den Tiger sicher zu sehen falls er ja vielleicht per Zufall gerade am Strassenrand ruhen sollte. Dann sahen wir seine Pfotenabdruecke auf der Sandpiste. Hier ist er also vorbei spaziert, wo ist er nur? Ploetzlich gibt unser Fahrer Vollgas und schliesst zu einem anderen Jeep vor uns auf. Wir dachten schon spaetestens jetzt ist das Tier weg wenn wir so angebraust kommen, doch nein: da liegt er! Ein wunderschoener, grosser, praechtiger Tigerkopf schaut aus dem Gebuesch, nur ca. 10 Meter von uns entfernt. Er lag gemuetlich da, beobachtete uns, drehte dann aber auch gelangweilt den Kopf. Er hat sich wohl schon an den Anblick von Touristen gewoehnt. So liegt er einige Minuten Modell, steht auf und spaziert gemuetlich in den Wald. Weiter vorne begegneten wir einer Hirschgruppe die sehr aufgeregt ihre Blicke zum Wald gerichtet hatte. Die lauten Warnrufe interpretierte unser Fuehrer dass ein Tiger unterwegs ist. Es gibt nur gegen 150 Tiger in diesem riesigen Park und einen davon haben wir gesehen! Ist wohl gerade dieser auf der Jagd?
Nachdem sich unsere Tante auf den Weg zu den Highlights Indiens begab, hantierte Maesi waehrend vier Tagen an unseren Velos rum. Er wechselte die Felgen, wendete die Ritzel, zog eine neue Kette auf, loeste und oelte jede Schraube, behob kleine Maengel und polierte sie auf Hochglanz. Maja quaelte sich mit ener Magen-Darmverstimmung, las Schweizer Zeitungen und Heftli, sortierte Fotos fuer die Webseite, schrieb Tagebuch und informierte sich ueber die Weiterfahrt. Zusammen organisierten wir das Pakistanvisa, das nach vielen Besuchen und Diskussionen nun doch 60 statt 30 Tage gueltig ist. Wir fuhren x-mal Autorikscha und mussten genau so oft um den Fahrpreis feilschen. In Delhi herrschte eine riesige Hitzewelle die taeglich um die 40 Grad erreichte. In unserem sonnigen Zimmer im dritten Stock hatten wir somit um die 36 Grad tagsueber, und 33 Grad nachts. Der Steinboden und die Waende waren staendig heiss, die Velos gluehten und die Schoggi schmolz bereits kaum war sie aus dem Kuehlschrank. Aus dem Kaltwasserhahn floss heisses Wasser, somit war eine Erfrischung unmoeglich. Aber lieber es kommt heiss als gar nicht, denn einmal hatten wir einen Wasserunterbruch von 40 Stunden im ganzen Quartier. Und das in der Hauptstadt Indiens. Solche Erlebnisse tun uns Westlern gut! Auch der regelmaessige Stromausfall laesst uns bewusst werden wie selbstverstaendlich der Strom fuer uns ist. Wenn man jedoch sieht wie tief und wirr die Stromleitungen haengen sind wir erstaunt, dass es ueberhaupt funktioniert. So schwitzten wir ohne Ventilator und frischem Wasser stinkend vor uns hin. Unsere Ausduenstung hat sich seit Indien sowieso veraendert, wir riechen selbst an uns das andere Essen, die fremden und scharfen Gewuerze und die Umwelteinfluesse die jeweils schwarz an unseren Koerpern kleben.
Wenn man in Indien ist sollte man eigentlich einmal ins Kino gehen und sich einen Bollywoodfilm ansehen. Bei unserer Gastfamilie lief aber oft der Fernseher und so konnten wir in verschiedene Seifenopern und Filme reinschauen und uns die bunt-dramatischen Geschichten ansehen. Aber ganz speziell am indischen Fernseher sind die Sender wo jeweils 24 Stunden lang non-stop Modeschauen gezeigt werden, Wrestling oder Cricket. Cricket der Nationalsport. Auf unserer Reise war bis Iran Fussball das Gespraechstthema (dank unserer Nati!). Seit Pakistan ist es Cricket. Es wird von jungen Maenner und Knaben immer und ueberall gespielt. Auf der Strasse, am Strand, im Park, am Bazaar, auf dem Schulhofplatz. Wenn die aermeren Inder nichts besitzen, aber einen Schlaeger fuers Spiel haben fast alle.
Zum Abschied luden wir unsere Gastfamilie zum Abendessen ein. Obwohl wir sechs uns kugelrund gegessen hatten kostete es uns nur knapp CHF 10.-. Das ist einfach unglaublich! Weiss man wo, dann isst man sensationell und sehr billig. Als Gegensatz loesten wir am Vortag ein Hochzeitsgeschenk ein und tranken in einem fuenf Sterne Hotel zwei Fruchtsaefte und assen zwei Stueck Kuchen, fuer CHF 15.- Ein weiterer Vergleich fuer finanzielle Unterschiede ist der Velorikschafahrer der uns eine Stunde lang durch die Stadt faehrt, sich abmueht, schwitzt, von allen Motorisierten dauernd ausgebremst wird und dann 30 Rupees kassiert (ca. CHF 1.-). In einem besseren Restaurant bekommt man dafuer nur einen halben Teller weissen Reis, in der Fritierbude um die Ecke aber reichts fuers Essen fuer den ganzen Tag.
Die sechs Radtage bis zur pakistanischen Grenze waren eher Pflichtprogramm als unterhaltsam. Doch nach einer fast vierwoechigen Fahrpause sind flache Strassen die besten Trainingsstrecken. Unser Koerper gewoehnt sich wieder an die Anstrengung, das Hinterteil schmerzlich an den Sattel und das Rollen der Raeder widerspiegelt die Qualitaeten von Maesis Reparaturkuensten. Zum Glueck alles einwandfrei! Nach zwei eher unschoenen Uebernachtungsmoeglichkeiten finden wir zu unserer Freude am folgenden Tag ein sauberes, gepflegtes Hotel mit einem netten Besitzer der uns sogleich noch mit einem Journalisten ueberrascht der einen Zeitungsbericht mit Foto ueber uns schreibt. Stolz halten wir am naechsten Morgen den kleinen Artikel in der Hand, geschrieben in der indischen Landessprache Hindi und der Regionalsprache Punjabi.
Nun verlassen wir also das Land wo uns viele gefragt haben ob wir ins Guinessbuch der Rekorde wollen. Die wenigsten konnten sich hier noch vorstellen wo die Schweiz liegt, sie wissen meistens gar nicht wie gross und vielfaeltig ihr eigenes Land ist. Wir wurden oft wie Stars behandelt und mussten unsere Unterschriften in Tagebuecher schreiben. Aber dann wurden wir wieder verachtend von der Strasse gedraengt und eingestaubt. Indien ist eine Reise wert, so oder so. Doch nun zieht es uns in die Berge, in abgeschiedenere Orte, mit weniger Menschen, weniger Verkehr und besserer Luft. Wir wollen den Himalaya sehen!
PS 1: Zur Jubilaeumsausgabe goennt sich Marcel eine kuenstlerische Pause!
PS 2: Der indische Kreis schliesst sich wieder. Wir sind in Amritsar beim Golden Tempel. Hier haben wir die ersten Tage in Indien verbracht, nun auch die Letzten. Unsere Plaene fuer die Weiterreise sehen folgend aus: In Islamabad, Pakistan, versuchen wir ein Visa fuer China zu organisieren und werden unterwegs in den Norden die verlassenen Taeler entlang des Karakorum Highways zu Fuss erkunden. Via Khunjerab Pass (auf 4700 Meter ueber Meer) moechten wir Suedwestchina erreichen; ein langer Aufstieg und viele hohe Paesse und schlechte Strassen fuehren uns dann aufs Hochplateau von Tibet. Via Mount Kailash (ein heiliger Berg) und Lhasa sollten wir im September in Kathmandu, Nepal, einfahren.
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21. Reisebericht 14. Mai 2006
Hoehen und Tiefen oder Highway To Hell!
Hochs und Tiefs gibt es wahrlich auch auf jeder Reise, nicht nur zu
Hause. Wir erlebten sie bisher vorwiegend geografisch, erklimmten schon
manchen Pass und genossen danach die rasante Abfahrt. Doch es gab sie auch
bereits psychisch und physisch, jedoch nie so schwerwiegend, dass es uns
ernsthaft nachhaltig belastet haette. Taeglich den Anforderungen von
Strasse, Gegenverkehr, Wetter, Hunger und Durst, frustrierende und
aufmunternde Gegenden, Kulturen und Religionen stand zu halten braucht zwar
viel Energie, doch sie gehoeren zu solch einer Reise. Wir haben bewusst das
Velo gewaehlt, weil wir fuer uns die Eindruecke besser und tiefer erleben
und aufnehmen koennen.
Seitdem wir Delhi verlassen haben ist viel geschehen, wir haben viele Hochs
und Tiefs erlebt.
Zuerst war die Strecke bis zur Grenze zu Pakistan einfach nur langweilig.
Viel Verkehr, flach, stinkig, heiss! Wir mussten taeglich 100 Kilometer
abstrampeln um nur etwas vorwaerts zu kommen. Das hiess um 4.30 Uhr
aufstehen und spaetestens um 6 Uhr abfahren, denn bereits um 9 Uhr war es
schon heiss und da wir dazu um die 5 Stunden radeln muessen lohnte sich das
fruehe Aufstehen. Dann hat es auch am wenigsten Verkehr. Am Anfang waren wir
stolz, dass wir taeglich unseren Rhythmus so durchzogen, denn wir sind beide
eher Abends nicht ins Bett zu bekommen und Morgens ist es jeweils eine Qual
aufzustehen. Erstaunlicherweise sind aber auch die Inder, wie spaeter die
Pakistanis, bei Tagesanbruch auf den Beinen, nicht nur wir. Das taegliche
Leben beginnt sehr frueh. Deshalb muessen wir entlang der Strasse viele
Maenner sehen die ihre Morgentoilette im Freien verrichten. Diese
Geschmaecke und der Gestank der stehenden, vor sich hin faulenden Gewaesser,
begleiten uns dann unumgaenglich.
In Pakistan angekommen quartierten wir uns im Motel bei der Grenze ein um am
Abend die zeremonielle Grenzschliessung mitzuerleben. Pakistan und Indien
sind ja seit der Partition 1948 Feinde und wissen oft nicht sehr viel Gutes
ueber den Nachbarn zu erzaehlen. Deshalb versammeln sich auf beiden Seiten
der Grenze taeglich Tausende von Patrioten und Schaulustigen die diese
militaerische Zeremonie miterleben wollen. Wir sassen zwar auf der
pakistanischen Seite, hatten aber inzwischen fuer beide Laender viel
Sympathie und liessen dieses 1,5 stuendige Spektakel neutral auf uns
einwirken. Natuerlich rufen auch wir bei "lang lebe Pakistan" mit und die
Einheimischen freute es. Es wurde militaerisch geschrien, Befehle gegeben
und die Soldaten stampften im Stechschritt die verschiedenen Formationen und
bruesteten sich vor den feindlichen Truppen wie Pfaue. Danach wurden die
Fahnen spektakulaer eingezogen. Lustigerweise machten die Soldaten beider
Laender genau das Gleiche, wie kommt das? Danach deckten wir uns mit
Pakistanflaggen ein die wir hinten am Velo befestigten, damit wir
hoffentlich auch den konservativen Bergbauern entlang des Karakorum Highways
(KKH) sympathisch sind.
Von der Grenze bis Islamabad, der Hauptstadt Pakistans, war es leider genau
gleich oede, nur verrusten uns die Lastwagenfahrer noch mehr mit ihrem
schlechten Benzin das einfach nur als schwarze Wolke zum Auspuff rauskommt.
Wir mussten in ueblen Hotels uebernachten wo das Badezimmer nur mit einem
Reisbesen gereinigt wird und die Toilette gar nie einen Putzlappen sieht.
Und jeden Abend hatten wir einen Kampf gegen die Muecken die uns hemmungslos
verstachen. Als Maja dann wieder zu Husten begann, wurde es uns aber zu bunt
und wir stoppten einen Bus der uns die letzte Tagesetappe bis Islamabad
mitnahm. Diese Stadt ist sehr neu, deshalb sehr ordentlich, sauber, viel
Gruen und der Verkehr rollt gesetzmaessig. Es gibt keine Rikschas und Esel-
und Ochsenkarren die Unruhe in den Verkehrsfluss bringen, man hat aber auch
nicht mehr die Moeglichkeit guenstig von A nach B zu kommen. Doch wir haben
ja unsere Velos und so fuhren wir selber zur chinesischen Botschaft und
zurueck. Das Visa erhielten wir ohne Probleme fuer 90 Tage - genial!
Wir quartierten uns auf dem Campingplatz ein wo nur auslaendische Reisende
zu treffen sind. Seit wir in Indien angekommen sind haben wir immer wieder
Overlander getroffen wie auch hier wieder. Alle warten auf ein Visa zur
Weiterreise und einzelne sind etwaqs neidisch, dass sie mit ihrem Auto oder
Wohnmobil nicht nach China einreisen duerfen, wir aber mit dem Velo kein
problem haben sollten. Wir trafen dort unter anderen Judith und Michi, die
in einem umgebauten Lastwagen reisen, wie auch Tina und Heiko mit ihrem Sohn
Timo die in einem Postbuessli gleich lange wie wir unterwegs sind. Es war
lustig wieder einmal Schweizer zu treffen und die Frauen hatten sich viel zu
erzaehlen. Da sich Maja schon lange an ihren Haaren stoerte, die viel zu
dick und heiss sind, fragte sie die Maedels ueber ihr Haareschneid-Koennen.
Leider hatten beide keine Erfahrung, Tina jedoch eine Coiffeurschere da ihr
Mann ihr die Spitzen schneidet. Judith war dann so mutig und schnitt einfach
mal drauf los. Sie gab sich erdenkliche Muehe, doch als Maja noch schlimmer
wie vorher aussah meinte Marcel, wir sollen doch mit dem Rasierer darueber.
Also schor Judith Majas Haarpracht 14 mm und liess noch ein paar laengere
Schwaenze stehen. Zuerst nannte Marcel seine Maja nur noch Nena weil nun
alle Haare in die Hoehe stehen. Nach ein paar Tagen hat er sich aber an den
Lausbubenkopf gewoehnt und sieht ein, dass der Schnitt fuer die kommende
Etappe viel geeigneter ist (ist Maja doch nun noch schneller unter der
Dusche). Und hier in Pakistan muss sie eh wieder ein Kopftuch tragen.
Judith, danke fuer deinen Mut, fuers erste Mal nicht schlecht!
Von Islamabad ging es dann endlich in die Berge, doch auf eine Verbesserung
der Luftqualitaet mussten wir bis zum dritten Tag warten. Nun waren wir auf
dem Karakorum Highway (KKH). Der heisst so, weil diese Strasse als
Verbindungsweg zu China durch das Karakorumgebirge - das westliche Ende des
Himalayas - fuehrt. Man darf sich darunter aber keine mehrspurige Autobahn
vorstellen, sondern eine einfache Strasse mit mehr Schlagloecher als
Gegenverkehr und ohne Mittellinie. Die Landschaft wurde wunderschoen, die
Strasse schlaengelte sich dem Berg entlang, meistens bergauf. Neben den
vielen saftigen Wiesen und Waeldern und den Reisterrassen die wie Treppen in
den steilen Haengen aussehen, sahen wir aber auch die brutalen Zerstoerungen
des Erdbebens vom letzten 8. Oktober. Denn wir fuhren sehr nach am
Epizentrum vorbei. Immer wieder stehen Zeltdoerfer und mit Wellblech
bedeckte Ruinen; verschiedene Hilfsorganisationen sind vor Ort. Wir sehen
das Rote Kreuz, Unicef, UNHCR, Johanniter, UN, und so weiter und viele
zerfallene Haeuser, Schutthaufen, eingebrochene Daecher und eine
beschaedigte Strasse. Ueberraschenerweise waren aber alle Bewohner sehr
freundlich zu uns, sie winkten, suchten das Gespraech, wollten uns zu Chai
einladen, selten war eine Verzweiflung spuerbar. Die Trauer und die Not sind
gross, doch das Leben geht weiter und es scheint dass sie sehr unterstuetzt
wurden. Sie freuen sich auch, dass trotzdem noch Touristen kommen, denn
Pakistan ist vom Tourismus nicht verwoehnt. Nach diesem, auf einer Seite
sehr bedrueckenden, auf der anderen Seite faszinierenden, Tag fanden wir auf
1660 Meter ueber Meer einen wunderschoenen Zeltplatz unter Baeumen mit Sicht
auf den Talkessel den wir gerade durchquert haben. Dieser Punkt ist der
Hoechste bis Gilgit, von wo es dann bis 4700 Meter ueber Meer zum Khunjerab
Pass ansteigt. Unser Plaetzchen gehoert zu einem Governmenthotel das gerade
renoviert wird, also stoeren wir niemanden. Daneben hat eine
Hilfsorganisation in einem alten Hotel ihre Unterkunft bezogen und fuehrt
von hier aus ihren Bereich der Wasserversorgung aus. Bereits am Nachmittag
erhielten wir von Olaf Besuch, einem Norweger, der fuer dieses HIlfswerk der
"Norwegischen Kirchen Hilfe" arbeitet. Nachdem wir von unserer Reise
erzaehlt hatten, wollten wir von ihm Fakten ueber das Erdbeben erfahren. Und
die sind haarstraeubend. Er ist zustaendig, dass alle Schulen, Camps und
auch Familien eine Toilette oder Latrine erhalten, was noch lange nicht der
Fall ist. Dazu gehoert die Wasserversorgung, das heisst das Reparieren der
beschaedigten Wasserleitungen und die Aufklaerung der Bevoelkerung
betreffend Wasserqualitaet. Bereits sind Cholerafaelle aufgetreten. Da
Pakistan ein Entwicklungsland ist hatte die Bevoelkerung auch vor dem Beben
nur fragwuerdige Einrichtungen. Die Menschen leben sehr primitiv und
rueckstaendig, geben sich mit sehr wenig zufrieden. Im Weiteren erzaehlte er
uns von den Doerfern die einfach vom Erdboden verschluckt wurden und all den
Tribal-Staemmen in den Bergen die noch nie nach den Gesetzen der Regierung
lebten, sondern sich immer selber organisierten. Gerade dort herrscht eine
Unklarheit wieviele Menschen umgekommen sind, denn auch bis jetzt liessen
sie sich nicht helfen, sondern traten dem Hilfswerk nur schwerst bewaffnet
entgegen. Fuer uns toent das wie Wilder Westen vor 150 Jahren. Die Regierung
schaetzt demnach die Opferzahl um die 70'000 waehrend andere mit 400'000
Menschen rechnen. Da Pakistan eine Militaerregierung hat war die Hilfe der
Armee prompt und sehr wertvoll, sind sie doch diszipliniert, die Soldaten
sind vollsten Einsatz gewoehnt und arbeiten speditiv unterstuetzend. Leider
schickte die Regierung nach dem Winter alle Bergbauern zurueck in die Berge
indem sie die riesigen Camps, die 20'000 Menschen beherbergten, einfach
aufloesten. Diese Menschen mussten zurueck in ihre zerstoerte Heimat wo
keine Hilfe und Hoffnung mehr hilft mit allen schlechten Erinnerungen und
dem Wissen, dass ihre Familienangehoerigen noch unter den Truemmern begraben
liegen. Skandaloes! Niemand weiss, wie diese Menschen ueberleben werden,
ohne Haus, Vieh, Land und Wasser. Am Abend lud uns der Campmanager zum
Abendessen ein und wir lernten viele weitere Entwicklungshelfer kennen.
Ausser Maria, auch aus Norwegen, waren es alle Pakistanis und Pakistaninnen.
Die Frauen haben die Aufgaben, in Schulen den Kindern Hygieneunterricht zu
geben, ihnen zeigen wie man eine Latrine gebraucht, die Haende richtig
waescht und sich sauber haelt. Alle des Teams sind in guter Stimmung, sind
sie doch recht zufrieden was sie in den letzten Monaten erreicht haben.
Eigentlich wollten wir am naechsten Morgen weiterradeln, doch Maesi bekam
Fieber und fuehlte sich mies. Bereits in Islamabad mussten wir unsere
Abreise um einen Tag verschieben da er ploetzlich Fieber bekam. Da er auch
noch haemmernde Kopfschmerzen hatte, lag leider die Diagnose Malaria auf der
Hand. Ein Fahrer des Camps fuhr uns dann am Morgen zurueck in die groessere
Ortschaft, damit Marcel einen Arzt konsultieren konnte. Der diagnostizierte
Malaria oder Typhus, da die Symptome aehnlich sind. So musste sich Maesi mit
Medis vollstopfen. Der Doktor war erstaunt, dass wir ohne Malariaprophylaxe
durch die Ebene von Delhi bis Islamabad geradelt sind. Im Sommer kann es
dort Malariamuecken haben. Trotz unseren mehrmaligen Besuchen beim
Tropenarzt vor unserer Reise war uns dies neu. Das enttaeuschte uns doppelt,
war diese Strecke doch ziemlich zermuerbend und nun diese Diagnose. Unser
Fahrer, ein Pakistani, raste kriminell in die Berge zurueck, das Auto
schuettelte und unsere Nerven lagen blank. Maesis Kopf drohte zu zerplatzen!
Er legte sich dann ins Zelt und auch Maja brauchte Erholung. Am naechsten
Morgen fuehlte er sich bereits besser, jedoch noch sehr schwach. Zum Glueck
spuerte er keine Nebenwirkungen. Ganz toll erfuhren wir die Unterstuetzung
aller im Camp. Sie brachten uns Essen, fragten immer ob wir etwas
gebrauchen. Vorallem die Pakistanis zeigten ihren grossen Stolz, die
Gastfreundschaft, und sie ist wirklich sehr herzlich. Maja freute sich so
sehr, dass Marcel einen guten Appetit hatte, bekam dann aber selber heftige
Kopfschmerzen. Maria, eine Krankenschwester die jahrelang in Aethiopien
arbeitete und somit mit Malariakranken zu tun hatte, riet Maja auch eine Kur
zu machen bevor das hohe Fieber ausbricht. Da wir zwei immer zusammen sind,
wird diese Muecke wohl auch Maja gestochen haben. Leider verspuerte sie
schon kurz nach Einnahme starke Nebenwirkungen, die sie wie eine Vergiftung
empfand. Die Medikamente sind sehr stark, damit die gefaehrlichen Erreger
vollstaendig abgetoetet werden. Sie hatte zwar kein Fieber, doch musste sie
sich uebergeben, hatte Hunger jedoch keinen Appetit. Schon bald war sie nur
noch bleich und schwach. Statt aufmunternde Worte zu spenden meinte dann der
Campmanager wir sollen nun die Reise abbrechen und nach Hause fliegen. Maja
waere nicht transportfaehig gewesen und sowieso braucht eine solche
Erkrankung einfach Zeit und vorallem Ruhe. Spaeter erfuhren wir wieso er uns
dies riet, denn er wollte uns nicht mehr im Camp haben. Da wir beim Zelt
keine Toilette und Dusche, sowie auch kein Wasser haben, waren wir
vollkommen von ihnen abhaengig. Alle Pakistanis und auch die Norweger
konnten dieses Verbot nicht verstehen, denn uns ging es wirklich beiden sehr
schlecht. Von nun an mussten wir uns ums Zelt herum Verstecke fuer die
Toilette suchen, quaelende Meter gehen und einander abstuetzen. Wir waren
zutiefst enttaeuscht. Das haetten wir von einem Manager einer
Hilfsorganisation, bei denen Humanitaet im Vordergrund steht, nicht
erwartet. Ueberall bauen sie Toiletten und sichern den Bewohnern die
Wasserversorgung, doch wir mussten ins Gebuesch, ein paar Meter neben dem
Camp. Aus Mitleid brachte uns aber Rahil, ein Pakistani, immer etwas zu
Essen. Bis zum naechsten Laden haetten wir 5 Kilometer mit dem Velo radeln
muessen, uns fehlte jedoch absolut die Kraft. Vorallem Maja, sie war am
zweiten Tag so schwach, dass wir eine Aerztin konsultierten die ihr ein
Energiepulver und ein besseres Malariamittel verschrieb. Danach waren die
Nebenwirkungen nicht mehr so stark, sie konnte wieder etwas Essen und die
Lebensgeister kamen wieder. Die schlechte Laune des Campmanagers ging so
weit, dass wir auch kein Essen mehr bekamen, ohne vorher informiert zu
werden. Sobald es auch Maja wieder gut ging, Maesi fuetterte sie eingehend,
interessierte sich gar niemand mehr fuer uns. Nur noch die junge Tigerkatze
kam taeglich vorbei und jammerte uns die Ohren voll, wie hungrig sie sei!
Und da nun auch noch der Kocher ausstieg waren wir total aufgeschmissen. Das
pakistanische Benzin verstopfte die Leitung. Also gab es nur noch Rohkost
aus der Vorratstasche. Ueber eine Woche hingen wir auf diesem Huegel fest,
doch wenigstens die Aussicht, die natuerliche Umgebung und die kuehlen
Naechte waren wunderschoen und nett zu uns! Es tut weh wenn man solche
Erfahrungen machen muss, doch sie werden uns ein Leben lang praegen. Einfach
unglaublich wie man sich in einem Menschen taeuschen kann!
Bevor wir weiter radelten erfuhren wir eine erschuetternde Nachricht vom
Leiter des Hotels nebenan. Vor zwei Wochen sei in der Region Kohistan, die
wir in zwei Tagen erreichen werden, ein auslaendischer Velofahrer ermordet
worden. Schock! Wir hoerten dass zwei unterwegs in den Norden sind und diese
Region ist unter Velofahrern bestens bekannt weil die Kinder und
Jugendlichen Steine werfen. Seit der Cartoon-Geschichte ist dort die Hoelle
los und die konservativen Moslems, die keine Ausbildung erhalten und von den
Taliban beeinflusst werden, sehen in jedem Nicht-Moslem einen Feind. Wir
beschlossen sofort durch Kohistan den Bus zu nehmen und auf diese
interessanten Kilometer dem Indus entlang zu verzichten, so schade es ist.
Bei einem Grenzposten der Polizei, wo sich die Auslaender immer einschreiben
muessen, erfuhren wir jedoch, dass der deutsche Radler von einem Steinschlag
getroffen und getoetet wurde. Zuerst konnten wir das nicht ganz glauben,
doch als wir dann im Bus sitzend weiterfuhren wurde es fuer uns immer
verstaendlicher. Die Strasse fuehrt wie ein Strich dem Felsen entlang, links
von der Strasse die hohe Bergwand, rechts gehts bis zu 300 Meter in die
Tiefe, wo der riesige Fluss Indus sich seit Jahrtausenden tosend den Weg
bahnt. Die Strasse war non-stop von Steinen flankiert und wir mussten mehr
Geroellhalden ueberqueren als dass man den loechrigen Asphalt sah. Zu allem
Uebel kam, dass wir unser Leben in die Haende eines jungen,
suizidgefaehrdeten Fahrers dieses vollgestopften Minibusses legen mussten an
dem ein weiterer Ralleyfahrer verloren gegangen ist. Maja sass ganz aussen
und sah oftmals nur noch den Abgrund und keine Strasse mehr! Zum Glueck
wechselten wir nach der Haelfte die Flussseite. Vor und hinter uns wurde aus
den Fenstern ge..... Als wir vor der Abfahrt fragen wie lange die Fahrt
gehe, hiess es: 6 Stunden - inshallah! Damit ist gemeint: Wenn Gott will!
Das kann ja alles heissen! In Wahrheit war unser Bus wirklich nur ein
Sandkorn in dieser gewaltigen Geroellkulisse. Waehrend dem Bau des Highways
von 1966 bis 1978 mussten speziell in diesem Abschnitt viele Maenner ihr
Leben lassen. Die Rauheit dieser Gegend widerspiegelt sich in den Gesichtern
der Maenner, denen keine Gastfreundschaft nachgesagt wird. Frauen sieht man
gar keine mehr.
Ab Chilas radelten wir weiter und waren froh konnten wir wieder selber unser
Schiksal in die Hand nehmen. Kurz nach 5 Uhr begann die Sonne schon zu
heizen und wir versuchten so gut wie moelgich vorwaerts zu kommen, denn die
Strecke war cupiert und doch recht anspruchsvoll. Vorallem wenn man ausser
Steinen und Geroell nichts anderes sieht und erst recht keinen Schattenplatz
mehr findet. Die Bewohner dieser Gegend sind sehr arm, die Kinder nur in
schmutzigen Kleidern zu sehen. Danke den Bergfluessen koennen sie kleinere
Landstuecke bewirten und Weizen anbauen. Sonst sahen wir nur noch
Geissenherden die wohl Milch und Fleisch liefern. Gegen Mittag, wir hatten
unser Tagesziel, sprich eine Unterkunft, noch nicht erreicht, konnte Maja
nicht mehr. Das Thermometer zeigte ueber 40 Grad und ihr Kreislauf versagte.
Maesi stoppte den naechsten Bus und schon erlebten wir eine weitere, rasante
Fahrt bis Gilgit. Hier erfuhren wir, dass dieses Jahr die Temperaturen
abnormal hoch sind, um die 10 Grad mehr als der Durchschnitt. Da wir vor
einer Woche noch recht krank waren goennen wir uns hier nochmals Ruhe und
freuen uns schon sehr auf den hoeheren Norden und die kuehleren
Temperaturen.
PS1: Apropos Vogelgrippe: Wenn man hier die riesigen Huehnerfarmen und
die vollgestopften Lastwagenhuehnertransporte, wo die Tiere apathisch zum
Gitter raus starren und weiss Gott nicht gesund aussehen, sieht, vergeht
einem der Appetit auf das Grundnahrungsmittel Nummer 1 in Pakistan.
PS 2: Wir sind also in Gilgit auf 1500 Meter ueber Meer (immer noch 40
Grad!) und wohnen in einem angenehmen Hotel mit ruhigem Garten, wo wir
einige Overlander wieder getroffen haben. Tolle Zufaelle, vorallem
funktioniert nun der Kocher wieder, Dank Hilfe aller!
Maja und Marcel
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22. Reisebericht 26. Juni 2006
Der letzte Monat im Muslim-Country
Der Monat Mai hatte es in sich. Eigentlich starteten wir am 2. dieses
Monats voller Euphorie Richtung Norden um den Karakorum Highway (KKH) zu
entdecken und mussten ja bereits drei Tage spaeter wegen dem Ausbruch der
Malaria eine lange Pause einlegen. Die dauerte zuerst einmal acht Tage, dann
einen, wieder fuenf und danach haben wir das Zaehlen aufgehoert.
Schliesslich fuhren wir nur fuenf Tage und um die 320 Kilometer. Dazu
verloren wir beide einige Kilos weil Maja's Verdauungssystem nach der
Hard-Core-Medikamentenkur sich jeder Nahrungsaufnahme verweigerte und Maesi
den Appetit verlor da es Maja dauernd mies ging und sie schwaecher wurde. In
Gilgit, dem Zentrum Nordpakistans, quartierten wir uns laenger im Madina
Guest House ein wo wir weitere Hochs und Tiefs erlitten. Ein Aufsteller war
aber ganz sicher das junge und sehr freundliche Team, welches sich sehr um
uns bemuehte und uns zu Aerzten begleiteten von denen wir uns viel
erhofften, aber leider frustiert zurueckkehrten. Oftmals wuenschten wir uns
in die Schweiz zurueck, in einen sauberen Wartesaal, zu einem
verstaendnisvollen Arzt mit einer humanen Behandlung. Stattdessen wurde die
Stuhluntersuchung kaum beachtet und uns nur drei starke Medikamente
entgegengestreckt von denen irgendeines Majas Durchfall, die
Appetitlosigkeit, das staendige Wuergen und das immer wiederkehrende
Erbrechen stoppen soll. Touristen haben immer etwa dieselben Probleme war
die Erklaerung des Arztes. Sie solle alle auf einmal nehmen, die
Nebenwirkungen werde sie gut ueberstehen. Das taten wir natuerlich nicht,
denn Maja fuehlte sich viel zu schwach fuer diese Hammerkur. Innerhalb der
naechsten Tage nahm sie eines nach dem anderen ein doch helfen wollte keines
so richtig. Nach weiteren Diaettagen mit gekochten Kartoffeln suchten wir
einen weiteren Arzt auf der uns wenigstens beruhigen konnte, da der Stuhl in
Ordnung sei. Dank vielem Trinken, verschiedenen Saeften und
Dehydrationsloesungen ging es dann bald besser und der Speiseplan konnte
wieder erweitert werden. Die Medikamente sind hier so billig (ein
Antibiotika mit zehn Tabletten 2.- Franken), dass sie sehr ruecksichtlos
verschrieben, gekauft und eingenommen werden.
Noch nie auf unserer Reise wie hier in Pakistan hatten wir einen solchen
Essensfrust. Nach der feinen und sehr abwechslungsreichen indischen Kueche
mussten wir uns mit Huhn und Schaf, Reis, Linsen und Chapatti (Fladenbrot)
begnuegen. Das ist die Standartkueche. Schon bald vermissten wir die
vegetarischen Gerichte, vorallem nachdem wir die Huehnerfarmen und
Huehnertransporter gesehen haben. Die Viecher werden in niedrigen Kaefigen
gestappelt auf offenen Pickups transportiert und muessen stundenlang in der
Hitze brueten, die Abgase einatmen und wenn der Wagen eine Panne hat, was
immer wieder vorkommt, steht die Fracht stundenlang in der Sonne. Immer
oefters kochten wir selber, sofern wir passende Zutaten fanden. In kleinen
Doerfern kann das sehr schwierig werden, vorallem mit frischen Gemuese, denn
oft gibts nur Bisquits und Waschmittel. Der Frust verstaerkte sich
logischerweise waehrend unserer Krankheitsphase als das Essen zur Pflicht
wurde damit nicht noch mehr Kilos purzelten. Wir begannen vom feinen
Schweizeressen zu traeumen, wuenschten uns sogar bei 35 Grad ein Fondue,
schwaermten von Cordon-Bleu, rezentem Appenzellerkaese und Rueblitorte. Wie
fein waere doch etwas Trockenfleisch, eine Bratwurst oder ein knackiger
Salat. Doch Maesis ausdauernde Bemuehungen fuer Maja zu Kochen waren
grenzenlos. Er versuchte aus langweiligen Zutaten ein koestliches Essen zu
zaubern, stoeberte jeweils lange in verschiedenen Geschaeften mit der
Hoffnung auf den Fund einer weiteren Abwechslung. Erfreulicherweise fanden
wir in Karimabad, einem Touristendorf schon ziemlich weit im Norden im
Hunzatal, das "Hidden Paradise Restaurant" wo der Besitzer Ali Lutfi
traditionelles Hunzaessen serviert. Es erinnerte uns sehr an urchige
Bauernkost jedoch mit den lokalen Zutaten wie getrockneten Aprikosen und
deren zermalenen Kernen, Frischkaese und der Hunzapizza; Chapattis gefuellt
mit gehacktem Poulet- oder Rindfleisch. Ganz genial war auch das Brot, es
schmeckt wie ein Ruchbrot aus der Heimat. Waehrend fuenf Tagen gingen wir
dort jeweils zum Zmittag und Znacht vorbei und nahmen noch eine
Aprikosensuppe mit ins Hotel fuers Fruehstueck. Eine Mahlzeit bei Ali
kostete uns jeweils um die 8.- Franken, dafuer trinkt ihr in der Schweiz
zwei Kaffees... Unsere Verdauung funktionierte nun wieder einwandfrei und
die deftige Kost fuellte langsam unsere Speicher wieder auf. Dazwischen
genossen wir im Cafe nebenan Crepes mit Nutella und eine Art Engadiner
Nusstorte. Da das Wetter durchgehgend regnerisch war kam uns dieser
kulinarische Hoehenflug gerade richtig! Auch ist jetzt gerade Mangosaison!
Im Dezember fuhren wir an den leeren Mangobaeumen vorbei aber jetzt sind sie
reif und super lecker!
Wir entschieden uns den Highway durch das Karakorumgebirge zu fahren damit
wir neben dem Radeln einige Wanderungen in die Seitentaeler unternehmen
koennen. Da es nun mit dem Radeln nicht wirklich klappen wollte, entschieden
wir uns als Erstes fuer eine gemuetliche Wanderung auf Fairy Meadows. Diese
Maerchenwiese liegt auf 3300 Meter ueber Meer und bietet eine freie Sicht
auf das Nanga Parbat Massiv. Zusammen mit Laurence und Pierre, einem
franzoesischen Paar das mit einem Landrover unterwegs ist, mieteten wir uns
am KKH einen Jeep mit Fahrer, der uns die ersten 15 Kilometer und 1000
Hoehenmeter auf einer jeepbreiten Geroellstrasse dem Berg entlang ins Tal
chauffierte. Obwohl der Fahrer die Strasse kannte und den Jeep gut unter
Kontrolle hatte, traten vorallem Maja die Schweissperlen auf die Stirn weil
es links wiedermal mehrere hundert Meter in die Tiefe ging und man die
kommende Strecke nur als Strich dem Fels entlang wahrnehmen konnte. Weil die
Pakistanis "ihren" Karakorumhighway als 8. Weltwunder benennen, gilt diese
Strasse als 9. Weltwunder. Es hat aber was, denn alleine die Instandhaltung
benoetigt taegliche Handarbeit der lokalen Bevoelkerung. Waehrend wir
hochkurvten dachten wir fest an unsere Muetter und sind froh, dass sie immer
erst im Nachhinein erfahren was fuer gefaehrliche Sachen wir machen! Danach
wanderten wir waehrend drei Stunden bergauf und vor dem Sonnenuntergang
stellten wir unser Zelt auf der Wiese auf. Nachdem es die ganze Nacht
geregnet hatte war leider der naechste Tag grau und kalt, doch nach einem
heftigen Sturm Mitte Nachmittag verschwanden alle Wolken und das Massiv
stand schneeweiss leuchtend vor stahlblauem Himmel vor uns. Der hoechste
Punkt des Nanga Parbat ist auf 8125 Meter und er ist somit der 9. hoechste
Berg der Welt. Maja sah zum ersten Mal einen Achttausender und war, wie auch
die anderen, zu tiefst beeindruckt. Um diese Groesse wahrzunehmen stellten
wir uns unser geliebtes Matterhorn vor, welches fast 4000 Meter kleiner hier
niemals auffallen wuerde und mindestens 30 Mal Platz haette.
Waehrend der Fahrt auf dem KKH kommt man an einer geologisch interessanten
Gegend vorbei. Erstens fliesst der riesige Indus aus einem Tal und mischt
sich mit dem Gilgitriver. Zweitens treffen die drei Gebirgsketten Himalaya,
Karakorum und Hindu Kush aufeinander. Da der Nanga Parbat als Abschluss des
Himalayas gilt, wanderten wir als Naechstes zum Rakaposhi (7788 Meter) der
als Beginn des Karakorumgebirges die Linie weiterfuehrt. Waehrend fuenf
Stunden keuchten wir bis zum Base-Camp hoch wo rechts das Rakaposhi-Massiv,
links der Diran (7257 Meter) und dazwischen eine 35 kilometerlange Eis- und
Felswand in die Hoehe ragt. Im Vordergrund fliessen die verschiedenen
Gletscher zum Minapingletscher zusammen der wegen des Gefaelles sehr
zerklueftet ist und skurile Formen bildet. Auf der Krete angekommen
ueberwaeltigt uns diese maechtige Eis-, Schnee- und Bergwelt. Hinter der
Moraene erstreckt sich eine kilometerlange, wunderschoene, saftig gruene
Wiese die man nie und nimmer auf 3400 Meter ueber Meer erwarten wuerde. Hier
verbrachten wir zwei kalte Naechte und zwei sonnige Tage und feierten Majas
Geburtstag ganz alleine. Innerhalb 24 Stunden sahen wir acht grosse Lawinen
die Berge hinabdonnern und erwachten in der Nacht wegen einigen mehr.
Waehrend diesen drei Tagen begegneten wir acht Einheimischen und drei
Touristen. Pakistans Bergwelt ist so riesig und wird leider so selten
besucht. Wir genossen jedoch die Ruhe sehr und es tat gut, wiedereinmal
saubere und frische Bergluft in unsere Lungen einzuatmen!
Bis und mit Gilgit, vom Sueden her gesehen, befanden wir uns in einer
konservativen Gesellschaft. Alle Maenner tragen einen Shalwar Kameez (weite
Hose und lange Bluse in der selben Farbe). Frauen sah man auf der Strasse
hoechst selten und wenn, dann ziemlich verschleiert. Und: fotografieren
verboten! Sie sind in ihren Wohnungen und fuer die Versorgung der Familie
zustaendig. Wir hoerten, dass in gewissen Taelern die Maedchen immer noch
nicht zur Schule duerfen. Die Maenner fuehren einen Laden, putzen
Hotelzimmer, stehen am Strassenrand und gaffen den Touristen nach. Einige
sehen beschaeftigt aus, andere verbringen jeden Tag gleich gelangweilt. Die
Strassen sind staubig, in den Wasserkanaelen steht das schmutzige und
stinkende Wasser. Neben aufgespiesten Huehnern nimmt der Metzger in seiner
offenen Metzgerei, waehrend dem Spaesse machen mit seinen Freunden, eine
Geiss aus und haengt sie neben die Huehner. Bis hier hin wars fuer uns das
gewohnte Pakistan, eine ganz andere Welt als Europa, und auch so mochten wir
es. Die Maennerueberzahl sind wir seit dem Eintritt auf den asiatischen
Kontinent gewohnt. Wir vermissten aber sehr den Frauenpower, ihre
Innovation, Sauberkeit und die somit fehlende Abwechslung. Nun radelten wir
aber vorwaerts ins Hunzatal und ploetzlich waren wieder Frauen auf der
Strasse, gruessten freundlich, kamen auf Maja zu und begruessten sie mit
einem Haendedruck und Assalam Alaikum und ein paar Worte mehr; wie lange
ist's her! Das Kopftuch liegt meistens im Nacken, die aeltere Generation
traegt runde Huete und lange Zoepfe, darueber ein weisses Tuch. Wieso dieser
Wechsel? Die "Northern Araes" kamen erst 1974 zu Pakistan, vorher waren es
noch einzelne Koenigreiche und hatten, wohl weil es bis dahin keine richtige
Verbindungsstrasse gab, wenig Kontakt mit dem Sueden. Zudem sind die meisten
Einheimischen Ismailis, ein liberaler Zweig des Islams. Sie sind Anhaenger
von Aga Khan, ihrem spirituellen Fuehrer und leben eine etwas esoterischere
Philosophie aus. Die Frauen haben mehr Rechte und werden gut ausgebildet
damit sie ihr Wissen in die Erziehung einfliessen lassen koennen. Zudem
beten Ismailis nur zweimal, vor Sonnenauf- und nach Sonnenuntergang. Die
Moscheen sind Begegnungszentren ohne Minaretten und Lautsprechern aus denen
die Gebete der Mullahs scheppern. Aga Khan unterstuetzt seine Glaeubigen in
der Entwicklungshilfe, baut Schulen und Spitaeler und gibt finanzielle
Unterstuetzung. Vom Staat selber kommt nicht genug Geld da es lieber fuer
die Armee, neue Strassen und die Korruption ausgegeben wird. Uns ist es sehr
aufgefallen, dass es viele koerperlich und geistig behinderte Menschen wie
auch Albinos gibt. Eine moegliche Folge der Verwandschaftsheirat welche hier
gaengige Praxis ist.
Gleich froehlich und offen wie die Einheimischen praesentiert sich auch die
Landschaft entlang des KKH. Oft brauchten wir fuer kurze Tagesetappen
mehrere Stunden weil wir staunen, fotografieren, entdecken und dank den
endlich angenehmen Temperaturen nicht mehr einen fixen Tagesablauf einhalten
muessen. In Karimabad befindet man sich auf 2400 Meter ueber Meer und hat
eine 360 Grad Sicht auf mehrehre 7000er Berge, ein gewaltiges Panorama.
Dieser Ort gilt als Touristenzentrum des Nordens, aber als wir dort ankamen
sahen wir nur Einheimische und leere Geschaefte. Ein Souvenirshop steht
neben dem anderen und es hat viele Hotels, jedoch keine Touristen. Seit
unserer Einreise nach Pakistan hoeren wir von allen Hotelbesitzern,
Reisebegleitern, Restaurantbesitzern und Verkaeufern dasselbe: Seit dem 11.
September 2001 hat die Touristenzahl um 75% abgenommen. Bereits haben viele
ihr Business aufgeben muessen oder haben einen Nebenjob angenommen. Zum
Glueck sind die Leute hier aber so einfach und koennen problemlos auch mit
weniger Geld auskommen. Es erstaunt uns aber trotzdem, dass jeder Shop eine
Menge lokaler Kristalle, Edelsteine und einheimische Handarbeiten zum Kauf
anbietet. Wer soll das nur kaufen? Wir wuenschen uns jedenfalls fuer
Pakistan, dass die ganze Welt neben den vielen schlechten News auch mal
Positives von diesem einmaligen Land zu Ohren bekommt und sich entscheidet
dieses Land zu bereisen. Jeder sollte sich selbst davon ueberzeugen dass es
eine wunderschoene und zum Teil noch unberuehrte Natur hat und hier viele
sehr freundliche Menschen leben.
Eine weitere Wanderung fuehrte uns waehrend fuenf Tagen dem Batura Gletscher
entlang der weit im Norden liegt. Zusammen mit Nico, einem Schweizer, und
Roger, einem Hollaender, die mit einem umgebauten Bus reisen, heuerten wir
einen einheimischen Guide an. Da Maja eher starke Beine statt robuste
Nackenmuskeln hat, trug Maesi fast die ganze Fracht fuer fuenf Tage alleine
und fuehlte sich wie Tenzing Sherpa oder ein Yak. Aber lieber schonte er
Maja und wurde selber wieder etwas kraeftiger. Der Gletscher ist riesig, man
koennte ihm tagelang entlang gehen, doch da er sich auch zurueckzieht ist
das meiste Eis mit Geroell ueberdeckt und nur in der Mitte ist ein Streifen
weiss sichtbar. Am ersten und am letzten Tag ueberquerten wir den Gletscher
und mussten genau ueber dieses Geroell das ganz lose auf dem Eis liegt. Das
war sehr anstrengend da wir dauernd rutschten, doch die Spalten waren nur
schmal. Unsere Zelte stellten wir bei verschiedenen kleinen Siedlungen aus
Steinhaeusern auf wo aeltere Frauen vom Tal Schafe und Geissen weiden
lassen, sie am Abend eintreiben und melken. Sie begruessten uns sehr
herzlich und brachten uns selbstgemachten Joghurt. Das hoechste Lager
stellten wir auf 3500 Meter ueber Meer auf und dort schneite es uns ein.
Statt auf einen schoenen Aussichtspunkt zu steigen wanderten wir nur kurz im
Schneegestoeber und setzten uns den Rest des Tages vors Feuer in einem
loechrigen Steinhaus und waermten uns so gut wie moeglich auf. An den
anderen Tagen genossen wir die Sonne, die Sicht auf den Gletscher, die
Schneeberge, beobachteten Yaks und wanderten uns die Fuesse wund.
Bis vor zwei Monaten fanden wir in jeder Stadt oder sogar in Doerfern ein
Internetcafe, damit wir unsere Kontakte einigermassen pflegen konnten oder
um uns ueber die Geschehnisse in der Welt zu informieren. Doch in
Nordpakistan funktioniert das noch nicht. Ausser man will seine Zeit beim
Warten vergeuden bis nach 20 Minuten endlich das erste Email lesbar wird.
Kein Problem, darauf konnten wir verzichten, doch da es auch selten
Fernseher gibt wars uns klar, dass wir wohl definitiv die Fussball WM
verpassen werden. Waehrenddem sich die Teams im sommerlichen Deutschland
gegenuebertraten, wanderten wir in den Bergen und unsere Hoffnung sank, dass
wir unsere Nati live verfolgen koennen. Doch als wir nach unserem 5-Taeger
hundemuede in Passu ankamen erfuhren wir, dass wir im einzigen Fernseher,
den es in diesem kleinen Dorf gibt, den Match sehen koennen. Obwohl Pakistan
kein Fussballland ist sind sie doch Fussball interessiert. Schliesslich
kommen die Baelle von hier, 100% Kinderarbeit. Also verfolgten wir unsere
elf Jungs mit chinesischen Kommentar (Central China TV) und stellten uns
Beni Thurnheer vor; toent etwa aehnlich. In der Pause konnten wir jedoch
etwas weniger mit der Analyse anfangen und vermissten Hueppi und Co. Den
zweiten Match sahen wir dann bereits in China, den Dritten verpassten wir
leider, leider, leider!
Der Karakorum Highway ist eine Herausforderung fuer viele Veloreisende.
Deshalb treffen wir hier so viele wie noch nie. Einer davon ist Norbi aus
der Schweiz; seit drei Jahren unterwegs. Kurz vor dem Grenzuebertritt nach
China trafen wir ihn bereits zum dritten Mal auf unserer Reise. Da wir in
dieselbe Richtung fahren, beschlossen wir die naechsten Tage zusammen zu
radeln. Leider muessen aber auch die Velofahrer vom letzten Pakistandorf bis
zum ersten Chinadorf, 250 Kilometer, den Bus nehmen, dabei geht es ueber den
wunderschoenen Khunjerabpass. Diese Vorschrift kommt von Seiten Chinas, da
vor fuenf Jahren einige Velofahrer auf ihrer Seite in ein Tal gefahren sind,
was verboten war. Wir wollten uns aber die radlerische Ersterklimmung eines
4700 Meter Passes nicht nehmen lassen und da es auf der pakistanischen Seite
erlaubt ist, brachten wir die letzten 2000 Hoehenmeter innert zwei Tagen
hinter uns. Die Strasse fuehrte zuerst durch eine Schlucht und oftmals war
sie wegen eines Steinschlages mit Geroell uebersaet. Danach fuhren wir in
den Khunjerab Nationalpark ein, dessen Landschaft zwar sehr trocken, jedoch
durch den quellklaren Fluss und die wechselnden Naturfarben der
verschiedenen Gesteine faszinierend war und uns viel Abwechslung bot. Nur
die riesigen chinesischen Sattelschlepper donnerten mit hoher
Geschwindigkeit an uns vorbei. Der KKH wird fuer die Chinesen in Zukunft
fuer den Handel sehr wichtig sein. Ab 2007 werden sie ihn auf vier Spuren
ausbauen und zusaetzlich im Sueden von Pakistan, Naehe Karachi, einen neuen
Hafen bauen. Somit kann die Exportware via Pakistan schneller in alle Welt
verschifft werden. Wir waren schockiert als wir diese Information von den
Einheimischen erhielten, denn so wenig Verkehr wie auf dem KKH haben wir
schon lange nicht mehr gehabt. Manchmal kreuzten wir an einem Tag nur fuenf
Fahrzeuge, waehrend der Fahrt auf den Pass nicht mehr als 15. Vorallem wenn
die Strasse sehr breit oder verlassen war, machten wir einen Scherz daraus
wie wichtig es doch sei, die Strasse zu verbreitern. Ein riesiger Aufwand
wirds auf jeden Fall, die traumhafte Landschaft, bzw. die Natur wird sehr
darunter leiden wie auch die Anwohner. Die Passhoehe erreichten wir dank
vielen Snackpausen problemlos. Zwar wurde es eisigkalt und die Luft immer
duenner, doch die Abfahrt danach war eine tolle Belohnung. Und nun wisen
wir, dass wir fuer Tibet bereit sind; dort werden wir uns nur noch auf
dieser Hoehe bewegen. Am naechsten Morgen bestiegen wir in Sost den Bus
nachdem die Zollbehoerde fast alle unserer Taschen durchstoebert hatte - das
war ja muehsam! Danach war es schoen die Strecke nochmals fahren zu koennen,
und sobald wir in China waren vermissten wir das Radeln gar nicht mehr. Die
Strasse ist noch im Bau und mehrfach grobe Schuettelpiste. Die
Gepaeckkontrolle in China war einigermassen anstaendig, ausser dass wir eine
feine Mango abgeben mussten, und rechtzeitig zum zweiten Match unserer Nati
sassen wir in einem Hotelzimmer vor dem Fernseher, tranken das erste Bier
seit Indien und feuerten die Schweizer an!
PS 1: Hanf, Hanf, Hanf! Dem KKH entlang spriesst das gruene Gras wild in
rohen Mengen; der Hanfgeruch ist unser staendiger Begleiter. Das muss ein
Paradies fuer Kiffer sein!
PS 2: In der Zwischenzeit sind wir in Kashgar angekommen, einer grossen
Stadt am Ende des KKH's. Wir sitzen in einem riesigen Internetcafe mit 70
Computern und es funktioniert einwandfrei! Der Wechsel nach China war eine
180 Grad Wende - mehr darueber im naechsten Bericht... und tschuess!
Maja und Marcel
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23. Reisebericht 17. Juli 2006
Willkommen im Land der Wundernasen
Geplant war eigentlich der Titel "Im Land der Schlitzaugen", doch solche
sahen wir hier in Westchina fast keine. Wie waren wir erstaunt als wir die
ersten Chinesen sahen und die keine Schlitzaugen hatten. Die Menschen sehen
eher aus wie Russen, Kirgisen oder Tatschiken; so kennen wir sie jedenfalls
von Fotos. Sie haben runde Augen, oftmals blau, braune oder schwarze Haare,
die Maenner tragen Hochwasserhosen, einen abgeschabten Blazer und oftmals
ein Perre oder einen sechseckigen Filzhut. Tatsaechlich liegt Tashkurgan,
die erste Stadt wenn man von Pakistan einreist, sehr nahe an der
kirgisischen und tatschikischen Landesgrenze und daher herrscht hier ein
riesiges Voelkergemisch. Dieses Volk, das nicht chinesisch aussieht, nennt
sich Uiguren und lebt in der Xinjiang Provinz. Sie moechten gerne
unabhaengig sein und da sie wirklich komplett anders aussehen, ihre Kultur
und die Religion - sie sind Moslems - verschieden sind und auch ihre
Kochkuenste sehr den Zentralasiatischen gleichen, sind sie fuer uns nicht
wirklich Chinesen. Dazu kommt ihre andere Sprache die einzelne Woerter
tuerkisch enthaelt und gar nicht chinesisch toent. Verschieden ist auch die
Schrift. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte sind viele Chinesen hierher
umgesiedelt worden, damit sich dieses Volk nicht als Einheit zu stark fuer
die Unabhaengigkeit einsetzen kann. Wir empfanden die Leute als sehr
interessant, froehlich, freundlich und deshalb blieben wir gerade einige
Tage in dieser Stadt und genossen diese neue Ambiance. Obwohl wir uns
weiterhin unter Moslems aufhielten, war hier nichts von dieser strengen
Glaubenseinstellung zu spueren und zu sehen. Es wimmelte nur so von Frauen
in Roecken. Sie sind alle hell geschminkt, laecheln, verstecken sich gar
nicht, tragen runde, hohe Huete oder ein Kopftuch neckisch geknotet. Das ist
aber, denken wir, eher ein schicker Modegag, vielleicht kombiniert mit dem
Kopftuchtragen ihrer Religion. Die Tuecher sind passend zum Kleid, oftmals
nur aus Chiffon und lassen somit die Haare durchschimmern. Die Frauen tragen
alle Jupes mit weissen Struempfen wo sie das Geld verstecken, darunter enge
Hosen mit Spitzenbordueren. Ein ganz spezieller Modestil der aber trotzdem
aufreizend wirkt. Nach dem konservativen Pakistan findet man es aber sehr
schnell einmal sexy. Waehrend wir in einem kleinen Beizli zum ersten Mal
uigurisches Essen probieren, versuchen wir die neuen Eindruecke zu
sortieren. Bald kommen wir auf die Feststellung, dass uns dieses Leben hier
sehr an die Nachkriegszeit in Russland erinnert die wir nur durch Filme
mitbekommen haben. Die altmodische Kleidung der Herren und das etwas nuttige
Kleiden der Frauen passt fuer uns zusammen. Weiter tragen die Fraeun
knallige Roecke mit glitzernden Pailletten bestickt die in der Sonne
funkeln, beim Einkaufen in der Stadt oder beim Schafe hueten auf dem Feld!
Im Gegensatz dazu tragen die glaeubigsten Musliminen in Quadrat gestrickte
braune Tuecher ueber dem Kopf und sehen die Welt nur durch die Maschen. Ein
furchterregender Anblick!
Und Wundernasen sind sie, die Uiguren! Kaum halten wir, bildet sich eine
Traube Menschen um uns die uns anstarrt uns vollblabbert. Das ginge ja noch,
aber sie fassen alles an, nehmen uns sogar Infoblaetter aus der Hand und
schauen sie an. Nach Iran, Pakistan und Indien kann man es sich gar nicht
vorstellen, dass die Einheimischen noch gwundriger sind, doch die
Westchinesen toppen alles! Wenn die Bikes alleine stehen wird jedes Detail
untersucht. Wenn Augen stehlen koennten, waeren unsere Velos schon lange
weg. Deshalb sind wir hier besonders vorsichtig wenn wir unsere Raeder
irgendwohin stellen. Einer von uns hat immer ein Auge auf sie, in Hotels
nehmen wir sie wenn moeglich ins Zimmer und beim Zelten ketten wir sie an
einen Baum oder befestigen sie sogar ans Zelt.
Zusammen mit Norbi, unserem Schweizer Radelfreund, radelten wir ab
Tashkurgan weiter Richtung Kashgar. Nach einem anstrengenden Tag auf
holpriger Piste waren wir nach 65 Kilometern so muede, dass wir leider in
einer Geroell- und Sandlandschaft das Zelt aufschlagen mussten. Das ist das
Uebelste, vorallem wenn es windet. Und so kam es dass innert kurzer Zeit
unser Zelt eine Sandhoehle war, unsere Schlafmatten nur noch beige statt
schwarz aussahen, es waehrend dem Essen zwischen den Zaehnen knirschte und
auch trotz Plastikverschlag immer noch mehr Sand reingeblasen wurde. Die
naechste Nacht dafuer verbrachten wir am Karakulsee auf 4000 Meter auf einer
saftigen Wiese mit Sicht auf den Muztagh Ata (7500 Meter), ein
Skitourenberg. Obwohl die Strasse auch an diesem Tag nicht viel besser war
entschaedigte uns dieser Nachmittag am See mit tollem Wetter und liess uns
einen ganzen Fotofilm verknipsen.
Schon als wir uns ueber China informierten erfuhren wir von mehreren Seiten
dass sie eine spezielle Taktik im Strassenbau haben. Davon konnten wir uns
nun selbst ueberzeugen. Zuerst reissen sie die ganze Strasse auf; zwischen
der Grenze und Kashgar sind dies etwa 400 Kilometer. Danach wird an
unterschiedlichsten Orten gearbeitet, und das seit Jahren. So hatten wir mal
einige Kilometer nur Schotterstrasse, dann seidenfeiner Asphalt dass die
Raeder rollten wie auf einer Fluglandebahn. Anschliessend tiefer Kies dass
die Raeder versanken oder Sumpf da sie den Boden bewaesserten. Wir koennen
dieses Vorgehen nicht ganz nachvollziehen, es macht einen sehr irrationalen
Eindruck. Die schlechten Abschnitte waren wirklich ein Graus, die Neuen
dafuer ein Traum; doch jeder Traum geht mal zu Ende...
Kashgar war frueher einmal eine wichtige Handelsstadt auf der Seidenstrasse.
Heute deutet nur noch der alte Stadtteil und der traditionelle Sonntagsmarkt
darauf zurueck. Der Rest der Stadt ist streng chinesisch strukturiert.
Sechsspurige Strassen, grosse Kreisel, breite Gehsteige, hohe Haeuser,
sauber. Und fast steril, waeren da nicht noch die Uiguren die die
chinesische Disziplin mit ihrem etwas chaotischen Leben vermischen. Auf dem
Markt entdeckten wir vorallem interessante Gesichter und beobachteten wie
frische Nudeln von Hand zubereitet werden. Der Teig wird geknetet, zu einer
Rolle geformt, an den Enden gehalten, in die Luft geschwungen, verdreht, die
Enden in einer Hand zusammen gedrueckt, in die andere Hand kommt das neue
Ende, in die Luft geschwungen, verdreht,... sicher 20 Mal und immer werden
die Teigwuerste duenner bis sie Nudelduenn sind. An den Enden wird
durchgeschnitten und man hat ueber einen Meter lange Nudeln. Kurz in den
Dampfkochtopf, dann frisches Gemuese anbraten, eine magische Sauce dazu,
mischen und wir geniessen ein superfeines Nudelgericht! Nun, wie isst man
das mit Staebli? Wir schauen in die Runde und lernen schnell: Nudeln fassen,
in den Mund stecken und reinziehen, schluerfen so laut wie moeglich und ein
paar Gemuesestuecke nachschieben. Also Chinesen machen beim Essen genau das
was man bei uns nicht macht (oder machen sollte): Schluerfen, schmatzen, mit
vollem Mund reden, waehrend dem Essen rauchen, Essreste auf den Boden
werfen, ruelpsen, rotzen,... Wir wurden immer komisch gemustert, wenn es an
unserem Tisch ganz ruhig war, doch langsam lernen auch wir die schlechten
Manieren - wir hoffen wir verlieren die wieder bevor wir nach Hause kommen!
Wiedereinmal in einer Grossstadt schlenderten wir stundenlang durch die
Strassen und waren erstaunt ueber die vielen grossen Einkaufszentren wo man
wieder mal alles bekommen koennte, nur wissen wir nicht was es ist. Die
Produkte sind nur noch auf chinesisch angeschrieben. Haette es da nicht noch
Bildli, wir waeren absolut verloren. Dazu spricht aber gerade kein Chinese
ein Wort Englisch ausser "Hello", und das koennen wir dafuer auf Chinesisch!
Eine kleine Hilfe sind die nachgemachten Markenprodukte deren Schriftzug
gleich ist aber anders heissen wie zum Beispiel Nivea ist Avone oder
aehnlich. Sowieso gebrauchen wir hier unser Bilderbuch nun sehr oft, tippen
auf die Bilder und meistens bekommen wir was wir haben wollen!
Nach einigen Tagen in Kashgar verabschiedeten wir uns von Norbi, der nun
durch Zentralasien Europa ansteuert, und starteten unseren naechsten
Reiseabschnitt; den Richtung Tibet. Zuerst durchquerten wir noch einige Tage
die Xinjiang Provinz. Nebendem hier so vieles nicht-chinesisch wirkt haben
sie auch eine eigene Zeit. Fuer ganz China gilt eigentlich die Pekingzeit;
Peking das etwa 4000 Kilometer weiter oestlich liegt. So haetten wir nach
Pakistan die Uhr um drei Stunden vorstellen muessen, obwohl wir nur
noerdlich reisten. Wir leben auf dieser Reise eigentlich nur noch nach der
Sonne und somit spielt die Zeit fuer uns keine Rolle. Doch muss man auf die
Bank, dann sollte man die Zeit wissen. Wuerde nun in der Xinjiang Provinz
die Pekingzeit gelten, waere es erst um acht Uhr morgens hell, dafuer erst
vor Mitternacht dunkel. So gibt es die inoffizielle Xinjiangzeit, -2
Stunden. Aber offizielle Stellen wie Bank und Post oeffnen nach Pekingzeit.
Da also das Leben im Westen wegen des Sonnenaufgangs viel spaeter losgeht,
verschieben sich auch die Oeffnungszeiten zum Beispiel auf 10.00 - 19.30
Uhr, was in der Xinjiangzeit 8.00 - 17.30 Uhr bedeutet. Also darf man nie
vergessen zu fragen, welche Zeit denn gelte.
An unserem zweiten Radelmorgen ueberholte uns ein Chinese auf dem Velo nach
dem anderen. Jeder hatte das neuste Bike, tolle, saubere Ausruestung und
Radfahrertrikots. Im naechsten Dorf machten sie einen Wassermelonenstopp und
wir erfuhren, dass sie zu Zehnt auch nach Lhasa fahren werden. Jeder hatte
nur halb so viel Gepaeck wie wir und sie machten einen sportlichen Eindruck.
Doch obwohl es nur ein paar Stunden ueber eine Ebene ging, blieben die
Meisten weit zurueck und wir zwei "alte Hasen" fuhren mit den Vorderen mit.
Maja konnte sich dabei mit einer Chinesin unterhalten die etwas Englisch
sprach und aus Ostchina kommt (also mit Schlitzaugen). Auf die Frage wie ihr
der Westen Chinas gefalle meinte sie: Schoen, aber die Leute sind sehr arm!
Diesen Eindruck hatten wir auch, vorallem nachdem wir diese
gutausgeruesteten Chinesen aus dem Osten trafen. Wie es dort Autos gibt, hat
hier jede Familie einen Esel mit Karren. Die ganze Zeit kreuzten oder
ueberholten wir Esel- oder Maultiergespanne auf dessen Ladeflaeche die ganze
Familie sitzt oder Material transportiert wird. In den Doerfern gibt es
sogenannte Eselsparking. Dort stehen die Tiere vor ihren Wagen eng neben und
hintereinander und wenn mal einer mit "i a" anfaengt, macht dann das ganze
Parking mit!
Wir fahren also wieder ein Stueck auf der Seidenstrasse und nach dem dritten
Tag gehts von der heissen Flaeche in die Berge. Gleichzeitig hoert auch der
Asphalt auf und unsere kuenftige Strasse rollt nicht mehr so schoen. Die
ersten Tage muessen wir gerade einige Hoehenmeter leisten; einmal von 1600
auf 3300 Meter und nach einer langen Abfahrt ueber langgezogene Serpentinen
schlafen wir das letzte Mal auf einer Wiese auf 2500 Meter. Die naechsten
zwei Tage gings bis auf 4950 Meter hoch; ein riesen Chrampf! Danach waren
wir todmuede, doch zum Glueck bereits gut anklimatisiert. Wir wissen, dass
man in der Hoehe viel Essen und Trinken muss und das macht uns ja, wie man
weiss, keine Muehe! Wenn man dann endlich einen solchen Pass geschafft hat,
freut man sich sehr auf die Abfahrt. Doch der Strassenzustand war jeweils so
schlecht, dass wir bergab nur etwa 2-3 Mal schneller waren. Also statt mit
4-6 km/h bergauf, fuhren wir mit 8-18 km/h bergab, die Bremsen voll
angezogen, die Fingermuskeln einem Krampf nahe und die Augen auf die
kommenden zwei Meter gerichtet. Wie die Strasse bestand auch die Landschaft
die folgenden Tage nur aus Geroell und Sand. Am Abend jeweils ein angenehmer
Zeltplatz zu finden war fast unmoeglich. Meistens war kein grosser Stein als
Windschutz zu finden also mussten wir uns langsam aber sicher an den Wind
gewoehnen der uns waehrend des Tages hartnaeckig entgegen wehte und am Abend
den feinen Sand ins Zelt blies. Zusaetzlich sind auch wir und unsere Taschen
immer staubig und muessen vor dem Zeltbetreten ausgeklopft werden. Die
Fahrraeder erkennt man unter dem klebenden Staub gar nicht mehr. Das Fahren
durch diese Geroellkulisse machte vorallem Maja wenig Spass, da die Strasse
stets vollste Konzentration erforderte und man kaum nach rechts und links
sehen kann, da man sonst schnell vom Velo faellt. Dabei ist doch gerade das
Umhersehen so schoen beim Velofahren. Man ist so langsam, dass man die
Eindruecke geniessen kann. Die Strasse ist eigentlich nur fuer 4 WD und
starke Lastwagen geeignet; und durchgeknallte Velofahrer... Nach ein paar
weiteren Paessen erreichten wir das Aksay Chin Plateau und bewegten uns nun
ueber 4800 Meter, mit mehreren Paessen ueber 5000 Meter Hoehe. Diese Gegend
gehoerte urspruenglich zu Indien, wurde aber von China besetzt, zur gleichen
Zeit wie sie Tibet anektiert hatten. Die Veraenderung der Landschaft war
sehr auffaellig und nun gefiel es uns auch trotz des sehr starken
Gegenwindes um einiges besser. Als wir uns nach zehn Tagen radeln einen
Ruhetag goennten, verbrachten wir den an einem See auf 5000 Meter ueber
Meer. Voller Freude stellten wir uns ein lockeres Tagesprogramm zusammen,
bestehend aus uns selber wieder einmal mit viel Wasser waschen, unsere
durchstaubten Kleider im See reinigen, lesen und essen. Doch kaum hatte
Maesi eine Waescheleine zwischen den Velos gespannt und ein paar Kleider
aufgehaengt kam ein starker Wind auf und kippte alles um. Nach weiteren
Versuchen die Waescheleine zu fixieren und dem mehrmaligen Auswaschen der
Kleider die bereits wieder voller Dreck waren, brachen wir die Leine ab. Bis
alle Kleider trocken waren blies es sie noch mehrmals vom Velo und
schliesslich waren sie kein bisschen sauberer als vorher. Unsere Nerven
lagen blank. Und da es dann auch noch kalt wurde blieb unser eigenes Waschen
im Trockenen und wir konnten uns auch heute nur mit Feuchttuecher reinigen;
wenigstens das! Doch wir haben Folgendes gelernt: Kleider waschen bevor der
Wind zu blasen anfaengt. Das heisst gar nie damit anfangen, sie werden
sowieso wieder schmutzig. Und da wir uns gegenseitig so akzeptieren wie wir
sind stoert uns auch nicht der Achsel- und Fussschweiss des anderen bis zur
naechsten richtigen Dusche. Apropos waschen: Das Einzige an unseren Koerpern
das seit Kashgar wirklich schon viel Wasser bekommen hat sind, neben unserem
Verdauungssystem, die Fuesse und Unterschenkel. Bereits elfmal mussten wir
die Schuhe ausziehen und unsere Velos durch reissende, eiskalte Fluesse
schieben die die Strasse als Flussbett ausgesucht haben. Ein Abenteuer das
manchmal recht viel Kraft und Nerven braucht!
Der Wind war die letzten Wochen unser treuer Begleiter, doch leider kam er
uns nur immer entgegen, egal in welche Himmelsrichtung wir radelten. Und
gerade jetzt wo wir auf dieser Hoehe ueber 5000 Meter sind und die Luft eh
schon duenn ist, macht das Bergauffahren mit Gegenwind das Atmen noch viel
schwieriger. Der Wind war teilweise so stark, dass er uns von der Strasse
drueckte und uns zum Absteigen zwang. Oft mussten wir Elif und Tigi schieben
und keuchten wie alte Loks. Wir schaetzten die Windgeschwindigkeiten
zwischen 70 und 100 km/h und sie machten uns fix und fertig. Zum Glueck gibt
es ab und zu wieder einmal einen Lastwagen-Stopp-Ort wo wir uns mit einer
grossen Schuessel frischen Nudeln mit Gemuese staerken koennen! In diesen
Beizlis gibt es auch immer Tee so viel man will und wir koennen jeweils
einfach unsere Wasserflaschen mit heissem Wasser auffuellen.
Unsere einzige Motivation diese schwierigen und ermuedenden Verhaeltnisse
durchzustehen ist Tibet. Seit wir letzte Weihnachten ein paar Tage in Mc
Leod Ganj, Indien, verbracht haben, wo der 14. Dalai Lama im Exil lebt und
die Tibeter die dort wohnen eine angenehme Atmosphaere verbreiten, wussten
wir, nach Tibet wollen wir irgendwann. Leider wird das Einreisen von den
Chinesen kontrolliert und man bezahlt entweder eine Menge Geld oder versucht
es eben mit dem Velo. Die Motivation war deshalb da es nun auf dieser Reise
zu versuchen.
Wenn man eine Weltkarte ansieht, hat es noerdlich von Indien einen weissen
Fleck, den Himalaya. Genau dort sind wir nun angekommen und werden auch die
naechsten Wochen dort unterwegs sein. Dieser weisse Fleck ist aber
ueberhaupt nicht weiss, das wissen wir jetzt. Hier leuchten uns die
schoensten Natuerfarben entgegen, zum Teil so knallig dass es unwirklich
scheint. Die safirblau und tuerkisfarbigen Seen bilden einen traumhaften
Kontrast zu den kupferroten-senfgelben-moccabraunen Felsen und Sandduenen
mit schwarzen Marmorierungen oder dem grasgruenen Schimmer kleiner Pflanzen.
Weiss ist es nur weit oben - der ewige Schnee auf den Bergspitzen. Und die
Wolken am blauen Himmel sind zum Greifen nah. Sie verfaerben sich jeden
Abend von gelb zu orange ueber rot zu pink bis sie violett im Dunkel
verschwinden. Wir sind angekommen, in Tibet, dem Dach der Welt!
PS 1: Tibetische Harley: Ein umgebauter, geschmueckter, kleiner Traktor
mit einem geknuepften Teppich auf dem Sitz. Darauf sitzen die Tibeter ganz
laessig mit Cowboyhut und verspiegelter Pilotensonnenbrille und tuckern
durch die Gegend. Riders on the storm....
PS 2: Wir sind nun in Ali, der ersten groesseren Stadt in Westtibet. Die
Waesche ist im Waschsalon, die Raeder bekamen viel Wasser aus dem Schlauch,
wir schrubbten uns im Duschsalon sauber (im Hotel gibts keine Duschen), die
Taschen bleiben staubig wie sie sind. Uns gehts sehr gut, und Euch? Liebe
Gruesse
Maja und Marcel
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Bilder zum 23.Reisebericht |
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24. Reisebericht 13. August 2006
Jeden Tag Action!
Der Wechsel von der Xinjiang-Provinz nach Tibet, eben nun auch eine
chinesische Provinz, ist sehr steif gekennzeichnet. Ein Schild zeigt zwei
Soldaten in Achtungsstellung vor dem heiligen Berg Kailash, ueber die
Strasse ist eine Bande mit irgendeinem chinesichen Text gespannt. Fuer uns
hatte aber der Kilometerstein am Strassenrand mehr Bedeutung, hatten wir
doch die letzten Tage hart gestrampelt um nach Tibet zu kommen. Die
schlechte Strasse wird sofort noch schlechter, der Wind blaest uns leider
genauso stark entgegen und auch hier gibts Fluesse zu durchqueren. Dennoch,
wir sind in Tibet, und wir wussten ja dass es keine Sonntagsfahrt wird. Die
naechsten Naechte verbrachten wir immer um die 5000 Meter ueber Meer. Wir
schliefen sehr gut, hatten kaum Atmungsstoerungen und auch keine
Appetitprobleme. Waehrend der Tage ueberquerten wir mehrere Paesse zwischen
5200 und 5400 Meter ueber Meer. Da wir nun auf dem tibetischen Hochplateau
fahren, sind die Steigungen nicht mehr riesig, der Kraftaufwand auf dieser
Hoehe jedoch schon und jeder Pass ist harte Arbeit. Vorallem noch mit
Gegenwind. Der hoechste Pass auf unserer Westtibetroute war eben der 5400er
den wir voller Stolz und voellig ausser Atem erreichten. Fuer die letzten 7
Kilometer brauchten wir, wegen starkem "Gegensturm", zwei Stunden. Als
Belohnung goennten wir uns je ein ganzes Snickers die wir seit Pakistan fuer
solche Faelle dabei haben. Eine weitere Belohnung sind jeweils die
Gebetsfahnen die auf der Passhoehe wehen. Diese Fahnen haben immer fuenf
Farbtoene (blau, weiss, rot, gruen, gelb), deren jede ein Symbol des
tibetischen Lebens darstellt. Sie werden von den Buddhisten an allen hohen
Stellen befestigt damit sie die Gebete fuer eine friedliche Welt durch den
Wind in alle Himmelsrichtungen tragen.
Bevor wir nach China einreisten wussten wir, dass das 90 Tage Visum sehr
knapp ist fuer die Route die wir fahren wollen. Den weiten Abstecher nach
Lhasa, zur Hauptstadt Tibets, wuerde nur drin liegen wenn wir jeden Tag
fleissig Kilometer bolzen und Sehenswertes nur kurz besichtigen wuerden. Da
wir beide aber sehr gerne Zeit haben fuer Kultur und Menschen war es uns
klar, dass wir eher mal eine Transportmoeglichkeit suchen als nur noch auf
dem Sattel zu sitzen. Durch mehrere Informationsquellen erfuhren wir dass
ein langer Strassenabschnitt vor der westtibetischen Stadt Ali sehr schlecht
zu fahren ist. Also nutzten wir die Gelegenheit und stoppten einen
Lastwagen. Das ist aber gar nicht einfach, denn oft ueberholte uns
stundenlang kein Fahrzeug. Der Chinese nahm uns ohne zu zoegern mit - Glueck
gehabt! Bereits wieder erschoepft vom Gegensturm und der holprigen
Waschbrettstrasse luden wir alles auf die Ladeflaeche, fixierten es so gut
wie moeglich an den Sperrgutwaren die er transportierte und lehnten uns im
Sitz zurueck. Wenn ein Chinese nur chinesisch spricht und zwei Schweizer nur
hallo und danke sagen koennen happert es ein wenig mit der Kommunikation.
Wir schafften es jedoch klarzustellen dass wir bis Ali mitfahren wollen,
erfuhren aber natuerlich nicht, dass diese Fahrt wegen der schlechten
Strasse eine Ewigkeit dauern koennte. Jedenfalls waren wir nach
Sonnenuntergang noch weit weg von unserem Wunschziel und verstanden dann
auch die knappen Handbewegungen des Chinesen, dass er erst morgen
weiterfahre und wir irgendwo in diesem Ort schlafen sollen. Kurzentschlossen
luden wir kurz vor Mitternacht unsere Taschen auf die leere Ladeflaeche des
naechsten Trucks, rollten unsere Matten aus und schliefen unter dem
Sternenhimmel. Am Morgen weckte uns eine Schulklasse die im Takt der Befehle
des Lehrers neben dem Lastwagen vorbeirannte - Schulturnen auf chinesisch.
Die kommenden 120 Kilometer waren nicht nur schlimm, sie waren tragisch. Von
Anfang bis Schluss eine riesige Baustelle. Sie verbreitern und asphaltieren
die Strasse. Dazu braucht es viele Handarbeiter mit Schaufeln und Bickel,
Traktore, Lastwagen, Bagger und alle muessen irgendwie irgendwohin.
Teilweise ist die Strasse fast fertig, doch gesperrt, da alle hundert Meter
die Wasserdurchlaeufe im Bau sind. Die Fahrzeuge bahnen sich somit einen
eigenen Weg durch die Landschaft. Mehrere Spuren verschanden die Natur, weil
die einen schlammig sind oder schnelle Jeepfahrer nicht hinter langsamen
Lastwagen fahren wollen. Das Tal wird immer breiter, der Unterlag wechselt
von holprigem Schotter und Dreck zu tiefem Sand oder festgefahrener
Waschbrettpiste. Unser Truck faehrt zwischen 5 und 20 km/h und der Driver
steuert sein langer Laster gekonnt um und durch jedes Hindernis.
Zwischendurch sind wir nicht ganz sicher ob wir uns wirklich auf dem
Xinjiang-Tibet Highway befinden oder auf einer Motocrosspiste oder an der
Paris-Dakar-Rallye fuer Lastwagen mitfahren. Wir waren jedoch so froh nicht
selber radeln zu muessen, denn beim Rausschauen wurde es uns schlecht wenn
wir den Strassenzustand sahen. Ganze 10 Stunden brauchten wir fuer die 120
Kilometer und schon war es dunkel als wir in Ali einfuhren. Wie freuten wir
uns auf ein richtiges Bett und eine Dusche nach zwei Wochen Leben in der
Wildnis. Doch als wir aussteigen wollten schloss uns der Fahrer in der
Lastwagenkabine ein und forderte Geld von uns. Wir waren schockiert! Den
ganzen Tag ueber fuetterten wir ihn mit unseren Vorraeten, bezahlten ihm das
Fruehstueck, bedankten uns dauernd und nun das. Wir boten ihm weniger Geld
an, doch er lehnte sich zurueck, zuendete sich eine Zigarette an und losch
das Licht. In uns stieg der Groll, auf uns und auf ihn. Warum haben wir nie
nach dem Preis gefragt? Warum hat er nie was von Geld gesagt? Nach langem
Warten und ausharren wurde dann auch er nervoes und gab sich mit der Haelfte
seiner Forderung zufrieden. Mit zittrigen Knien und um eine Erfahrung
reicher entfernten wir uns so schnell wie moeglich mit unseren sieben Sachen
von ihm und waren erleichtert als wir bald ein Hotelzimmer fanden wo wir uns
erholen konnten.
Leider waren die weiteren 300 Kilometer nach Ali auch voll im Bau, doch
frisch gestaerkt von der guten chinesischen Kueche radelten wir wieder. Ein
Chinese hatte uns bereits vorgewarnt und tatsaechlich war es dann auch so:
Zusaetzlich zur miesen Strasse regnete es taeglich. Teilweise stundenlang,
meistens die ganze Nacht. Unser Zelt war immer nass, wir wechselten mehrmals
pro Tag unsere Kleider. Morgens froren uns fast die Finger ab, spaeter
waermte die Sonne dass wir uns wieder einiger Kleiderschichten entledigen
konnten. Kaum getan fing es an zu regnen, wieder absteigen, Regenkleider
montieren. An einem Tag trafen fuenf verschiedene Gewitterfronten auf uns.
Ueber uns graue Wolken, Blitze ueber den Bergen, laute Donner erschreckten
uns. Zusehends wurde die Strasse schlammiger, Pfuetzen entstanden, der Dreck
klebte zwischen Pneu und Schutzblech. Das Wetter in Tibet zeigte uns die
Elemente tagtaeglich. Solche Wetterwechsel haben wir noch nie erlebt. Und
dann immer wieder diese Flussdurchquerungen. Einmal standen wir vor einem
und hatten keine Ahnung wie wir da heil durchkommen sollen. Weit und breit
kein Fahrzeug, es regnete, wir froren. Die einzige Moeglichkeit war mal
abzuklaeren wie tief das Wasser ist. Also zog sich Marcel die Hose aus und
watete in den Unterhosen, oben noch den Helm auf dem Kopf und die Regenjacke
an, ins Wasser das ihm wirklich bis zum Schritt reichte. Im selben
Augenblick kam ein Jeep um die Ecke. Auf unser Winken hin hielt er vor dem
Fluss und nun kann man sich ja vorstellen wie der Chinese Marcel anschaute
der in den Unterhosen vor ihm stand. Seine zwei Soehne erkannten die
Situation sofort, lachten recht verschmitzt, und luden unsere Taschen in den
Gepaeckraum. Auch fuer Maja hatte es noch einen Platz im Jeep und Marcel
schob beide Velos gleichzeitig im Lee des Autos auf die andere Seite.
Kurz vor Darchen, von wo man die Pilgerwanderung um den heiligen Berg
Kailash beginnt, blockierte uns ein weiterer riesiger Fluss den Weg. Da es
die letzten Tage nur geregnet hatte war der entsprechend tief und hatte eine
starke Stroemung. Nun hofften wir auf weitere gute Seelen die uns hinueber
helfen. Doch zu unserer grossen Enttaeuschung wollten alle Lastwagenfahrer
die leer den Fluss passierten, Geld fuer die nicht mal hundert Meter. Der
Frust setzte soviel Adrenalin frei, dass wir es eben doch selber wagten und
es dank gemeinsamer Kraft und viel Mut schafften. Wir haben uns die
Mentalitaet der Tibeter etwas anders vorgestellt doch wie es scheint,
regiert auch hier nun das Geld und sie werden je laenger je mehr Chinesen.
Natuerlich haben wir auch nette Tibeter und Chinesen getroffen doch genau ab
hier, wo viele Touristen hinkommen spielte Geld immer eine zentrale Rolle.
Wir kamen also in Darchen an, dachten es sei ein etwas spiritueller Ort da
hier viele Pilger halt machen, doch uns erschreckte das Gegenteil. Wie der
ganze Highway ist auch dieser Ort eine riesige Baustelle. Graue
Reihenhaeuser werden neben die urspruenglichen tibetischen Lehmhaeuser
gebaut, grosse, kantige Hotelgebaeude errichtet, viel Dreck und Abfall
produziert und liegengelassen. So schnell wie moeglich wollten wir nun
unsere Velos einstellen, Rucksack packen und loswandern; uns hielt nichts in
diesem Ort. Noch vor Sonnenuntergang stellten wir unser Zelt im Frieden und
der Schoenheit der Natur neben dem Pfad der spirituellen Wanderung auf und
freuten uns auf die Erlebnisse der naechsten Tage waehrenddem wir die Kora
wandern werden.
Der Kailash bedeutet fuer die Buddhisten und Hinduisten den Sitz der Goetter.
Neben vielen Tibetern trafen wir auch auf Inder die in Gruppen die
Pilgerreise unternehmen. Die Meisten umrunden den Berg auf dem Pferd da sie
sich nicht genuegend anklimatisieren koennen. Die Hinduisten nennen die
Umrundung Pamikrama und sehen im Kailash den Palast ihres Lords Shiva. Die
Tibeter hingegen gehen alle zu Fuss und legen die 52 Kilometer der Kora, wie
sie es nennen, die meisten in einem Tag zurueck. Ausser die Boen, eine Sekte
des Buddhismus, wandern alle im Uhrzeigersinn. Wir waren drei Tage unterwegs
und hatten somit schoen Zeit die unterschiedlichen Pilger zu beobachten.
Viele waren mit schnellem Schritt unterwegs, murmelten das "Om mani padme
hum" oder andere Mantras oder sangen Lieder. Einige von ihnen hielten eine
Gebetsmuehle in der Hand die sie unaufhoerlich drehen liessen. Dies ist ein
Griff an dem eine kleine Trommel befestigt ist. Darin ist eine Papierrolle
mit Gebeten und durchs Drehen werden die Gebete in die Welt hinausgetragen.
Symbolisch haben die Muehlen die gleiche Bedeutung wie die Gebetsfahnen.
Falls man sich kreuzt oder ueberholt gruesst man einander mit dem
tibetischen Grusswort "Tashi Delek" das auch viel Glueck oder Gratulation
bedeutet. An verschiedenen Orten, meistens dort von wo man den Berg sieht,
hat es Steinhaufen. Jeder Pilger legt einen Stein hinzu. Auch Kleider Huete
und Schuhe werden geopfert. Die liegen alle entlang des Pilgerweges. Weiter
werden Manisteine - Steinplatten mit eingemeiselten Gebeten - hingelegt wie
auch Yakschaedel und Hoerner. Die zweite Nacht verbrachten wir vor der
Nordwand des Kailash, der beruehmten Seite. Er zeigte sich vor blauem Himmel
und seine Schneestreifen leuchteten in der Abendsonne. Am anderen Tag
ueberquerten wir den Dolma La, den Pass auf der Pilgerroute. Das heisst 1000
Hoehenmeter hoch bis auf 5600 Meter ueber Meer. Wow, bis jetzt unser
hoechster Pass auf dieser Reise. Obwohl wir keuchten und schnauften bis wir
mit den schweren Rucksaecken oben waren, und es die Tibeter jeden Alters
ohne Probleme auf diese Hoehe schaffen, waren wir stolz auf die Leistung.
Die Luft ist doch schon spuerbar duenner so nahe beim Himmel. Kaum war das
Gipfelfoto geschossen begann es zu schneien. Unterwegs hat es drei Kloester
von denen wir uns eines anschauten und die vielen goldigen Buddhastatuen
bewunderten. Eine sehr hingebungsvolle Art um den Glauben zu beweisen sind
die Niederwerfungen. Wir wussten, dass es Glaeubige gibt, die die ganze Kora
um den Kailash mit ihrer eigenen Koerperlaenge ausmessen. Das ergibt etwa
26'000 Niederwerfungen pro Umrundung. Wir trafen am letzten Tag auf fuenf
junge Tibeter die auf diese Art unterwegs waren. Sie trugen Knieschoner aus
alten Autoschlaeuchen die mit Stroh gefuellt waren und Holzplatten zum
Schutz an den Haenden. Trotz Anstrengung sangen sie Gebete oder kicherten.
Voller Bewunderung beobachteten wir ihre Bewegungen und Hingabe. Wie lange
sie wohl unterwegs sein werden? Wieder zurueck in Darchen blieb uns nur die
Erinnerung an die freundlichen Pilger, die spuerbare Spiritualitaet und die
sehr abwechslungsreiche Natur mit dem Kailash als Mittelpunkt. Enttaeuschend
auf der ganzen Route war aber der Abfall. Alles wird fallengelassen und der
Natur uebergeben. In den Zelten, wo man uebernachten koennte, werden nur
noch Instant-Nudelsuppen verkauft, es wird nicht gekocht und die
Plastikverpackungen werden neben die Zelte geworfen. Der Fast-Food hats also
auch bis hierhin geschafft!
Waehrend der Wanderung hatten wir ziemlich Glueck mit dem Wetter, doch
sobald wir wieder auf dem Sattel sassen regnete es wieder. Die ersten zwei
Stunden kann man das recht easy nehmen, da schafft man auch acht
Flussdurchquerungen innerhalb 2,5 Kilometer ohne Probleme; doch nach fuenf
Stunden Regen, acht km/h Durchschnitt, nassen Fuessen, trotz Schoggiriegel
und Doerrfruechten immer noch hungrigem Magen und arroganten Jeepfahrern die
Vollgas an uns vorbeirasen und sicher jede Pfuetze spritzen lassen, sind die
Nerven langsam angespannt und die Lust am Weiterradeln recht klein. Unsere
Gefuehlswelt macht manchmal eine Achterbahnfahrt durch: Wegen der schlechten
Strasse, dem schoenen und miesen Wetter, freundlichen und sehr
unfreundlichen Einheimischen, gutem und langweiligem Essen usw. Doch immer
geht irgendwo ein Licht auf. Als Maja mitten im Nowhere Fieber mit Verdacht
auf Angina bekam war die einzige Loesung die, einen Jeep zu stoppen der uns
bis ins naechste Dorf mitnimmt. Wieder recht schwierig, denn welcher
misstrauische Chinese - und das sind viele - will zwei Vagabunden mit
schmutzigen Velos mitnehmen? Waehrend wir stundenlang auf Jeeps warteten und
einige Absagen erhielten, dachten wir an die sechs jungen Studenten aus
Polen die wir ein paar Tage zuvor trafen. Da man als Auslaender offiziell
nur mit viel Geld nach Tibet einreisen kann, das heisst einen Jeep mit
Fahrer und Guide plus die Bewilligungen bezahlen muss, hat man als
Budget-Reisender nur die Chance per Autostopp Tibet zu bereisen. Die Busse
nehmen nur Chinesen mit, also ist man auf gutmuetige Menschen angewiesen.
Von Westen her kommend hatten sie bis zum Kailash wenig Probleme. Sie
zeigten ein paar Saetze auf tibetisch und chinesisch auf denen es hiess dass
sie Studenten sind und nichts bezahlen koennen. Doch ab Darchen laeuft ohne
Geld gar nichts mehr. Wir sahen sie nie mehr, hoerten aber dass sie tagelang
festsassen weil sie sich die geforderten Betraege nicht leisten konnten. Wir
hatten Glueck als uns junge und sehr nette Chinesen gratis mitnahmen und
Maja sogar beim Medikamentebesorgen behilflich waren.
Wir hielten uns also illegal, ohne Bewilligung, in Tibet auf und liessen es
darauf ankommen erwischt zu werden. In diesem Falle haetten wir den gleichen
Betrag als Busse bezahlt wie wenn wir uns freiwillig als illegal gemeldet
haetten (100 Fr. Busse, 20 Fr. Bewilligung). Das Geld fliesst in den
chinesischen Besetzungsapparat welchen wir moeglichst nicht unterstuetzen
wollen. Nachdem wir uns in Darchen von den zustaendigen Behoerden nicht
ertappen liessen war der letzte Knackpunkt eine militaerische Strassensperre
in Saga. Andere Reisende wurden zurueckgeschickt oder mussten Busse
bezahlen. Mit klopfendem Herzen naeherten wir uns um 7.30 Uhr morgens der
Barriere. Mit einem kurzen Blick auf das Wachhaeuschen erkannten wir den
schlafenden Soldaten und schoben schnell und lautlos unsere Velos an ihm
vorbei. Erst hinter der naechsten Kurve getrauten wir uns laut zu jubeln.
In Indien hatten wir einen tibetischen Kochkurs besucht und freuten uns
daher sehr auf das feine Essen. Doch wir wurden sehr enttaeuscht. In jedem
Dorf versuchten wir ans lokale Essen zu kommen doch das einzige was uns
angeboten wurde war diese graessliche Instant-Nudelsuppe oder Tsampa.
Letzteres ist zwar tibetisch, doch fuer uns kein Leckerbissen. Dazu wird nur
Gerstenmehl mit Buttertee angeruehrt, fertig. Man hat das Gefuehl man esse
rohen Brotteig ohne Hefe. Also waren wir vorwiegend auf unsere
Vorratstaschen angewiesen die sich in den kleinen Doerfern auch nur
schwierig mit feinen Esswaren auffuellen liessen. So beschraenkte sich unser
Essen auf Polenta mit Wurst, ab und zu Spiegeleier, wenn sie das Geschuettel
der holprigen Strasse ueberstanden, Doerrfruechte, Nuesse, Schoggiriegel und
getrocknetem Yakfleisch (Yak = eine langhaarige Rinderart die nur ab 3000
Meter ueber Meer leben kann). Teigwaren und Reis koennen wir auf dieser
Hoehe nicht mehr gar kochen. Die Einheimischen benutzen dazu den
Dampfkochtopf. Obwohl wir lieber die Tibeter unterstuetzt haetten, mussten
wir in den Doerfern oft die chinesischen Restaurants aufsuchen wenn wir
unsere Maegen mit wirklich gutem und frischem Essen fuellen wollten. Diese
Doerfer im Westen Tibets sind nur eine Ansammlung einiger Lehmhuetten der
Tibeter und Backsteinhaeuser der Chinesen. Die tibetischen Haeuser haben
alle Gebetsfahnen auf dem Dach und die Stuben sind mit farbigen Waenden,
wunderschoen bemalten Moebeln und einem kleinen Altar ausgestattet. Die
chinesischen Haeuser daneben sind trostlos grau, nur ein paar kitschige
Bilder zieren die Waende der spartanisch eingerichteten Restaurants.
Toiletten sucht man vergebens. Hier gilt das Motto: help yourself! Also geht
man hinter das naechste Haus und sucht sich muehevoll einen Platz zwischen
den bereits bestehenden Stink-Haeufchen. Welch ein Leben. Immer und ueberall
sieht man jemanden kauern - und wir daneben. Die tibetischen Frauen mit
ihren Roecken haben es da gut, sie koennen hinkauern wo sie wollen, man
sieht nicht ob sie gerade ihr Geschaeft verrichten oder einfach nur warten.
In einem kleinen Hotel nahmen wir uns einmal ein Zimmer. Es hatte fuenf
Betten und ein Plastikbecken. Die Besitzerin brachte uns einen Thermoskrug
mit heissem Wasser und deutete auf den Ziehbrunnen im Hof von wo wir Kaltes
bekommen koennen. Das gebrauchte Wasser wird einfach vor die Tuere geleert.
So funktioniert das hier. Zu unserem Erstaunen hatte es eine Toilette. Auf
einem Sockel hatte es zwei Raeume, die Mauer jedoch nur einen Meter hoch,
fuer Frauen und Maenner je zwei Schlitze im Boden. Zum Glueck regente es, so
konnte das Wasser etwas den Geschmack unterdruecken. In Staedten sind es
meist Raeume mit mehreren Schlitzen, keine Trennwaende, keine Tueren, im
Kanal kann man alles sehen was da liegen kann, es gibt auch kein Wasser.
Nicht mal zum Haende waschen. Da einige Chinesen auch kein WC-Papier
benuetzen haben wir also keine Ahnung wie die Hygiene ohne Wasser gepflegt
wird! In jedem Fall versuchen wir wenn moeglich die Toiletten in grossem
Bogen zu umgehen. Die chinesischen Toiletten sind die Widerlichsten die wir
je gesehen (und gerochen) haben!
Statt einen tibetischen Reisefuehrer haben wir uns das Buch von Heinrich
Harrer, Sieben Jahre in Tibet, besorgt. Einen Teil unserer Strecke deckt
sich mit einem Abschnitt seiner Wanderung, respektive Flucht, durch
Westtibet. Seine Erzaehlungen und Beschreibungen faszinierten uns sehr und
brachten uns die tibetische Kultur etwas naeher. Obwohl wir ein wenig wissen
was sich geschichtlich in den letzten 60 Jahren veraendert hatte, waren wir
immer wieder enttaeuscht, ja sogar schockiert, wenn wir die krassen
Veraenderungen wahrnahmen. Der chinesische Einfluss ist enorm und in unseren
Augen eher negativ. Da wir kein tibetisch sprechen, konnten wir niemanden
persoenlich fragen wie er die Veraenderungen empfindet. Sicher hat es auch
positive Seiten wie zum Beispiel die durchgehenden Stromleitungen die
Elektrizitaet bringen. Doch wenn wir sehen wie die Chinesen hier Strassen
bauen, breite Striche durch die fantastische Landschaft reissen und das
teilweise durch Nomadendoerfer, dann bekommen wir das Gefuehl, dass Tibet
nicht mehr lange seine Identitaet bewahren kann. Gewiss bauen die Nomaden
ihre Zelte nicht mehr lange dort auf wenn bald eine breite Autostrasse ihre
Ruhe stoert. Tibet ist im Baufieber, zweifellos, auch in den Doerfern.
Haeuser werden in Reihen aufgebaut, eines gleicht dem andern. Sicher werden
hier Chinesen hingeschickt, so schnell koennen sich die Tibeter gar nicht
vermehren. Kaum kommen wir in einem Dorf an rennen Kinder heran und betteln,
wollen money, money, greifen in die Jackentaschen, ziehen an den Hosen.
Aehnlich die alten Tibeter, sie betteln ziemlich aufdringlich. Das haben wir
noch nie erlebt und fanden es ziemlich abstossend. Betteln ist auch eine
alte Tradition in Tibet, doch so hat es Heinrich Harrer nicht beschrieben.
Oft fragen wir uns wo denn der Glaube geblieben ist, den die Buddhisten mit
ihren Gebetsfahnen auf jedem Pass darstellen. Aeltere Tibeter sieht man noch
mit der Gebetsmuehle, Junge nicht mehr. Vaeter geben ihren 6-jaehrigen
Soehnen Zigaretten zum Rauchen, der Abfall wird nur neben das Haus geworfen,
fuer jede kleine gute Tat wird Geld verlangt. Innerhalb vier Tage wurden uns
drei, fuer uns wichtige Sachen, von den Velos geklaut, vor dem Restaurant
als wir gerade eine Minute die Raeder nicht sahen. In der Zwischenzeit sind
bereits sechs Sachen weggekommen. Mao hatte ja immer gesagt: Religion ist
Gift - aber Geld und Habgier auch und das bestimmt hier sehr das Leben! Das
Einzige was wir aus den Beschreibungen Harrers noch hunderprozentig
nachvollziehen koennen ist der unbeschreibliche Blick auf die Berge des
Himalayas. Am Horizont tauchen sie bei gutem Wetter auf, die hohen, weissen
Gipfel. Das geniessen wir dann, das Zelt in der Einsamkeit und Ruhe
aufstellen und die Natur und Aussicht abseits der Strasse zu bewundern.
Unterwegs nach Lhasa war die Strasse wiedermal schlimmste Baustelle. Als
Umfahrung diente das Flussbett. Alles war unter Wasser, nur tiefer Schlamm,
es regnete und schneite. Die Baeche stroemten von ueberall rotbraun die
Berge hinunter. Fuer uns war die Strasse nicht mehr radelbar. Ein
einwandfrei funktionierender Pickup lud uns auf, doch schon nach wenigen
Kilometern schlug er vorne bei einer Flussdurchquerung die Verschalung samt
Nummernschild ab. Wegen den tiefen Fahrrinnen riss es ein Loch in den Tank
und bald darauf blieben wir im Sumpf stecken. Nach langem Warten zog uns
endlich ein Truck raus und im naechsten Dorf liessen unsere netten Mitnehmer
das Auto zum ersten Mal reparieren. Nach einem Plattfuss versperrte uns ein
weiterer, tiefer, breiter Fluss den Weg. Es war bereits Mitternacht und Maja
sah das Unheil kommen: Wir blieben im Fluss stecken, Wasser stroemte bis zum
Sitz hinein, die starke Stroemung riss am Fahrzeug, es gurgelte um uns
herum. Nach 15 Minuten kam endlich ein Lastwagen der uns rausziehen koennte.
Doch zuerst musste bei einer Zigarette weitere 15 Minuten ueber den Preis
fuer diese Rettungsaktion diskutiert werden. Nach dem dritten Versuch
standen auch wir wieder auf festem Boden. Doch einige Minuten spaeter ging
nichts mehr, das Auto blieb stehen. Zwei der drei Chinesen sprangen auf den
naechsten Truck um im naheliegenden Dorf Hilfe zu holen. Wir verbrachten
eine kalte Nacht auf dem nassen Ruecksitz, ohne Schlafsack, denn der war
auch nass. Am naechsten Morgen wurden wir abgeschleppt und waehrend Stunden
bastelten sie in einer primitiven Garage am Auto. Unsere drei Glueckspilze
schlossen auch noch die Schluessel im Auto ein was die Aktion noch um eine
Stunde verlaengerte. Obwohl der Wagen noch klabberte und in den letzten
Stunden um Jahre gealtert hatte, fuhr er wieder!
PS 1: Wir sitzen gerade beim Essen, haben Huhn bestellt. Es sieht nicht
so aus, es schmeckt auch nicht so und steht immer noch unberuehrt neben uns!
PS 2: Wir sind in Lhasa, haben bereits das faszinierendste Gebaeude
unserer Reise, den Potala Palast, besichtigt, Maesi hat sich den groessten
Durchfall seines Lebens eingefangen, wir besuchten ein Festival in einem
Kloster, versuchen unsere verlorenen Kilos wieder anzuessen und bestaunen in
den riesigen Supermaerkten mit Nasenruempfen das exklusive chinesische
Essen: Schweinsgesicht, marinierte Huehner- und Schweinsfuesse,
Meerschweinkoepfe und weitere undefinierbare Leckereien (siehe PS 1)!!!
Maja und Marcel
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25. Reisebericht 29.August 2006
Lhasa und das Drumherum
Einige Kilometer vor Lhasa wechselte die Vegetation. Nachdem wir
wochenlang im Westtibet keinen einzigen Baum gesehen haben, ueberraschte uns
ihr Erscheinen sehr positiv. Wie oft haben wir uns einen Baum als
Schattenspender gewuenscht wenn die Sonne runterbrannte oder als Unterstand
wenn es regnete? Gleichzeitig wurde die Landschaft gruener, Wasserkanaele
bewaesserten die Aecker, die Getreidefelder leuchteten goldig, ja sogar
Kuehe sahen wir wieder einmal. Wir verloren also an Hoehenmeter und kamen
nach Wochen wieder unter 4000 Meter ueber Meer. Nun wurden die Abstaende von
Dorf zu Dorf immer kuerzer und viel regelmaessiger winkten uns freundliche
Tibeter zu. Nach vielen Tagen Regen und Niemandsland freute uns dieser
Wechsel.
Kurz vor Lhasa fielen uns die vielen Reihenhaeuser entlang der Strasse auf.
Alle sind im tibetischen Baustil mit den holzigen Fenster und den farbigen
Bemalungen. Auf jedem Dach wehen die Gebetsfahnen - und die Chinafahne,
auffaellig viele. Wohl um den ankommenden Touristen vom Flughafen zu zeigen,
dass sie nun in China's Tibet sind. Sobald wir aber bei der grossen Kreuzung
rechts abbogen war kein Tibet mehr in Sicht. Reihenhaeuser im Blockstil,
garagengrosse Laeden, einige noch durch Rolladen geschlossen. Sechsspurige
Strasse, beidseitig ein Fahrradstreifen, grosse, farbige Reklameschilder mit
grosser chinesischer Schrift und kleinem tibetischem Untertitel. Zehn
Kilometer lang begleitet uns diese Strasse schnurgerade ins Zentrum von
Lhasa. Nun werden die Haeuser noch hoeher, Leuchtreklamen blinken, dichter
Verkehr rollt an uns vorbei, unberechenbare Velorikschafahrer kommen uns
entgegen. Wir sahen kein einziges tibetisches Gesicht, nur Chinesen mit
grossen Einkaufstaschen aus den riesigen Supermarkts kommen oder gestresst
hinter dem Steuer ihres neuen Autos sitzen. Verzweifelt suchten wir den
Potala Palast der doch majestaetisch ueber der Stadt thronen soll, doch das
"China Mobile" Hochhaus, Fernsehtuerme und weitere Bauten liessen keinen
Blick frei. In uns stieg die Panik! Gibt es kein tibetisches Lhasa mehr?
Ohne Reisefuehrer und Stadtplan hatten wir keine Ahnung wo wir hin mussten.
Natuerlich wussten wir dass die Hauptstadt Tibets nicht mehr aussehen wuerde
wie zu Heinrich Harrers Zeiten, doch gerade so viel Moderne hat uns
schockiert.
Es begann schon zu dunkeln als wir ihn dann endlich, endlich sahen: den
Potala Palast, die Winteresidenz der Dalai Lamas. Wunderschoen und sehr
eindruecklich thront er in weiss und weinrot auf dem Huegel. Goldene Daecher
mit vielen Tuermen ragen in den Himmel. Fuer einen kurzen Moment schwinden
unsere Gedanken zu Seiner Heiligkeit dem 14. Dalai Lama der von hier
fluechten musste und diesen Anblick wohl nie mehr erleben darf. Vielleicht
ist es auch besser so, denn vor dem Palast gibt es schon lange keinen See
mehr, nein, hier geht die breite Hauptstrasse vorbei und dahinter folgt ein
grosser Platz mit einem Denkmal zur Befreiung Tibets. Davor die Chinafahne,
im Gruen daneben leuchten schon die farbigen Lampen kitschig in die Nacht.
Aus Lautsprechern droehnt klassische Musik und aus Hunderten von Duesen
spritzt Wasser im Takt in die Luft. Innerhalb eines Quadratkilometers
treffen mehrere Jahrhunderte aufeinander die den Widerspruch in sich tragen.
Der architektonische Wunderbau der Tibeter und der beinahe schon
Disneyland-taugliche Pomp der Chinesen.
Am folgenden Tag schlendern wir zuerst stundenlang durch die
Einkaufsstrassen bevor wir einen Stadtplan finden auf dem wir endlich den
tibetischen Viertel entdecken. Tatsaechlich, es gibt ihn noch. Das Zentrum
ist der Barkhor in dessen Mitte das Jokhang Kloster steht. Der Platz wie
auch die Strasse darumherum sind voller Marktstaende und bilden gleichzeitig
auch die Kora um das Kloster. Unaufhoerlich pilgern Glaeubige im
Uhrzeigersinn um das Gebaeude, murmeln Gebete, lassen die Gebetsmuehlen
drehen und opfern Gruenzeug in den Brennoefen. Viele werfen sich mehrmals
vor dem Tempel nieder. Hier finden wir wieder den tibetischen Spirit den wir
schon lange suchten. Obwohl dieser Ort sehr touristisch ist hat er doch
seinen Charm. Sogar das muehsame "looki, looki, very cheap" der Marktleute
nehmen wir gelassen und lassen uns in der Menge treiben.
Die Tibeter sind sehr lustige und froehliche Menschen. Ob alt oder jung,
Mann oder Frau, sie laecheln uns immer herzlich an und erwidern unser "Tashi
Delek". Natuerlich unterstuetzt ihre Neugier den unkomplizierten Kontakt.
Sie staunen ueber unsere helle Haut und Maja's blonde Haare. An Maesi
interessiert sie am Meisten die Haare an den Armen. Einmal besuchten wir
einen kleinen Tempel mit einer riesigen Gebetsmuehle. Ueber zehn aeltere
Frauen und Maenner gingen darum herum, beteten, mit der rechten Hand gaben
sie der Muehle den Schwung, in der Linken hielten sie den Gebetskranz
(Rosenkranz). Auch wir gesellten uns in die Runde nachdem sie uns freundlich
dazu einluden. Als Marcel spaeter Fotos machte hielt eine Frau waehrend des
Betens an, griff nach seinen Haaren an den Armen und begann zu schwaermen.
Sie stoppte somit den Fluss der Gruppe, dass alle wie Dominosteine
ineinander putschten. Statt zu beten war nun der Haarwuchs das Thema und
alle kicherten und beruehrten Marcel am Arm. Ein anderes Mal zeigte ein
Tibeter seine nackten Unterarme. Als Marcel ihm dann noch seine
Brusthaarpracht offenbarte schreckte er zuerst zurueck, lachte dann aber
laut schallend. Er oeffnete sein Hemd und meinte: "nothing"!!!
In Lhasa und Umgebung hat es viele Kloester. Waehrend unserem Aufenthalt
besuchten wir ein paar Ausgewaehlte. Eines davon war das Ganden Kloster. Wir
bekamen von anderen Radfahrern gerade noch rechtzeitig die Information, dass
dort ein Festival stattfindet, so lohnte sich dieser Ausflug um so mehr.
Einmal im Jahr wird waehrend einer Zeremonie ein riesiges Thanka (Wandbild)
auf eine Gebaeudemauer aufgezogen. Die Moenche in ihren weinroten Gewaendern
trugen die gelbe Kopfbedeckung die ihrer Sekte entspricht. Einige bliesen in
lange Trompeten, andere trommelten oder schlugen die Tschinellen. Viele
Tibeter draengten sich vor das Kloster und nach dem Oeffnen des Thankas
warfen sie weisse Seidenschleifen und Geld als Opfergaben zum Bild.
Anschliessend konnten wir jeden Raum betreten, sehen wie und wo die Moenche
beten und leben. Sozusagen Tag der offenen Tuer. Wir sahen unzaehlige kleine
Tempel mit Hunderten von goldigen Stauen und Buddhas in jeder Groesse.
Ueberall werden kleine Noten, Tsampamehl, Getreidekoerner und Butter fuer
die Butterlampen gespendet. Waehrenddem wir alles bestaunten, beteten die
Glaeubigen, warfen sich nieder, beruehrten Statuen mit der Stirn und rieben
die Gebetsketten an bedeutenden Stellen.
Hier trafen wir zum ersten Mal drei Schweizer Weltenbummlerpaare die mit
ihren Wohnmobilen unterwegs sind. Um in Tibet mit dem eigenen Auto reisen zu
koennen brauchts viele Bewilligungen und einen Reisebegleiter. Da alle Paare
vor einigen Jahren schon mal in Tibet waren, ermoeglichten sie sich den
Traum nun nochmals. Spannend war der Austausch unserer Reiseerlebnisse, doch
mehr interessierte uns der Unterschied von Tibet frueher und jetzt.
Vergleichen wir die Schilderungen von ihnen mit dem heutigen Aussehen, hat
sich wohl ziemlich alles veraendert. Tibet verliert allmaehlich seine
Identitaet und wird genauso China wie der Rest des Landes. Die Entwicklung
hat die Tibeter ueberrollt, und zwar in kuerzester Zeit. Viele sind
ungluecklich. Bis vor etwa sieben Jahren war die groesste Strasse noch eine
Dreckspur, Esel und Kuehe zogen Karren; heute rasen die teuersten Autos
vorbei, Tiere sieht man keine mehr. Sicher hatte es auch noch mehr
Velofahrer, heute dafuer Mofas oder Elektroroller.
Vor und waehrend der kulturellen Revolution zerstoerten die Chinesen
ziemlich alle Kloester, pluenderten und brannten sie nieder. Auch das Ganden
Kloster wurde nicht verschont, ist heute zwar wieder vollstaendig aufgebaut,
doch einige Ruinen sind immer noch sichtbar. Vor 20 Jahren war das Kloster
im Wiederaufbau von den Chinesen und erst teilweise erneuert. Eigentlich
paradox: zuerst zerstoeren sie die Gebaeude und Religion der Tibeter,
zwingen die Moenche zu Strassenarbeit, helfen spaeter wieder beim Aufbau und
heute kostet jeder Eintritt in ein sozusagen neues Kloster nach alten
Plaenen viel Geld, das dem Staat zu Gute kommt. Nur die Spenden im Kloster
selber gehen an die Moenche. Die Religion ist wieder erlaubt und zieht mit
ihren Besonderheiten viele Touristen an. Wir staunen dass die Tibeter immer
noch ihr Lachen bewahren koennen.
Seit dem 1. Juli ist die neue Eisenbahn Peking - Lhasa eroeffnet, man hoerte
es in den Medien. Vier Zuege pro Tag bringen tausende, vorwiegend
chinesische, Touristen nach Tibet. Die Hotelpreise schnellten in die Hoehe
sowie die Eintrittspreise fuer die Sehenswuerdigkeiten. Fuer die Chinesen
ein Super Coup, fuer die Tibeter wohl das endgueltige Aus fuer eine
Unabhaengigkeit. In Tibet werden Haeuser gebaut ohne Ende und dank der guten
Verbindung werden sicher einige Chinesen ihren Wohnsitz ins noch nicht
luftverschmutzte Tibet verlegen (muessen). Die recht wohlhabenden
Ostchinesen kommen mit den groessten und neusten Digitalkameras daher,
stehen vor alles Interessante und Uninteressante und lassen sich tausend Mal
fotografieren. In Gruppen werden sie durch den Potala Palast geschleust -
wieviel Wahres erzaehlt wohl ihr Guide ueber die Geschehnisse der letzten
Jahrzehnte?
Auch die Bettler profitieren von der hohen Touristenzahl, sitzen an jeder
Ecke, ja kommen sogar ins Restaurant hinein und verlangen Geld waehrenddem
wir noch am Essen sind. Penetrant aufdringlich sind aber gewisse Moenche,
wenn es ueberhaupt Echte sind. Aber irgendwie muessen sie sich ja die Kosten
fuers Handy verdienen... auch sie gehen mit der Zeit.
In einem Buchladen wollten wir einen Reisefuehrer kaufen. Von der
Verkaeuferin erfuhren wir, dass in Tibet der Verkauf von auslaendischen
Guidebooks wie Lonely Planet oder Footprint verboten ist. Waehrenddem wir
dann in einem chinesischen Buch in deutscher Sprache lasen, stockte uns der
Atem, steht da doch drin: "Nachdem Tibet von den Chinesen friedlich befreit
wurde..." Friedlich? Befreit? Von was denn? Weiter stand da auch noch dass
der groesste Anteil der Bevoelkerung Tibeter sind - stimmt nicht mehr! Sie
sind sogar im eigenen Land in der Minderheit!
Nach den anstrengenden Tagen in Westtibet genossen wir in Lhasa zwei
interessante Wochen. Wir assen feine einheimische Kost, mischten uns unter
die Touristen, bestaunten immer wieder den Potala Palast, besuchten
verschiedene Kloester und regelmaessig unsere Schweizer Freunde. In einer
gemuetlichen Schwatzrunde und ein paar Schluecken Lhasabier genossen wir die
nette Gesellschaft und das suesse Nichtstun. Da sie als Naechstes nach
Westtibet fahren werden, nahmen sie mit einem Bekannten in Darchen, beim
heiligen Berg Kailash, Kontakt auf. Er erzaehlte von der misslichen
Wetterlage der letzten Wochen. Seit Jahren habe es nicht mehr so viel
geregnet, 21 Tage non-stop. Den Kailash hat es eingeschneit, die Kora war
nicht mehr begehbar. Wir sehen uns an, rechnen zurueck und wissen nun: M&M's
waren wiedermal mittendrin statt nur dabei!!!
PS 1: Die chinesischen Verkaeuferinnen im Supermarkt sind sehr
hilfsbereit. Sie scheuen keinen Aufwand um den Umsatz zu steigern. Als Maja
fuer Marcel Rasierschaum kaufen will, moechte die Verkaeuferin Maja das
Produkt zeigen. Als sie auf das chinesiche Geplapper nicht reagiert drueckt
sie auf den Knopf und spritzt Maja voll! Sofort entschuldigte sie sich mit
rotem Kopf: "solly, solly!"
PS 2 : Nach dieser Pause in Lhasa brauchte es einen heftigen Ruck dass
wir uns wieder auf den Sattel schwangen. Vorallem weil wieder eine
anstrengende Etappe vor uns liegt. Nun sind wir aber bereits in Shigaze und
steuern Richtung Everest Base Camp. Dazwischen hats ein paar 5000er Paesse...
keuch...
Maja und Marcel
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26. Reisebericht 21. September 2006
Die letzten Kilometer in Tibet
Bereits fuenf Kilometer ausserhalb der Grossstadt Lhasa waschen die
Frauen ihre Kleider und Kuechenutensilien wieder im Fluss. Zu unserer
Ueberraschung trafen wir in der Stadt in Restaurants und Hotels meist
ansprechend saubere Toiletten. Hier muss man wieder hinter das naechste Haus
um sein Geschaeft zu erledigen. 30 Kilometer weiter duerfen wir sogar einmal
ein Kloster besuchen ohne Eintrittspreis - gibt es das noch! Junge,
aufgestellte Moenche luden uns sofort zum Tee ein und wir durften uns frei
in den heiligen Raeumen bewegen. Sie freuten sich wenn wir sie
fotografierten, baten uns in ihre Mitte zu sitzen, praktizierten weiterhin
ihre Gebetsrituale, ja sogar zum Mittagessen mussten wir bleiben. Zum
Abschied segneten sie uns durch eine Muschelmassage und meinten: "you
friends!" Nach mehrmaligem Umarmen und alles Gute wuenschen fuhren wir mit
einer Dankbarkeit fuer eine wunderschoene, bleibende Begegnung weiter.
Statt uns direkt auf die Suedroute Richtung Nepal aufzumachen, fuhren wir
fuer einen Abstecher ins Brahmaputratal. Mehrere Tage radelten wir diesem
maechtigen Fluss entlang. Er ist einer der vier Fluesse die beim heiligen
Berg Kailash entspringen. In diesem Tal besuchten wir weitere Kloester,
eines davon ist das Kloster Samye. Auch dieses wurde waehrend der
kulturellen Revolution fast vollstaendig zerstoert, noch heute sind sie am
Wiederaufbau. Wir erfuhren dass auch hier, wie in anderen Kloestern, bis in
die 80er Jahre Schweine und andere Bauernhoftiere in den heiligen Raeumen
gehalten wurden bis der Wiederaufbau anfing und die Religion wieder erlaubt
wurde. Neben vielen Kapellen voller Statuen und den kunstvollen
Wandmalereien beobachteten wir die Moenche beim Debattieren. Fordernd stellt
einer schnell eine Frage, klatscht in die Haende und schon muss die Antwort
vom Moench gegenueber kommen. Mehrere Gruppen fuellen den Garten, der
Laermpegel ist hoch, die Dynamik spuerbar. Es war sehr interessant die
Moenche auch mal energiegeladen und voller Euphorie zu sehen wie sie einader
verbal herausfordern und ihr Wissen gegeneinander ausspielen.
Die ersten paar Tage rollen wir auf schoenem Ashalt und der macht es uns
einfach den ersten Pass und die vielen Hoehenmeter bis zum Yamdruk See zu
bewaeltigen. Die Passhoehe ist ein Ausflugsort fuer viele Touristen weil die
Aussicht auf den See gewaltig ist. Waehrend wir uns die endlosen Kurven
hochkaempfen ueberholen uns saemtliche Fahrzeuge aus deren Fenster sich
Chinesen kruemmen die uns fotografieren oder filmen. Viele lehnen hinaus und
jubeln uns zu, strecken den Daumen hoch oder klatschen. Oben angekommen
stellen sie sich stolz vor unsere Fahrraeder und lassen sich selber
fotografieren, als Erklimmer der Berge. Oftmals muessen wir aber auch mit
aufs Bild. Als Scherz verlangen wir von ihnen "wu quai" (fuenf Yuan, knapp 1
Franken). Dann kichern sie ganz verlegen und freuen sich dass wir nur einen
Scherz gemacht haben. Tatsaechlich verlangen viele Tibeter Geld von uns wenn
wir sie fotografieren und wir werden in China radelnd sehr oft abgelichtet.
Grundsaetzlich sind die Chinesen ein lustiges Volk, unternehmungs- und
kontaktfreudig wenn sie am Reisen sind. Angestellte in einem Laden oder
Restaurant koennen aber manchmal recht rauh und abweisend sein. Sicher auch
weil wir uns gegenseitig nur schlecht verstaendigen koennen. Wir versuchen
zwar mit jensten Mitteln ihnen unser Beduerfnis zu erklaeren, ihre Fantasie
stimmt aber oft nicht mit unserer ueberein. Schwierig wars zum Beispiel
immer in Restaurants wo es keine englischen Menus gibt. Zu Beginn versuchten
wir Huhn durch Gesten und kikiriki zu bestellen doch es kam Ente. Trotz
Mandarin-Sprachfuehrer schwamm in der feinen Sauce Rind statt Tofu und als
wir unsere Oelflasche fuers Kochen auffuellen liessen schaeumte es nach
einem Tag radeln so fest dass wir enttaeuscht feststellten dass es
Abwaschmittel ist - also keine Bratkartoffeln zum Abendessen! Danach
spazierten wir immer direkt in die Kueche und tippten auf die Zutaten die
wir wollten. Noch besser ist es aber den Chinesen in den Teller zu schauen
und das Gleiche zu bestellen. Das finden wir und meist auch die Chinesen
sehr lustig. Noch lustiger finden sie es wie wir mit den Staebchen essen -
in der Zwischenzeit sind wir aber Profis!
Die Strecke Lhasa - Kathmandu (Nepal) ist sehr beliebt bei Fahrradfahrer.
Das chinesische Gouvernment schraenkt aber den Individualtourismus mit ihren
Bewilligungen so ein, dass viele Radler eine organisierte Tour buchen
anstatt sich selber durchzuschlagen. Viele wissen auch gar nicht, dass man
unabhaengig dieselbe Route radeln kann, wie wir es taten, was aber offiziell
nicht ganz legal ist. So trafen wir unterwegs verschiedene Gruppen an. Die
Sportler haben ihre eigenen gefederten Mountainbikes dabei, das Gepaeck wird
in einem Lastwagen transportiert. Fast jede Gruppe hatte einen Fahrradguide,
sicher aber einen Jeep dabei der sie begleitet und die mueden Radler
mitnimmt. Kommen sie am Tagesziel an stehen bereits die Zelte, der Koch
bereitet das Essen zu, am Morgen koennen sie unbeschwert weiterradeln. Eine
teure aber tolle Sache, schade finden wir alleine dass sie recht schnell
diese wunderschoene Strecke hinter sich bringen und viele
Sehenswuerdigkeiten nicht besuchen koennen. Den regen Tourismusfluss, auch
von den Jeeps zum noerdlichen Everest Base-Camp, spueren wir vorwiegend
wegen den vielen nach Geld oder Kugelschreiber (Pen, Pen) bettelnden Kinder.
In einem Tal waren die Kinder sehr aufdringlich, versuchten waehrend unserer
Fahrt an den Taschen zu ziehen, wurden zornig und warfen uns Gegenstaende
nach, als sie merkten dass wir nichts geben! Oft bildeten die Kinder eine
Menschenkette und versperrten uns den Weg. Dann fahren wir direkt auf sie zu
damit sie zur Seite springen, sonst wirds fuer uns und sie gefaehrlich.
Sakya gilt als Ursprungsort einer der vier Hauptsekten des tibetischen
Buddhismus. Auf Empfehlung radelten wir dort hin. Der Besuch im Kloster war
besonders. An jenem Tag feierten die Glaeubigen ein Festival im Vorhof. Die
Moenche hatten die letzten 1,5 Monate Ausgangssperre und feierten den
Abschluss mit einem Tanz zu Trommel und Horntoenen, trugen spezielle
Gewaender und bewegten sich sehr bedacht zu den Naturklaengen. Die Tibeter
sassen alle in Gruppen ringsum auf dem Boden, hatten einen Thermoskrug
Buttertee vor sich, blauderten oder schauten andaechtig zu. Als ein Gewitter
aufzog hockten sie einfach enger zueinander, erst als es wirklich stark
hagelte verkrochen sie sich unter Vordaecher. Niemand hatte einen Schirm
dabei, das kennen Tibeter nicht. Wir waren schon laengst in unsere
Regenkleider gestiegen doch sie machten den Eindruck als seien sie
wasserfest. Sie sind eben Urmenschen, man sieht es ihnen an. Vorallem
aeltere Menschen erzaehlen mit ihren zerfurchten Gesichtern Geschichten. Wir
hatten das Gefuehl dass Hinz und Kunz auch vom hintersten Winkel dieses Tals
anwesend waren; vor dem Kloster warteten ihre Pferde mit ihren primitiven
Anhaengern die sie wieder nach Hause brachten. In laendichen Regionen
bewegen sich die Tibeter eigentlich nur so oder mit einem kleinen Traktor in
dessen Anhaenger mehrere Familien rumchauffiert werden. Sehen wir dann die
protzigen Jeeps an ihnen vorbeirasen dann fragen wir uns schon wer denn vom
Tourismus in Tibet am meisten profitiert! Aber eben, Tibet ist so im
Baufieber, dass sie bald nur noch asphaltierte Strassen haben und die
laessigen Jeepfahrer ihre grossen und starken Autos nicht mehr wirklich
gebrauchen koennen; nur noch fuers Prestige!
Die Tibeter haben trotz des chinesichen Einflusses ihre eigene Kleidungsart.
Die Frauen tragen farbige, oft leuchtende Blusen unter einem dunklen
Traegerrock den sie auf den Seiten einfalten und durch eine gestreifte
Schuerze nach hinten binden. Teilweise tragen sie eine grosse silberne
Schnalle auf dem Bauch. Ihre Haare sind lang und durch eingeflochtenes,
farbiges Garn verlaengert. Die Zoepfe wickeln sie entweder wie ein Kranz um
den Kopf oder verflechten die Enden Mitte Ruecken zusammen. Die Kleinkinder
werden vorwiegend von den Frauen auf dem Ruecken getragen, durch ein Band um
Oberkoerper und Knien an die Mutter gebunden. Lustig sind dann jeweils die
nackten Backen der Kleinen die wegen des Schlitz in der Hose rausschauen.
Praktisch ist ja so ein Schlitz schon. Da sie keine Windeln tragen koennen
sie sich jederzeit der Sache durch den Schlitz entledigen. Oft sind sie so
gut erzogen, dass sie ganz vorne am Gehsteig hinkauern und ... ja, fast wie
Hunde... dafuer geht nichts in die Hose !!! Die Kinder auf dem Land sind
allgemein immer recht schmutzig - Gesicht wie Kleidung - tragen
unvollstaendige, zu kleine oder zu grosse Kleider, husten und ein dicker
Rotz laeuft aus der Nase. Doch ihr Lachen ist herzlich und ihr hello, hello
nimmt kein Ende. Die Maenner tragen grobe Falthosen oft mit kaputtem
Hosenladen, eine Groesse zu gross, die richtigen Cowboys auf dem Land einen
Yakfellmantel nur mit einem Arm im Aermel, um die Taille mit einem Band
geschnuert und natuerlich einen Cowboyhut. Ihr Pferd ist mit farbigen
Baendern, Gloeckchen und einem Teppich als Sattel bestueckt. Maenner wie
Frauen tragen rote Filzstiefel - geben wohl richtig schoen warm - auch im
Sommer. Auffaellig sind die Maenner mit langen Haaren in deren Ende rotes
Garn eingeflochten ist. Das rote Ende wird auffaellig ueber den Kopf gelegt,
in ihren Ohren stecken tuerkisgruene und koralrote Steine. Das sind die
Khampas, frueher gefuerchtete Raeuber in gewissen Regionen. Heute leben sie
auch in den Doerfern, tragen noch immer ein grosses Messer bei sich, sind
aber meist recht friedlich. Ihre Frauen tragen sehr auffaellig ihren
Schmuck, bestehend aus Tuerkissteinen und Goldeinsaetzen um den Kopf und den
Hals, um den Reichtum zu zeigen. Lustigerweise knoten sie auch ihren Yaks
und Kuehen rotes Garn an die Ohren. Uns duenkts, die Tibeter trinken Bier
wie Wasser. In jedem Dorf werden die Lhasabierflaschen vor den Haeusern
gestapelt. Trotzdem hat es immer wieder Scherben auf der Strasse. Besonders
fuer uns Velofahrer eine leidige Sache. Tibeter und Innen singen gerne -
auch ohne Bier - und immer sehr laut, nur mit der Kopfstimme.
Bereits in Indien haben wir uns kleine Bilder vom 14. Dalai Lama besorgt die
wir verbotenerweise nach China mitnahmen um den Tibetern zu schenken. Wir
wussten, dass wir sicher einigen eine Freude machen koennen. Natuerlich
wollten wir sie nur an Menschen verteilen die wir mochten oder die nett zu
uns waren als kleines Dankeschoen. Da es verboten ist Bilder des 14. Dalai
Lama auszustellen - er ist ja in den Augen der Chinesen ein Krimineller -
mussten wir vorsichtig mit dem Verteilen sein. Das erste Bild verschenkten
wir dem Besitzer eines Guest Houses in Darchen bei dem wir unsere Velos und
das ganze Gepaeck gratis einstellen durften waehrenddem wir die Kora
wanderten. Seine Augen strahlten beim Anblick seiner Heilikeit, er hielt das
Bild ueber die Stirn und steckte es schnell in seine Brieftasche. Ein
anderes Bild gaben wir einem Bettler bei einem Kloster. Er liess sich
fotografieren, versuchte mit uns zu kommunizieren, lachte sehr herzlich. Wir
wollten seine Froemmigkeit testen. Zuerst streckte ihm Marcel eine Note hin,
dann das Bild. Er wollte sofort das Geld nehmen, doch als er das Bild sah
strahlte er so innig, nahm es an sich, hob es zur Stirn und steckte es
voller Dankbarkeit in seinen Yakmantel. Fuer ihn wars keine Frage ob Geld
oder Bild. Das freute uns.
Kaum hatten wir Lhasa verlassen regnete es wieder taeglich. Wir hatten in
den 14 Monaten bevor wir nach Tibet kamen die Regenkleider zusammen nie so
viel gebraucht wie die letzten zwei Monate hier - nun wissen wir auch
weshalb wir sie mittragen. Der 4. September war ein Tag der Besonderheit.
Wir wussten dass wir heute unseren 15'000sten Kilometer fahren werden, doch
nicht, dass wir nach einem anstrengenden Passaufstieg von 42 Serpentinen, 18
Kilometern, 1000 Hoehenmetern und Dreckstrasse eine Aussicht auf die
hoechsten Berge der Welt haben werden. Kaum hatten wir die Gebetsfahnen auf
der Passhoehe passiert tauchten sie hinter der naechsten Kurve auf: Mount
Everest, Makalu, Cho Oyu und Shishapangma, vier 8000er! Zuerst noch
verhangen doch spaeter in vollster Pracht. Fuenf Kilometer unter der
Passhoehe stellten wir unser Zelt auf und feierten diesen erfolgreichen Tag,
seit langem regenfrei. Am Morgen begruessten uns die Riesen wolkenfrei
waehrenddem die Sonne die ersten Spitzen streifte. 64 Spitzkehren spaeter
waren wir wieder im Tal und die naechste Steigung wartete auf uns. Diesmal
gings hoch nach Rhombuk von wo man ins noerdliche Everest Base-Camp wandern
kann. Um uns einen gewissen Luxus zu leisten bezahlten wir einen Kutscher
mit Pferd anstatt selber hochzuradeln. Das Pferd war jedoch so lahm dass uns
unsere mueden Oberschenkel schneller hoch gebracht haetten. Dafuer war die
Talfahrt rasant und die klabbrige Kutsche preschte ueber Stock und Stein.
Haette die Abfahrt noch laenger gedauert waere eine Diskushernie
vorprogrammiert gewesen. Den Everest sahen wir gluecklicherweise vor blauem
Himmel. Seine Nordseite praesentierte sich maechtig!
Eines Tages sahen wir weit vor uns einen einzelnen Velofahrer mit
vollbepacktem Fahrrad. Es ist Coco aus Japan der in vier Jahren um die Welt
radeln will. Da er die naechsten Tage die gleiche Route wie wir radelt
verbringen wir sie gemeinsam. Abends kochen wir zusammen und so duerfen wir
von seinen japanisch improvisierten Kochkuensten probieren - eine tolle
Abwechslung in unserem langweiligen Speiseplan. Bevor wir uns trennten und
er zum Berg Kailash radelte verbrachten wir einen Tag bei heissen Quellen.
In der Naehe eines teuren, chinesischen Hotels das ein Bad im Thermalwasser
anbietet, fanden wir weitere kleine Quellen deren Wasser den Fels hinunter
laeuft und nutzten sie fuer eine warme Dusche und um Kleider zu waschen.
Coco der Pfadfinder war ganz clever und steckte den Schlauch des
Wasserfilters in eine kleine Quelle so dass wir staendig fliessendes Wasser
bequem in unseren Wasserbeutel fliessen lassen konnten. Nun ist unser Freund
bereits eingie Kilometer und hohe Paesse entfernt von uns - alles Gute Coco,
war schoen mit dir - see you in Switzerland!
Tibet verabschiedete uns wie es uns begruesst hatte, mit starkem Gegenwind.
Die letzten zwei 5000er Paesse waren eine harte Angelegenheit doch wiederum
entschaedigte uns die Aussicht auf die gewaltigen Eis- und Schneeberge
dafuer. Zum einen waren wir sehr froh konnten wir das tibetische Hochplateau
verlassen, haben uns die letzten 2,5 Monate doch sehr geschlaucht. Doch die
Erinnerungen an die einsamen, friedlichen Zeltplaetze, die Naehe zu den
Wolken und Berge, das brutale Spueren der Wetterwechsel waren einmalig und
bleibend. Noch nie in unserem Leben haben wir so oft von feinem Essen
getraeumt, uns die trockene Polenta die wir gerade assen mit einer dicken
Schicht Raclettekaese ueberbacken vorgestellt in den Mund gestossen. Unser
Eierverzehr hat nicht nur die mangelnden Proteine ersetzt, sondern sicher
auch die Eiernachfrage im Lande erhoeht. Trotz weniger guter Schokolade
haben wir viel abgenommen - das einzige Fett das wir noch hatten klebte in
den Haaren! Unsere Hygienebilanz sieht dementsprechend aus: Innerhalb neun
Wochen konnten wir acht Mal duschen (ausser in Lhasa), teils nur mit einem
knapp 10 Liter Wassersack - fuer beide natuerlich. Ansonsten haben wir genug
Wasser gesehen, haben einige Fluesse durchquert, 34 Mal mit Schuhe ausziehen
und schieben. So oder so ging unsere Rechnung nicht ganz auf, dass wir mit
dieser Etappe den Monsun umgehen koennten - wie oft haben wir ueber uns
selber gelacht! Nach 12 Paessen ueber 5000 Meter ueber Meer und 11 Paessen
ueber 4000 Meter ueber Meer stand nun die laengste Abfahrt der Welt vor uns:
Von 5150 Meter ueber Meer gings innerhalb von ca. 150 Kilometern auf 700
Meter ueber Meer runter, wobei ca. 50 Kilometer am Stueck wirklich nur
bergab gingen - einen Tag die Bremse druecken. Am Morgen fuhren wir mit
Daunenjacke, doppelten Socken und Handschuhen los, am Abend schwitzten wir
nur noch im T-Shirt bekleidet. Nepal empfing uns weiterhin mit ueblen
Dreckstrassen aber nun mit tropischem Wetter. Der Monsun ist heute noch
nicht vorbei, Wasserfaelle spritzen zwischen der dschungelartigen Vegetation
hervor, Landrutsche blockieren die Strasse, den Regen giessts wie aus
Kuebeln. Trotz den Umstaenden ein toller Wechsel nach den Wochen oberhalb
der Baumgrenze.
Tibet hat uns recht aufgewuehlt, uns auch betreffend der politischen
Situation sehr beschaeftigt. Ganz klar haetten wir uns dafuer gar nicht
interessieren muessen, doch wir wollen immer mit dem Land leben in dem wir
uns befinden. Durch das Lesen von Heinrich Harrers Buch "Sieben Jahre in
Tibet" haben wir eine Grundlage dafuer erhalten. Fuer uns ist es
unbegreiflich dass dieses froehliche und friedliche Volk mit einer solch
wunderschoenen Kultur, von der heute nur noch ein Teil uebrig ist, so brutal
zerstoert wurde und von der restlichen Welt keine Unterstuetzung bekam.
Werden die Tibeter in ihrem eigenen Land wohl jemals ihren Frieden finden?
PS 1: OM MANI PADME HUM
PS 2: Und wenn wir nicht bereits in Kathmandu angekommen waeren wuerden
wir noch heute bergab fahren...
Maja und Marcel
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27. Reisebericht 10. Oktober 2006
Grosses Pech
Von der Grenze bis Kathmandu radelten wir drei Tage. Zuerst durch eine
wilde, tropische Landschaft auf einer Dreckstrasse die durch die
Monsunniederschlaege und Landrutsche sehr sumpfig und "verfahren" war. Wir
schwitzten wie schon lange nicht mehr - nach den Monaten auf der Hochebene
Tibets war dieser Klimawechsel innerhalb 24 Stunden unglaublich krass.
Weiter gings auf Teerstrassen die, je naeher wir der Stadt kamen, immer
voller wurden bis wir schliesslich im kilometerlangen Stau standen. Umringt
von einer dicken Abgaswolke und Tausenden von Motorraedern kaempften wir uns
noch bei einer Demonstration vorbei und fanden schliesslich den
touristischen Stadtteil Thamel. Die naechsten Tage verbrachten wir "velo-frei",
erholten uns, assen viel, bummelten durch die Strassen, trafen uns mit
anderen Fahrradreisenden, reparierten die Velos, lasen viel, schauten
wiedermal durchs multikulturelle Fernsehprogramm usw. Und: freuten uns auf
den Besuch von Maja's Bruder Jörg. Seit seinem letzten Besuch in Istanbul
sind bereits 13 Monate vergangen. Mit ihm besuchten wir eindrueckliche
Tempel der Hinduisten, Stupas und Kloester der Buddhisten.
Nepal hat so viel zu bieten, sei es sportlich, landschaftlich oder
kulturell. Um dies zu verbinden planten wir zuerst eine kleine Velotour zum
Chitwan National Park wo wir Nashoerner sehen wollen. Beim Fahrradmechaniker
mieteten wir ein top Mountainbike plus Helm fuer Jörg und duesten los. Fuer
ihn sicher ein spezielles Erlebnis mal auf asiatischen Strassen zu radeln
die voll und unberechenbarer wohl nicht sein koennen. Er meisterte dies aber
souveraen und liess sich sein Unverstaendnis fuer haarstraeubende
Fahrsuenden der nepalesischen Strassenbenuetzer kaum anmerken. Nachdem wir
den Highway verlassen hatten, kurvten wir auf einer wundervollen
Panoramastrasse in die Hoehe wo wir am naechsten Morgen frueh einen
fantastischen Blick auf einige 8000er Berge hatten. Muede vom ersten Tag, an
dem wir so lange wie noch nie auf unserer Reise geradelt sind, genossen wir
54 Kilometer downhill ins Terai. Eine Kurve nach der anderen und mit ihr
wurde es immer ein Stueck waermer und feuchter. Da Jörg von seinem Beruf her
am oeffentlichen Verkehr interessiert ist, wollten wir eh einmal eine
Busfahrt auf nepalesisch erleben und entschieden uns nach der Abfahrt die
naechste Tagesetappe gleich heute noch hinter uns zu bringen anstatt morgen
selber zu radeln. Ein Minibus stand gerade bereit, wir luden die Velos aufs
Dach und los gings. Zuerst war der Bus noch normal gefuellt, doch alle die
am Strassenrand standen wurden mitgenommen, dass der Bus bald aus allen
Naehten quillte. Wir sahen einander nicht mehr, verstaendigten uns nur noch
durch zurufen. Jörg sass am Fenster, alle Taschen vor und auf ihm gestapelt,
Maja hatte ein Kind auf dem Schoss und Maesi stand irgendwo. Ploetzlich
knallte es, ein Pneu war geplatzt. Der Bus kam ins Schwanken, der Fahrer
bremste. Sofort dachten wir, er bekommt das Auto in den Griff, doch nein,
der Wagen schleuderte, wendete um 180 Grad und stuerzte auf die Seite wo
Jörg sass. Glassplitter flogen durch die Luft, Leute schrien, Panik
entstand. Wir wissen nicht mehr genau wie, doch wir konnten aus dem Auto
klettern. Gottenfroh fielen wir uns in die Arme, wir haben ueberlebt. Danach
setzte sich Maesi hin und stand nicht mehr auf. Sein Gesaess und Ruecken
schmerzte. Am Unfallort herrschte totale Hektik und Panik, die Menschen
schrien, weinten, bluteten... Unsere Velos lagen neben dem Bus, sind vom
Dach geschleudert worden, verbeult und zerkratzt. Mit einem Taxi brachte
Maja Maesi ins naechste Spital, Jörg blieb bei den Velos und Taschen. Die
naechsten Stunden waren Horror! Anderes Land, andere Sitten, haarstraeubende
Umstaende! Ohne Marcels Rueckenschmerzen ernst zu nehmen wollten sie ihn aus
dem Auto zerren bis er vor Schmerzen laut aufschrie. Auf einer, bereits vom
Vorgaenger blutigen Barre, wurde er in den ueberfuellten Notfallraum
geschoben. Kein Vorhang zwischen den Betten, keine Privatssphaere. Hier
liegt einer in der Unterhose, Infusion im Arm, Bandage um den Kopf, am Bein
wird rumhantiert. Dort wird einem Kind das gebrochene Schluesselbein
fixiert, die Frau mit dem blutigen Kopf wird schon das dritte Mal
umplatziert - sie schreit und weint. Einem alten Mann ziehen sie das
Leintuch ueber den Kopf - er ist gerade gestorben. Nach mehreren
Untersuchungen und Roentgenaufnahmen stand Maesi's Diagnose: zwei Brueche am
Schambein und zwei am Handgelenk. Uff!!! Musste das sein! Am darauffolgenden
Tag wechselten wir mit einem Ambulanzwagen in ein besseres Spital und
bekamen die Diagnose bestaetigt plus dass er am Handgelenk operiert werden
muss. Damit die Brueche im Becken zusammen wachsen koennen und die
gequetschte Wirbelsaeule entspannen kann, verordneten sie, so als
allerletzter Hammerschlag, vier Wochen Bettruhe! Noch im Schock von dem
schrecklichen Unfall und der schlechten Diagnose wurde uns langsam bewusst,
dass unsere wunderschoene Hochzeitsreise nach 17 Monaten wohl ein
ploetzliches und schmerzendes Ende nimmt!
Mit der Unterstuetzung der Rega und dank dem unermuedlichen Einsatz von Jörg
betreffend Organisation und Motivation haben wir die Unfallwoche nun hinter
uns gebracht. Marcel ist mit der Rega unterwegs in die Schweiz zu seinen
Eltern, wo er die verbleibenden Wochen liegend verbringen wird. Maja bleibt
mit Jörg noch zwei Wochen in Nepal bevor sie in die Schweiz zurueck kehrt.
Jörg kam extra um uns zu besuchen und da die erste Woche mit einer solchen
Katastrophe endete, entschieden wir uns, uns zu trennen damit Jörg seine
restlichen Ferien nicht alleine verbringen muss. Marcel wird von seiner
Familie sicher super betreut und Maja geht mit Jörg in die Himalayaberge
wandern und sich erholen. Er kann sie gut ablenken und unterhalten.
Wir sind alle sehr traurig, musste dieser Unfall passieren. Es haette jedoch
viel schlimmer kommen koennen - wir hatten tausend Schutzengel! Das einzige
was uns ueber den unerwuenschten Abbruch unserer Reise hinweg hilft ist der
Gedanke, dass wir unsere Familien all unsere lieben Freunde zu Hause wieder
sehen werden. Darauf freuen wir uns!
Zur Erinnerung an die letzten schoenen Monate werden wir bald unsere
Tibet-Fotos auf unserer Webseite praesentieren.
Unsere Reise ist nicht vorbei und zu Ende, sie geht weiter. Momentan nur in
unseren Herzen und Gedanken, doch irgendwann steigen wir sicher wieder auf
unsere Fahrraeder Elif und Tigi und radeln weiter durch unsere wunderschoene
und spannende Welt. Zeit heilt Wunden! Liebe Gruesse Maja und Marcel
Maja und Marcel
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28. Reisebericht 01. November 2006
Die letzten Tage in Asien aus der Sicht von Maja
Am Freitag den 6. Oktober 2006 klingelt das Telefon in unserem
Hotelzimmer in Kathmandu. Ein Inder meldet sich am anderen Ende und sagt:
Mister Zbinden, morgen holen wir sie ab und verlegen sie nach Delhi. Uff,
morgen schon?! Seit dem Unfall waren wir stets mit der Rega in der Schweiz
in Kontakt. Zu Beginn erhielten wir viele Informationen und Anhaltspunkte,
doch die verschwammen immer mehr. Nun teilt uns ein Inder mit was der
nächste Schritt in der Rückschaffung von Marcel ist. Wir sind etwas verwirrt
und wissen gar nicht warum Marcel nun nach Indien muss. Ich beginne
jedenfalls mal sein Gepäck zu packen. Ich fühle mich elend und will gar
nicht dass Marcel nun geht. Eigentlich will ich auch gar nicht akzeptieren
was vor ein paar Tagen geschehen ist. Ich bin sehr traurig.
Jörg hat uns sehr viel Bergsteigematerial mitgebracht wie auch diverse
Esswaren die wir in Tibet vermisst haben. Wir wollten uns die Tage während
der eigentlich geplanten Bergtour zu Fuss damit versüssen. Nun kann ich
alles wieder einpacken, ungebraucht. In der Hoffnung dass Marcel an den
Flughäfen sein Gepäck nicht wägen muss, habe ich ihm so viel wie möglich
eingepackt. Schliesslich ist er verletzt und die nette Dame am Check-in
drückt deshalb vielleicht ein Auge zu. Wenn Jörg und ich alles mitnehmen
müssten würden wir wohl viel Geld für Übergewicht bezahlen. Nun kommt ja
auch noch das ganze Reisegepäck dazu, alle Sachen die uns während den
letzten Monaten begleitet haben. Von einigen nehmen wir Abschied, anderes
packe ich in die schweren Taschen.
Am anderen Morgen weckt uns das Klingeln des Telefons. Diesmal ist es die
Récéption dass da jemand auf uns wartet. Was? Sind die schon da? Ein Doktor
aus Indien wartet in der Eingangshalle. Er sei hier um Marcel abzuholen,
wolle den Patient aber zuerst sehen und danach müsse er auf der indischen
Botschaft ein Visa für ihn organisieren. Um 16 Uhr werde Marcel abgeholt, mit
einem Ambulanzflugzeug nach Delhi geflogen und dort in einer Klinik nochmals
untersucht. Nach Rücksprache mit der Rega werde er dort nochmals geröngt um
entscheiden zu können wie er transportiert werden kann. Da mir der Arzt von
der Rega mitteilte dass er nur kurz in Delhi bleiben wird, das heisst zwei
Nächte, bestand Marcel darauf dass ich nicht mitgehe, sondern mit Jörg für
weitere drei Wochen in Nepal bleibe. Er kam ja extra um uns zu besuchen und
wir wollten ihn wirklich nicht in Nepal alleine seine verdienten Ferien
verbringen lassen. Da wir ja grosse Hoffnung hatten dass Marcel somit in ein
paar Tagen in der Schweiz ist und auf Unterstützung von guten Ärzten und
seiner Familie zählen darf, fiel auch mir diese Entscheidung einfacher.
Abschied nehmen ist für mich immer schwer. Und dieses Mal besonders da ich
meinen geliebten Ehemann und Teampartner, der schwer verletzt vor mir auf
dem Bett liegt, einfach alleine lassen muss. Jeder Abschied wäre wohl
einfacher gewesen, wären die Folgen von diesem Unfall nicht so schlimm und
gleichzeitig auch noch unsere Traumhochzeitsreise abgebrochen worden. Nach
so vielen Monaten Gemeinsamkeit funktioniert man nur noch als Team, spürt
was der Partner will ohne Worte von ihm zu hören. Entscheide werden immer
zusammen gefällt. Hat der eine mal einen Durchhänger motiviert der andere.
Schwierige Situationen werden zusammen gemeistert, Schöne umso mehr zusammen
genossen!
Unser Hotelzimmer ist nun leer. Mein Herz schwer. Ich liege alleine hier
ohne Marcel. Der Arme muss noch durch viele Untersuchungen und Behandlungen
bis er wieder mit mir durch die Welt radeln kann.
Am anderen Tag telefonieren wir. Er sei gut in Indien angekommen, da aber am
Flughafen keine Barre für ihn bereit stand musste er ins Flugzeug humpeln.
Super! Er müsse nun in die Röhre. Vier Tage später liegt er immer noch dort.
Die Untersuchung sei gemacht nun suche man ein Flugzeug das Platz habe für
eine Barre, denn er müsse liegend transportiert werden. Im CT habe man noch
gesehen dass auch das Kreuzbein doppelt gebrochen sei. Also bereits sechs
Brüche.
Ich verliess Kathmandu zusammen mit Jörg Richtung Khumbuvalley in einem
kleinen Propellerflugzeug. Es hat also nicht geklappt dass Marcel nach zwei
Tagen Indien in die Schweiz fliegt. Die folgenden zehn Tage verbringe ich mit
einem komischen Gefühl im Magen da ich nicht weiss wie es Marcel geht. Denn
wenn man in Nepal wandern geht, sind die Verbindungen in die Aussenwelt
oftmals gar nicht vorhanden.
Trotzdem versuchte ich die Tage mit Jörg in dieser unglaublich schönen
Gegend zu geniessen. Wir wanderten fast täglich, immer ein wenig höher und
waren fasziniert von der gewaltig Bergkulisse. Von Lukla auf 2700 Meter über
Meer bis nach Chukhung auf 4800 Meter über Meer brauchten wir eine
Woche, danach wanderten wir eine andere Route zurück. Die Ama Dablam, der
Berg den Marcel vor vier Jahren bestiegen hat, blieb während mehreren Tagen
in unserem Panorama. Somit sahen wir ihn von fast allen Seiten. Wir
entschieden uns ohne Guide und Träger zu gehen da wir die Unabhängigkeit
geniessen wollten. Tatsächlich waren aber die wenigsten Touristen so
unterwegs wie wir und mussten sich das schwere Rucksacktragen nicht antun.
Jörg, der sich vorher noch nie auf dieser Höhe bewegt hat, spürte die Höhe
gut und musste seinen zügigen Wanderschritt verlangsamen, doch Probleme
hatte er nie und so war ich sehr stolz auf ihn. Schliesslich schleppte er
auch noch für mich Esswaren und anderes mit, da ich mit meinen eigenen
Sachen schon genug zu kämpfen hatte. Ich habe eben nur starke Oberschenkel ;o)
Höhepunkte dieses Treks waren sicher die Sicht auf Everest, Lhotse, Ama
Dablam und viele hohe Berge mehr. Die schönen Wanderwege, die Träger die
unglaublich schwere Lasten den Berg hoch trugen und der stahlblaue Himmel.
Eher weniger schön waren die vielen Touristen die wie Ameisen die Wege
verstopfen und Abfall liegen lassen. Mühsam waren auch die vielen Yaks die
für den Transport von Waren auf den Berg getrieben werden. Sie machten sich
auf den Wanderwegen recht schön breit.
Zurück von der Wanderung erfahre ich dass Marcel neun Nächte in Delhi lag,
alleine in einem Einzelzimmer, nur wenig und schlechtes Essen bekam und sich
selten jemand bei im zeigte. Er konnte sein Bett nie verlassen.
Nun war er endlich im Spital Muri /Aargau. Das Wiedersehen mit seiner
Familie geschah aber mit Mundschutz und Gwändli da er zuerst drei Tage in
Quarantäne lag. Weitere Untersuchungen zeigten dass er sogar noch einen
Lendenwirbel gebrochen hat. Ein Dreipunktekorsett sollte die nächsten Wochen
seine Wirbelsäule stabilisieren. Seine Eltern organisierten ein Krankenbett
für ihn und stellten es in den Wintergarten, so wusste ich dass er sicher
nun der schönste Platz für die nächsten liegenden Wochen hat.
Während der letzten Tage in Kathmandu assen sich Jörg und ich nochmals durch
die internationale Küche und kauften diverse Souvenirs. An einem Morgen
fuhren wir auf einen Hügel um den Sonnenaufgang zu geniessen und staunten
über das 180 Grad Panorama voller Schneeberge über einem gewaltigen
Nebelmeer. Die Hindus feierten das
Lichterfest. Sie stellten und hängten so viele Lämpchen auf dass es uns sehr
an Weihnachten erinnerte. Nun war es definitiv Zeit in die Schweiz zu
reisen.
Maja und Marcel
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29. Reisebericht 20.
Dezember 2006
Das Wechselbad der Gefühle
aus der Sicht von Maja
Nicht nur wir müssen heim, auch unsere Velos
Elif und Tigi. Bei Sonam, dem besten Velomech in Kathmandu, liessen wir sie
nach dem Unfall wieder fahrtüchtig machen. Leider wollte sie die Lufthansa
nur mitnehmen wenn wir viel zu viel Geld dafür bezahlen, also entschieden
wir uns für einen Cargotransport der sie innert einer Woche nach Zürich
bringen soll. Dafür schraubten wir die Velos so weit auseinader dass sie so
wenig Platz wie möglich in Anspruch nahmen und übergaben sie in fremde
Hände. Beim Einpacken sträubten sich bei Maja die Nackenhaare – wie die mit
unseren Velos umgehen! Das tut vorallem weh wenn man sich vorher 17,5 Monate
lang viel Mühe gegeben hat damit die Räder keinen Schaden nehmen.
Jörg konnte in den vier Wochen viel vom nepalesischen Feeling mitbekommen,
freute sich aber wieder sehr aufs Schweizer Leben. Der starke Verkehr und
die Rücksichtslosigkeit gegenüber den Fussgängern, dass man immer Angst haben
muss man werde angefahren, und einfach keinen Platz für sich hat, störte ihn
sehr. Auch ihr Fahrstil machte ihn halb rasend – ich sass neben ihm und
amüsierte mich prächtig – bins eben schon gewohnt. Die Luftverschmutzung ist
ein weiterer Aspekt der auch mich sehr störte, obwohl ich bis vor unserer
Reise durch Tibet dauernd stark vergast wurde. Der Geschmack bleibt aber
störend.
Anstatt das nepalesische Dhal Bhat (Linsen und Reis) verliebte er
sich eher ins chinesiche Chowmein und wollte nur noch ins kleine Beizli sich
einen Teller Nudeln genehmigen. Brilliant schlug er sich mit Heggeln. Er
wurde ein guter Charmeur wenn es ums Preisdiskutieren ging dass er bald ohne
meine Hilfe Spass daran hatte ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen.
Der Heimflug dauerte lange, mit vielen Verspätungen und Wartezeiten. Ich
zählte die Stunden bis ich wieder bei Marcel bin. Endlich in Zürich
angekommen fehlte ein Gepäckstück – also auch in Europa läuft nicht alles
reibungslos, denn ich sah es in Frankfurt neben unserem Fluzeug stehen, doch
niemand wollte es einladen.
Zu meiner grossen Freude empfingen uns Mami und Papi und Bruder Dieter mit
einem grossen Plakat „Welcome Maja, back after 555 days“. Nach einigen
Minuten waren sie überzeugt: „Ausser den kurzen Haaren bist du noch die
gleiche Maja wie vor der Reise“ – das freute mich sehr! Nach einem
Willkommensprosecco wurde ich in Papis Auto nach Muri chauffiert – wiedermal
auf einer Schweizer Autobahn fahren. Alles geordnet, kein Gedränge, gute
Autos, keine Eselskarren, aus dem Radio dringen bekannte Stimmen in einer
Sprache die ich verstehe... Obwohl die Schweiz meine Heimat ist kommt sie
mir recht fremd und doch vertraut vor. Eigentlich freute ich mich auf die
Rückkehr, doch in Asien fühlte ich mich zur Zeit auch zu Hause. Wäre da
nicht dieser Unfall gewesen, würden wir immer noch in Asien sein und unser
Reiseleben weiter geniessen. Nun fängt jedoch ein neuer Abschnitt an – den
wollte ich jedoch gar nicht.
Mäsi begrüsste mich stehend mit den Krücken in den Achselhöhlen, danach
musste er aber wieder ins Bett. Dankdem ihm die Ärzte nun endlich Krücken
erlaubten konnte er sich wieder etwas bewegen. Sonst lag er nur.
Zusammen versuchten wir die Gegenwart zu geniessen. Dies war zwar zeimlich
schwierig aber es blieb uns ja nichts anderes übrig. Um mein Fernweh etwas
zu stillen las ich gerne andere Reiseberichte und sah unsere Fotos an.
Marcel hingegen wollte gar nichts sehen und lesen - jeder hat seine Methoden
sich mit dem Schicksal abzufinden.
Ich bin sehr stolz auf Mäsi wie ruhig er geblieben ist und die
Situation, nur zu liegen, gut akzeptieren konnte. Natürlich wurde er auch
rundum betreut und genoss das vielleicht auch ein bisschen. Mir machte das
nichts aus, schliesslich wollte ich nur das Beste für ihn. Mich nun aber
wieder mit Haushaltarbeiten rumzuschlagen fiel mir recht schwer. Wie schön
war es doch mit unseren sieben Sachen... Dafür hat man immer Licht und
Heizung, man kann nachts unter eine Daunendecke schlüpfen, das Wasser aus
dem Wasserhahn trinken, muss nicht mehr von Hand Kleider waschen, das
Toilettenpapier darf man in die Toilette werfen; im Supermarkt bekommt man
alles was man will – Hunger ade!
Ich schätze den Luxus, doch er bringt mich sehr zum Nachdenken. Wieviele
Menschen in Pakistan haben nach dem Erdbeben vom Oktober 05 immer noch kein
Haus und frieren auch diesen Winter? Wie einfach essen die Tibeter und sind
trotzdem gesund und zufrieden? Wie gerne hätten die Kinder in Nepal ein paar
Spielsachen?
Mir wird bewusst mit wie wenig wir die letzten Monate zufrieden waren. Die
Begegnungen und Landschaften haben uns alles gegeben was wir gebraucht
haben! Die Strassen waren selten menschenleer, es war immer etwas los, eine
Dynamik war spürbar. Jeder hatte Zeit für den anderen, keiner begrenzte
seinen Besitz mit einem Zaun, einer Mauer oder hohen Rabatten. Was wir in der
Schweiz dafür sehr schätzen ist der Respekt gegenüber den Mitmenschen. Wenn
jemand vor dem Fussgängerstreifen steht wird angehalten und auf dem Trottoir
wird gegrüsst. Beim Arzt oder Physiotherapeuten vereinbart man einen Termin
und man weiss dass man ernsthaft betreut wird.
Marcel macht täglich Fortschritte. Statt auf der Strasse radelt er zwar auf
einem Hometrainer doch die Muskeln kommen zurück und hoffentlich werden auch
die Nerven im Fuss bald wieder normal arbeiten.
Wenn man einmal vom Reisevirus angesteckt wird, möchte man immer wieder
gehen. Das Reisen bleibt eine Leidenschaft von uns, auch wenn sie vorerst in
unseren Träumen und Ideen stattfinden. Die vielen Dias unserer
Hochzeitsreise holen uns immer wieder an wunderschöne Orte, zu netten und
interessanten Menschen zurück, sie beleuchten unser Leben während der
letzten Monate. Wir sind bemüht sie zu einer Diashow zusammenzustellen.
Gerne teilen wir Euch mit, wann wir soweit sind Euch
die Bilder zu zeigen.
SchweizerIn zu sein ist ein grosses Glück. Überall auf der Welt waren wir
willkommen, viele schwärmen von unserem Land obwohl sie es noch nie besucht
haben. Es sei so friedlich, sauber, gerecht, schön und reich. Tatsächlich
ist es ein Privileg in einer solchen Welt aufgewachsen zu sein, nur deshalb
konnten wir uns diese Reise ermöglichen. Und diese Eindrücke möchten wir mit
Euch teilen.
Via Internet konnten wir immer die grosse Distanzbarriere zwischen uns und
unseren Lieben verkürzen. Immer noch verbindet es uns mit der ganzen Welt
und unseren Freunden die wir unterwegs getroffen und kennengelernt haben.
Auch die vielen netten Worte von Euch, liebe Leserinnen und Leser, haben uns
sehr gefreut. Wir danken Euch sehr dafür.
Ich und Marcel wünschen Euch ein frohes Weihnachtsfest und ein zufriedenes
und gesundes neues Jahr. Auf weitere spannende Abenteuer – wer weiss!
Eure M&M’s
PS 1: Mäsi macht bereits wieder Witze und
Grimassen - das ist doch ein sehr gutes Zeichen!!!
PS 2: Unser Webmaster Michael Job hat uns in seiner Wohnung ein Zimmer
angeboten. Nun wohnen wir also in der Nähe von Aarau und geniessen das
WG-Leben. Danke Jobli, uns gefällts bei dir!!! Maja und Marcel
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