Reiseberichte

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Inhaltsverzeichnis

Schweiz - Italien

1.

Reisebericht 12.

05.

2005

 Wenn wir gewusst hätten, dass...
 

2.

Reisebericht 20.

05.

2005

 Das Lazarett
 

3.

Reisebericht 03.

06.

2005

 Die ersten 1000 Kilometer
Kroatien - Albanien

4.

Reisebericht 21.

06.

2005

 Croačia ižt wuncešchon...
 

5.

Reisebericht 01.

07.

2005

 HVALA HRVATSKA! Danke Kroatien!
 

6.

Reisebericht 16.

07.

2005

 Krasse Gegensätze
Kosovo - Istanbul

7.

Reisebericht 02.

08.

2005

 Ende Balkan, Asien in Sicht
 

8.

Reisebericht 31.

08.

2005

 Letzte Wochen in Europa
Türkei

9.

Reisebericht 11.

09.

2005

 Land und Leute
 

10.

Reisebericht 29.

09.

2005

 Maennerwelt
 

11.

Reisebericht 06.

10.

2005

 Der wilde Osten
Iran

12.

Reisebericht 28.

10.

2005

 Gemischte Gefuehle
 

13.

Reisebericht 21.

11.

2005

 Ello Misteeeer
 

14.

Reisebericht 03.

12.

2005

 Iran zum Letzten
Pakistan

15.

Reisebericht 21.

12.

2005

 Assalam Alaikum
Indien

16.

Reisebericht 19.

01.

2006

 Freude herrscht!!!
 

17.

Reisebericht 10.

02.

2006

 Nur die Kühe sind heilig!
  18.Reisebericht 26.02.2006  Dem Meer entlang
  19.Reisebericht 29.03.2006  Zur Spitze geradelt
  20.Reisebericht 20.04.2006

 Ein Jubilaeum jagt das Andere!

Pakistan-KKH 21.Reisebericht 14.05.2006  Hoehen und Tiefen oder Highway To Hell!
  22.Reisebericht 26.06.2006  Der letzte Monat im Muslim-Country
China-Tibet 23.Reisebericht 17.07.2006  Willkommen im Land der Wundernasen
  24.Reisebericht 13.08.2006  Jeden Tag Action!
  25.Reisebericht 29.08.2006  Lhasa und das Drumherum
  26.Reisebericht 21.09.2006  Die letzten Kilometer in Tibet
Nepal 27.Reisebericht 10.10.2006  Grosses Pech
  28.Reisebericht 01.11.2006  Die letzten Tage in Asien
Schweiz 29.Reisebericht 20.12.2006  Das Wechselbad der Gefühle
     

 

1. Reisebericht 12.Mai 2005

Wenn wir gewusst hätten, dass...

... wir immer hinter einen Baum müssen zum Wasserlösen
... wir die einzigen Velofahrer sind, die gegen den Wind fahren
... wir den Baulärm auf der Schweizerseite des Rheins auch auf der Deutschen Seite hören
... es in der Nacht eisig kalt wird
... uns der Schwan den Waschplatz streitig macht
... uns der Eisenbahnlärm mitten in der Nacht aus den Träumen reisst
... sich Mäsi im kalten Rhein waschen muss
... das Essen in Deutschland auch nicht mehr so günstig ist wie es mal war
... wir ohne Fischerrute den Fischen nur beim Springen zuschauen, sie aber nicht braten können
... wir schon nach 6 Tagen eine Pause brauchen (mehr darüber im nächsten Reisebericht)
... der Rhein so lange ist
... wir beim Velofahren schwitzen
... es im Mai immer noch so kalt ist und oft regnet
... uns die Bauern nicht auf ihrem Land zelten lassen
... es sowieso so weit bis nach Indien ist

... hätten wir wo anders gebucht!

Nichts desto Trotz, uns gefällts!

PS 1: Was haben wir mit einer Schnecke gemeinsam? Auch wir haben immer unser Haus dabei ;o)

PS 2: Wir waren zu diesem Zeitpunkt in Balm, Deutschland, kein Internetcafe weit und breit...

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

M&M's Fotos Nr.1

 

2. Reisebericht 20. Mai 2005

Das Lazarett

Ja, beim 1. Reisebericht wars uns noch zum Lachen und die Ironie nahm kein Ende. Aber das Lachen verging uns schnell und wir mussten schon alle Joker ziehen die wir uns für später aufbewahren wollten. Zuerst der Reihe nach:

Alles war perfekt: Die Abschiedsparties, die Begleitung und der Support während der ersten Tage und sogar die Sonne wärmte uns wenigstens am Tag ein paar Stunden auf.
Dem Rhein entlang genossen wir die Ruhe und das Leben der Natur, wir fuhren unseren eigenen Rhythmus und stellten unser Zelt auf, wo es uns passte.
Bis Maja's linkes Knie eine Pause brauchte. Noch nie hatte Maja Probleme mit den Knien aber jetzt reagierte es wohl auf die Anstrengungen und das kalte, nasse Wetter der ersten Tage, obwohl wir nie dachten es könnte zuviel sein. Doch nach 6 Tagen und 330km war eine Pause sowieso angebracht. Weit weg von der Zivilisation stationierten wir unser Zelt direkt am Rhein und blieben drei Nächte. Beim Grillieren, Wäsche waschen und Wäscheleine spannen, beim Haare waschen und lesen konnten wir uns ablenken. Und Marcel verwöhnte und entlastete Maja wo immer es ging. Die zwei Sonnentage nutzten wir auch um die Fischreiher, Enten und Schwäne beim Starten und Landen zu beobachten, die uns wie Haustiere ans Herz gewachsen sind. Ein weniger freundliches Haustier klaute uns in der Nacht Käse und Krackers....

Leider hat die Pause nicht den erwünschten Zweck erfüllt, so konsultierte Maja am Pfingst-Sonntag den Dökti in Romanshorn mit der Diagnose: 2 Wochen Velo-Fahr-Pause wegen einer Sehnenansatzentzündung am linken Knie: SCHOCK! Die Haare standen uns sogar unter den Velohelmen zu Berg! Wir quartierten uns auf einem nahegelgenen Zeltplatz ein und überlegten wie es weiter gehen soll. Wäre es doch schön warm, dann könnten wir uns am Bodensee niederlassen, aber bei diesem Rheuma-Wetter kann Maja's Knie nicht gesund werden. Nach einer fast schlaflosen und eiskalten Nacht wollte dann auch Mäsi mal für eine Schlagzeile sorgen und holte sich beim Essen eines nicht ganz durchgekochten Ei einen gewaltigen Durchfall (wer isst schon ein fast rohes Ei?) Nun wars schon fast perfekt, aber es kam noch besser:
Nach einigen Sitzungen fühlte sich Mäsi so geschwächt, dass er mit mir im Zug nach Feldkirch fuhr und wir eine Nacht in einer Jugi verbrachten. Hier entschieden wir dann den 1. Joker einzusetzen: ein gutes Hotel mit Schwimmbad, mit dem Zug erreichbar.
Endlich einmal definitiv aus der Schweiz raus, wurden wir sofort mit der Velo-Transport-Unfreundlichen ÖBB bestraft. Der arme, geschwächte Mäsi musste überall die Velos hochtragen und stürzte beim Aussteigen kopfüber mit dem schweren Fahrrad aus dem Zug. Ein anderes Mal musste er im unglücklichsten Moment eine Toilette aufsuchen und das Velo stürzt, die Passanten sind sauer, aber Hauptsache Mäsi ist erleichtert.
Eigentlich wollten wir ja mit den Velos eine Reise machen, damit wir dem umständlichen Zugfahren und dem Unterkunft im Internet suchen entgehen können.
In Tschagguns, im 4-Sterne-Hotel Montafoner Hof angekommen, waren die Sorgen schnell vergessen. Nach dem ersten Wellness-Erlebnis genossen wir das 5-Gang-Menu; Mäsi noch nicht mit vollem Appetit, dafür Maja wie wir sie kennen. Leider kehrte das Wohlsein in Minutenschnelle in Unwohlsein und Maja wurde das feine Znacht in hohem Bogen wieder los. Auch Mäsis Durchfall erreichte den Höhepunkt und wir zwei wechselten uns während der ganzen Nacht auf der Toilette ab. Der absolute Höhepunkt war dann aber bei Mäsi die Diagnose Salmonellen. Während eine Infusion in seinen Arm tröpfelte, kämpfte Maja im Hotel mit Fieber.
Statt dem guten Z'Morge-Buffet und dem 5-Gang-Menu verpflegen wir uns mit Zwieback, Bananen und Cola. Aber es kann jetzt nur noch besser kommen...!

Und das wird es auch!

PS 1: In Mäsi's Dickdarm besprechen sich die Salmonellen: Sagt die eine: "Komm wir machen ein Wettrennen wer zuerst unten raus ist". Sagt die andere: "Geht's dir noch gut? Das scheisst mich an!"

PS 2: Wir sind noch nicht dort wo wir eigentlich sein wollten, aber es ist auch hier schön!

Liebe Grüsse und Achtung vor den Drei-Minuten Eiern!

  Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

 

3. Reisebericht 3. Juni 2005

Die ersten 1000 Kilometer

Es geht aufwärts! Das spürten wir bereits am Samstagmorgen nach unseren Magendarmstörungen. Nach einem königlichen Frühstück im Montafoner Hof lernten wir Schurle Rhomberg und Franz Kuster kennen. Zwei Urgesteine des Montafonertals. Spontan luden Sie uns in Schurle's Jagdhütte Gafluna, im tiefen Silbertal, ein, wo wir während zwei Tagen vollkommen gesund werden und unsere Speicher mit Rehgulasch, Schinkenspeck, Wein, Bier und Caipirinha wieder füllen konnten. Zwischen Hirschgeweihen und Fuchsfellen fiel manch guter Spruch! Danke Euch allen für die tolle Zeit, ihr seid einmalig!

Nachdem sich Maja´s Knieschmerzen gebessert haben, wagten wir einen Neuanfang und fuhren via St. Anton und Reschenpass ins Südtirol. Nun sind wir also in Italien. Das spüren wir nicht nur an den Strassen die holpriger sind, sondern es ist alles deutsch und italienisch angeschrieben, über Mittag sind alle Geschäfte länger geschlossen; die Siesta lähmt die Dörfer. Die Speisekarte verändert sich wie auch die Häuser und jedes Dorf hat seine spezielle Kirche, oder zwei... Auf jeder Erhöhung steht eine Burg oder ein Schloss, doch das Wurstel bleibt zum Glück dasselbe.
Wir geniessen die Abfahrt durch Weinberge und Apfelplantagen und steuern Richtung Meran, wo wir das erste Mal richtig schönes und heisses Wetter hatten. Nun ist "la dolce vita" angesagt: Genüsslich Gelati schlecken, durch die schönen Strassen und Lauben schlendern, einheimischen Wein degustieren und nach Pizza und Pasta Tiramisu´ essen!
Wir wollten mehr davon und somit war die weitere Reiseroute gegeben mit Ziel: Venedig!

Via Bozen fuhren wir nach Brixen wo wir von einem Gewitter überrascht wurden. Es war schon spät also entschieden wir uns ein Zimmer zu suchen, anstatt weiterzufahren und irgendwo unser Zelt ins nasse Gras zu stellen. Mäsi meinte: "Komm, wir wenden Trick 77 an und fragen beim Pfarrer um ein Bett". Beim Dom standen wir dann und warteten bis der Regen vorbei ist, schon schickt uns der Himmel einen Engel, aber ohne die Hilfe des Pfarrers: Herbert! Er interessiert sich sehr für unsere Reise und lädt uns spontan ein bei ihm zu übernachten (nachdem auch seine Frau Irmgard ihren Segen dazu gab!). Die Zwei haben uns dann auch noch kulinarisch verwöhnt und wir danken Ihnen ganz herzlich dafür. War schön Euch kennenzulernen.

Bei höchstem Sonnenstand fuhren wir am Sonntag los Richtung Bruneck. Schon nach drei Kilometern in der brütenden Hitze schwörten wir uns, nie mehr zur Siestazeit zu fahren. Um die Pause sinnvoll zu gestalten, verpflegten wir uns mit einer "Jause": Wurstel und Käse, Schüttelbrot mit Kümmel und Fenchel, Schinkenspeck, Gemüse und viel Schoggi. Etwa so oder regional angepasst sieht unsere Jause (=Zwischenverpflegung gross = 1x pro Tag) immer aus. Wenn möglich schalten wir aber noch eine Kaffee- und Kuchenpause ein; die Südtiroler Torten darf man sich nicht entgehen lassen! Wir fahren zwischen 2 und 5 Stunden pro Tag, also müssen die Speicher regelmässig gefüllt werden. Dazu gibts ein reichhaltiges Frühstück, zwei weitere Schoggi- und Riegelpausen und natürlich das Znacht mit Dessert! Soviel als kleiner Ausschweifer zur momentanen Verpflegung.


Der Radweg bis Toblach ist sehr schön, geht immer hoch und runter und somit auch in die Oberschenkel und an die Pumpe. Aber die Sicht auf die wunderschönen und imposanten Dolomiten lassen uns schwere Beine und Hunger vergessen. Aber nicht Maja´s Geburtstag. Den feierten wir mit lauwarmem Prosecco. Dafür gabs eine warme Dusche auf dem Campingplatz, Holländer vom Caravan nebenan die Happy Birthday sangen und Mäsi der mit dem Benzinkocher ein super Menu kochte. Und zur Krönung schenkte uns der Herrgott ein gewaltiges Dolomitengewitter das gleichzeitig wiedermal unsere Velos blitz und blank reinigte!
Da wir bis Toblach schon einige Höhenmeter geleistet hatten, war dann der Pass, auf dem Weg nach Cortina d´Ampezzo, nur noch Genuss. Die Dolomiten mit den drei Zinnen begeisterten uns sehr und wir konnten nicht genügend Fotos machen.
Wir schafften es gerade noch nach Cortina, als uns ein Gewitter einholte, das sich zusehends wie in einem Hexenkessel zusammen gebraut hatte. In der Kirche vor dem Regen Zuschlupf suchend, werden wir uns bewusst, wie schön wir es eigentlich haben. Wir dürfen so nah die Natur erleben, uns Zeit nehmen um sie zu spüren und natürlich zu fotografieren. Wir können unseren eigenen Rhythmus leben, in Abhängigkeit mit dem Wetter, aber das gehört für uns ganz einfach dazu. Nach jedem Tief kam wieder ein Hoch, in jedem Sinn, und gab uns immer mehr die Sicherheit, dass wir das Richtige machen. Wir fühlen uns sehr wohl auf dieser gemeinsamen, spannenden Reise mit unbeschreiblichen Abenteuer und Erlebnissen!

Da unser Ziel am Meer liegt, verabschieden wir uns während der Fahrt ins Tal von den Bergen und fahren langsam ins flach werdende Norditalien. Vorbei an verfallenen Häusern und Industrie, riesigen Autobahnbrücken und endloser Fläche kam uns ein italienischer Feiertag entgegen und wir radelten auf fast leeren Strassen was das Zeug hielt nach Venedig. Maja wurde von den entgegenkommenden männlichen Radgruppen frenetisch gefeiert.

Eigentlich wollten wir unbedingt ein Foto von uns mit dem Velos auf der Piazza San Marco machen, aber nachdem wir die Fahrräder über drei Brücken mit Treppenstufen gestossen, getragen und gezogen haben und das bei sommerlich heissen Temperaturen, haben wir aufgegeben. Wir hätten mindestens hundert Brücken überqueren müssen, aber mit unseren schweren Pferden ist das unmöglich! Wir zogen mit unseren schwer beladenen Bikes mitten in Venedig die Blicke auf uns; einige gratulierten und staunten, andere belächelten uns und denken zu wissen, dass Indien ja gar nicht per Landweg erreichbar ist... Ein paar starke Italiener trugen Maja dann das Velo über die Brücke, Mäsi bekam Hilfe von einem Amerikaner :o)

Das Hotelzimmer bezogen und frisch geduscht genossen wir "la dolce vita" weiter und spazierten, zur Abwechslung, stundenlang durch die Gassen und bestaunten die Geburtsstadt von Marco Polo, dem grossen Entdecker! Und wir feierten ausgiebig die ersten 1000 Fahrrad-Kilometer! Prompt mitten in Venedig wechselte der Kilometerzähler von 999 auf 1000! Wow, für uns ein wahnsinnig tolles Gefühl!

Nun gehts ans Meer; knackig sind wir schon, jetzt fehlt nur noch die Bräune...!

PS 1: Italienisch mit Mäsi: Ciao ragazzoni, tutto basilikum? (Für Fortgeschrittene: tutto pesto?)

PS 2: Wir sind im Internetcafe, 2. Strasse links, über die Brücke, dann rechts in die kleine Gasse, an der Kirche vorbei über den grossen Platz, das 3. Haus rechts im Hinterhof. Kommst du auch?

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

Bilder Reisebericht 3

 

4. Reisebericht 21.Juni 2005

Croačia ižt wuncešchon...

Getrieben von der Freiheit und dem Durst nach mehr Abenteuer sind wir bereits weitere 600 km gefahren und geniessen jeden Tag aufs Neue. Meistens in voelligem Gefuehl der Unabhaengigkeit und den Erinnerungen an schoene Begegnungen, manchmal unter der Last der bruetenden Hitze und dem Gestank der Motoren.

Seit mehreren Tagen geniessen wir die Sonne entlang der kroatischen Kueste und haben uns braeunen lassen. Aber sehr unregelmaessig! Man kennt ja die Radfahrerstreifen an Oberarmen und Oberschenkel und die lassen den Bauch noch weisser erscheinen als er wirklich ist!

Venedig haben wir per Faehre verlassen. Noch einmal geniessen wir den Blick auf die schoenen Haeuser und San Marco. Wieder auf dem Festland fuhren wir via Jesolo und Caorle nach Trieste. Unterwegs konnten wir bei einem Gemuese- und Fruechtehaendler endlich mal das Gewicht der Raeder wiegen lassen und zogen damit die Aufmerksamkeit aller Angestellten und Kunden auf uns. Tigi, Marcels Rad wiegt satte 75 kg und Majas Elif 55 kg. Je nach dem wieviel Essen und Getraenke wir beladen haben kommen noch bis 5 kg dazu. Jetzt ist uns auch klar, weshalb wir bergab so schnell sind und bergauf stark gebremst werden. Hoffentlich schreckt das Gewicht jeden ab, der das Rad stehlen will. Ein Dieb muesste schon die Kraft eines Schwarzeneggers und die Geschicklichkeit eines Seiltaenzers haben, wenn er mit unseren Fahrraedern davon fahren moechte! Wenn man alle Radfahrer in verschiedene Gruppen aufteilen wuerde, gehen wir unter die LKW-Fahrer. Marcel als 40 Toenner, Maja als 28 Toenner.

Von Trieste aus haben wir mal ohne Gepaeck einen Ausflug gemacht und die Škocjanske Tropfsteinhoehlen in Slowenien besucht. Es war richtig toll, einmal ohne die ganze Last zu fahren und die 56 km und einige Hoehenmeter so ungewohnt leicht hinter uns zu bringen. Wir waren aber auch froh, dass wir nicht mit dem voll beladenen Rad auf den slowenischen Patchwork-Strassen fahren mussten, die uns komplett durchgeschuettelt haben. Auch der ganze slowenische Kuestenabschnitt war nicht sehr fahrradfreundlich und auch die Autofahrer sind respektloser, ja sogar gefaehrlicher als in den Laendern zuvor.

Die Hoehle war fantastisch. Im Anfangsteil hatte es blumenkohlartige Stalakmiten in riesigen Hallen, weiter hinten eine unterirdische Schlucht mit einem wilden Fluss der jahrtausendelang wunderschoene und einzigartige Formen in das Gestein gewaschen hat. Wir waren einmal mehr sehr fasziniert von der Kraft der Natur die ohne menschliches Einwirken so vollkommen ist.

Nach einer Nacht auf einem slowenischen Zeltplatz ueberquerten wir die Grenze nach Kroatien, das 6. Land auf unserer Reise. Seit Slowenien ist fuer uns viel mehr fremd und unbekannt. Erstens die Sprache und die Schrift die wir absolut nicht mehr verstehen, ausser in den Trouristenorten wo fast jeder deutsch oder englisch spricht. Und auch die Kultur die uns sehr interessiert und uns dank den alten Bauten und den Ueberresten aus der Roemerzeit, wie das Amphitheater in Pula (Istrien) begeistert. Weiter ist die Waehrung fuer uns unbekannt, SIT in Slowenien und KUNA in Kroatien. Nachdem wir einige Male uebers Ohr gehauen wurden, haben wir aber jetzt das Umrechnen im Griff!

Einerseits suchen wir das urtuemliche Kroatien und moechten uns von den anderen Touristen unterscheiden und entfernen, anderseits sind wir froh wenn jemand sprachlich versteht, was wir wollen und wir unsere Reisefazination mit anderen Globetrottern teilen koennen. Fast auf jedem Camping haben wir bis jetzt ganz tolle Begegnungen erlebt und jeder hilft jedem. Weil die Nachbarn in Pula nicht zusehen wollten, dass wir zum Essen auf dem Boden sitzen muessen, haben sie uns ganz spontan Tisch und Stuehle und sogar ihre Elektroherdplatte zur Verfuegung gestellt. Oder wir werden zum Apero eingeladen oder koennen bei jemandem Kaese und Butter in den Kuehlschrank stellen. Die ersten 5 Wochen hatten wir nie ein Temperaturproblem, da es ausser in Meran nie richtig heiss war. Wir brauchten noch jeden Abend eine dicke Jacke. Erst seit Kroatien ist es sommerlich heiss und wir muessen unsere Einkaufsliste dem Wetter anpassen.

In Zadar entschlossen wir uns, eine von den 1165 Inseln Kroatiens zu beradeln: Dugi Otok, 50 km lang und unterschiedlich breit mit einer Strasse von Sueden nach Norden. Wir starten im Sueden und besuchen den Nationalpark Telašc'ica, da wir dort unter anderem den Silbersee aus dem Winnetoufilm umwandern koennen. Wir muessen noch sagen, dass Kroatien sehr huegelig ist und wir nur noch rauf und runter fahren. So auch auf dieser Insel, einmal mehr waehrend der Mittagszeit. Wir kurven von Bucht zu Bucht und setzen uns dann ganz hungrig ans Meer wo wir waehrend dem Essen die Segeljachten bewundern. „Weht dort nicht eine Schweizer Fahne?“ Nach der Verdauungspause genossen wir den Sprung ins kuehle und wunderschoen klare, tuerkisfarbene Wasser und schwammen Richtung Schweizer Jacht. Nach unseren „Hopp Schwiiz“-Rufen wurden wir auf der PRESENT herzlich von Rolf und Eva aus Muenchenstein BL begruesst. Sie waren echt ueberrascht ueber den Besuch aus dem Wasser und wir von ihrer spontanen Gastfreundschaft auf ihrer Traumjacht, die seit drei Wochen und fuer mehrere Jahre ihr Zuhause sein wird. Sofort erzaehlten wir einander unsere Projekte.

Bevor wir uns spaeter noch zum Biertrinken treffen, umwandern wir den Silbersee und stellen uns Winnetou vor wie er den Schatz sucht. Wir sind fasziniert von der Gegend und der wilden Natur. Die Waelder sind sehr dicht und die Buschlandschaften stachelig. So wird es fuer uns auch sehr schwierig einen Platz fuers Zelt zu finden. Da uns der Parkwaechter bereits gesagt hat, dass man beim Silbersee nicht campen darf, muessen wir uns etwas weiter weg einen guten Platz suchen, wo wir nicht zu sehen sind. Den finden wir auch und wir fuehlen uns wie Winnetou der im Versteck lauert und die Cowboys nichts ahnend an ihm vorbeiziehen.

Nach einer unglaublich ruhigen Nacht sind wir auf der Present zum Fruehstueck eingeladen. Danke vielmals Eva und Rolf fuer die tolle Bekanntschaft. Wir sehen uns bestimmt wieder!

Nach einem weiteren Schwumm im Meer fahren wir Richtung Norden. Schon bald sehen wir rechts und links aufs Meer und die Fahrt ist, abgesehen von der Tropenhitze, fantastisch! Ueberhaupt keinen Verkehr und eine geniale Aussicht aufs Meer und die vielen Inseln, die satten gruenen Waelder und die malerischen Doerfer. Wir verbringen zwei weitere Naechte wild auf der Insel und haben das Gefuehl, dass wir niemanden stoeren und uns auch niemand sieht. Diese Insel ist ein echter Geheimtipp fuer alle die gerne Natur und wunderschoene Steinstraende haben und mit dem Fahrrad: perfekt!

PS 1a: Pas ili macka?

PS 1b: Kroatien ist sehr duenn besiedelt. Oder wohnen die woanders...?

PS 2: Momentan sind wir auf einem Zeltplatz in Seline beim Paklenica National Park und machen einen Ruhetag, das heisst Maja schreibt den Reisebericht und waescht die ganze Waesche einmal mehr von Hand. Marcel repariert die Fahrraeder, ist doch schon einiges reparaturfaellig: der Fronttaschenhalter, der Kilometerzaehler, die Lichtkabel, die Ketten reinigen und oelen,... Auch hier haben wir eine tolle Bekanntschaft gemacht. Ein Hobbytueftler, der sogar den Loetkolben dabei hat und Marcel Tipps gibt und Tricks zeigt und ihn zum angehenden Velo-Reparatur-Tueftler ausbildet. Danke Sepp!

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

Bilder Reisebericht 4

 

5. Reisebericht 1. Juli 2005 (bereits 3 Monate verheiratet!)

HVALA HRVATSKA! Danke Kroatien!

Eigentlich bevorzugen wir das wilde Campen. Irgendwo an einem schoenen Platz das Zelt aufstellen, mitten in der Natur wo nur die kleinen Viehcher wie Muecken, Ameisen und Wespen Feinde sind (die anderen haben Angst vor uns...), Abends zirpen die Heuschrecken, am Morgen werden wir mit Vogelgezwitscher geweckt. Unser Zelt ist unser Daheim, wir richten es genau so ein wie und wo es bequem ist und langsam sind wir sehr geuebt und ein eingespieltes Team beim Aufbauen. Die Toilettengaenge sind komfortabel, es stinkt nie und keiner macht das Licht aus, wenn er die Toilette verlaesst und wir noch sitzen.
So passiert es manchmal auf den Campingplaetzen. Auch hoert man nie den Nachbarn schnarchen wenn man irgendwo zwischen Bueschen und Graesern schlaeft. Wir finden natuerlich nicht ueberall einen Platz zum Wildcampen und manchmal ist es auch schoen wieder mal eine Dusche zu haben. Dann gehen wir auf einen Campingplatz und meistens haben wir tolle Bekanntschaften gemacht mit den Platznachbaren. So auch wieder in Seline beim Paklenica National Park. Nicht nur der Campingplatz war schoen weil er direkt am Meer liegt, auch die drei Paare aus Oesterreich, die wir hier kennenlernten, haben uns dazu bewegt 5 Naechte zu bleiben. So waren wir waehrend diesen Tagen, neben dem Plaudern, Velo flicken, schreiben und lesen, auch oft im Meer und haben eine 7-stuendige Wanderung durch die gewaltigen Schluchten im Paklenica NP gemacht. Obwohl uns beim Velofahren immer die Oberschenkel brennen, wir uns aber bereits recht fit fuehlen, spuerten wir danach alle die Muskeln, die wir beim Radeln nicht so brauchen.

Kroatien hat viele unterschiedliche National Parks. So besuchten wir auf unserem weiteren Weg nach Osten den Krka National Park. Hier hat es unzaehlige, groessere und kleinere, Wasserfaelle, verschiedene Seen und Schluchten gefuellt mit Suesswasser aus den Bergen. Die Paklenica dagegen enthaelt nur nach der Schneeschmelze im Maerz und April Wasser und war nun trocken. Beide Naturschutzgebiete waren voller Schmetterlinge in verschiedenen Farben, Groessen und Formen. Wir sahen grasgruene Echsen und meterlange Schlangen. Die steilen und hohen Kalksteinfelsen im Paklenica NP sind ein Paradies fuer Kletterer. Marcel bekam beim Hinsehen traenende Augen!

Da wir einerseits genug hatten von den viel befahrenen Strassen und andererseits einmal das Landesinnere erleben wollten, steuerten wir durchs Land auf Nebenstrassen Richtung Split.
Seit Zadar sind die Spuren vom Krieg deutlich zu sehen. Einschussloecher in den Haeusern und verlassene Doerfer, Tafeln die vor Minen warnen und eingestuerzte Bruecken. Oftmals fahren wir ueber Schotterstrassen die gerade renoviert werden oder noch das Geld fehlt um sie fertig zustellen. Hier getrauten wir uns dann nicht mehr wild zu campen und fragten einen Bauern um einen Platz auf seinem Feld. Nachdem wir uns endlich, mit Haenden und Fuessen, verstaendigen konnten, wurde uns ein Platz zwischen freilaufenden Huehnern zur Verfuegung gestellt und wir wurden sofort zum Kava (Kaffee) und selbstgebranntem Schnaps eingeladen. Die Unterhaltung war recht lustig, keiner verstand den anderen und doch fuehlten wir uns verstanden. Unser Begegnungsbuch mit der Reiseroute hilft uns in diesen Situationen weiter und nun haben wir auch noch einen Eintrag auf kroatisch.
Als wir am Morgen danach um halb sieben aufstanden, hing bereits ein geschlachtetes Lamm kopfueber im Hof und eine aeltere Frau spaziert mit einem Kessel voller Pfirsiche auf uns zu. Sie moechte uns gerne ein paar mitgeben, denken wir! Aber nachdem wir zaghaft ein paar genommen haben, verfaellt sie in einen Rederausch und fuellt uns voller Euphorie alle Taschen die offen stehen. Mit Mueh und Not koennen wir sie bremsen ohne sie zu beleidigen. Ihr Kessel ist nun halb leer und voller Stolz verlaesst sie uns wieder. Wir sind wie gelaehmt von dieser Begegnung und der Grosszuegigkeit dieser Menschen. Sie wird uns noch lange in Erinnerungs bleiben. Nicht nur wegen der 32, zum Glueck noch harten, Pfirsichen, die wir nur mit grosser Cleverness verstauen konnten, sondern auch wegen der Gastfreundschaft die wir auch 10 km weiter entfernt erleben durften. In einem vom Krieg deutlich gezeichneten Dorf hat uns ein aelterer Herr auf der Strasse angesprochen und uns zu sich zum Mittagessen eingeladen. Seine Frau tischt uns in der dunklen und spaerlich eingerichteten Kueche selbstgemachte Wurst, Kaese und Brot auf. Der Mann und der Sohn reden ununterbrochen und wiederholen staendig die wichtigen Woerter, aber sorry, kein Wort verstanden! Wir bedanken uns indem wir von ihnen Fotos machen. Sie stehen naemlich gerne Modell. Zum Abschied gibt er uns noch einen halben Laib Kaese mit; unglaublich! Die naechsten Kilometer fahren wir mit einer riesigen Dankbarkeit. Sie haben selber nicht viel und wollen uns trotzdem etwas mitgeben - Wir West-Europaeer koennen noch viel von ihnen lernen! Marcel, der Pfirsichtransporter, meint:" Das geschenkte Essen wiegt leicht, weil es von Herzen kommt!"

Wir sind begeistert und positiv ueberrascht von Kroatien, vorallem von der Region Dalmatien. Das kristallklare Meer, idyllischen Buchten, huegelige Landschaften, die zahlreichen, spannenden Inseln und die wahre Gastfreundschaft abseits der Touristenorte haben uns beruehrt. Als negativ zu erwaehnen ist das ungeloeste Abfallproblem. Jeder Kroate (und vielleicht auch Tourist) schmeisst seinen Abfall in die Natur. Kuehlschraenke und Waschmaschinen liegen in den Strassenabgruenden; weiterer Muell wird achtlos in den Wald geworfen. Das Geld wird lieber in den Autobahnbau investiert anstatt Verbrennungsanlagen zu bauen. Soeben haben sie eine neue Autobahn eroeffnet damit die reichen Leute aus Zagreb das Ferienhaus am Meer schnell erreichen.

Wir hoffen, dass Kroatien seinen wahren Schatz bald erkennt und behuetet!

PS 1: Was ist der Unterschied zwischen Oetzi und einem intelligenten Schweizer? Oetzi haben sie bereits gefunden! (Danke Hermann aus dem Tirol fuer deine Einlage!)

PS 2: Damit wir die vielbefahrene Kuestenstrasse bis Dubrovnik umgehen koennen, entschieden wir uns fuer Inselhopping, denn die 20 km vom Vorort bis Split-Hafen haben uns gereicht, dass wir diesen Stress und die Gefahr nicht mehr haben muessen. Wir beradelten nun die wunderschoenen Inseln Hvar und Korčula und fahren nun via Dubrovnik zur Grenze Serbien-Montenegro. Von dort gehts dann weiter in den Kosovo zu Marcels Bruder Adrian und den KFOR-Soldaten.

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

Bilder Reisebericht 5

 

6. Reisebericht 16.07.2005

Krasse Gegensätze

Bei der Vorbereitung für unsere Reise haben wir uns vorwiegend mit dem Nahen Osten, sprich Türkei, Iran und Pakistan, beschäftigt. Mit Europa, das nur cirka ein Viertel der Reise ausmacht, sehr wenig. Wir haben fast keine Reiseführer gelesen, noch haben wir welche dabei. Wir reisen von Tag zu Tag und fragen andere Reisende oder Einheimische, was man sehen muss. Oder wir bekommen einen Reiseführer ausgeliehen aus dem wir uns das Wichtigste rausschreiben können.

Was uns immer wieder empfohlen wurde war Dubrovnik. Und das zurecht, denn die Altstadt, mit der urtümlichen und voll intakten Stadtmauer, hat uns total begeistert. Wir sind die 2 Kilometer auf der massiven Mauer rund um „Stari Grad“ (alte Stadt) spaziert und haben die Aussicht über die Dächer, den Hafen und das Meer genossen, uns vorgestellt, wie die Wachen schon vor Hunderten von Jahren von hier oben die Stadt bewacht haben. Gleichzeitig hat uns erstaunt, dass fast keine Spuren von den serbischen Luftangriffen während dem Krieg 91/92 zu sehen sind, ausser dass fast alle Dächer renoviert sind. Dubrovnik wurde sehr schlimm verwüstet, aber davon ist heute fast nichts mehr zu sehen.
Wir verbrachten noch einen weiteren Tag und Abend in dieser wunderschönen, geschichtsträchtigen Stadt und erkundeten die vielen Gässchen, Plätze und die schmucken Restaurants.

Nach mehr als vier Wochen Kroatien überquerten wir die Grenze nach Montenegro und der Unterschied ist sichtbar. Hier wird neben der lateinischen Schrift auch kyrillisch geschrieben und die Einheimischen bekommen langsam die typischen Balkangesichtszüge. Da der montenegrinische Küstenabschnitt nicht sehr lange ist, sind die Strände viel voller und die Menschen scheuen sich nicht Seite an Seite zu liegen. Auch wir werden nach der ruhigen Siestazeit umzingelt und waren sehr dankbar, dass uns niemand auf die Füsse gestanden ist.

Seit Kroatien sind wir definitiv Exoten und die Leute gaffen unsere breiten Fahrräder an, bis wir ihnen mit einem Lächeln winken, dann winken sie uns lächelnd zurück. In Montenegro gibt es eigentlich nur noch einheimische Touristen, das heisst Montenegriner und Serben die ans Meer reisen und solche die im Ausland wohnen und hier ihre Familien besuchen. Das bemerkten wir erst, als wir viele Autos mit Schweizer Kennzeichen sahen, die Insassen aber weniger schweizerisch aussahen (wenn CH drauf, ist nicht gleich CH drin!)

In der Nähe von Herzeg Novi lernten wir einen Serben kennen der uns zum Kaffee einlud und dann mit uns und seiner Tochter um die Meereszunge bei Kotor radelte. Er, als passionierter Radfahrer, hatte natürlich einen riesigen Spass mit uns. So fuhr auch er einige Kilometer mit Marcels Velo und zeigte uns die Sehenswürdigkeiten und die guten Bäckereien. Wir konnten uns über Nacht in seiner Ferienwohnung einquartieren, so hatten wir viel Zeit zum Diskutieren. Es ist sehr interessant nach der kroatischen auch die serbische Meinung über den Krieg zu erfahren.

Der Grenzübertritt zu Albanien verlief für uns reibungslos, nur die Autofahrer warteten über eine Stunde bis sie abgefertigt wurden. Wir konnten mit den Rädern ganz locker die Kolonne überholen, yeah!
Nun waren wir in einer anderen Welt, um Jahre zurück versetzt. Und als Velofahrer eine Attraktion, dass die Kinder oftmals mitrannten oder uns mit ihren eigenen, quietschenden Fahrrädern ein paar Meter begleiteten. Die Kinder haben nie nach Geld oder anderem gebettelt, sie freuen sich über eine solche Abwechslung. Wir fühlten uns sehr willkommen und waren sehr positiv überrascht, weil uns einige vom Durchqueren von Albanien abgeraten haben, aufgrund der Kriminalität und Rückständigkeit dieses Landes. Wir mussten weder Angst haben, dass uns jemand etwas stehlen würde, noch störte uns das einfache Leben. Hier wird zum Teil noch mit Esel und Pferd Ackerbau betrieben. Die Gastfreundschaft ist riesig und kommt von ganzem Herzen, obwohl die Menschen hier sehr arm sind. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 70%, das ist natürlich spürbar.

Für die erste Nacht durften wir bei einem Weinbauer das Zelt hinter seine Reben stellen und ihre Dusche benützen. Wir waren beide schockiert, mit welchen primitiven sanitären Anlagen die Menschen hier leben müssen und trotzdem so zufrieden sind. Wir schämten uns fast mit unserem Luxus-Zelt, das uns zuverlässig vor Wind und Regen schützt, und dieser Unabhängigkeit, einfach gehen und leben zu können wie wir wollen. Die Jugendlichen träumen von der weiten, grossen Welt und wir sind uns nicht sicher ob sie sie jemals sehen werden. Oder ob es ihnen überhaupt gut tun würde unsere Heimat zu sehen, wenn sie nachher wieder zurück in das landschaftlich wunderschöne, aber wirtschaftlich rückständige Albanien gehen müssen.

Am Morgen wurden wir zum typischen albanischen Frühstück eingeladen und beim Abschied wurden wir umarmt und geküsst. Obwohl wir uns nie richtig verständigen konnten standen wir dieser Familie nah. So auch bei der nächsten Familie wo uns der Vater auf der Strasse angehalten und uns zu sich nach Hause eingeladen hat. Er hat 5 Kinder und wohnt in einem schönen Haus, wo wir sofort ein Zimmer mit einem Doppelbett zugewiesen bekamen. Er kann so wenig italienisch wie wir und trotzdem konnten wir sehr gut erzählen und uns austauschen. Wir erfuhren, dass er genug Arbeit hat, weil er sich sehr vielseitig engagiert. Er ist unter anderem Sportminister dieser Region und konnte im 2003 bei der ersten albanischen Expedition am Mount Everest teilnehmen. So haben sich Mäsi und er gefunden und vom Himalaya geträumt. Er zeigt uns alle seine Fotoalben und Auszeichnungen, seine Frau und Kinder verwöhnten uns mit feinem albanischem Essen.

Die Strassen in Albanien sind sehr schlecht, mit vielen Schlaglöcher oder sogar Kies. Für die erste hügelige Etappe brauchten wir mehr als 4 Stunden für 38 Kilometer. Bergauf extrem anstrengend, da es nur holpert und bergab ist kein Tempo möglich, weil alles schüttelt und wir den Löchern ausweichen müssen. Deshalb führte uns unser Gastgeber am nächsten Tag ein paar Kilometer mit seinem Ladewagen, bis der Belag etwas besser wurde. Wir hätten sonst unser nächstes Ziel, ein grösserer Ort, wo wir übernachten konnten, nie erreicht. Diese Autofahrt im albanischen Stil war ein weiteres abenteuerliches Erlebnis und wir waren froh, wieder mit unseren eigenen Pferdestärken fahren zu können.

Was in Albanien extrem auffällt, ist, dass hier eigentlich jeder einen Mercedes fährt. Und zwar den älteren, kantigeren Typ aus den 80er Jahren. Einige davon haben sogar immer noch einen CH- oder D-Kleber; wer weiss, wie diese Autos nach Albanien kamen... In der Strasse einer Kleinstadt haben wir 15 hintereinander parkierte Mercedes gezählt, dann kam ein VW und weitere fünf Mercedes. Auch die Lastwagen sind aus der Schweiz oder Deutschland. Sie sind immer noch mit der Werbung versehen wie z.B. ein ausgedienter Feldschlössli LKW oder alte Postautos, die hier noch lange dienen.

Auf dem weiteren Weg meisterten wir einige Höhenmeter, wir fuhren sozusagen durch die albanischen Alpen. Es gibt keine grossen Brücken also führt die Strasse dem Berg entlang hoch und runter, von einem Plateau ins Tal und wieder hoch. Wir bewältigten viele Serpentinen und bei der Talfahrt sahen wir schon die Nächsten. Albanien ist spektakulär, eigentlich ein echter Reisetipp, wenn man es gerne abenteuerlich hat. Die Landschaft sieht ähnlich aus wie in der Schweiz.

Innerhalb der letzten zwei Wochen durften wir nun drei Länder erleben die sehr unterschiedlich sind. Vom wohlhabenden, touristischen Dubrovnik, ins fremde und unantastbare Montenegro durchs spektakuläre und sehr gastfreundliche, einfache Albanien.

PS 1: Humor ist der Schwimmgürtel im Strom des Lebens!

PS 2: Wir sind noch im Kosovo und fahren bald weiter nach Mazedonien.

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

Bilder Reisebericht 6
 

7. Reisebericht 2. August 2005

Ende Balkan, Asien in Sicht

Nun sind wir im tiefsten Sommer angekommen: in Griechenland. Das Land der Olivenbaeume, Fetakaese, Moussakas, Souvlakis und wie sie alle heissen, die feinen griechieschen Spezialitaeten.
Die Hitze von ueber 50 Grad Celsius in der Sonne lockt uns jeden Morgen sehr frueh aus dem Zelt, ueber Mittag versuchen wir uns, im eigenen Schweiss liegend, etwas zu erholen und Nachts wuenschen wir uns eine Klimaanlage!
Doch was geschah bevor wir die Grenze ins Hellas-Land ueberschritten und die Uhr um eine Stunde vorstellen durften?

Wir ueberschritten die Grenze in den Kosovo. Wenn wir von den Leuten ueber unsere Reiseroute gefragt wurden, war der Kosovo immer als schlimmste Wahl in Europa verurteilt worden. Sogar ein Beamter in Bern hat uns davon abgeraten:'Wir haetten sicher schon am Zoll Schwierigkeiten.' Gefuehrt von unserem eigenen Gefuehl fuhren wir trotzdem durch Albanien und waren sehr gespannt was am Zoll auf uns zu kommen wird.
Wider aller Erwartungen begruessten uns sehr freundliche UN-Polizisten wie z.B. Thomas aus Deutschland. Sofort wurden wir zum Kaffee eingeladen und erfuhren, dass Polizisten aller Laender im Kosovo stationiert sind um die kosovarische Polizei zu unterstuetzen und auszubilden. Uns kam das sehr entgegen, waren doch alle sehr begeistert, dass zwei Tourenfahrer bei ihnen am Zoll vorbeifahren und erst noch nach Indien wollen. Wir fuhren mit ein paar weiteren Kontakt-Adressen und einem guten Gefuehl weiter in den Kosovo hinein.

Der Kosovo ist fuer die Serben das Herz des Landes, da es Landschaftlich wie Geschichtlich sehr interessant ist. Da sich nun aber die Albaner, die schon seit Jahrhunderten hier sesshaft sind, und die Serben nicht (mehr) verstehen, gibt es zwischen ihnen schon lange eine Feindseligkeit die 1999 mit dem Kosovokrieg den Hoehepunkt erreichte. Seither sind hier unzaehlig viele Polizisten und KFOR-Soldaten stationiert, die fuer Sicherheit und den Wiederaufbau sorgen. Die konstante Praesenz bemerkten wir auch, als wir in Prizren, der suedlichsten Stadt im Kosovo, in einem Strassenbeizli sassen, die Grillspezialitaeten probierten und eine Patrouille nach der anderen vollbewaffnet vorbeispazieren sahen.
Im Vergleich zu Montenegro und Albanien gehts dem Kosovo bedeutend besser. Einmal organisierten wir uns einen Chauffeur, der uns einen Tag lang, den Westen mit der eindruecklichen Schlucht im noerdlichen Teil, zeigte. Einen weiteren Einblick erhielten wir bei den Schweizer KFOR-Soldaten wo wir Adrian, Marcels Bruder, trafen. Ihre Aufgaben und die Organisation beeindruckten uns sehr. Und natuerlich war es sehr toll, wieder einmal Adrian zu sehen und ueber seine Witze lachen zu koennen.

Auf unserem Weiterweg nach Mazedonien fuhren wir ueber den Prevalac, ein wunderschoener, kurvenreicher und wenig befahrener Pass. Wir hoerten, dass auf der Passhoehe manchmal Zelte stehen, waren aber trotzdem erstaunt, als wir schon von Weitem so viele Zelte sahen. Dann, oben angekommen, standen wir Mitten in der Zeltstadt, die eher wie ein Fluechtlingslager aussah mit all den alten UNHCR-Zelten, uralten Wohnwagen und kleinen Camions, deren Ladeflaeche als Schlaflager diente. Und dann wir Mitten drin mit unserem North Face Zelt und ein Trubel Leute um uns herum. Hier verbringen also die Kosovo-Albaner ihre Ferien.
Beim Zeltnachbarn durften wir ueber Nacht unsere Raeder ans Bettgestell ketten. Auch sie sind sich der Diebstahlgefahr durch ihre Landsleute bewusst. Da wir aber sichtlich eine Attraktion waren, wurden wir von 1000 Augen bewacht und wir fuehlten uns sehr wohl. Fuer uns ein einmaliges Erlebnis.

Mazedonien durchquerten wir recht zuegig, da es sehr fahrradunfreundlich war. Es gibt wohl keine Abgaskontrollen, denn was die Wagen hier rauslassen ist absolute Zumutung. Maja wurde es einmal richtig uebel waehrend einer Fahrt bergauf. Dann hat es fast nur Autobahnen oder Schnellstrassen die wir zu meiden versuchten. Sehenswuerdigkeiten gibt es nicht sehr viele, schoen war der Lake Ohrid im Westen. Das ist der groesste, aelteste und tiefste See Europas. von hier aus ueberquerten wir einen weiteren wunderschoenen Pass der uns durch einen National Park fuehrte.

Bei der momentanen Hitze sind Paesse recht anstrengend. Die Emotionen wechseln von super schoen zu grausam brutal waehrend dem man den Berg hochklettert. Doch die wunderschoene Aussicht, die man auf der Passhoehe geniessen kann, und die rassante Abfahrt durch baumgesaeumte Alleen mit Blick auf die Landschaft die wir als naechstes durchradeln duerfen, belohnen die Muehe. Waehrend der Abfahrt denken wir oft, zum Glueck sind wir nicht diese Seite hochgefahren, denn man hat das Gefuehl dieser Aufstieg sei viel laenger da man Meter um Meter im Nu hinter sich laesst. Wir waehlen die Routen so aus, dass wir auf Nebenstrassen fahren koennen die verkehrsarm sind. Die fuehren aber meistens ueber einen Berg. Inzwischen haben wir schon einige Hoehenmeter geleistet, dass die Steigungen nun recht gut zu meistern sind. Wir sind bereits Turbo-Schnecken wenns ums bergauf fahren geht!

Griechenland ist definitiv unser haertestes Trainingslager bevor wir durch die Weite Anatoliens und spaeter durch die Wuesten Irans radeln werden. Der Strassenbelag ist makellos aber mit den steilen Strassen haben die Griechen nicht gespart. Wenn es hoch geht, dann richtig massiv, ohne den Gipfel des Huegels auszulassen. Kaum haben sich die Oberschenkel waehrend der Abfahrt erholt beginnt schon die naechste Steigung. Unser Schwung, dank des vielen Gepaecks, wird abrupt unterbochen und schon kriechen wir, wegen des vielen Gepaecks, wie Lastesel dem Strassenrand entlang Richtung naechstem Schattenplatz. Die Sonne geizt nicht mit Hitze und Braeune. Maja wuenscht sich zur Zeit nichts sehnlicher als eine Getraenkeflasche die stets mit eisgekuehltem Wasser gefuehlt ist. Marcel hingegen trinkt gerne heisses Wasser, wuenscht sich aber eine konstante Regenwolke vor der Sonne platziert; ohne zu regnen natuerlich!

In jedem Land informieren wir uns bei den Einheimischen ueber seine Geschichte. Nachdem im ganzen Balkan das Thema Krieg im Vordergrund gestanden hat, ist es hier die Geschichte von Philipp, dem Vater von Alexander dem Grossen, den Roemern, den Byzantinern und den Tuerken, die in Griechenland ihre Spuren hinterlassen haben. Die kann man teilweise noch heute sehen. So stehen wir in Mitten eines Amphitheaters und stellen uns vor, Marcel ist der Gladiator und Maja der Loewe; wer gewinnt?

PS1: Maja natuerlich! Nein, Marcel, was meinst du denn? Nein, Frauenpower...

PS2: Wie jeden Abend suchten wir auch letzten Sonntag einen kuscheligen Platz fuer unser Zelt. Peter, ein Deutscher, der schon seit 17 Jahren in Griechenland lebt und seine Frau Efi, eine echte Griechin, haben uns ganz spontan ein kuscheliges Plaetzchen im Garten unter einem Birnenbaum angeboten. Nach zwei Naechten und gutem Verhalten wurde uns nun sogar ein Bett im Haus zugewiesen; wir sind wirklich Glueckspilze! Efcharısto Peter, Efı und Jasonas (ıhr kleıner 4jaehrıger Sohn), wir sehen uns wieder! Wir muessen nun leider weiterfahren nachdem alles am Fahrrad wieder funktionstuechtig ist (die Griechen halfen uns beim Schweissen, Schleiffen, und wieder zusammen bauen), denn wir stecken in einem kleinen Nest in Nordgriechenland und sollten Mitte August in Istanbul sein, wo wir Joerg, Maja's Bruder treffen...

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

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8. Reisebericht 31. August 2005

Letzte Wochen in Europa

Ein paar Tage nachdem der letzte Reisebericht abgeschickt wurde, indem wir wegen dem sehr heissen Wetter jammerten, überraschte uns ein gewaltiges Gewitter und es kühlte ein wenig ab. Es goss in solchen Mengen, dass die griechische Kanalisation vollstaendig versagt und sich tiefe Lachen bildeten. Aber wir zwei Wetterfrösche haben frühzeitig reagiert und konnten vom Trockenen aus zusehen, wie die Autos das tiefe Wasser wegspritzten. Lieber sie als wir!

Nachdem wir ja bei und mit Efi, Peter und Jasonas ein paar tolle Tage erleben durften, fuhren wir durchs Landesinnere damit wir dem Ferienverkehr der Küste entlang ausweichen konnten. Die Türken, vorwiegend aus Deutschland, sind unterwegs in ihre Heimat. Meistens vier - fünf Autos rasen hintereinander sehr zielstrebig Richtung Osten.
Viel langsamer, aber nicht weniger zielstrebig, sind wir unterwegs. Langsamer vorallem wenn wir der Landkarte vertrauen und das Gefühl haben, wir kommen über die kleinsten Landstrassen im Nordosten von Griechenland problemlos vorwaerts. Waere gut möglich, wenn die Strassen asphaltiert und für nicht griechisch beherrschende Travellers beschildert sein würden. So fuhren wir im Zickzack und forderten unseren Kompass und die Nerven. Höhepunkt war eine Dreckschlacht, die klumpenweise an unseren Fahrradtaschen klebte und an allen erdenklichen Stellen die Bewegung blockierte, igitt! Dabei hatte sie Marcel zwei Tage vorher auf Hochglanz poliert. Nach ein paar Beruhigungsminuten war der Wille, den Dreck abzuwischen und den richtigen Weg zu finden, wieder komplett da und wir kamen spaeter sogar auf die richtige Strasse Richtung Alexandroupoli. Leider war das eine Zufahrtsstrasse zur Autobahn (auf welche uns alle Griechen immer schicken wollten) also blieben uns wieder mal nur die Nebenstrassen. Unterwegs holte uns der Hunger sowie die Müdigkeit ein und die hügelige Landschaft quaelte uns trotz wunderschöner Kulisse. Wie eine Fata Morgana sahen wir im naechsten kleinen Dorf einen Wohnwagen neben einem Haus stehen und sogar ein Auto mit österreichischem Kennzeichen stand davor. Nach freundlichen Hallo-Rufen luden uns Franz und Erika zu einem Bier ein und boten uns sogar den Wohnwagen als Schlafplatz an, wow! Wir werden von ihnen kulinarisch verwöhnt, am Abend füllt sich sogar die ganze Stube mit Freunden und Einheimischen um den Besuch zu begrüssen und über unsere wahnwitzigen Reiseplaene zu lachen.
Am naechsten Tag gehen wir zusammen ans Meer, Maja bleibt bei einer türkischen Familie am Strand, waehrend Marcel mit Franz im Meer nach Miesmuscheln taucht. Die gibts dann mit Öl und Knoblauch gekocht zum Znacht, dazu natürlich Ouzo!

Von Alexandroupoli aus nahmen wir die Faehre nach Samothraki und verbrachten auf dieser kleinen, gemütlichen Insel drei Ruhetage. Aus Zufall (oder doch Schicksal?) erholten sich auch Gabi und Susanne aus Basel auf der Insel. Als wir von der Besichtigung einiger Saeulen aus dem x. Jahrhundert vor Christus zu unseren Fahrraedern zurück kamen, begrüsst uns Susanne mit einem "Hoi zaemme" auf echt Baseldyytsch. Da staunten wir nicht schlecht, sass sie doch neben zwei vollbepackten Tourenbikes und wartete auf Gabi die auch die Saeulen bestaunte. Jetzt ging die Fragerei, das Velobestaunen und Fachsimpeln los. Zum Glück nahmen sie dieselbe Faehre wie wir so konnten wir uns gegenseitig Erlebnisse erzaehlen. Sie sind seit dem 2. April durch Frankreich und Italien gefahren, mit der Faehre nach Igoumenitsa und quer durch Nordgriechenland geradelt. Eigentlich wollten die M&M's nach Ankunft in Alexandroupoli direkt losradeln, aber wir entschieden uns dann mit Gabi und Susanne eine Nacht auf dem Campingplatz zu bleiben, Sardellen zu braten und am naechsten Tag zusammen über die türkische Grenze zu radeln. Wir wollen naemlich alle nach Istanbul, wieso denn nicht zusammen fahren?
In einer 4er-Kolonne, die Spitze wechselt sich regelmaessig ab, die anderen fahren im Windschatten, radelten wir mit vier Pferdestaerken und einem neuen Fahrgefühl, die letzten zehn Kilometer sogar über die Autobahn, in die Türkei hinein. Nach der Grenze campierten wir zwischen Sanddünen und Marcel und Gabi kochten ein feines Znacht. Mit zwei Kochern und sechs Pfannen laesst sich einiges machen!
Die naechsten sechs Tage bis Istanbul waren lustig und auch lernreich, wir konnten sehr gut voneinader profitieren. Natürlich lenkten wir die Aufmerksamkeit noch mehr auf uns: Ein Mann und sein Harem und alle auf Fahrraedern! Ein ziemlich komisches Bild, das sahen wir ihren Gesichtern an.

Am 17. August erreichten wir Istanbul nach stolzen 3700 Fahrradkilometern. Das war ein Erinnerungsfoto vor der Sultan Ahmed Moschee (blaue Moschee) wert!
Die folgenden zwei Tage machten wir uns mit dem hektischen Istanbuler Leben vertraut, lernten am Grand Bazaar richtig feilschen, erledigten und besorgten uns Notwendiges bis dann unser Besuch, Maja's Bruder Jörg und Katrin, eintrafen. Das Wiedersehen war wunderschön, sind doch schon dreieinhalb Monate seit dem Abschied in der Schweiz vergangen. Mit ihnen besichtigten wir alles Sehenswerte: Moscheen, Palaeste, die diversen Bazaars und assen uns durch die Welt der Kebabs. Da wir schon über eine Woche in der Türkei waren, kannten wir die türkische Mentalitaet schon ein bisschen und wir konnten unserem Besuch beim Einstieg in den Orient etwas helfen. Zum Schluss war sogar Jölle, der zu-gutmütige, ein guter Feilscher und ergatterte sich 12 Paar Nike-Socken für 14 Franken.

Istanbul ist eine gewaltige Stadt mit 16-20 Millionen Einwohner. Wo man hingeht, es wimmelt von Leuten die gemütlich Çay trinken oder enthusiastisch Diskutieren, alles erdenkliche fotografieren oder ehrfürchtig die Moscheen bestaunen. Sechs Mal pro Tag beten die Muezzins von den Minaretten, die Gesaenge vermischen sich in ein Wirrwarr voller Stimmen und Gefühle. Ein grausames Chaos herrscht auf den Strassen, überall sind Haendler die ihren Kram verkaufen wollen; wenn die Sonne scheint Ansichtskarten, beim kleinsten Regen Regenschirme. Die Verkaeufer können jede Sprache wenns ums Geschaeft geht; die Cleverness ist nicht an ihnen vorbei gegangen! Istanbul lebt!


PS1: Die Plumpsklos, welche hier die Grundausstattung einer Toilette darstellen, haben, wenn man sich erst daran gewöhnt hat, auch ihr Gutes: 1. man kommt nicht in Versuchung auf der Toilette die Zeitung zu lesen 2. man ist immer über das Geschehen im Darm informiert 3. wenns mal dreckig sein sollte (was es eigentlich immer ist) kann mit dem Schlauch nachgereinigt werden. Aber eines bleibt: der Gestank!

PS2: Waehrenddem Gabi und Susanne bereits Richtung Syrien radeln, Jörg und Katrin heil in der sauberen und organisierten Schweiz angekommen sind, haben wir den Kontinent gewechselt und fahren nun dem Schwarzen Meer entlang gen Osten... Marcels Eltern, Margrit und Peter, besuchen uns zur Zeit und, wie Jörg, waren auch sie eine "Filling-Station" mit Material und Energy Food aus der Schweiz. Nun sind Elif und Tigi noch schwerer, aber mit viel Gutem bepackt!

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

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9. Reisebericht 11. September 2005

Land und Leute

Istanbul haben wir mit der Fähre verlassen wie wir diese Weltstadt angesteuert haben, um den ganzen stressigen Verkehr bis in die Stadtmitte zu umgehen. Sogar Einheimische haben uns dazu geraten und das war eine gute Entscheidung, lernten wir doch noch die kleine Türkeli Adasi Insel im Marmarameer kennen, die als Party-Insel alle Istanbuler aus der Stadt zieht. Und kaum waren wir aus Istanbul raus und haben den asiatischen Kontinent betreten, bemerkten wir, dass auch hier, ca. 80km vom Stadtzentrum entfernt ein wunderschöner Ort liegt, der im Sommer pulsiert. In Sile, wunderschön am Schwarzen Meer gelegen, erholen sich die Istanbuler vom hektischen und lauten Leben in der Stadt.

Für uns ist es ein riesiger Schritt nun in Asien unterwegs zu sein, nachdem wir so viel darüber geredet und geträumt haben. Gerne hätten wir den Bosporus selber überquert, doch Fahrradfahrer dürfen die Brücke nicht selber überqueren. Schade, wäre sicher ein super Erlebnis gewesen, eine dieser zwei bombastischen Brücken überqueren zu dürfen. Unter uns die riesigen Frachtschiffe, die mit gewaltiger Kraft das Wasser vor sich herschieben und die kleinen Schiffe zum Schaukeln bringen. Daneben die Touristenschiffe und Fähren die tagaus tagein den Bosporus belagern um Sehenswürdigkeiten zu zeigen bzw. die Menschenmassen auf die andere Seite zu bringen.

Wir haben uns nun aber sofort wieder mit viel Verkehr, schlechten Strassen und rasenden
Busfahrern zu beschäftigen die uns das Radeln nicht sehr einfach machen. Wir wussten, dass die Küstenstrasse dem Schwarzen Meer entlang sehr hügelig und anstrengend ist, doch wenn nur die Strassen besser wären! Patchwork-Strassen oder Kieselbeläge schütteln uns durch und lassen die Arme fibrieren bis sie beissen. Die Gummis unserer Pneus werden abgeschafft, die Räder müssen die ganzen Schläge aushalten und uns sollte noch die Sonnenbrille auf der Nase sitzen bleiben. Nicht selten quälen wir uns im 1. Gang die Strasse hoch, neben uns quietschen die Reifen des Taxichauffeurs und die kleinen Kieselsteine spicken uns an die Beine. Wenn es regnet, was es hier an der Schwarzmeerküste öfters tut, füllen sich alle Schlaglöcher mit Wasser und wir müssen uns sehr konzentrieren, dass wir unsere Rösser um die Lachen herumsteuern. Wenn der Teer durch die Sonne aufgeheizt ist, wird er für uns klebrig, das bremst ganz gemein und man hat das Gefühl eine Platte zu haben. An vielen Stellen erneuern sie die Strassen, da fahren wir nur auf einer Piste. Jeder fährt wo es ihm passt und staubt und hupt uns ein. Vor allem bei Regen wird's richtig mühsam und der Schlamm klebt zwischen Felgen und Bremsklotz. Die seitlichen Abschlüsse der Strassen sind sehr ungenau und brüchig, oft gibt's keinen Platz für Fahrradfahrer, denn wer fährt in der Türkei schon mit dem Fahrrad?
Uns kann kein Türke verstehen, was wir mit dem Fahrrad hier machen. Fahrradfahren ist anstrengend, zu gesund und, da haben sie recht, sehr gefährlich. Jeder Türke weiss, dass die Türken schreckliche Autofahrer sind, deshalb würde er aber nicht anständiger fahren. Im Gespräch, unter Freunden und in der Familie ist jeder Mitmensch das Wichtigste, sie zelebrieren ihren Freundschaftssinn sehr intensiv, aber auf der Strasse ist jeder ein Feind. Diese Meinung haben wir, sie wohl nicht, denn sie haben sichtlich den Spass beim Fahren und zusehen wie uns die Wasserlache anspritzt!

Aber Achtung, es tönt alles viel schlimmer als es ist. Wir können es meistens mit Humor nehmen, sind langsam gewohnte Radfahrer und haben auch unsere Tricks. Und zwischendurch mal einem Autofahrer nach schreien tut auch gut! Der Spass am Radeln ist uns noch lange nicht vergangen, wir haben ja noch einige Kilometer vor uns, zum Glück.

Die erste Woche nachdem wir Istanbul verlassen haben, hatten wir unsere Reisebegleiter dabei, Marcels Eltern Margrit und Peter, die uns mit dem Auto begleiteten. Auch sie hatten mit diesen schlimmen Strassen zu kämpfen, das heisst nicht nur wir Radfahrer leiden. Zur Erleichterung konnten wir ihnen einen Tag lang das Gepäck abgeben, das war dann schon ein anderes Fahrgefühl, dafür hatte das kleine Auto seine Mühe.
Für uns war es das erste Mal, dass wir mit einer Begleitung unterwegs waren die nicht Fahrrad fährt. So war auch die Organisation viel schwieriger und die Rücksichtnahme von Peter und Margrit sehr gefordert. Sie haben das aber souverän und mit sichtlichem Einsatz gemacht obwohl es für sie nicht die erholsamen Ferien waren die sie eigentlich verdient hätten. Denn hier an der Schwarzmeerküste herrscht noch kein Tourismus, jedenfalls kein Ausländischer. Die Hauptwirtschaftszweige sind Kohle-, Erdöl- und Schiffsindustrie, das Wetter ist eher rau und wild und das Leben sehr einfach und teilweise noch ziemlich rückständig. Was aber nicht weniger interessant ist, konnten wir doch schon öfters die Haselnussernte beobachten. Trotzdem werden wir oft gefragt was wir hier überhaupt machen, denn logischerweise fallen wir auf, auch wenn wir schon recht gut den türkischen Akzent beherrschen. Wir mussten erfahren, dass es nicht in jeder Ortschaft ein Hotel hat und man nicht den Anspruch auf ein schönes Zimmer haben kann mit einem Standart, einer Sorgfalt und Sauberkeit wie wir es gewohnt sind. Dann kommt noch der Kulturwechsel dazu und die gemütliche Lebenseinstellung. Leider regnete es zu Beginn etwas heftig, dass auch wir ins Hotel ausweichen mussten; hier spürten wir dann den Budget-Unterschied, doch man leistet sich ja sonst nichts….Im Zelt schlafen können wir noch lange genug!

Da nun die Tage wegen des Sonnenstandes immer kürzer werden, müssen wir weiterhin unser Zeitmanagement sehr flexibel halten und täglich neu organisieren und Entscheide treffen. So wollte Maja um 17 Uhr noch ins Stadtzentrum von Karasu steuern, Mäsi bereits einen Zeltplatz suchen. Da wir aber noch ein paar Lebensmittel einkaufen mussten, gewann Maja die heutige Entscheidung. Während sie im Supermarket das Notwendigste einkauft unterhält sich Mäsi draussen mit einer Schar Männer, die sich zu ihm gesellt hat und interessiert die Fahrräder bestaunt. Als Maja dann raus kommt staunt sie nicht schlecht, steht doch ein Türke vor ihr der ihr sehr bekannt vor kommt und "Berndüütsch" spricht. Das gibt's doch nicht! Da sind Marcel und Maja ein Jahr lang die Aarbergergasse in Bern rauf und runter spaziert, haben täglich den Kebab-Take-Away-Stand passiert und gedacht, ja in der Türkei essen wir dann wohl nur noch Kebab und da steht er nun, Cengiz, der Pronto-Bar-Besitzer der hier in Karasu aufgewachsen ist und nun Ferien macht. Die Freude war riesig, der Zufall unglaublich, eine ganz verrückte Begegnung! Seiner Einladung hin folgend vergassen wir unser Zeitmanagement und liessen uns von ihm zuerst mit türkischer Kost, dann mit türkischer Glace und türkischem Cay verführen. Die Türken sind ja bekannt für ihre Gastfreundschaft und auch Cengiz wollte für uns nur das Beste! Zusammen mit ihm als Dolmetscher und seiner Familie verbrachten wir dann den Abend, uns wurde eine Wohnung zugewiesen und eingerichtet, wir fühlten uns wie Könige.
Es wurde wiedermals bestätigt, dass viele Entscheidungen richtig sind und ein gutes Ende nehmen. Wir können uns immer nur auf unser Bauchgefühl verlassen und das hat uns noch selten enttäuscht! Danke Cengiz, wir freuen uns schon jetzt auf einen Besuch und auf einen feinen Kebab bei dir in Bern!

Seit dem Grenzüberschritt in die Türkei sind wir nun definitiv im Islam und werden täglich mehrmals daran erinnert. Jedes Dorf, auch wenn es in Mitten der dichten Wälder sehr einem Schweizer Dorf ähnelt, hat eine Moschee mit der typischen hohen Minarett die schon von Weitem zu sehen ist. Der Muezzin singt mehrmals im Tag von seiner Minarett, manchmal gefühlsvoll und ergreifend, manchmal eher schräg und kläglich.
In der Türkei gibt es undurchsichtige Vorschriften. So ist es für uns noch ein Rätsel was die Meinung ist wie sich eine Frau kleiden sollte. Man sieht von bauchfrei und Trägershirt bis komplett verhüllt alles. Manchmal bleiben nur noch zwei Augen die zwischen viel schwarzem Stoff blinzeln. Maja ist es sich bereits gewohnt gewesen, dass man sie mustert, doch seit der Türkei zieht sie mit den blonden Haaren und natürlich auf dem Fahrrad sitzend noch mehr Blicke auf sich und hat nun ihre Kleidungsart etwas umgestellt. Die schulterfreien Fahrradtrikots hat sie bereits mit nach Hause gegeben und sucht auf den Märkten nach passender Bekleidung. Das Kopftuch, welches nur bei Moscheenbesuch benötigt wird, bleibt aber hoffentlich bis im Iran in der Lenkertasche und dient als Polsterung der Fotokamera.
Um nun auf die Umfrage zurückzukommen, wo man abstimmen konnte ob sich Maja die Haare kurz schneiden und schwarz färben sollte: Man hat Maja geraten die Haare nicht kurz zu tragen, da es sehr wichtig sei, dass man die Frau sofort erkennt. Also hat sie sich in Istanbul nur die Haare gekürzt um von der Hitze der ganzen Haarpracht etwas erleichtert zu werden. Und schwarz färben lohnt sich nur bei ganz kurzen Haaren, also bleibt sie blond, aber in ständiger Begleitung von Mäsi ;o)

PS 1: kommt später…

PS 2: Zwischen dem tosenden Meer und den hügeligen Bergen, wenn möglich im Trockenen!

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10. Reisebericht 29. September 2005

Maennerwelt

Wir radeln also der Schwarzmeerküste entlang, bergauf, bergab, in eine Bucht hinein und wieder zum Meer. Durch dichte Waelder, fettes Grün, mal Gegenwind, mal Seitenwind, mit Aussicht auf die steilen Felswaende rechts und das weite grosse Schwarze Meer links. Wir kommen nur langsam vorwaerts, mit Steigungen die jenseits von 15 % liegen. Wir fahren eine halbe Stunde lang im 1. Gang bei 4 km/h, am Abend sind wir müde, die Beine schwer und auf unserer 1:700'000 Landkarte (es gibt keine genaueren) sind wir ein paar Centimeter weitergekommen. Wir absolvieren ein super Ganzkörpertraining, alle Muskeln müssen mitarbeiten. Das Hinterteil schmerzt ab und zu, vorallem beim Bergauffahren, dann brauchts eine Schüttelpause und es geht wieder. Und Hornhaut gibt es definitiv nicht, unsere Pos sind samt und weich wie eh und je!
Hier haben wir auch weitere Tourenfahrer getroffen, mit Fahrrad oder Seitenwagen unterwegs. Wir konnten Strapazen und Erfahrungen untereinander austauschen und über die kriminellen Automobilisten jammern. Doch nicht nur die stinkigen Abgase, auch der schlechte Strassenbelag fordern uns alle heraus.
Nach einer Abfahrt auf rutschigen Kieselsteinen freuten wir uns sehr auf den kommenden alten, feinen, durchgefahrenen, schwarzen Belag, der die Raeder schön rollen laesst. Waehrenddem wir dann im Dorflaedeli einkaufen, geschieht der 20 Sekunden Spuk: Eine riesige Teermaschine kommt uns entgegen, spritzt eine Schicht Teer auf den Belag. Hintendran der Laster, der die kirschgrossen, spitzigen Kieselsteine regelmaessig auf der Strasse verteilt und dann die Walze, die die Kieselsteine in den Teer drückt. Fertig! Uns bleibt der Atem weg, der Frust waechst. Der Belag kostet uns so viel Kraft und Konzentration, dass wir die wunderbare Aussicht kaum mehr geniessen können. Das sind dann auch ein Teil der Gründe, warum wir uns in Sinop vom Meer verabschiedeten und landeinwaerts fuhren.

Das war eine super Entscheidung. Zwar mussten wir zuerst eine hohe Bergkette überqueren, die das Schwarze Meer von Zentralanatolien trennt, aber das Lanschaftsbild veraenderte sich von Kilometer zu Kilometer und nach dem vielen Grün genossen wir die ockerfarben, braun, rötlich schimmernde Flaeche. Wir bemerkten nun so richtig dass es Herbst wird. Zu unserem Erstaunen konnten wir wiedermal 50 Kilometer auf der Flaeche radeln und kamen vorwaerts. Gibt es sie also doch noch, die flachen Strecken in der Türkei?!
Auf den Feldern war Hochbetrieb. Die Ernte von Aepfeln, Zwiebeln, Zuckerrüben, Mais, Tomaten, grünen Paprikas, Kartoffeln, riesigen Kohlköpfen, Feigen und Pfirsichen waren in vollem Gange. Der Strasse entlang stehen immer wieder kleine Verkaufsstaende wo man das Gemüse und die Früchte frisch ab Bauernhof kaufen kann. Unter einem Kilo laeuft aber gar nichts. Wir wollten nur vier Aepfel, mussten uns dann mit Haenden und Füssen wehren, dass wir am Schluss nur 8 Stück mitnehmen mussten. Die Haelfte bezahlt die Haelfte geschenkt. Die Grosszügigkeit der Türken ist riesig, viele wollen uns etwas schenken. Sie halten uns auf der Strasse an, bringen Früchte. Wir fotografieren Maiskolben die an einer Hauswand haengen und in der Sonne leuchten, die Baeuerin schenkt uns Tomaten, Paprika und Schafskaese. Wir denken wir haben einen gut versteckten Zeltplatz gefunden, da kommen Kinder und bringen Melonen und Trauben. Alles immer ganz frisch geerntet, es schmeckt super. Einmal mussten wir dreimal am Tag Tomaten essen, damit wieder Platz hatten für neue Geschenke. Manchmal konnten wir uns nicht mehr wehren und mussten unsere Taschenorganisation auf den Kopf stellen, damit wir auch die geschenkten zehn Eier heil transportieren konnten. Oftmals waren wir richtig überwaeltigt von der Gastfreundschaft und Grosszuegigkeit. Die Leute rufen uns zu, wir sollen zum Çay kommen, wollen türkischen Kaffee servieren; wenn wir jedes Angebot angenommen haetten würden wir ein halbes Jahr nur in der Türkei unterwegs sein.

In Zentralanatolien wurde es tagsüber wieder richtig heiss, der Schweiss lief non-stop und brannte in den Augen. Wir tranken sehr viel Wasser und mussten einmal bei Knappheit zu einem Haus fahren und nach Wasser fragen bevor wir einen Zeltplatz suchten. Die Frau, eine waschechte Türkin wie im Bilderbuch, nannte uns Madame Maja und Monsieur Marcel. Sonst sprach sie nur türkisch. Sie nahm Maja mit ins Haus, zeigte ihr wie man Çay und türkischen Kaffee macht, nebenbei noch wo die Toilette und die Dusche ist und das Bett wo wir schlafen sollen!!!??? Wir hatten noch kein Wort von Schlafen gesprochen doch für sie und ihren Mann war ganz klar, dass wir bei ihnen bleiben wie wenn wir angemeldet gewesen waeren. Das war natürlich ein super Angebot. Als wir uns dann fürs Abendessen kochen behilflich machen wollten, scheuchte sie Marcel aus der Küche. Er musste mit dem Hausherr in der Stube fernsehen, waehrenddem Maja in der Küche kraeftig mithelfen musste. So wars auch beim Abraeumen, Abwaschen, Tee servieren. Die Aufgaben sind klar verteilt.
Das bemerken wir jeden Tag wenn wir in ein Dorf fahren. Es sind nur Maenner auf der Strasse, sitzen im Çay Evi (Teehaus), trinken Çay, spielen Backgammon oder Karten, plaudern und diskutieren oder sitzen einfach nur da und gaffen! Vor allem wenn zwei Fahrradfahrer vorbeifahren, einer davon sogar weiblich und blond. Die Frauen sehen wir oft nur aus den Fenstern blinzeln oder sie sind auf den Feldern am Arbeiten.
Die Hauptaufgabe der Maenner scheint zu sein, die Frauen am Morgen aufs Feld zu fahren und sie am Abend mit dem Traktor wieder abzuholen. Dazwischen beten sie in der Moschee, spielen geschickt einhaendig mit dem muslimischen Gebetskranz, rauchen eine Zigarette nach der anderen, und knabbern Sonnenblumenkerne mit spezieller Technik aus der Schale raus. Oder dann arbeitet einer und fünf schauen zu. Sie trinken aber nie Alkohol. Die Türken nehmen es eh ganz gemütlich, sie haben immer Zeit für uns oder für ihre Freunde. Im Einkaufsladen gehts langsam aber stetig vorwaerts, an der Hotelreception genau so. Aber auf der Strasse sind sie absolut im Stress. Jeder will schneller sein, überholt an den unmöglichsten Stellen, hupt, bremst, gibt Gas. Der dauernde penetrante Verwesungsgestank zeigt, dass auch nicht auf die Tiere Rücksicht genommen wird die an der Strasse stehen. Wir haben schon einige Schildkröten vor dem Überfahrungstod gerettet. Die Lastwagenfahrer scheuchen uns auch mit ihrem endlosen Hupen wie Hühner von der Strasse.
Und auch beim Essen geht es immer schnell. Hier wechselt unser Tischnachbar dreimal waehrenddem wir essen. Wir bevorzugen die Lokantas die es in jedem Dorf gibt. Dort kann man direkt in die Pfannen und Töpfe schauen und bestellen was einem passt. Oftmals gemischtes Gemüse mit Huhn-, Rind- oder Lammfleisch dazu Reis. Oder dann einen Döner vom Spiess wo das Fleisch daran bruzelt und abgeschabt wird. Fürs Dessert geht man dann zum Pastanesi wo wir sehr gerne Sütlaç (Milchreis) oder die zuckersüssen Baklavas essen.

In Amasya angekommen, eine wunderschöne Stadt wie ein Amphitheater an den Berg gebaut, treffen wir auf Rahel und Rene aus Bern, die für drei Wochen in der Türkei mit dem Fahrrad Ferien machen. Mit ihnen besteigen wir das Castle hoch oberhalb der Stadt mit einer 360 Grad Aussicht und gehen dann das erste Mal ins Hamam. Dieses Hamam (türkisches Bad) ist gemischt, also können wir vier Neulinge gemeinsam das Abenteuer geniessen. Man bekommt farbige Tücher die man sich umbindet, dann gehts zuerst in die Sauna zum Schwitzen. Wenn dann alle Poren offen sind kommt der Schrubbelmeister und schrubbt alle Körperstellen, die nicht vom Tuch bedeckt sind, mit einem Schrubbelhandschuh ab. Uiuiui, nach 4 Tagen nicht mehr duschen, im Zelt schlafen und dich von den Lastwagen einstauben lassen, gibt es einige schwarze Dreckröllchen. Schnell mit Wasser abspülen, nun folgt die Schaummassage. Der Masseur nimmt einen Stoffsack, blaest hinein, drückt die Luft raus, so entstehen Berge von Schaum. Darunter liegt man dann, es duftet fein und die Muskeln werden durchgeknetet. Auch zum Zuschauen ein Erlebnis, wenn der, der auf dem steinharten Tisch liegt, lacht, weil es kitzelt oder stöhnt wenn die verspannten Wadenmuskeln heftig durchgeknetet werden. Zum Abschluss gibts noch Haarewaschen, eine kalte Dusche und in der Umkleidekabine einen Çay.

Der Biorhythmus von Maja zwingt uns jeden Monat zu zwei Tagen Pause. Und da man nie weiss wann die genau kommen, steckten wir auch schon an einem Ort fest wo wir nicht bleiben konnten oder wollten. So entschieden wir uns für eine kurze Strecke einmal den Zug zu nehmen, das andere Mal den Bus bis zum naechsten Ort. Organisatorisch ist das aber recht mühsam bis alles verladen ist, doch die Türken sind sehr hilfsbereit und finden immer eine Lösung und einen Platz für die sperrigen Fahrraeder. So hörten wir dann die Fahrraeder auf dem Dachtraeger quietschen. Das tut ganz schön weh in den Ohren und im Herz! Doch es waren auch interessante Erlebnisse und im Nachhinein toll, dass wir diese Seite des Reisens auch erleben konnten. Die Zugfahrt zum Beispiel erinnerte uns sehr an unsere Kindheit. Denn der Konduktör kommt in der Uniform mit steifem Hut und knippst mit dem Locher in die Kartonbillette wie wir sie früher hatten. In den kleinen Reisebussen, die die Menschen von Ort zu Ort bringen, hat es ca. 13 offizielle Sitzplaetze. Man kann den Bus aber auch mit über 20 Personen füllen, z.T. auf Plastikhocker sitzend, z.T. Mensch auf Mensch gestapelt, da kennen sie keine Berührungsaengste. Ganz interessant wird es dann aber erst wenn der Busbegleiter, der das Geld einkassiert, sich mit einem Reisegast von der hintersten Reihe unterhaelt und seinen üblen Mundgeruch laut redend im Bus verteilt. Der beste Platz hat aber noch immer der Chauffeur, der laessig seinen Arm zum Fenster raus haelt und dabei den Luftzug unter seiner Achselhöhle hindurch zu uns gleiten laesst.

Nach einem langen Radler-Tag wollten wir nur noch einen Platz fürs Zelt finden, uns waschen, kochen, schlafen. Da rief uns ein Alt-Hippie vom Strassenrand auf englisch zu, dass er in vier Kilometern ein Teehaus habe, wir sollen vorbei kommen. Aber fürs Tee trinken hatten wir grad keine Zeit mehr, weil es bald eindunkeln würde und vier Kilometer können auch zehn Kilometer sein. So stossen wir ein paar Minuten spaeter, vor dem naechsten steilen Aufstieg, unsere Velos von der Strasse in eine Baumplantage und schon steht er wieder vor uns, der türkische Hippie, mit langen Haaren, in Militaerkluft. Daneben sein Sohn der uns auf perfekt englisch anspricht. Sie haetten gleich in der Mitte diese Anstiegs ein Teehaus, wir könnten auch in ihrem Garten campieren, die Waschmaschine benutzen. Sie haben gerne Reisende bei sich, da der Alt-Hippie auch schon fast die ganze Welt gesehen hatte und so auch Ömers Mutter, eine Amerikanerin, kennenlernte. Nach dem Çay bekamen wir die beste Wiese im Dorf. Waehrenddem wir das Zelt aufstellten kam sogar der Imam (muslimischer Priester) vorbei um uns zu begrüssen und lud uns ganz spontan zum Znacht ein. Vorher durften wir aber noch die neue Moschee ansehen und den Moslems beim Beten zuschauen; sehr interessant. Das Highlight war dann aber dass wir auf die Minarette steigen durften. Sie ist 45 Meter hoch, die Treppe so breit dass man knapp Platz hat und oben auf dem Minibalkon kann man sich nur seitwaerts bewegen. Wir können nun verstehen, warum der Imam vom sicheren Boden aus ein Mikrofon bedient um die Glaeubigen zusammen zu rufen, obwohl das natürlich ein super Fitnesstraining waere, fünf Mal am Tag da hochzusteigen. Zusammen mit seine jungen Familie, er ist erst 30 Jahe alt, genossen wir ein sehr feines Znacht um den tiefen Tisch auf dem Boden sitzend, tranken viel Çay und Ömer konnte als Dolmetscher die ganze Konversation um Einiges vereinfachen.
Die Begegnung und die Gespraeche haben uns das islamische Denken und handeln etwas vertrauter gemacht. Jedenfalls kennen wir nun einen solchen Muezzin der von der Minarette betet.

PS1: Maesi möchte euch mitteilen, dass es hier überall penetrant nach Fussschweiss riecht. In der Moschee, im Hotelzimmer und selbst hier in diesem Internetcafe.

PS2: Wir sind in Erzurum auf 1850 Meter über Meer. Am Berg hinter der Stadt kann man im Winter Skifahren, bis 3100 M.ü.M. Es ist bereits recht kalt und auf dem Spitz des Berges liegt ein Hauch weiss.

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

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11. Reisebericht 6. Oktober 2005

Der wilde Osten

Jetzt sind wir da, im Osten der Türkei. In der Zeitung hat man viel darüber gelesen, in den Kurdengebieten ist es wieder unruhig. Selbst die Türken haben Respekt vor dieser Gegend und rieten uns ab dort durch zu reisen. Wir hatten aber keine Wahl und folgten unserem Weg, mieden aber die unsichersten Gebiete. Ab Amasya nahmen wir den direktesten Weg nach Osten welcher auch die Transitfahrer benützen. Wir mussten nun nicht mehr viel überlegen und dauernd die Karte studieren, sondern konnten drauf los fahren und die Veraenderungen der Landschaft wahrnehmen. Wir fuhren durch eine Schlucht, die Strasse und daneben ein Fluss inmitten hoher Felsen; dann folgt ein Pass und eine weite Ebene, rechts und links flankiert mit Bergen, die sich am Horizont wieder schliessen und die naechste Schlucht bilden. Dann der naechste Berg, wieder eine Ebene u.s.w. Nach jedem Pass waren wir wieder auf einem höheren Plateau. So konnten wir nun mal einige Kilometer bolzen und kamen innerhalb einer Woche sehr gut vorwaerts. Machmal fühlten wir uns wie im Niemandsland, nur die vorbei donnernden Lastwagen passten nicht ganz ins Bild. Zu Beginn gab es sehr viel Landwirtschaft je weiter im Osten um so weniger. Die Landschaft wurde sehr karg, weniger Baeume, weniger Traktoren und Menschen auf den Feldern. Aber was es überall hat, auch auf den Paessen, sind Schaf- und Kuhhirten mit ihren Herden. Wir fahren nun meistens zwischen 1400 und 2000 Meter über Meer und es wird nun am Abend ganz schön kalt, gegen null Grad. Wir suchen uns nun meistens ein Zimmer in einem Oteli wegen der Kaelte aber auch weil es im Osten zu gefaehrlich ist zum Zelten. Obwohl wir manchmal lieber unser eigenes Zelt haetten als so herunter gekommene Zimmer mit schmutziger Bettwaesche und einer schrecklich stinkender Toilette. Aber so ist es nun mal und man muss nehmen was es gibt!

Wie die Gegend, veraenderten sich auch die Menschen. Die Gesichter wurden dunkler, kantiger, teilweise bedrohlicher und auch das Herzliche ist etwas verschwunden. Man merkt sehr gut, dass es dem Osten viel schlechter geht. In den Dörfern und am Rand der Staedte leben die Menschen in Stein- oder Lehmhütten, trockenen Kuhfladen die sie im Winter als Heizmaterial nutzen können und sammeln zur Zeit das Heu auf ihren Daechern. Die Kinder kommen und betteln manchmal nach Geld. Vorallem die Knaben sind viel frecher geworden und kommen uns immer sehr nahe, wollen alles anfassen. Nachdem wir einmal eine ganze Schulklasse fotografiert hatten und wegfuhren warfen sie uns sogar Steine nach. Das war für uns bis jetzt das frustrierendste Erlebnis.

Was uns auch schon seit der Einreise in die Türkei begleitet sind die staendigen Hello-Rufe und die zwei Standartfragen: What's your name? Where are you from? Am Anfang wars ja noch toll und wir beantworteten jedem Kind seine Fragen aber nun nach fast zwei Monaten können wir es nicht mehr hören. Vorallem bleibt es ja bei dieser einseitigen Fragerei, da die Kinder sonst noch kein Englisch können. In der Türkei lernen sie erst seit ein paar Jahren Englisch an der Schule, deshalb können auch die aelteren Leute keine andere Sprache wie die Eigene. Es sind eben die Europaeer die Reisen und sogar mit dem Fahrrad die Türkei durchqueren und die können doch alle Englisch. Eigentlich ist es ja eine tolle Geste von den Kindern dass sie uns begrüssen, doch nun verstehen wir nur noch Französisch...

Die Maenner/Frauenrolle ist hier noch intensiver zu spüren. Man sieht viel mehr Frauen im Tschador oder vorallem alte Frauen in braune Tücher gewickelt. Manchmal verdecken sie sogar ihr Gesicht komplett, dann sehen sie aus wie wandelnde Kartoffelsaecke. Maenner und Frauen treten selten zusammen auf, oftmals sieht man Maenner die Haende halten oder Arm in Arm spazieren. Sie gaffen hier noch viel offensichtlicher, sehr durchdringend, stehen direkt vor uns und glotzen. Wir sind das doch absolut nicht gewohnt von Haus auf, haben es nun aber sehr gelernt, manchmal genau gleich intensiv zurück zu schauen. Vorallem Maesi ist langsam gut wenn er die Maenner angafft die Maja nachschauen. Es wird ihnen dann doch etwas peinlich.

Für die Türken ist die EU ein brennendes Thema. Fast alle fragen uns nach unserer Meinung. Da die Schweiz nicht in der EU ist, das wissen die wenigsten Türken, können wir diese Thema schnell beenden und müssen uns so politisch nicht aeussern. Die wenigsten Türken erhalten Visas um zu verreisen. Der Wunsch in einem anderen Land zu wohnen ist aber riesig, vorallem in der Schweiz natürlich. Wir werden also nicht umsonst so oft gefragt ob wir verheiratet sind.
Das Thema verheiratet ist in der Türkei eh ganz wichtig. Wir wurden sogar mal in einer Pension gefragt ob wir verheiratet sind bevor er uns sagte ob er ein Zimmer frei hat. Aber die Frage kommt immer, von jung und alt und dann natürlich die nächste Frage ob wir Kinder haben und warum nicht. So merken wir erst dass sie sich gar nicht vorstellen können wie weit und lange wir bereits gefahren sind obwohl wir ihnen die Kilometer und Anzahl Monate mitgeteilt haben. Sie reisen nicht, können wohl nicht, kennen sehr selten sogar ihr eigenes Land und sehen zum ersten Mal eine Landkarte.

In Erzurum entschieden wir uns einen Umweg über Kars zu machen, eine Stadt im Nordosten, um Ani zu besuchen. Ani war einst die Hauptstadt des armenischen Reiches, in der bis zu 100'000 Menschen lebten. Heute sind nur noch Ruinen der gewaltigen Stadtmauer zu sehen, einige Kirchen und Moscheen auf einer riesigen Flaeche direkt an der Grenze zu Armenien. Überhaupt ist dieses Grenzgebiet sehr geschichtstraechtig. Hier fanden viele Schlachten und Eroberungszüge statt.
Überraschenderweise war in Kars gerade an diesem Wochenende, wo wir dort waren, Kulturfestival auf der riesigen Burg oberhalb der Stadt. Am ersten Abend führten verschiedene Laender wie Azerbaijan, Armenien, Georgien, Slowenien und die Türkei selbst traditionelle Taenze auf der grossen Bühne auf. Am zweiten Abend stürmten Tausende zur Burg hoch, wir mit ihnen, erfuhren aber erst oben dass heute Sezen Aksu, eine sehr bekannte Saengerin, ein Konzert gibt. Am letzten Abend gaben noch weitere türkische Saenger ihr Bestes. Uns gefiel der erste Abend am Besten, tönt doch die türkische Musik, wenn man den Text nicht versteht, sehr melancholisch. Das faszinierendste am Ganzen war aber das Ambiente zwischen diesen alten Festungsmauern, die Aussicht auf das Lichtermeer der Stadt, das grandiose Feuerwerk (ohne Plan, einfach alles muss hoch), die super Lightshow und die vielen tanzenden Türken um uns herum. Vorallem die Maenner tanzen hier einen speziellen Kreistanz und singen laut dazu (wie wir früher beim Headbangen in der Schülerdisco!). Das Erstaunlichste war für uns aber dass wir nie einen Eintritt bezahlen mussten, so waren alle hier; alt, jung, arm und wohlhabender. Es gab auch nur einen Çay- und Köftestand sonst absolut kein Angebot. Wie wir dann bemerkten, waren wir die einzigen die eine Flasche Wasser dabei hatten. Die Türken selbst knabbern nur die Sonnenblumenkerne und sind so zufrieden.

Nun sind wir in Dogubayazt, haben eine wunderschöne Fahrt der armenischen Grenze entlang erlebt, sind um den Berg Ararat gefahren der nun vor uns steht mit seinem Wolkenhut. Wir nehmen Abschied von der Türkei, geben noch die restlichen Yeni Türk Liras? aus und verlassen nach knapp zwei Monaten die Türkei mit vielen schönen und bleibenden Erinnerungen.

PS1: Es ist seit zwei Tagen Ramadan das spürt man hier den Menschen an... uns nicht, wir dürfen essen, jedoch im Versteckten.

PS2: Wir sind 35 km von der iranischen Grenze entfernt. Ab dem 7. Oktober heisst es Kopftuch montieren...

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

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12. Reisebericht 28. Oktober 2005 (nach dem iranischen Kalender zaehlen wir heute den 6. August 1384)

Gemischte Gefuehle

Unterwegs zur Grenze fuhren wir am Fusse des Ararats vorbei. Der Himmel war stahlblau, keine Wolke verdeckte den heiligen Berg. In voller Groesse stand er vor uns, rechts der kleine Ararat, beide mit ewigem Schnee bedeckt. Ein gigantischer Anblick!

Wie es der Zufall will, trafen wir Rob und Lucie wieder, ein hollaendisches Paar die in 22 Monaten bis Peking radeln. Bereits in der Tuerkei sind wir einen Tag zusammen gefahren, nun konnten wir gemeinsam den Grenzuebertritt machen und die ersten Eindruecke vom Iran sammeln. Bevor wir aber die magische Linie uebertreten konnten, mussten sich die Frauen das Kopftuch montieren und die lange Bluse, die das Gesaess bedeckt, anziehen. Denn im Iran blaest nun ein anderer Wind: Als islamistische Republik wird die Religion vom Staat vorgeschrieben und somit auch viele Regeln und Verbote. Neben dem Kopftuch und der langen Bluse, beziehungsweise dem Tschador, die nur im Hotelzimmer ausgezogen werden duerfen, ist nun auch Kuessen, Umarmen und Haendchen halten in der Oeffentlichkeit verboten. Fuer uns zwei eine gewaltige Umstellung an die wir uns zuerst gewoehnen mussten.
Eine weitere Umstellung ist das Geld, bzw. die Waehrung. Bereits vor und nach dem Zoll standen Maenner die alle Waehrungen in iranische Rials wechselten, der Schwarzmarkt also. Die Typen waren schrecklich aufdringlich! Da wir wussten wie der Kurs sein sollte, warteten wir auf das perfekte Angebot und unsere acht Augen zaehlten genau mit. Denn die groesste Note, 20'000 Rials, hat einen Wert von Fr. 3.-; die 10'000 Rial-Note, der gruene Khomeini genannt, Fr. 1.50. Somit erhielten wir fuer $40 36 Noten. Das gibt einen dicken Hosensack! Da die Geldwechsler uns natuerlich reinlegen wollten, es aber nicht schafften, gehen wir nun zur Bank zum Wechseln. Denn im Iran gibt es keine Moeglichkeit Geld zu beziehen oder Traveller Cheques einzuloesen, also muss man genuegend Dollars zum Wechseln dabei haben.

Nun sind wir also im Iran. Ein riesiges Land das unter Reisenden viel diskutiert wird. Man hoert alles und davon noch das Gegenteil, damit die Verwirrung der Gefuehle, wie sich dieses Land praesentieren wird, gewaehrleistet ist. Wir stecken nun bereits selber mitten drin und sind froh, dass wir Erfahrungen machen und unsere Meinung selber bilden koennen.
Wenn schon das Fahren in langaermeligen Kleidern und Kopftuch etwas umstaendlicher ist, ist wenigstens der Strassenbelag super. Der grenzt oftmals an Schweizer Qualitaet, es ist eine Freude! Jedenfalls Ueberland. In den Staedten und Doerfern bleibts beim tuerkischen Bild mit Schlagloechern, Rissen und Schwellen. Aber der Verkehr und die Fahrkuenste der Lenker sind nochmals 10 Mal schlimmer als in den Laendern vorher. Da das Benzin so guenstig ist faehrt einfach jeder ein Auto oder Motorrad, rast durch die Gegend wie wenn es keine Gesetze gaebe und interessiert sich kein bisschen wie dreckig und stinkig es aus seinem Auspuff rauskommt. An den vielen Glasscherben die am Strassenrand liegen wird es auch viele Unfaelle geben. Die Taxifahrer sind die Schlimmsten, die steuern nach rechts an den Strassenrand, vor unsere Nase, bremsen uns aus und quetschen sich danach wieder ins rollende Blechchaos. Wir haben das Gefuehl wir sind durchsichtig, so ruecksichtslos und unberechenbar fahren alle! Auch die Fussgaenger haben hier absolut kein Recht. Selbst bei gruen brausen die Autos und Motorraeder vor den Fuessen durch. Falls man einen Fussgaenger umfaehrt kann man nur hoffen es war eine Frau. Die Busse faellt tiefer aus.

Seitdem wir unsere Benzinflasche fuer den Kocher an einer Tankstelle auffuellen liessen und der Kassier nur verlegen abwinkte als wir bezahlen wollten, wissen wir nun wie guenstig das Benzin wirklich ist. Halb so teuer wie ein Liter Wasser, 12 Rappen der Liter! Kein Wunder verbringt hier jeder auch seine Freizeit auf der Strasse. Das Verkehrsnetz ist dementsprechend ausgebaut und ueberlastet, in den Staedten meist dreispurig, die Kreisel riesig, ohne Strich damit jeder seinen Weg auf seine Art suchen kann (der Staerkere und Skrupellosere gewinnt!). Die Autos, Laster und Motorraeder, meistens aus den 70er Jahren, uralt, rostig, klappernd, laut und stinkig. Die Luft ist immer benzingeschwaengert und dick. Es gab bereits Strecken wo das Fahrrad fahren zur Hoelle wurde und wir uns fragten ob es Sinn macht in diesem Gestank und mit dieser Gefahr zu fahren.

Deshalb entschieden wir uns nicht die Hauptverkehrsachse Richtung Teheran zu nehmen und steuerten in Tabriz direkt in den Sueden um nach 162 km ueberfuellter Strasse und entlang stinkender Industriekamine, eine Landstrasse durch die Berge zu nehmen. Das war verkehrstechnisch eine gute Entscheidung, jedoch quaelten uns wieder einige Huegel und diesmal extremer Gegenwind. Wenn wir das gewusst haetten! Wir erlebten die schlimmsten Sturmtage unserer Veloreise. Boenartig blies der Wind meistens von vorne und der Seite, gluecklicherweise auch mal von hinten, dass wir die Energie des Windes einmal positiv erleben konnten. Nie sonst wuerden wir mit 18 km/h den Berg hoch fahren. Mit Gegenwind dafuer nur mit 4 km/h. Da die Landschaft sehr trocken, meist unbebaut, duerr und steppenartig war, wirbelte es den ganzen Tag Staub, Sand und Steinchen durch die Luft. Wir die Velos und Taschen sahen aus wie frisch gepudert. Es erinnerte uns sehr an die eisigen Winde auf dem Klein Matterhorn in Zermatt. Der Wind war so stark dass wir uns seitwaerts dagegen stemmen mussten. Gefaehrlich waren dann die Luftloecher, damit wir nicht das Gleichgewicht verloren. Es forderte hoechste Konzentration und Kraft. Am Abend waren wir todmuede und unser Zelt verwandelte sich in eine Staubhoehle.
Obwohl es nachts bereits eisig kalt wird, schlafen wir lieber in unserem Zelt als in einer iranischen Arbeiter-Absteige wo es schmuddelige Bettwaesche und stinkende Stehklos hat und wo ruecksichtslos rumgelaermt wird. Aber oftmals bietet sich nur diese Moeglichkeit wenn uns die Gegend nicht genug sicher vorkommt.

Der Westen Irans ist kurdisches Gebiet, auch wieder eine politische Gegend die es zu meiden hiess. Wir zwei positiv Denkenden suchen aber unsere Wege nach gut duenken. Bis jetzt gings immer gut, doch das Gefuehl war recht komisch, zu wissen, dass wir ganz nah an der irakischen Grenze fahren. Dem Irak, der dauernd in Konflikte verwickelt ist. Deshalb fanden wir es sehr alarmierend, als uns einer bei der Einfahrt in eine Ortschaft stoppte und den Passport verlangte. Wir hatten zuvor schon einige Schauermaerchen gehoert wo sich Maenner als Zivilpolizisten ausgaben, den Passport verlangten und gleich noch das Geld raubten. So glaubten wir ihnen nicht und fuhren weiter. Die zwei dunklen Typen folgten uns dann aber in ihrem weissen Auto; Dorf auf und ab, weil wir ein Hotel suchten. Wir schickten sie weg, weil wir ihnen nicht glaubten dass sie Polizisten sind. Wie sollen wir dieser ID-Cart glauben die auf Farsi geschrieben ist und wir es nicht lesen koennen? Bald waren ueber 20 Maenner um uns versammelt und alle wollten mitreden: Police, Passport, Suisse, Hotel,... Obwohl uns einer auf Englisch uebersetzte, dass es richtige Polizisten seien, blieben wir misstrauisch. Niemand konnte uns erklaeren warum sie den Passport, bzw. das Visa sehen wollten. Nach ueber zwei Stunden diskutieren gaben wir ihnen eine Visakopie, dann gaben sie auf. Seither haben wir uns an verschiedenen Orten erkundigt und alle sagten es gaebe keine Zivilpolizei! Wir sind heute noch nicht sicher was sie wirklich wollten, wir sind gluecklicherweise heil davon gekommen.

Natuerlich weiss jeder Iraner dass die Touristen viel Bargeld auf sich haben da man kein Geld beziehen kann. Und Veloreisende verweilen sehr lange im Iran, also wuerde sich ein Ueberfall lohnen. Da wir uns aber in einem streng muslimischen Land befinden, koennen wir nur hoffen, dass sie gute Glaeubige sind!

Wir haben bis jetzt nur sehr wenige Moscheen gesehen. Minaretten gibt es fast keine mehr; das typische Kennzeichen jedes Dorfes in der Tuerkei. Im Nordwesten herrscht ein grosses Voelkergemisch, auch Armenier welche Christen sind, und natuerlich viele Tuerken und Azerbaijaner mit denen wir uns weit ueber die Grenze hinaus mit tuerkisch verstaendigen konnten.
Als wir uns wiedermal nach einem Hotel umsahen trafen wir Reza, der uns zu sich nach Hause einlud. Er ist Iraner mit tuerkischen Wurzeln. Von ihm erfuehren wir sehr viel von der Geschichte Irans und der Revolution vor 25 Jahren als dann Khomeini an die Macht kam. Wir spuerten aus dem Gespraech dass er nicht zufrieden ist mit der Regierung und all den Gesetzen und Verboten. Er wird zum Beispiel seinen Kindern nie tuerkische Namen geben duerfen, nur Persische. Alkohol ist im ganzen Land verboten wie auch auslaendische Fernsehkanaele. Trotzdem hat er einen Satelliten damit er nicht nur die bestehenden 5 iranischen Sender ansehen muss, davon 2 nur geistliche Sender sind: Allah 1 und Allah 2. Im Kino werden nur iranische Filme gezeigt, man kann auch keine auslaendische Filme oder Musik kaufen. Diskotheken und Bars sind verboten, nur Teehaeuser dienen zur Unterhaltung. Es gibt nur maennliche Saenger, den Frauen ist es verboten zu singen. Sowieso sollte sich die Frau so unauffaellig wie moeglich verhalten, den Tschador tragen, ein riesiges Tuch, das sie um sich wickeln muss, dass man so wenig Haut wie moeglich sehen kann. Zu Hause einen blauweiss geblumten, auf der Strasse einen Schwarzen. Da er meistens keine Aermel oder Knoepfe hat, halten die Zaehne den Tschador fest, wenn die Frau in einer Hand die Einkaufstasche und in der anderen ihr Kind tragen muss. Ein sehr fremdes, abschreckendes Bild. Die Frauen duerfen sich nicht schminken und auch nicht Motorrad fahren. Die Frau sollte einfach in keinem Sinne die Aufmerksamkeit des Mannes wecken. Doch beim Suchen eines passenden Oberteils fuer Maja, die ganz sicher nie so einen Tschador tragen wird ( ausser einen Ausgeliehenen bei Moscheenbesuchen) sahen wir unzaehlige Shops mit Abendkleidern, engen Shirts und Jeans. Wir fragten uns dann natuerlich wann die Frauen das alles tragen koennen? Die Antwort ist: Zu Hause fuer den Mann oder an Parties die getrennt stattfinden. Sogar die Hochzeitsfeste finden getrennt statt. Die Braut feiert mit den Frauen, der Braeutigam mit den Maennern. Bei gemischten Anlaessen muss streng der Tschador und das Kopftuch getragen werden. Strikte und sehr strenge Regeln. Keine Ahnung ob der Koran das wirklich so verlangt. Die Regierung jedenfalls schon!

Ramadan: Der Fastenmonat der Moslems. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang duerfen sie nichts essen und trinken. Der Muezzin gibt das Kommando wenn das Fasten anfaengt und aufhoert. Jedes Jahr beginnt der Ramadan zehn Tage frueher. Und wir sind froh, wenn er bald zu Ende ist! Bis jetzt haben wir den Iran nur im Ramadan erlebt und wir sind ueberzeugt, dass das Leben hier waehrend diesen 30 Tagen ganz anders tickt. Die Geschaefte sind morgens bis ca. 13 Uhr geoeffnet, dann schliessen die Meisten und gehen ruhen, da man mit Hunger nicht arbeiten kann. Nach 16 Uhr oeffenen sie wieder bis sie essen duerfen. Einige schliessen dann waehrend einer halben Stunde, die anderen essen direkt im Geschaeft. Bis zum Fastenbrechen herrscht das totale Chaos auf den Strassen, dann wird es fuer ca. 20 Minuten viel ruhiger. Die Iraner sind Schnellesser, Kebab rein und weiter gehts. In den Restaurants ist waehrend einer Stunde Hochbetrieb, dann schliessen die Meisten wieder; ausverkauft. Wenn wir Glueck haben finden wir noch fruehzeitig einen Take away Stand, der traditionelle persische Gerichte verkauft. Denn die Kebabs koennen wir nicht mehr sehen! Vorallem im Iran ist das Fleisch und der Reis meistens sehr trocken, da brauchts eine Cola zum Runterspuelen. Waehrend des Tages koennen wir kaum Lebensmittel einkaufen, und wenn, dann muessen wir ein Versteck suchen wo wir essen koennen. Mitten auf der Strasse essen macht sich nicht so gut. Wir zwei Vielesser haben schon oft gelitten und wir freuen uns sehr auf den Iran nach dem Ramadan, wenn Teehaeuser und Restaurants auch tagsueber offen haben, die Leute nicht mehr so gereizt sind weil sie Hunger haben und nicht rauchen duerfen. Und vorallem freuen wir uns auf die grossen Staedte mit den wunderschoenen Moscheen und mehr orientalischem Flair.

PS1: Wir haben bemerkt, dass wir mit den Moslems einiges gemeinsam haben: Vor dem Zelteingang ziehen wir die Schuhe aus, gegessen wird bei uns auch auf dem Boden sitzend und Maja musste schon immer vor Marcel kuschen... am Fussschweiss arbeiten wir noch!

PS2: Fast eine Woche haben wir nun in Teheran verbracht um die Visas fuer Indien zu besorgen. Eigentlich wollten wir die Visas erst in Islamabad, Pakistan besorgen, doch wegen des Erdbebens ist ein Besuch in diesem Gebiet wohl nicht sehr angebracht.

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

Bilder zum 12.Reisebericht
 

13. Reisebericht 21. November 2005 - Unser 200. Tag on tour

Ello Misteeeer

So werden wir hier auf der Strasse begruesst, nicht nur Maesi, auch Maja, weil sie meistens nicht mehr koennen. Doch "I love you" oder " Dollar change" hoeren wir auch noch oft und natuerlich "very cheap" und "hand made". Viel oefters als bisher treffen wir aber Einheimische die gut Englisch sprechen und wir uns ueber sehr Interessantes unterhalten koennen, wie z.B. Teppiche. Darueber haben wir nun schon sehr viel erfahren, uns ueber Machart, Unterschiede der Qualitaet und die Preise erkundigt. Leider fehlt nur das noetige Geld und die Wohnung fuer solch einen Perser. Und vorallem wuerde es ja sehr gut aussehen, eine Teppichrolle quer uebers Rad gelegt!

Unsere Reise durch den Iran gestaltet sich sowieso ganz anders als in den Laendern zuvor. Dieses Land ist soooo riesig. Zwischen zwei Staedten viel Nichts, mitten durch eine breite Strasse voller rollenden Lastwagen. Hundert Kilometer lang keine Wasserstelle, ein paar Lehmhaeuser, am Horizont die naechste Bergkette und dahinter eine pulsierende Stadt mit Bazaar, Moscheen, Mullahs, Tschadors, Teppichverkaeufern, Kebab-Buden und Teehaeusern wo man Wasserpfeife raucht. Um von einer Stadt zur Naechsten zu gelangen radeln wir durchschnittlich 100 Kilometer. Das Leben spielt sich nur in den Staedten ab, die Landschaft darum herum ist steinig, sandig, huegelig, umbebaut, manchmal abwechslungsreich durch die verschiedenen Farbtoene, doch meistens bis zum Horizont Steinwueste. Mit dem Auto sind diese so genannten Hometrainer-Strecken leicht zu durchqueren, mit dem Fahrrad jedoch endlos. Die Beine treten, die Gedanken sind weit weg, vielleicht beim naechsten Reisebericht oder beim leeren Magen; was gibt es heute zum Znacht?

Eigentlich wollten wir unser Visa fuer Indien erst in Islamabad, Pakistan, organisieren, doch wegen des schrecklichen Erdbebens Anfangs Oktober, welches auch die Stadt stark beschaedigt hat, haben wir uns kurzfristig entschieden doch nach Teheran zu fahren damit wir nicht extra ins Krisengebiet gehen muessen. In Qom, ca. 150 km suedlich von der Hauptstadt, konnten wir unsere Raeder in einem Hotel einstellen und fuhren mit dem Bus nach Teheran. Schon von weitem sahen wir die Smog-Glocke die ueber der Stadt haengt und die Berge dahinter diffus aussehen laesst.

Beim Betreten der Schweizer Botschaft, wo wir das Empfehlungsschreiben holen mussten, fuehlten wir uns wie nach Hause versetzt inmitten der Poster aus der Schweiz und dem freundlichen "Gruezi" vom Schweizer Konsul. Wir wurden mit vielen guten Tipps fuer die Zeit in Teheran ausgeruestet und konnten uns ueber die politische Situation erkundigen.

Die indische Botschaft, in der es um einiges hektischer und unorganisierter zugeht, konnten wir dann aber erst am folgenden Tag aufsuchen. Am Tag unserer Ankunft feierten die  Moslems den Todestag von Imam Ali. Wir wussten es nicht und deshalb waren wir extrem ueberrascht wie leer und ausgestorben die Strassen Teherans waren. Feiertag und Ramadan, das war fuer uns ein wahrer Hungertag. Wir fuehlten uns wie im falschen Film.

Am anderen Morgen war dann aber Rambazamba, alle Geschaefte offen, hektisches Feilschen und einkaufen, gestossen volle Strassen, ewiges Gehuppe und risikofreudige Motorradfahrer die ueberall in jedem Tempo durchrasen. Ein Buenzli-Schweizer-Autofahrer waere hier absolut verloren! Wir kaempften uns durch den Bazaar, besuchten das Teppichmuseum; eine Oase der Ruhe; spazierten, fuhren Taxi und atmeten die Abgase ein bis wir Kopfschmerzen hatten. Teheran faszinierte uns auf eine Weise sehr, weil wir wunderschoene Palaeste aus der Shahzeit besuchen konnten, die Frauen sich sehr mutig kleiden, viel Haar zeigen und somit etwas provozieren, und wir am Abend doch noch feine Restaurants mit persischem Flair fanden. Weniger schoene Erlebnisse waren der Rausschmiss aus einem Hotel, weil wir mit einem belgischen Radlerpaar ca. vier Stunden in der Lounge geredet haben (schliesslich bezahlen wir ja fuers Zimmer und nicht fuer die Lounge), dass die Armee die ganze Stadt kontrolliert, ueberall rassistische Plakate haengen und Maja nicht in die Moscheen durfte; it's a mens world!

Maja hatte am Anfang wirklich Muehe mit all den Umstellungen. Zuerst das Kopftuch, das strikt getragen werden muss, und dann spueren dass man als Frau weniger wert ist. Sie weiss auch nie ob das Gruessen oder Winken falsch aufgefasst wird. Hier zaehlt nur das Wort eines Mannes, also muss Marcel alles selber in die Hand nehmen, und z.B. ueber den Preis diskutieren. Oftmals wird nur er begruesst, Maja wird wie Luft behandelt. Marcel ist die Ansprechsperson weil er bei der direkten Begegnung wichtig ist. Doch sonst ist Maja der Blickfang und Maesi muss den Polizist spielen. Das ist manchmal sehr ermuedend und nervig. Die Perser sind totale Machos - Karate und Bodybuilding sind hoch im Kurs - einige pfeifen auf der Strasse nach und versuchen Maja zu betatschen. Seit Maja die Haare schwarz gefaerbt hat lassen sie die Maenner meistens in Ruhe. Wir verstehen nun langsam warum so viele Frauen den Tschador freiwillig tragen. Einerseits wohl als Schutzmantel andererseits sicher aus religioeser Ueberzeugung.

Nach einem windigen Radeltag fahren wir in eine Stadt rein, ohne Guidebook voellig orientierungslos, muede und verloren. Ploetzlich steht Fahimah neben uns, eine junge Studentin komplett in den Tschador gehuellt und bietet uns ihre Hilfe an. Nebendem sie uns zum Hotel fuehrte, mit ihrem guten Englisch alle Sprachbarrieren ueberwand, uns in ihrem Auto durch die ganze Stadt kutschierte, und uns die besten Souvenirlaeden zeigte, wurde sie eine gute Freundin mit der wir ueber ihre Religion, die Ausbildung, Freiheiten und Gesetze sprechen konnten. Fahimah ist in unseren Augen sehr ueberzeugt von ihrer Religion und lebt sie auch vollkommen aus. Sie erzaehlte uns viel von ihren Ritualen und Traditionen. Eines Abends wurden wir von ihrer Familie eingeladen zusammen das Fasten zu brechen und durften richtig feines persisches Essen geniessen. Voller Begeisterung erzaehlten sie von ihrem Besuch in Mekka und Medina und zeigten uns das Video von der Begruessung und dem Fest nach der Pilgerfahrt mit der ganzen Verwandtschaft. Solche Begegnungen machen unsere Reise interessant und unvergesslich und lassen uns viel tiefer in andere Kulturen und Religionen eintauchen. Danke Fahimah!

Nach vier Wochen Ramadan war dann endlich ein Ende in Sicht. In Kashan, einer Wuestenstadt, erlebten wir die letzten zwei Tage sehr intensiv mit, stand doch unser Hotel direkt neben einer Moschee von welcher der Mullah, wie er hier im Iran heisst, seine Gebete singt. Von 4-5 Uhr morgens voller Lautstaerke waehrend die Moslems vor dem Sonnenaufgang fruehstuecken (er dient sozusagen als Wecker) und von 17-17.30 Uhr bevor man wieder essen darf. Eigentlich toenen die Gebete schoen, aber dieser Mullah toente wie von einem alten Tonband abgespielt und wir fragten uns ob das wohl jemandem gefaellt. Wir wissen es nicht, so wenig wie die Moslems wissen wann das lange Fasten ein Ende hat. Der Ramadan dauert eine Mondlaenge und der Mullah gibt das Ende bekannt wenn er den Neumond sieht. In Qom wurde schliesslich der Neumond einen Tag frueher gesichtet als in Teheran und Kashan obwohl Qom dazwischen liegt. Somit fasteten auch wir einen Tag laenger! Nachher wieder unbeschwert auf der Strasse essen und trinken kam uns richtig fremd aber befreiend vor.

Wir sind immer noch erstaunt ueber die iranische Esskultur. Zwar bekommt man wieder den ganzen Tag etwas zu essen, doch neben Kebabs und den feinen Eintoepfen liegen hier Innereien wie Hirn, Leber und Magen hoch im Kurs; sowie ganze Lammkoepfe oder Unterschenkel samt Huf. Gerupfte Huehner fuellen ganze Kuehlvitrinen und warten auf Kaeufer, wie auch die halben Kuhseiten die beim Metzger im Tuereingang haengen. Richtig schlimm finden wir dann aber die bis ueber den Rand mit Skelettresten gefuellten Abfalleimer die vor den Restaurants auf die Muellabfuhr warten und vor sich hin stinken.

Damit das Radeln im Iran wegen dem Verkehr und den endlos langen Strassen trotzdem Spass macht, entschieden wir uns auf der Autobahn zu fahren, wo wir den breiten Pannenstreifen ausnuetzen koennen. Das war noch ganz toll, bleiben doch die Lastwagen auf der gebuehrenfreien Hauptstrasse und koennen uns somit nicht anhuppen und vollrussen.

Unterwegs nach Esfahan blies uns aber ein heftiger Wind entgegen, so dass wir kaum vorwaerts kamen und da Maja komplett erkaeltet war und es Maesi furchtbar anschiss, hielten wir am Strassenrand und versuchten einen leeren Pickup zu stoppen der uns mitnehmen koennte. Statt einem Pickup hielt dann aber ein Schweizer Militaerpinzgauer (Sani-Pinz), bemalt mit mystischen Feen und Tieren und einem blonden Zauberer der ein Insekt mit Loewenkopf verzaubert. Dieser Blonde steigt dann auch aus und es ist Dieter, der Zirkusdirektor aus Deutschland. Nachdem wir unsere Raeder in den clever eingerichteten Camper gestellt haben ging die Fahrt motorisiert weiter. Wir erfahren dass er den kleinsten Zirkus der Welt hat und mit Huehnern, Tauben, Schweinen, Katzen und weiteren Kleintieren Vorstellungen gibt. Zusammen mit seinen zwei Hunden macht er nun vier Wochen Ferien im Iran und kann mit dem 6x6 in die verlassensten Winkel, ueber Stock und Stein fahren. Waehrend einem Spiegeleier-Stopp fernab der Strasse erzaehlen wir uns Erlebnisse und wir geben ihm Tipps fuer wunderschoene Strecken durch die Wueste die wir mit dem Fahrrad leider nicht machen koennen. Ganz spontan laed er uns dann ein, die naechsten Tage mit ihm durch die Wueste zu fahren; ja sogar bis nach Shiraz und zurueck nach Esfahan. Die Fahrraeder aufs Dach und los gehts! Wow! Fuer uns oeffneten sich Tore und das Reisen im Iran erhielt eine andere Dimension. Anstatt nur von Stadt zu Stadt zu reisen konnten wir auch weniger touristische Gegenden sehen. In diesem Pinzgauer fuhren wir zum Zelten raus in die Steinwueste, weit weg von Zivilisation und Lichtquellen. Der Sternenhimmel lag klar und dicht und leuchtend ueber uns. Die Naechte wurden eisig kalt, doch wir zwei genossen diese langen Naechte und durften kuscheln ohne dass die Sittenpolizei etwas dagegen haben konnte!

Wir wussten gar nicht dass eine Wueste so abwechslungsreich sein kann: Eine endlos flimmernde Flaeche, kantige Felsen, massive Berge in tiefsten Rot- und Brauntoenen, Sandduenen und Steinfelder. In regelmaessigen Abstaenden eine verlassene Keravanserei, viele wilde Kamele und immer wieder eine Fata Morgana. Wir denken dort muss ein Salzsee sein, doch als wir naeher kommen ist dort kein Tropfen Wasser zu sehen. Das Lichtspiel ist genial.

Nach zwei Tagen Fahrt erreichten wir eine Oase voller Dattelbaeumen und Lehmhaeuser, Garmeh, ein 200 Seelendorf. Im Guesthouse quartierten wir uns ein und genossen mit Einheimischen und jungen Teheranern einen unterhaltsamen Abend. Dieter fuehrte ein paar Zaubertricks vor und die Besitzer machten Musik mit Amphoren, Bongos, Digeridoo und Rasseln. Die Atmosphaere war ganz locker, die Frauen trugen kein Kopftuch und wir erlebten einmal mehr Iraner die mit der Religion und der Politik nicht viel anfangen koennen.

Nachdem Maesi seine Taschen mit Datteln gefuellt hatte, fuhren wir von Garmeh nach Yazd. Hier stellten wir unsere Fahrraeder in einem Hotel ein und fuhren weiter nach Persepolis und Shiraz. Wir sind Dieter sehr dankbar, konnten wir doch noch mehr vom Iran sehen und er bot uns an unsere Souvenirs mit nach Hause zu nehmen. Unserem Budget tats nicht so gut aber ein paar orientalisch-persische Erinnerungen mussten wir haben.

Als Europaeer ist man im Iran sehr willkommen, wenn wir sagen wir sind aus der Schweiz, dann finden die das super. Meistens wird dann auch gleich der Preis hoeher angesetzt, weil ja in der Schweiz das Geld angeblich aus dem Wasserhahn tropft und alle sehr reich sind. Oftmals muessen wir ihnen die Relationen aufzeichnen damit sie verstehen dass auch bei uns keine Geldbaeume wachsen. Klar ist der Iran fuer uns sehr guenstig, wir bezahlen fuer ein feines Abendessen um die CHF 12.-, eine zehnminuetige Taxifahrt kostet um die CHF 2.-  und das Brot keine 10 Rappen. Doch die Hotels sind verhaeltnismaessig teuer.

Wenn wir also durch die Bazaars schlendern, die hat es in jeder Stadt, erzaehlen wir erst nach dem Handel von wo wir kommen und wenn wir ihnen erklaeren, dass wir mit dem Fahrrad hier sind, dann sind wir richtige Helden, sind doch die meisten Iraner unsportlich. Weil wir auf Hochzeitsreise sind bekommen wir manchmal sogar kleine Geschenke.

Jede persische Stadt ist anders und doch gleichen sie einander sehr. Viele Moscheen mit farbigen Kacheln verziehrt, mit hohen Minaretten und glimmernden Gedaenkstaetten die nur Moslems besuchen duerften. Breite Strassen, viele Menschen, kuppelartige Teehaeuser mit teppichbezogenen breiten Baenken wo man im Schneidersitz Tee trinkt und Dizi isst. Esfahan mit der einzigen Fussgaengerzone, den verschiedenen Bruecken und Teehaeusern hat uns sehr gut gefallen. Der Glanz der persischen Kultur konnte uns verzaubern!

 

PS 1: Die romantischsten Maenner haben wir hier im Iran getroffen. Augenaufschlaege, Hueftschwung durch enge Hosen betont und ein Singen in der Stimme… ob das auch mit der Geschlechtertrennung zu tun hat?

PS 2: Nun sind wir in der Wuestenstadt Yazd, eine der aeltesten Staedte Irans, gebaut aus Lehmziegeln, mit dem bewundernswerten Kanatensystem welches die Wasserzufuhr von den Bergen zur Stadt schon seit Jahrhunderten sichert. Und den dominanten Windtuermen die den Einheimischen auch waehrend des heissen Sommers kuehle Luft in die Wohnungen leiten.

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

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14. Reisebericht 3.12.2005

Iran zum Letzten

Wir naehern uns dem Osten Irans, der Region Baluchistan, die sich bis weit ueber die Grenze Pakistans und auch einen Teil Afghanistans erstreckt. Eine karge Gegend vorwiegend aus Stein, Geroell und Sand, tagsueber momentan angenehm warm, nachts eisigkalt. Die wenigen Menschen die hier leben sind Halbnomaden, leben im Sommer in Zelten in den Bergen, im Winter in ihren Lehmhuetten.

Bereits in Kerman sahen wir einige dieser Maenner in langen Blusen und Turbanen; ein Voelkergemisch der besonderen Art. Hier noch der schicke Iraner im Anzug, dort ein Pakistani oder Afghani in Tuecher gehuellt.

Nach 19 Tagen Fahrrad-frei freuten wir uns sehr endlich wieder radeln zu koennen und am Abend spuerten wir ganz schoen unsere Beine und das Hinterteil. Uns wurde wieder ganz klar bewusst wie langsam wir eigentlich unterwegs sind, nachdem wir in ein paar Tagen mit Dieter im Pinzgauer ueber 1000km zurueck gelegt hatten. Zum Radeln ist die Jahreszeit optimal, nicht so heiss, jedoch jeden Tag Sonne. Leider sind die Tage etwas kurz, um 16.30 Uhr wird es schon dunkel und es kuehlt heftig ab.

Zusammen mit unseren Freunden aus Holland, Rob und Lucie, sind wir als Vierergespann unterwegs. Seit wir uns in der Tuerkei das erste Mal getroffen haben, laufen wir uns immer wieder ueber den Weg, haben das selbe Tempo, suchen oft dieselben Hotels und Restaurants auf. Da die Durchreise durch Pakistan, wie wir mehrmals gehoert hatten, nicht unkompliziert werden koennte, haben wir uns entschieden die naechsten Wochen zusammen zu reisen, uns gegenseitig zu unterstuetzen. So nehmen wir ab Kerman den Bus bis Quetta, Pakistan (ca. 1200km) bringen diesen Teil der Region Baluchistan so schnell wie moeglich hinter uns, welcher fuer Drogenschmuggel und Kriminalitaet bekannt ist. Wir waeren tagelang geradelt, haetten bei Polizeiposten neben der Strasse uebernachten muessen; doch wir radeln aus Freude an der Bewegung und an den Begegnungen und nicht weil wir die Kilometer zaehlen. So sassen wir im Bus, blickten auf eine wunderschoene Kulisse und konnten unsere Zeit im Iran verarbeiten und Revue passieren lassen.

Der Iran bleibt fuer uns ein Geheimnis. Er hat mehrere Seiten, das faengt bei der Politik an, geht weiter ueber die Verbote, Gesetze, ueber die Religion, die Kultur, die Zeit des Shas und dessen Denkmaeler, bis zu den jungen Menschen die Iran lieben oder hassen. So wurden auch wir nicht ganz schluessig, waren dauernd hin und her gerissen wem wir nun was glauben sollten, wollten unser Bild objektiv gestalten, wurden aber immer wieder beeinflusst und irritiert.

Fasziniert hat uns die persische Geschichte, weniger der Khomeini-Kult. Sein Gesicht und das seines Nachfolgers haengt in jedem Haus, an Waenden und Moscheen. Beeindruckt waren wir von der Offenheit der Menschen die ueber ihre Gefuehle gesprochen haben und uns tiefer in ihre Welt eintauchen liessen. Gelacht haben wir ueber die Stuehle und Sessel, die immer noch im Verpackungsplastik verkleidet bereits gebraucht werden, der Preis und die Ettikette noch dran. Genossen haben wir den Moslem-freien Nachmittag wo wir in Esfahan den armenischen Viertel besuchten und uns die christliche Vank Kathedrale ansahen. Kirchenmusik hiess uns Willkommen, wunderschoene Malereien der Bibelgeschichte und ein sorgfaeltig gefuertes Museum mit der kleinsten Bibel der Welt. Bei einem Kaffe im Coffee-Shop nebenan erfuhren wir von einem jungen Armenier wie schwierig ihr Leben hier in dieser islamischen Welt ist. Gefreut haben wir uns ueber die Einladung von Fahimah in Hamadan ihre Englischstunde im Institut zu besuchen. Die acht jungen Frauen loecherten uns mit Fragen ueber unsere Reise, unsere Hochzeit, die Kultur in der Schweiz, unsere Religion, Regierung, Geld, Ausbildung, Job. Wir spuerten den Wissensdurst dieser jungen Leute die durch ihre Isolierung viel zu wenig vom Rest der Welt wissen, es aber erfahren moechten. Wir sind froh gibt es nun auch Internet im Iran. Gelangweilt hat uns die iranische Kueche. Die trockenen Kebabs blieben uns im Hals stecken, die Suppe schmeckte immer gleich und die Stews, das einzige was wir gerne hatten, verloren am Schluss auch ihre Reize. Richtig gut gegessen hatten wir bei jemandem zu Hause, das war immer ein Festessen. Schade gibt es diese Vielfalt selten in Restaurants und Take Away-Buden. Wir werden dieses Essen nicht vermissen. Das einzig Lustige daran ist, dass man nur mit Gabel und Loeffel isst und dazu viel Brot. Kompliziert wurde die Verstaendigung durch die neue Sprache Farsi und deren fremde Schrift (aehnlich wie arabisch), vorallem wenn die Wegweiser nur in Farsi angeschrieben waren... Traurig stimmte es uns wenn wir eine wunderschoene Moschee sahen und sie nicht besichtigen durften weil wir nicht Moslems sind. Nur ein tiefer Griff in die Trickkiste ermoeglichte uns ab und zu einen Besuch. Erstaunt hat uns dabei wie innig die Moslems ihre Heiligen verehren, ihnen wunderschoene Shrines bauen, mit tausenden von Spiegelchen dekoriert. Die Glaeubigen besuchen und kuessen die Grabstaetten, beten und teilen ihre Trauer. Genervt haben wir uns wegen den ruecksichtslosen Taxi-, Auto- und Motorradfahrer, die keinem einzigen Fussgaenger je eine Chance geben anstaendig ueber die Strasse zu kommen. Wir empfanden dieses Verhalten als sehr respektlos. Amuesiert haben wir uns ueber die kichernden jungen Frauen die uns ansahen, evt. etwas sagten und dann zusammen hinter dem Tschador versteckt kicherten. Wir glauben es war ihr Stolz, dass sie sich getrauten uns anzusprechen, oder vielleicht machte sie Marcel etwas verlegen oder sie lachten ueber Maja die ihr Kopftuch wiedermal nicht Khomeini-tauglich trug... Jedenfalls wurde Maja von allen Frauen mit grossen Augen bestaunt und immer foehlich angelaechelt. Das tat ihr so gut, in dieser maennerdominierten Welt. Angezogen wurden wir von den Bazaars. Das Treiben, Feilschen, Diskutieren, Gestikulieren, Handeln, Schmieden, Weben, Schlagen, Tragen, Naehen,... jahrhundertealte Traditionen von Handwerken werden gepflegt, an Junge weitergegeben, dem Touristen verkauft. Nicht selten wurden wir zum Tee trinken eingeladen, haben ueber die Antiquitaeten diskutiert oder die Reise oder die Politik. In kilometerlangen Gaengen mit Kuppeldaechern wird Sinnvolles, Nuetzliches, Kitschiges, Unbrauchbares, Wertvolles und Wertloses verkauft, ein Geschaeft neben dem anderen, manchmal mit guter manchmal mit skrupelloser Nachbarschaft. Die Bazaars leben, das gefaellt uns!

In Zahedan angekommen, der letzten grossen Stadt Irans, 100 km vor der pakistanischen Grenze, werden wir nochmals eingehend von den Einheimischen bestaunt, unsere Fahrraeder betatscht. Unsere Viererkarawane wird wieder von Motorradfahrern eskortiert die halsbrecherisch vorfahren, die Polizisten kennen die eigene Stadt nicht und geben uns den falschen Wegbeschrieb, im Hotel funktioniert die Heizung nicht und unsere kalten Fuesse bleiben kalt. Kroenend verabschiedeten wir den Iran mit einem Chickenkebab und liessen uns am naechsten Morgen mit einem Pickup zur Grenze fahren. Mit Rob und Lucie haben wir bereits unser Iranerlebnis eroeffnet, nun schliessen wir es wieder gemeinsam.
 

PS1: Zum Ausprobieren wie ein iranischer Chickenkebab schmeckt, hier das Rezept: Man nehme die sauersten Zitronen die man finden kann, lege die Chickenfleischwuerfel darin ein (am Besten ueber mehrere Stunden) bis dem Fleisch der ganze Saft entzogen wurde und die Farbe des Fleisches Schwefelgelb ist. Danach grilliert man das Fleisch in der Pfanne oder Grill drahtig und faserig. Eine halbe Stunde auskuehlen lassen und mit trockenem weissen Reis servieren, zusaetzlich ein paar kalte Pommes Frites als Dekoration passen hervorragend dazu.
 

PS2: wir sind nun dort wo wir nach 15 Stunden eisigkalter Busfahrt ausgestiegen sind; in einer komplett anderen Welt!

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

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15. Reisebericht 21. Dezember 2005

Assalam Alaikum

Kaum haben wir die Grenze ueberquert hiess uns eine komplett andere Welt willkommen: Pakistan; gutes, wuerziges Essen bereits im Zollhaus, Maenner mit langen Blusen, weiten Hosen und Tuecher um den Kopf gewickelt, Linksverkehr, schlechte Strassen, funkelnde Lastwagen, Frauen in farbigen Kleidern und sehr viele Fahrradfahrer! Wir staunten nicht schlecht, ist doch der Unterschied zum Iran gewaltig und ueberraschend positiv!

Die letzten paar Wochen haben wir viel Informationen eingeholt wie das Reisen in Pakistan sein koennte. Von Travellers die waehrend der letzten Wochen durch Pakistan gereist sind haben wir nicht sehr erfreuliche Infos erhalten. Die Meisten hatten Polizeieskorten ob sie per Camper, Motorrad oder Fahrrad unterwegs waren. Vorallem die Fahrradfahrer hatten Muehe mit den Eskorten, weil es der Polizei zu langsam ging und sie die Radler, vorallem die Weiblichen, unter Druck setzten. Pipipausen und Fotostopps seien unerwuenscht. Ja, nicht gerade ermutigend fuer uns. Dann kommt noch dazu dass auch die Aemter fuer die Durchreise durch Regionen wie Baluchistan und Sindh abraten. Wir wollten kein Risiko eingehen also planten wir per Bus und Zug diese Gebiete zu durchreisen udn hofften spaeter doch noch ein paar Kilometer radeln zu koennen. Wir waren zu viert unterwegs, mit Rob und Lucie aus Holland; wir hofften so gehts problemloser.

Nach einer unkomplizierten Einreise wollten wir einen Bus finden der uns nach Quetta bringt, ca. 650 km ins Landesinnere. Ein Bus stand direkt neben dem Zollhaus bereits vollbeladen mit viel geschmuggeltem Benzin aus Iran, im Bus drin und auf dem Dach; x Schachteln mit Praffin auf dem Boden ausgelegt, gebrochene Frontscheibe, eng und schmutzig. Wir entschieden uns fuer diesen Bus obwohl Maja ein sehr schlechtes Gefuehl hatte, denn er wuerde bald fahren und lange suchen wollten wir nicht. Unsere Maenner verfrachteten die Raeder aufs Dach und waehrenddem sie oben die Raeder fixieren wollten fuhr er los in die naechste Ortschaft Taftan. Waehrend mehreren Stunden wurde weiteres Material aufs Dach verladen bis auch den anderen nicht merh wohl war. Erstens wegen der Gefahr waehrend der Fahrt, der Schwerpunkt war ziemlich weit oben und dann gingen sie sehr unvorsichtig mit unseren Raedern um. Die haetten am Schluss auf dem ueber 2 Meter hohen Materialberg gelegen. Als wir den Bus wechseln wollten, gabs einen heftigen Aufstand des Besitzers. Auf dem Dach des Busses sprach er auf Marcel ein, unten standen Hunderte von Pakistanis die uns umringten und zuschauten. Schliesslich konnten wir wechseln, unsere Fahrraeder sicher auf einem anderen Bus fixieren und zusehen wie der vollbeladene Bus schwankend Taftan verliess. Waehrenddem wir auf die Abfahrt warteten knipste Marcel einen Fotofilm voll von der Stimmung dieser Grenzstadt, den Baluchi-Gesichtern mit Bart und Turban, von der Open-Air Moschee und den Maenner im Shalwar Kameez. Die ersten 300 km waren recht angenehm, nachher fing der Schuettelbecher an. Zum Glueck war es Nacht, wir konnten die Strassenzustaende nicht sehen nur fuehlen. Immer wieer sahen wir aber etwas blinkendes, funkelndes, leuchtendes auf uns zukommen, das sind die pakistanischen Trucks; fahrende Weihnachtsbaeume! Im Bus drin sahen die Maenner in ihre Tuecher gehuellt im dumpfen Licht der Businnenbeleuchtung recht gespenstisch aus. Nach 15 Stunden Fahrt kamen wir halb eingefroren in Quetta an. Zusammen mit Fahrradfahrern, Autorikshaws, Eselskarren, Bussen und Autos fuhren wir durch die Strassen, die Leute hiessen uns Willkommen und begleiteten uns. Wir hatten riesig Spass. Spaeter setzten wir uns in so eine Autorikshaw und liessen uns durch den dichten Verkehr bis zum Bazaar chauffieren. Nach zwei weiteren Tagen Bazaar war uns aber klar, dass eigentlich ganz Quetta ein einziger Bazaar ist. Von Morgens bis Abends ist Betrieb, jeder hat sein Business auf der Strasse oder in einem kleinen Shop. Wir staunten nicht schlecht als wir eine Strasse entdeckten mit Fahrradgeschaeften wo man sein Fahrrad zum Dekorieren lassen bringen kann. Eine Stunde spaeter erkennt man es nicht wieder. Verschiedene Farben, Scherenschnitte, Plastikblumen, Wimpel, Rueschchen, Gloeckchen,... alles kann man haben. Die Versuchung war gross unsere Bikes dekorieren zu lassen, aber wir wollten sie ja nicht noch attraktiver machen als sie hier eh schon sind! Wir sind ueberzeugt, dass das Voelkergemisch Quetta einen speziellen und interessanten Touch gibt. Hier leben Baluchen, Afghani, Pastunen, Nomaden und weitere Voelker zusammen. Die Leute waren sehr aufgeschlossen, suchten Kontakt mit uns und wollten immer fotografiert werden.

Weiter gings mit dem Zug. Nachdem wir alle unsere Taschen in zwei grosse Getreidesaecke gestopft hatten, mischten wir uns unter die vielen Leute die alle auch in diesen Zug wollten. Wie vermutet gabs dann ein riesiges Chaos beim Einsteigen. jeder Pakistani hatte mindestens so viel Gepaeck dabei wie wir und die reservierten plaetze waren teils doppelt belegt. Wir hatten extra "First Class Sleeper" gebucht, dass wir die 16 Stunden einigermassen gemuetlich verbringen koennen. Am Schluss standen uns aber statt vier nur drei Betten zur Verfuegung und wir zwei teilten uns einen solchen schmalen Schragen. Aber halb so wild, um 2.30 Uhr in der Nacht mussten wir in Bahawal Pur aussteigen, bekamen unsere Raeder einwandfrei zurueck und warteten vier Stunden in der Kaelte bis es Tag wurde. Diese pakistanische Zugfahrt war aber ein geniales Erlebnis, so mussten die Zuege in der Schweiz vor 50 Jahren gerattert und geschaukelt haben. Sehr gemuetlich fuhr er zuerst den armseligen Siedlungen entlang, dann ueber den Bolanpass durch eine spektakulaere Bergwelt. In den offenen Tueren stehend liessen wir den Wind durch die Kleider blasen und waren immer bereit fuer Schnappschuesse. An den Stationen konnten wir uns mit feinem Essen eindecken, Dhal, Reis und Cay. Auf der Faleche gab der Zug dann richtig Gas und wir fuehlten uns wie auf einem Schnellboot das ueber die Wellen reitet. Ziemlich zuegig raste er bei Nomaden und ihren Zelten vorbei und wi sahen die Sonne in der Wueste versinken.

In Bahawal Pur merkten wir dann das erste Mal wie gross die Kluft zwischen Arm und Reich ist. In einem Stadtteil gibt es Traumvillen, schicke Restaurants und viele Privatschulen. Daneben hausen die Menschen in aermsten Bedingungen, betteln auf der Strasse. Daran muessen wir uns nun gewoehnen, in Indien wird es nicht anders sein. Reich werden die Leute hier mit Baumwolle. Waehrend unserem ersten Radeltag bis Multan sahen wir Baumwollfelder bis an den Horizont, darin farbige Punkte: Frauen bei der Ernte. Es war eine richtig schoene und interessante Fahrt, nicht viel Verkehr und wenn dann sehr angenehm. Radfahrer begleiteten uns, einer hatte sogar einen Lautsprecher montiert und leiss Musik laufen, kurvte 10 km lang hinter uns her. Eine tolle Abwechslung. Den Strassen entlang ist wieder Leben, kleine Doerfer, Teehaeuser, Fruchtmaerkte, Reparaturwerkstaetten und viel Leute die uns zurufen und winken. Es ist einfach wunderschoen wenn man das Strahlen auf ihren Gesichtern sieht wenn wir mit ihnen Kontakt aufnehmen. Sobald wir anhalten bildet sich eine Menschentraube um uns, meist zurueck haltend, mit Abstand. Wenn dann einer etwas fragt kommen auch die anderen naeher und druecken auf unsere Hupen, das finden sie besonders lustig!

Die Strassenbelaege waren nicht hervorragend, doch als wir nach Multan rein fuhren, schaetzten wir die Strassen bis hierher. Hier gabs nur noch Schotter, Staub, Dreck, Sumpf, verstopfte Strassen, stinkende Rikshaws und dahinter ein Esel, seine Nase direkt am Auspuff. Unglaublich was die Pferde, Bueffel, Esel und Kamele hier alles leisten,schwere karren durch den dichten und lauten Verkehr ziehen muessen. Einmal sahen wir sogar Ziegen die Tag und Nacht auf einer kleinen Verkehrsinsel ihr leben verbringen muessen. Sie fressen was gerde an Abfall geflogen kommt und starren abgedroschen ihren tierischen Freunden nach die dasselbe mitmachen muessen.

Nun werden wir also jeden Abend voll verstaubt vom Rad steigen, haben literweise Abgase und Staub eingeatmet und sind froh wenn wir ein ruhiges Hotelzimmer finden.

In Multan lernten wir einen Pakistani kennen der uns eine bemalte Camel Skin Lampe verkaufte und uns den Handicraftbazaar zeigte. Hier arbeiten 18 Handwerker Seite an Seite und demonstrieren ihre Arbeit. Wir wurden zum Cay eingeladen und wurden mit Geschenken ueberhaeuft plus organisierete er einen Fernsehauftritt fuer uns. Irgend ein City Channel. Mit 2,5 Stunden Verspaetung traf die zweikoepfige Crew ein, einer mit Mikrofon der andere mit einer Pocketvideokamera auf einem Dreibeinstativ. Maesi, der die traditionelle Pakistani-Kluft trug, musste zuerst ein paar Fragen beantworten, dann kamen Maja, Lucie und Rob dran. Anschliessend wollten sie uns noch auf den Fahrraedern filmen und da diese Reportage diese Nacht um 3 Uhr ausgestrahlt wird mussten wir noch im Dunkeln, ohne Gepaeck natuerlich, vor dem Hotel hin und her fahren. Wir amuesierten uns sehr und staunten wie ernst die zwei ihre Arbeit nahmen. Leider hatte unser Hotel-TV diesen Sender nicht und ein Tape davon haben wir auch nicht erhalten. Wir vergassen sogar zu fotografieren so waren wir beschaeftig mit Zuhoeren und das Lachen zurueckzuhalten.

Wenn wir in so ueberfuellten Staedten wie z.B. Multan sind fahren wir eigentlich nie mit dem Fahrrad zum Bazaar oder zu Sehenswuerdigkeiten. Dann fahren wir mit einer Rikshaw. Will man ein bisschen Privatrssphaere dann steigt man in eine Autorikshaw ein die Tueren hat und man nur ueber die Schulter des Chauffeurs auf die Strasse sieht. Der Nachteil ist, dass die Abgase drinnen haengen bleiben und man jede Bodenwelle und Schlagloecher unsanft mitbekommt. Ein Gruss an die Bandscheiben. Aber dieses Gefaehrt ist wendig wie ein Putsch-Auto an der Herbstmesse nur putscht es zum Glueck selten bis nie! Die Motorradrikshaw hingegen ist offen, man kann vorwaerts oder rueckwaerts fahren. Das aehnelt dann eher einer Geisterbahnfahrt, vorallem Nachts wenn man nur Scheinwerfer sieht und Schatten der Maenner auf den Velos in Tuecher gehuellt langsam oder schneller vorbei huschen. Anstaendig sitzend haben bei dieser Rikshaw 4 Leute Platz sonst 7-10. Hier kann man den ganzen Verkehr beobachten und die Gesichter der erstaunten Pakistanis sehen wenn sie sehen dass zwei Europaeer hinten drauf sitzen. Weiter gibts noch die Fahrradrikshaw, einer tretet zwei bis drei personen sitzen weich gepolsterst im Anhaenger und lassen sich rumchauffieren. Das haben wir bis jetzt noch nie probiert. Die Typen tun uns so leid denn sie haben nur einen Gang und das ist harte Arbeit. Dafuer ist man langsam unterwegs und man muss sich nicht fuerchten vor dem Fahrstil des Drivers. Manche Motorisierten fahren mit der Gunst der Millimeter und lassen kein Schlagloch aus!

Lucie hatte in einem Reisebericht eines Hollaenders gelesen, dass er in Mian Channun, einer Stadt auf unserem Weg nach Lahore, bei einem homoeopatischen Arzt uebernachtet hat. Da wir dachten zu viert wollen wir diesen Arzt nicht terrorisieren, checkten wir zuerst die Hotels ab. Auf Grund des Zimmerzustandes entschieden wir uns dann doch den Arzt aufzusuchen. Voller Erstaunen hiess uns der Sohn Gudu willkommen, fuehrte uns in das riesige Haus und zeigte uns den Schlafraum mit zehn Betten. Wir waren sehr ueberrascht, erfuhren dann aber dass sein Vater, Dr. Mirza, bereits 82 Jahre und 7 Monate alt (wie er selber sagt) in den 60er Jahren selbst mit dem Fahrrad um die Welt fuhr. Er freue sich ueber jeden Besuch von World Cycle Tourists, wie er so schoen sagt. Im Gaestebuch konnten wir nachlesen, dass er bereits seit ueber 25 Jahre Gaeste empfaengt, ihnen ein Bett und Essen anbietet; sogar aus der Schweiz waren einige dabei. Dr. Mirza selbst ist sehr ruestig und fit und weiss viel zu erzaehlen. Er weiss genau was ein Fahrradfahrer braucht und so schickte er uns um 21.30 Uhr ins Bett! Da er es nicht akzeptieren wollte dass wir am anderen Tag weiter fuhren verbrachten wir den Morgen mit Fotos anschauen; 2000 Bilder von seinen Gaesten, viele auch doppelt und dreifach. Da maja die ueppigen French Toast vom Fruehstueck nicht verdauen konnte blieben wir auf der Sonnenterrasse und warteten nach ein paar Zaubertropfen von Dr. Mirza auf Besserung. Mirzas Grosskinder sorgten fuer genuegend Unterhaltung und standen gerne Modell fuer unsere Fotosammlung. Wir haben uns sehr gefreut, konnten wir Dr. Mirza kennenlernen. Er wird fuer uns ein Beispiel bleiben wie man mit wenig Material aber viel Herz, Charme und Gastfreundschaft andere Menschen gluecklich machen kann.

Nach vielen schlechten Erfahrungen von anderen Travellers koennen wir nur positives ueber das Reisen in Pakistan berichten. Die Polizei begruesste uns immer freundlich, nahm Notiz wohin wir fahren und nur die letzten 20 km bis Lahore begleiteten sie uns. Wie wir erfuhren sind die Eskorten nur zum Schutz der Touristen gedacht, da in den letzten Jahren bereits Auslaender entfuehrt wurden.

Die Pakistanis sind fuer uns definitiv die Kuenstler des Kitschs! Hier blinkt, funkelt, hornt, leuchtet, rasselt alles. Vom Truck bis zum Fahrrad, von der Gedenkstaette bis zum Mandarinenverkaeufer, vom Kopf bis zu den Fuessen. Eine farbig frohe Welt, auch die Frauen sind in allen Farben gekleidet; es ist eine Freude! Genauso abwechslungsreich ist auch ihre Kueche. nach den Hungerphasen im Iran koennte man sich hier auf alles stuerzen, doch wir muessen vorsichtig sein, sind doch die hygienischen Verhaeltnisse drastisch gesunken. Wir alle hatten schon unsere Durchfall-Attacken durchgemacht, sie jedoch gut ueberstanden. Nun verlassen wir die Moslems und erreichen unser 14. Land unserer Reise: INDIEN, ein grosses Ziel ist erreicht!
 

PS 1: und wenn schon keine gewohnte Weihnachtstimmung aufkommen konnte, dann hatten wir wenigstens die wunderschoenen Lastwagen zu bewundern die wie Weihnachtsbaeume aussehen. Wenn schon kein Christ-Baum dann wenigstens ein Moslem-Truck!
 

PS 2: Wir verbrachten nun zwei friedliche Tage in Amritsar, besuchten den fantastischen Golden Tempel und hausten im Pilgerhaus der Sikhs, wo wir einen Einblick in ihre Religion bekamen. Weiter gehts in die Berge nach Dharamsala wo der Dalai Lama zu Hause ist. Dort moechten wir Weihnachten feiern und unser Gerber-Fondue essen, das wir von Zuhause zugeschickt bekommen haben... wir freuen uns sehr darauf! Wir wuenschen unseren Lesern und treuen Verfolgern frohe Weihnachten und ein erfolgreiches, glueckliches Neues Jahr! Eure Inder

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

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16. Reisebericht 19. Januar 2006

Freude herrscht!!!

Die magische Linie. Nun liegt sie vor unseren Fuessen, markiert durch einen weissen Strich. Unser Herz schlaegt schneller, ein paar Traenchen fuellen unsere Augen, gleichzeitig ueberfaellt uns ein Sturm der Freude und auch ein bisschen Stolz. Nach 7 Monaten und 13 Tagen stehen wir also an der Grenze zu Indien, dem Land der Gerueche, Farben, Religionen und Gegensaetze. Noch ein Foto in Pakistan mit dem Grenzwaechter, Schritt, nun ein Foto mit dem Eintrittstor und ein paar Indern die Gepaeckstuecke, an der Linie von den Pakistanis uebernommen, in ihr Land tragen. Wir sind nun also in Indien!!! Wie oft haben wir davon gesprochen, wie oft haben wir unterwegs unsere Reiseroute mit dem Ziel Indien erklaert? Bis wir aber in New Delhi sind, unserem 1. grossen Ziel, muessen wir noch ein bisschen radeln, haben etwas Zeit einen Bruchteil dieses Landes kennenzulernen und zu erleben.

Doch zuerst musste Maesi, noch bevor wir den definitiven Einreisestempel erhalten haben, inmitten von Hundert staunenden Indern, einen Platten reparieren. Knapp vor der Grenze hat er unseren 2. Plattfuss dieser Reise eingefahren. Dann radeln wir los Richtung Amritsar. Entfernen uns von den muslimischen Laendern und fahren direkt in die naechte Religion hinein, die der Sikhs. Im atemberaubenden Golden Tempel Komplex aus weissem Marmor, ihrer heiligsten Gedenkstaette, steht in der Mitte des heiligen Sees ein wirklich goldiger Tempel, erreichbar durch einen Steg, genannt Guru's Bridge. Tausende von Pilgern kommen taeglich hier hin um das heilige Buch und ihre Gurus anzubeten. Auch wir mischten uns unter die Pilger und quartierten uns im Pilgerhaus ein. Entgegen zu den Sikh-Pilgern, die den Haeusern entlang auf dem Boden schlafen, hat es im Touristenmassenlager Betten und sogar eine Dusche mit heissem Wasser. Die Sikhreligion hat ganz eigene Besonderheiten so dass man sofort sieht wer ein Sikh ist. Sie tragen richtig schoen gebundene Turbane unter denen sie ihre Haare, die sie ein Leben lang nicht schneiden, verdecken koennen. Auch die Barthaare werden teilweise darunter versteckt. Die Anwaerter auf einen richtigen Turban tragen die Haare auf dem Vorderkopf zu einem Knoten gebunden (auf Schweizerdeutsch "Pfuerzi"), auch wieder mit einem Tuch bedeckt. Weiter sollte jeder Sikh ein Messer tragen. So sahen wir im Tempelkomplex ein paar sehr interessante Gestalten, beobachteten ihre Rituale, genossen die spirituelle Atmosphaere und lauschten Tag und Nacht den Trommelschlaegen und Gesaengen. Den Tempel muss man barfuss und mit Kopfbedeckung besuchen, so kam nun auch Maesi einmal in den Genuss von einem Kopftuch!

Weihnachten wollten wir in Mc Leod Ganj verbringen, dem oberen Dharamshala. Ein sehr beliebtes Touristendorf mit vielen Shops, Restaurants, der Residenz des hier im Exil lebenden Dalai Lama und seinen Moenchen und Nonnen und somit auch vielen Tibetern. Unterwegs vom Flachland in die Berge sahen wir die ersten Affen die am Strassenrand sassen, sich lausten oder spielten, so lustig! Wir haetten stundenlang zusehen koennen. Genau am 24. Dezember erreichten wir dieses Dorf auf 1770 Meter ueber Meer. Sofort machten wir uns auf, die Beilagen fuer unser Gerber-Fondue zusammen zu suchen und fanden sogar feines Brot und einen Weisswein. Dick eingepackt in unsere Jacken sassen wir dicht neben unserer Heizung, welche die Aufgabe des Weihnachtsbaumes uebernahm, da sie mehr leuchtete als waermte. Genuesslich und ganz nervoes vor Aufregung tauchten wir die Brotmocken in die Kaesesuppe und wuenschten uns die Pfanne wuerde nie leer! Mit dem mehr schlecht wie rechten indischen Wein stiessen wir auf Weihnachten an und dachten ganz fest an zu Hause. Sie feiern dann Heilig Abend wenn wir schon lange schlafen! Am Weihnachtsmorgen besuchten wir den Gottesdienst in der katholischen Kirche und erlebten nun einmal Weihnachten auf indisch. Die Kirche war voller Inder, einigen Westlern wie wir und mit 15 Minuten Verspaetung gings los. Der Inder mit der Plastiksamichlausmaske unterhielt uns aber mehr als die Predigt auf Hindi und die Filmcrew motivierte die Glaeubigen leider auch zu wenig etwas gehaltvoller zu singen. Nach dem Amen ertoente das "Jingle Bells" von der Kassette und es wurde Chai serviert. Der gute Masalatee lies dann doch noch Weihnachtsstimmung aufkommen. Er schmeckt sehr nach Lebkuchen. Ansonsten gabs nur wenig Weihnachtliches in Mc Leod Ganj, da die Hindi wie auch die Tibeter natuerlich keine Weihnachten feiern.

Ein bisschen komisch war es schon nun in Indien zu sein denn rings um uns war vieles tibetisch. Doch die Tibeter sind sehr froehliche und freundliche Menschen und zusammen mit den Monks and Nuns in den weinroten Kleidern und den Indern ergibt es ein interessantes Voelker- und Religionsgemisch das seit Jahrzehnten die Touristen nach Mc Leod Ganj zieht. Nachdem wir so lange Zeit durch nicht oder wenig touristische Gebiete gereist sind, genossen wir die Tage hier sehr. Wir machten sozusagen Ferien in den Ferien. Vom tollen Hotelzimmer aus, das uns einen wunderschoenen Blick ins Tal bot, machten wir ein paar Schritte und wir waren mitten im Geschehen. Viel Zeit verbrachten wir mit Essen, fuellten unsere Speicher mit vorwiegend vegetarischen Koestlichkeiten aus der indischen, tibetischen, chinesischen und italienischen Kueche auf und versuchten alle moeglichen Kuchen und Tees. Wir besuchten einen Kochkurs wo wir tibetische Gerichte, wie Momos und Suppen, zubereiten lernten. Immer wieder besichtigten wir die tibetischen Tempel, schauten den Butterlampen beim friedlichen Flackern zu, drehten die Gebetsmuehle und sprachen mit Buddhisten die auf der Suche nach Erleuchtung sind. Wir spazierten durch die tolle Berglandschaft, eskortiert von einer Vierer-Hunde-Gang, und genossen die Ruhe und den Spirit unter Hunderten von Gebetsfahnen. Die Fahrraeder wurden gereinigt und einige Schaeden entdeckt die bald behoben werden muessen. Einige Stunden verbrachten wir mit Tagebuch und Email schreiben und Abends genossen wir entweder einen Film im TV oder einen DVD auf Grossleinwand im Dorfkino. Wenn wir in der Muse fuer Shopping waren streiften wir durch die Laeden, deckten uns mit Free Tibet-Stickern ein, liessen die Verkaeufer der Souvenirlaeden auf uns einreden wie toll ihre Ware ist und wir verliessen den Laden voller Stolz doch mit leeren Haenden. Kaufen koennte man ja viel, aber unsere Fahrraeder sind so schon schwer genug.

Am Silvesterabend suchten wir uns ein feines Restaurant aus und bruehten nachher im Hotelzimmer einen Gluehwein mit indischen Zutaten. Die Handgelenk mal Pi-Mischung gelang uns nur maessig, doch kuschelig in eine Wolldecke gehuellt feierten wir auf dem Balkon den Jahreswechsel halt mal anders und ruhiger. Vergeblich warteten wir aufs Feuerwerk, doch wir zwei feierten genuesslich unsere drei Jahre M&M's, 9 Monate verheiratet und natuerlich die bald 8 monatige Reise. Wir sind so begeistert von dieser Art zu reisen, dass wir unsere Traeume hoffentlich auch im neuen Jahr in weitere spannende Abenteuer verwandeln koennen!

Ein grosser Wunsch von uns war, wenn wir schon hier sind, Seine Heiligkeit den Dalai Lama zu sehen. Wir sahen ihn zwar tagtaeglich auf den Postern und Bildern die in jedem tibetischen Geschaeft haengen und wir sahen auch einen Film ueber ihn im Kino, doch ihn einemal lebendig zu sehen muss etwas sehr Spezielles sein. Von Tseten, einem Tibeter der ueber 20 Jahre in der Schweiz lebt, nun aber gerade hier seine Mutter besucht, erfuhren wir viel ueber Seine Heiligkeit und der Lage Tibets. Der Zufall lernten wir Tseten in einem Laden kennen als er uns mit einem "Gruezi" ueberraschte. Fuer uns sehr speziell wenn wir nach einiger Zeit wieder Schweizerdeutsch sprechen koennen und sogar mit einem Tibeter! Wir erfuhren, dass es keine Audienz mehr gibt, wir aber Dalai Lama am 1. Januar bei seiner Abreise zu einem Teaching im Sueden Indiens sehen koennen. Also standen wir fruehmorgens nach einer kurzen Nacht auf und pilgerten zu der Residenz Seiner Heiligkeit. Nach einiger Wartezeit fuhr er in einem PW chauffiert bei uns vorbei, winkte und laechelte. Leider verging der Moment viel zu schnell, doch diese Sekunden werden uns ewig bleiben; das Aufstehen hat sich gelohnt!

So ambitioniert wie wir sind suchten wir uns nicht den einfachsten Weg Richtung Delhi sondern den laengeren, anstrengenderen, kuerveligeren aber trotzdem schoenen Weg durch die Auslaeufer des Himalayas aus. Schon die Fahrt nach Dharamshala war wunderschoen und so ging es jetzt weiter. Jeder Tag war eine Ueberraschung von Morgens bis Abends, koennen wir doch auf unserer 1:1'500'000 Landkarte sehr schlecht alle Steigungen, Abfahrten und Umwege sehen. Doch jeder Schweisstropfen lohnte sich, die Aussicht war jeweils traumhaft schoen! Und als wir dann im Flachland radelten vermissten wir die Abwechslung und der faszinierende Blick auf die Schneeberge. Waehrend diesen Tagen lernten wir wieder ein anderes Indien kennen. Jede Nacht verbrachten wir in einem eisig kalten Hotelzimmer oder im Zelt bei Minustemperaturen. Ducschen konnten wir zwar meistens warm, doch das Badezimmer aus Beton oder Stein bleibt trotz Dampf ungemuetlich kalt und beim Sprechen sehen wir unseren eigenen Atem. Heizungen gibt es keine mehr, wenn wir sagen "it's cold" ist die Antwort "no problem". Und das heisst nicht sie bringen eine Heizung sondern "es ist doch nicht kalt"! Nach ein paar Tagen fragten wir schon nicht mehr, weil es uns bewusst wurde dass wir sogenannte Warmduscher sind. Wir sahen naemlich wie die Inder leben, oft in armseligen Verhaeltnissen und dort gibt es sicher keine Heizung also auch kein warmes Wasser das aus dem Wasserhahn kommt. Nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang brennen ueberall Feuer. Die Menschen sitzen darum herum und waermen sich auf. Die Frauen sind wieder Schwerstarbeiter und schleppen den ganzen Tag Aeste. Unglaublich, manchmal sieht man vor lauter Holz und Blaetter keine Frau mehr! Warme Kleider wie in der westlichen Welt gibt es nicht, nur Tuecher. Hier zaehlt also die Aussage: "Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung" nicht, man kann sich gute Kleider gar nicht leisten. Manchmal schaemen wir uns, wenn wir gut in unsere warme, atmungsaktive Kleidung gepackt an Maennern vorbei radeln die an einer Wasserstelle mit eisig kaltem Wasser im nebligen Morgengrau duschen. Oder wenn wir sehen, dass alle nur Flipflops tragen oder andere offene Schuhe. doch die Menschen hier sind das gewohnt, sind abgehaertet, sie lachen und winken uns immer noch herzhaft zu und das beruhigt uns.

Die grosse Strasse Richtung Delhi war sehr verkehrsreich und somit stieg auch der Laermpegel im Vergleich zu den Bergstrassen. Damit wir entspannter radeln koennen, fahren wir ab sofort nur noch mit Ohropax. Wir hoeren immer noch genug doch das Fahren ist wie in einer anderen Welt da wir das laute Gehupe und ewige Gehorne nur noch sehr gedaempft mitbekommen. Dafuer schreien wir uns nun die Kehle heiser wenn wir einander etwas sagen wollen!

Nach der sauberen, frischen Luft in den Bergen wird die Luft bereits 30 Kilometer vor Delhi dick und wir stuelpen uns de Atmungsmaske ueber. Gluecklicherweise war nur die Einfahrt zwischen den vielen Lastwagen stinkig, danach ueberraschte uns die bessere Luft dank den vielen Baeumen und Paerken. Delhi ist eine sehr gruene Stadt doch leider haben sie auch hier das Abfallproblem nicht ganz im Griff. Aber dieser Kontrast passte zum gesamten Bild das wir uns machen konnten. Es gibt wunderschoene Quartiere wo Reiche und besser gestellte Menschen leben, daneben die Slums der Aermsten. In einem Laden kann man alles aus dem Westen kaufen, auch wenn es unmoeglich viel kostet, ganz in der Naehe kann man sich sehr billig den Magen voll schlagen. Entlang der grossen Strassen sitzen alle koerperlich Behinderten und betteln fuer ein paar Rupees, hundert Meter weiter vorne werden Kinder der reichsten Familien vom Chauffeur vor die High School gefahren.

Nachdem wir uns im Zick-Zack durch den Delhi-Dschungel gekaempft hatten, trafen wir Dilip, den Bruder unseres Hochzeitkochs. Er lebt hier mit seiner Familie und lud uns zu sich nach Hause ein. Ziemlich muede vom ersten Delhitag genossen wir ihre Gastfreundschaft und fuehlten uns bald wie zu Hause. die letzten Tage verwoehnte Dilip uns mit bestem Essen, jeder Tag war ein kulinarisches Highlight. Mit den Kindern entdeckten wir die Sehenswuerdigkeiten der Stadt wie z.B. ein riesiger Hinditempel, wo wir uns, begleitet von lauter Musik, die verschiedenen Goetter ansahen. Als Gegensatz dazu besuchten wir den Lotus Tempel der als Ort der Ruhe und Meditation gilt. Das India Gate steht in der Mitte eines riesigen Kreisverkehrs ist aber selber verkehrsfrei und gilt als Gedenkstaette fuer mehr als 90'000 Soldaten die in drei verschiedenen Kriegen starben. Nebenbei erledigten wir Notwendiges wie Tagebuch schreiben, einkaufen und Fahrrad reparieren. Maesi musste eine neue Felge organisieren was sich als sehr schwierig erwies. Jetzt hat er aber eine neue, dicke, schwere, silberne, indische Felge mit 10 Jahren Garantie montiert und wir hoffen die haelt so lange wir noch unterwegs sein wollen! Denn wir haben New Delhi erreicht, unser 1. grosses Ziel! Wir sind uebergluecklich dass bis hier hin alles sehr gut funktioniert hat und hoffen unser Glueck und unsere Schutzengel begleiten uns auch weiterhin. Seitdem wir wussten, dass wir unser Ziel erreichen werden, traeumen wir von einer Fortsetztung, die uns nun in den Sueden Indiens fuehren wird. Entlang der Westkueste moechten wir radeln, endlich wieder in waermeren Regionen unterwegs sein und die indischen Kontraste weiterhin auf uns wirken lassen.


PS 1: Da kaempfen wir uns die Serpentinen hoch, ein Bus quietscht um die Kurve, ueberfaehrt uns fast. Auf Grund seines Fahrstils muss sich ein Passagier uebergeben, natuerlich zum Fenster raus. Das broecklige, gelbe Material fliegt in hohem Bogen knapp an Majas Taschen vorbei auf den Teer... Gefahren lauern ueberall!!!

PS 2: Nach zwei Tagen radeln sind wir bereits in Agra angekommen und bestaunen den ganzen Tag lang den imposanten Taj Mahal. Da wir nach unserem Trip in den Sueden wieder zu Dilip und seiner Familie zurueck nach Delhi gehen werden, haben wir das ganze Winterequipment und das Zelt dort deponiert und sind nun etwas leichter unterwegs; auch mal schoen!

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

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17. Reisebericht 10. Februar 2006

Nur die Kühe sind heilig!

Wir befinden uns auf dem National Highway im Touristen-Dreieck Delhi-Agra-Jaipur. Die Räder rollen auf dem glatten Asphalt, Marcel vorne, Maja hinten oder umgekehrt. Wir haben Gegenwind, mittelstark, aber doch genug, dass wir stärker in die Pedale treten müssen. Wir durchqueren eine weite Ebene, der Horizont liegt im Dunst. Weil wir Gegenverkehr haben, müssen wir sehr aufmerksam sein, denn schon flüchten wir von unserer Spur auf den Schotter neben der Strasse, weil ein Bus des öffentlichen Verkehrs, nonstop auf der Hupe sitzend, halsbrecherisch einen Lastwagen überholt und unsere ganze Spur einnimmt. Wieder zurück auf der Strasse ruft uns ein Motorradfahrer zu, der nun auf unserer Höhe fährt: "which country?" Seine zwei Mitfahrer, die hinter ihm eingequetscht sitzen, staunen und mustern uns und unsere Fahrräder wie wenn wir vom Mond kämen. Oder sie überlegen sich wie teuer wohl so ein Velo ist; den Preis wollen sie alle wissen, doch wir sagen ihn nicht. Nach minutenlangem Nebenunshertuckern verschwindet er und hinterlässt uns in einer stinkenden Abgaswolke. Ein Anderer überholt uns, hält ein paar Meter vor uns an und tut so als habe er eine Panne. Er hantiert an seinem Motor und verdreht seine Augen zu uns. Es ist doch schon Zufall, dass gerade jetzt der Motor einen Defekt hat!?! Der Kilometerstein am Strassenrand gibt uns bekannt, dass wir bald im nächsten Dorf sind, die Stadt aber noch weit entfernt liegt. Ein Traktor überholt uns laut klabbernd mit einem Anhänger voller Frauen und Kinder die bei der nächsten Backsteinfabrik ausgeladen werden. Die dunklen Frauen in ihren farbigen Saris winken uns scheu zurück, die Kinder mit verkrustetem Rotz an der Nase auch. Kinderarbeit ist in Indien stark verbreitet, da das Geld fehlt sie in die Schule zu schicken. Im selben Moment erschreckt uns von hinten ein weiterer Bus der uns haarscharf überholt. Er ist so voll gestopft, dass die Männer sogar auf dem Dach sitzen oder sich hinten am Gestänge festhalten. Sie johlen und kreischen, winken und ziehen den Kopf ein da ein Ast sehr weit hinunter hängt. Wir sehen wie der Bus eine enge Kurve um den Traktor nimmt und so fest schwankt, dass wir denken, jetzt fliegt einer vom Dach. Oftmals kreischen und lachen die Einheimischen wenn sie uns sehen, eine alte Frau sprach sogar einmal heftig auf Maja ein, denn nur die Ärmsten der Gesellschaft fahren hier Fahrrad. Also sicher kein Europäer und noch weniger eine Frau, das gehört sich nicht! Die reichsten Inder fahren einen protzigen Jeep oder einen edlen Ambassador. Die bessere Mittelschicht ein Motorrad Hero Honda oder eine Enfield, die anderen Vespa oder Rikshaw. Wir überholen wieder einen Velofahrer der gemütlich vor sich her pedalt und uns erstaunt anschaut. Ein paar Sekunden später überholt er uns, tritt voll in die Pedale, der ganze Körper hilft mit damit er vor uns herfahren kann. Für uns nichts Neues, denn die Fahrradfahrer wollen uns immer toppen. Einige halten recht gut mit, andere brechen nach einigen Metern ein und müssen sich, Schweiss ueberströmt, geschlagen geben; so wie auch dieser. Wir haben natürlich mit unseren 14 Gängen einen riesigen Vorteil gegenüber den indischen 1-Gaengern.

Am rechten Strassenrand steht ein Truck der wohl eine Panne hat, denn darunter liegt der Fahrer, zwei Kollegen schauen zu wie er rumhantiert. Doch als sie uns sehen wird der Truck uninteressant und sie winken uns zu sich. Wir, gerade in einem guten Rhythmus, winken zurück und fahren weiter. Denn Pannen haben sie oft hier, wenn wir bei jedem Truck halten würden, kämen wir nie vorwärts. Immer wieder steht ein Lastwagen am Strassenrand, im schlimmsten Fall bleibt er ewig stehen und rostet vor sich hin, beraubt von allem Wertvollem. Im Reparieren sind die Inder sowieso Künstler, was und wie hier alles auf der Strasse fährt!?! Wir kommen bei einem sehr modernen Einkaufscenter vorbei. Für uns eine Möglichkeit etwas einzukaufen das unser Mittagsessen etwas interessanter gestaltet. Bei den schmuddeligen Buden am Strassenrand essen wir nicht. Die Chance Morgen krank zu sein ist uns zu sicher. Der Marmorboden wird von einem Angestellten auf den Knien blitzblank poliert, nicht mal die Velos dürfen wir vor der Bäckerei parkieren, der Security Chief pfeift uns sehr forsch mit seiner Trillerpfeife zurück. Wir merken bald, das ist nur ein Geschäft Für Jeepfahrer, respektive die obere Kruste. Für die werden schöne Hotels gebaut, Vergnügungsparks und Shoppingmalls. Und was gibt's Neues Für die untere Schicht?

Nun hat es mehr Leben auf der Strasse, Velofahrer kreuzen uns, Frauen tragen schwere Holzbündel auf dem Kopf Richtung Dorf und Kinder spielen im Sumpf der Wasserstelle neben einem Berg stinkendem Abfall. Dort fressen Kühe alles was rumliegt, sogar Papier und Plastik. Kühe hat es viele in Indien. Für die Hindis sind sie heilig. Ihre Hoerner werden orange angemalt und mit Ketten behängt. Und sie werden nicht gegessen, können somit frei rumspazieren wie gerade diese Kuh die mitten auf unserer Fahrbahn steht und uns nichts sagend anschaut als wir hupen und dann doch um sie herum steuern müssen. Ehrlich gesagt haben wir überhaupt keine Lust auf Kuhfleisch, wenn wir sehen was sie alles fressen. Geht es wohl den Hindis gleich?

Wir fahren ins Dorf hinein. Männer beobachten in der Kauerstellung den Verkehr, manche davon verrichten gleichzeitig ihr Geschäft, jubeln und winken uns sogar zu. Seit der Türkei sehen wir wie die Leute in der Kauerstellung warten, doch hier in Indien wird ziemlich alles in dieser Stellung verrichtet und zwar bis ins hohe Alter. Sie reparieren, lesen Zeitung, kochen, waschen, trinken Chai und warten so auf dem Bus. Der Belag wird schlechter, Drecklöcher zwingen uns den Rhythmus zu unterbrechen. Neben dem brökeligen Teer gibt's einen Streifen Sandboden, dahinter stehen Bretterhäuschen in denen Lebensmittel und Anderes verkauft werden. Doch jeder hat dasselbe, vorwiegend den roten Kautabak der die Zähne orange verfärbt. Genüsslich wird er laut schmatzend gekaut und später auf den Boden gespuckt. Weiter vorne hat es fahrende Fruchtstände. Wir möchten uns Mandarinen und Bananen kaufen und schieben unsere Velos durch den Sand zum Stand. Sofort stehen Leute um uns herum, beäugen uns und unsere Räder. Ist ja auch klar, Touristen sehen sie hier nur im Reisecar sitzend vorbeifahren und wenn da zwei "Weisse" mit tollen Fahrrädern, farbigen Taschen und einem leuchtenden Helm auf dem Kopf vorbeikommen, muss man das ausnützen und so viel sehen wie möglich; die Arbeit kann warten. Bevor wir die Früchte kaufen, wollen wir den Preis wissen. Die Männer diskutieren wild durcheinander und es erstaunt uns nicht, dass der Kilopreis Für die Mandarinen doppelt so hoch ist wie sonst. Wir antworten nur: " Tourist price, he?" und wechseln den Stand, gefolgt von hundert Indern die uns nun recht mühsam nahe kommen. Schliesslich bekommen wir unsere Früchte Für einen anständigen Preis und versorgen sie unter neugierigen Blicken in unsere Taschen. Schon kommt ein verzaustes Kind, das es geschafft hat sich durch die Menge zu kämpfen, bettelt "money, money". Es führt seine Hand zum Bauch, zum Mund und streckt sie uns entgegen. Daneben steht ein Junge der in diesem Augenblick vor Majas Füsse spuckt und hinter Marcel holt ein alter Mann grässlich gurgelnd ganz tief aus seinen Bronchien einen Rotz und spuckt ihn ekelerregend aus. Nichts wie weg hier, bevor es uns schlecht wird. An vieles konnten wir uns in der Zwischenzeit gewöhnen, doch an das ewige, laute Hupen und die abscheuliche Angewohnheit überall und zu jeder Zeit hinzuspucken nicht! Das Wasser kaufen wir weiter vorne. Der Verkäufer staubt sogar die Flaschen ab und verscheucht alle Gaffer, nachdem sie wieder einmal an unseren Hupen rumgedrückt haben. Er kann etwas englisch und möchte wissen von wo wir kommen. "Oh, Switzerland, the heaven on earth!" Das hören wir regelmässig, ist aber auch verständlich, wenn man erlebt in welchem Dreck sie hier leben müssen, denn das Abfallproblem ist nicht gelöst. Nur die Kühe und die streunenden Hunde leisten hier Abhilfe oder die abendlichen Feuer die den beissenden Plastikgestank weit verbreiten. Manche kennen die Schweiz auch von den Bollywood-Filmen (indische Movies) die ab und zu in der Schweiz gedreht werden. Teilweise leben die Menschen auch sehr primitiv, vor allem die der unteren Kasten. Sie hausen in Zelten oder Lehmhütten neben einem anständigen Haus das dem Herrn der oberen Kaste gehört. Somit erledigen auch die Menschen der unteren Kaste die Dreck- und Schwerstarbeit, damit es dem Volk der oberen Schicht gut geht. Eine Für uns sehr schwer nachvollziehbare Regelung die die Religion vorschreibt. Bis ans Dorfende säumen Steinhauerbetriebe die Strasse, die alle das gleiche herstellen. Die Männer und Frauen hämmern verschiedene Formen in den weissen Marmor der aus dieser Gegend stammt. Laute Musik begleitet uns als wir beim Hinditempel vorbeifahren wo die Gebete laut scheppernd aus Boxen dröhnen. Die Hindipriester stehen den Muezzins der Moslems, von denen es hier auch einige gibt, in nichts nach. Nein, sie übertrumpfen sie regelrecht wenn es um die Länge der Gesaenge und die Trefferquote der schrägen Töne geht. Zu jeder Tages- und Nachtzeit wird gebetet, geglöckelt und Räucherstäbchen abgebrannt. In Indien gilt Für alles und überall: je lauter desto besser! Ohne Lärm geht hier nichts! Vor uns fährt langsam ein Anhänger mit einer gewaltig grossen Ladung Zuckerrohr. Der Bauer mit seinem schräg gewickelten Turban sitzt wie auf einem Thron zuoberst und kaut an einem solchen Stängel. Doch welches Tier zieht diesen Wagen so langsam und schaukelnd? Ein Kamel! gemütlich und stolz geht es vor dem Wagen, die Glöcklein um seine Fesseln klingeln bei jedem Schritt. Amüsiert betrachten wir seine Henna-Bemalungen und sehen, dass es sogar rasierte Muster im Fell hat. Die Inder sind Für uns einfach nur "freakig"!

Wir sehen viele Frauen die aus Kuhdung tellergrosse Fladen formen. Es scheint, neben der Versorgung der Familie und dem Holz schleppen, die Hauptaufgabe zu sein. Nebeneinander ausgelegt werden die Fladen an der Sonne getrocknet, gedreht, gestapelt und in Körben auf dem Kopf zum Stall, auch aus Kuhdung, gebracht. Wir sehen die Frauen oft auch beim Strassenbau mithelfen, der hier hauptsächlich ohne Maschinen funktioniert. Unsere Strasse wird zurzeit auf zwei Spuren ausgebaut wo wir den dunklen Arbeitern zusehen können wie sie Steine in Körben schleppen, Steinbrocken zu Kieselsteinen hämmern, schaufeln, pickeln und raechen bevor die Walze kommt. Klar sehen wir sie auch oft Pause machen und Chai trinken, doch sicher werden sie auch nicht gerecht bezahlt. Am Meisten stört uns der Gegensatz, wenn die Strasse einwandfrei ist, die Menschen an deren Rand aber unansehbar notdürftig leben müssen. Die schönen Baumalleen werden Für den Strassenbau abgeholzt. Wir beobachten Frauen die so geschickt, beweglich und mutig wie Affen in die Bäume klettern und mit voller Kraft ihre Axt in die Äste schlagen. Eine ungeheure Energie bewegt ihren Körper, wie wild schlagen sie die Blätter vom Ast. Dazu reden alle laut durcheinander. Wie auch die kreischenden Laute der Männer machen die Inder auf uns einen animalischen Eindruck. Die Wurzeln eines Urvolks sind immer noch vorhanden.

Unsere Mittagspause verbringen wir mehr oder weniger ungestoert und mit den Ohropax in unseren Ohren sausen wir bei weiteren Dörfern vorbei, überholen Kamele, Büffel oder Esel die schwere Lasten ziehen. Wir winken den Kindern zu, die wegen uns an den Strassenrand rennen und uns zu rufen. Leider verging uns aber die Lust Frauen bei der Arbeit zu fotografieren. Sie begeistern uns in ihren wunderschönen Kleidern, dem speziellen Schmuck und der anderen Art ihrer Arbeit. Einzelne posieren gerne, doch die meisten schreien schon von Weitem nach Geld wenn wir sie fotografieren wollen; dann lassen wir es eben sein.

Diesen Abend übernachten wir in einem Governmenthotel, das einzige das in unserer Erreichbarkeit liegt. Für uns ein Graus, denn die sind unmöglich teuer und es ist kein heggeln möglich. Unsere "Pilgrim-Masche" zieht sonst recht gut, aber hier leider nicht. Sie bieten nichts, ausser dem Erlebnis dass man im Badezimmer das Gefühl hat, man stehe mitten auf dem Highway, so laut dröhnt es durch die offenen Fensterjalousinen. Und dann haben wir fünf Mal innert 1,5 Stunden Für mehrere Minuten Stromausfall was in Indien an der Tagesordnung ist. Sie haben hier ein extremes Stromproblem doch bei Kerzenlicht mit kaltem Wasser duschen ist romantisch!

In Indien ist es normal, dass die Regierung die Touristenpreise Für gewisse Sehenswürdigkeiten sehr hoch halten. Es stört uns auch nicht, wenn wir das 20 fache mehr bezahlen, doch um den Taj Mahal besuchen zu können wird von einem Tourist 75-mal mehr verlangt als von einem Inder. Die Armen der Gesellschaft betteln auch non stop bei den Touristen. Wenns kein Geld gibt dann Für Schokolade, Kugelschreiber oder Shampoo. Wählerisch sind sie auch noch, die kleinen Bettler!

Völlig erschöpft vom heutigen Tag besprechen wir unsere Erlebnisse und versuchen herauszufinden weshalb wir uns ab und zu nerven und was uns erfreut hat. Wir sind überzeugt, dass wir durch unsere langsame Reise mit dem Fahrrad mit dem wirklichen Indien konfrontiert werden, uns alles ansehen dürfen und teilweise auch müssen. Den ganzen Tag überholen oder kreuzen uns Touristenbusse oder Touris die einen Jeep mit Fahrer gebucht haben und von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit fahren. Wir nennen sie Rosinenpicker. Denn im Reiseführer stehen nur die Rosinen drin die man besuchen sollte und was dazwischen liegt ist nicht erwähnt. Doch gerade dort spielt sich sicher auch ein wichtiger Teil des indischen Lebens ab, den wir, langsam vorwärtskommend, hautnah erleben. Wir benützen auch das "Rosinenbuch", gebrauchen es Für unsere Planung, erhalten wertvolle Tipps und Informationen und geniessen in der Stadt auch wieder ein bisschen mehr den Luxus der zur Verfügung steht. Wir sind aber sehr froh, können wir beide Seiten sehen und erleben. Wenn wir dann nach ein paar Tagen overland radeln eine Sehenswürdigkeit besuchen, mischen wir uns ganz gerne in die Menge "weisser" Touristen, geniessen das unauffällig sein und im Strom schwimmen. Dass wir schon mehrere Monate unterwegs sind, hilft uns sicher auch enorm, mit dieser komplett anderen Welt umgehen zu können. Wir lassen uns nun nicht mehr so schnell übers Ohr hauen, haben einige Tricks auf Lager und können uns auf der Strasse gut durch den Verkehr schlagen. Wir fühlen uns wohl in Indien. Wo uns die Räder hintragen sind wir zu Hause!

PS 1: Apropos heilige Kuh: Da steht eine Schar Männer im Halbkreis um eine Kuh versammelt, die mit Ketten und Tüchern verkleidet ist. Neben der Kuh steht ein Mann, der als Sprachrohr ihrer Heiligkeit dient. Die Kuh geht im Kreis und bleibt vor einem der Männer stehen und starrt ihn an. Das Sprachrohr übersetzt diese Wahrsagung und schickt den Mann aus dem Kreis, seine schlechte Energie störe die Kuh. Nach ein paar weiteren Runden bleibt die Kuh vor einem anderen Mann stehen, nickt heftig und das bedeutete er solle keine Freundschaften knüpfen, das sei gefährlich Für ihn. So geht es weiter... Aberglaube hat Macht!

PS 2: Nun sind wir in dem Staat wo noch "Let the sunshine in" gesungen wird, Blumen in die Haare geflochten werden, fleissig Pflanzen angebaut und verraucht werden, die Touris für alles viel zu viel bezahlen müssen und man zum Sunset einen Pinacolada schlürfen kann.... go Goa!

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

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18. Reisebericht 26. Februar 2006

Dem Meer entlang

Nach einer langen Zugfahrt von Jaipur nach Bombay begrüsst uns eine heisse Luft die uns den Atem verschlägt. Wie wir es gewollt haben sind wir nun in der Hitze und unser Schweiss läuft uns in Strömen den Rücken hinunter währenddem wir 30km durch die Stadt bis zum Gateway of India am Meer radeln. Riesige Hochhäuser und mächtige Autobahnbrücken säumen die Strassen, manchmal sehen wir das Meer, dann versperren uns Industriezonen und Hafenanlagen die Sicht. Entlang eines Flussbettes, das schwarzes, zähflüssiges Wasser mit sich führt, stehen die Slumssiedlungen. Ein Meer aus schwarzen Zelten, Abfall und Armseligkeit. Dahinter riesige Plakatwände mit Werbung für eine Omega-Uhr und ein neues Auto. Krasser Gegensatz. Doch das ist Indien, soweit kennen wir es bereits.

Während des Sonnenuntergangs fahren wir mit einer Fähre, ein einfaches Holzboot mit Bänken, an die Konkanküste, den Küstenabschnitt des Staates Maharashtra. Nun sind wir wieder am Meer, sehen die pinkige Sonne im Wasser versinken und freuen uns auf einen weiteren Abschnitt unserer Reise in Indien. Bei unserer Ankunft ist es bereits stockdunkel und dazu ist noch Stromausfall. Mit der Stirnlampe suchen wir uns den Weg durch die unbekannte Gegend, versuchen allen Schlaglöchern, und all den Menschen die wie Geister im Dunkeln für Sekunden an uns vorbeihuschen, auszuweichen. Wir sind froh als wir, nach einer Stunde radeln, endlich ein Guest House erblicken. Nachts in Indien Fahrradfahren ist nicht so angenehm. Am Morgen sehen wir dann wo wir gelandet sind: Die Luft riecht nach Meer, viele Palmen, Bäume und riesige grüne Sträucher säumen die Strasse, die nun wieder hügelig und kurvig der Küste entlang führt. Gegen Mittag brennt die Sonne rücksichtslos auf unsere Helme und legt unsere Energie einwenig lahm. Daran müssen wir uns nun wieder gewöhnen, dafür dürfen wir nach der Anstrengung im Meer baden, mit den riesigen Wellen surfen und die langen Kleider zuunterst versorgen.

Die Menschen sind sehr lebenslustig und freundlich, sie kichern verlegen wenn wir die Fotokamera auf sie richten. Wenige wehren ab, die anderen strahlen und lassen uns Schnappschüsse machen. Uns faszinieren die Frauen, die im Dorfbrunnen Wasser schöpfen, mit Dreck die Töpfe ausreiben, sie dann mit Wasser füllen und diese auf dem Kopf balancierend nach Hause tragen. Und meistens ist es nicht nur ein Topf sondern bis zu drei dieser schweren Gefässe. Andere waschen ihre Kleider auf dem Boden, reiben und schlagen mit Stöcken darauf. Ausserhalb des Dorfes waschen die Frauen am Fluss. Ein wunderbar farbiges Bild! Die Frauen freuen sich über unsere Kurzvisite und stehen stolz Modell. Ihre Männer hingegen machen in ihren farblosen Hemden und dunklen Hosen einen eher langweiligen Eindruck und weil sie den Frauen nur zuschauen erst recht. Die Strasse und die Temperaturen verlangten wieder einmal viel von uns. Die kleinen Küstensträsschen sind zwar landschaflich atemberaubend, doch ein echter Challenge. Oft ist der Belag sehr schlecht oder es ist nur Schotter oder Piste. Bergab können wir höchstens 10km/h fahren da es uns durchschüttelt und wir etwas Sorge zu unseren Felgen, die bereits rissig sind, haben sollten. Die Strasse verläuft im Zickzack, bergauf, bergab. Zusätzlich lässt uns die Sonne auf dem Unterlag der roten Erde braten. Wir zwei Langschläfer versuchen nun aber jeden Morgen früh loszufahren, damit wir wenigstens die ersten paar Kilometer angenehm hinter uns bringen, dann sind nämlich Steigungen halb so schlimm. Eines Morgens aber wurde die Strasse immer schlechter und schlechter. Wir wussten dass bald eine Fähre kommen sollte die uns über den Fluss bringt. Statt dessen fuhren wir immer weiter bergauf mit toller Sicht auf den Fluss. Unsere Räder spulten ab und zu auf dem erdigen Untergrund, so steil war die Strasse. Die Männer am Strassenrand schickten uns immer gerade aus, doch einmal konnten wir es nicht mehr ernst nehmen als wir in einem Dorf neben dem Fluss waren. Da schloss ein Ladenbesitzer spontan sein Geschäft und führte uns über einen Indianerpfad zum Fluss wo ein hageres Männlein mit einem Einbaum wartete, das Stechpadel in der Hand. Das ist also die Fähre, na gut. Wie alle Inder immer sagen: no problem! Wir nehmen die Taschen ab, legen die Velos auf den Einbaum, die Lenker teils im Wasser und schon wird Maja hinüber chauffiert. Marcel kommt dann mit dem Gepäck nach. Ein richtig abenteuerliches Erlebnis. Aber das war nicht alles. Nun mussten wir unsere Räder durch knietiefes Salzwasser schieben und zusehen wie der Dreck unsere Bremsklötze und Schutzbleche verstopft. Später fingen unsere Fahrräder sogar zu rosten an. Wir mussten noch einige Male Flüsse überqueren, in einem grösseren Einbaum mit Motor, einem kleinen Passagierboot und sogar mit einer modernen Autofähre.

Weniger abwechslungsreich gestaltete sich aber das Essen an dieser Küste. Scharf ist es überall dass die Tränen kommen, aber wir sind in dieser Beziehung auch schon echte Inder geworden. Trotzdem suchen wir uns ganz pingelig ein Restaurant aus in dem wir Essen möchten, man weiss ja nie wie es in der Küche aussieht. Da wir nun am Meer sind gibt es vorwiegend Fisch. Darauf haben wir uns schon lange gefreut, doch wie bei den Eingeborenen werden die kleinen Fische in einem Curry serviert mit allem drin und dran. Dazu gibt es Reis und saisonales Gemüse, auch sehr scharf. Das nennt sich Fischthali. Ein anderes Mal bestellten wir einen fritierten Fisch wo dann Mäsi den Kopf erhielt und Maja den Schwanz. Viel zu essen war da nicht dran, nur dass die Gräten im Hals stecken blieben. Erfreulich sind die feinen Ananas die nur ca. 30 Rappen kosten oder Mandarinen. Sowieso ist das Leben in Indien, ausser in den touristischen Städten, sehr günstig. Eine Hauptmahlzeit kostet zwischen 1 und 5 Franken pro Person, eine Budget-Hotelübernachtung 5 bis 10 Franken für ein Doppelzimmer.

Da diese Küste sehr nicht-touristisch ist und es oft unbewohnte Gebiete gibt, mussten wir unsere täglichen Etappen gut planen um nicht irgendwo fernab der Zivilisation ohne Wasser, Essen oder Schlafplatz stehen zu bleiben. An einem Abend hatten wir uns aber gewünscht, dass wir noch Zeit hätten weiter zu fahren, aber leider mussten wir hier bleiben. Denn es war ein grösseres Fischerdorf wo es auch sehr streng nach Fisch stank. Kein Wunder, denn seit dem Dorfeingang wurden Fische auf dem Boden zum Trocknen ausgelegt (zur Freude der Hunde, Katzen und Vögel) und die Ochsenkarren, Lastwagen und Lieferrikshaws fuhren einer nach dem anderen mit vollen Ladungen bei uns vorbei. Immer wieder flutschen Fische oder Krebse vom Anhänger. Leider ist es schwierig während dem Radeln die Luft anzuhalten! Genau in diesem Ort fragten wir dann auch das erste Mal nach Bier. Wir dachten, hier sind sogenannte Seebären zu Hause, hier gibt es Bier! Nun ging das Getuschel los. Wir wussten gar nicht dass es in Indien auch so ein Problem ist Bier zu erhalten. Nach diesem heissen Tag hatten wir einfach Lust dazu und es war unser Erstes seit Monaten! Ein Junge führte uns dann wie auf leisen Pfoten durch dunkle Gässchen und übergab uns in einem undurchsichtigen Plastiksack die kalte Flasche. Man bekommts, man muss nur wissen wie und wo.

Was wünscht man sich nicht sehnlicher als einen einsamen Strand wenn man ans Meer fährt. Hier hat man ihn. Kilometerlang erstreckt sich diese Küste, nur ist sie nicht oft erschlossen. Wir suchten uns wenn möglich einen Platz für unser Mittagspiknik am Meer, sprangen noch schnell ins Wasser und genossen die Ruhe. Was uns dann aber bewusst wurde ist, dass ein verlassener Strand absolut keine Infrastruktur bietet und wenn es eine hat, dann ist man nicht mehr alleine. Also aus der Traum vom romatischen Candlelight-Dinner am verlassenen Strand ausser man organisiert sich das selber. Doch hier sind die Strände Lebens- und Arbeitsplatz und er wird nicht zum Baden und Planschen benutzt. So konnten wir Fischer beobachten die am Morgen ihr Geschäft im Sand verrichten und wie die nächste Welle das Häuflein wegschwemmt. Oder der Hirte spaziert mit seinen Kühen dem Strand entlang weil der Weg dem Meer entlang wohl kürzer ist. Natürlich ist es aber der Ort wo die Fischer ihre Einbäume ins Meer schieben und mit Netzen Fische fangen. Einmal haben wir eine Fischereigemeinschaft mit 42 Männer getroffen. Sie haben einen grossen, selbstgebauten Einbaum (vielleicht aus zwei Bäumen) und ein riesiges Netz das sie nach dem Fang säubern und vor dem Fang ordentlich aufs Boot legen. Dazu braucht es so viele Männer und weil es keinen Motor gibt. Im Takt rudern die Männer damit sie sich und ihre Familie ernähren können. Der tägliche Ertrag sind etwa 10 Kessel Fisch pro Gemeinschaft.

Am Ende dieser wunderschönen Küste gab es einen Strandabschnitt der paradiesisch war, nur muss man das wissen und mit dem Velo war der sehr gut erreichbar. Voller Freude folgten wir einem Werbeschild ?Sumati-Resort?. Aber wenn da Resort steht, heisst das noch lange nicht dass es eine Ferienanlage wie im Prospekt ist. Zuerst waren wir erstaunt dass sie dieses Wohnquartier aus einfachen Häusern mit Palmblätterdächer Resort nennen, doch nachdem wir uns in unserem Zimmer, sogar mit Kaltwasser-Dusche, eingerichtet haben, der Sohn des Besitzer uns Chai servierte und versprach am Abend ein feines Fischthali zuzubereiten, fühlten wir uns recht wohl. Vorallem waren wir die einzigen Touristen und konnten dem Treiben und Leben am Strand ruhig zusehen. Nur fühlte sich Maja nicht ganz so wohl im Bikini schwimmen zu gehen, da es die Inderinnen nie tun (sie gehen nur in den Kleidern) und die Inder sehr schnell an Ort und Stelle sind um diese weisse Gestalt zu begutachten. Was uns am Meisten faszinierte war die Tierwelt dem Wasser entlang. Hier sahen wir das erste Mal in unserem Leben lebende Muscheln die sich nach der Welle, die sie aus dem Sand spühlte, wieder vergruben. Oder die winzigen farbigen Schnecken die im seichten Wasser ihre Spur durch den Sand ziehen.

Schon lange wollte Mäsi mal eine Kokosnusspalme erklimmen und so eine feine exotische Frucht ernten. In unserem Resort standen wunderschöne und mächtige Palmen die geradezu zum Besteigen einluden. Nachdem der Junge seine Trickpalette, wie man am einfachsten eine Palme hochklettert, offenbarte, nutzte Mäsi diese Gelegenheit und kletterte, zwar mit sichtlichem Kraftaufwand, den Stamm der Palme hoch. Die Inder unter ihm amüsierten sich sehr, doch man sollte auch mal vergleichen wie fein und gelenkig diese kleinen Kreaturen sind. Bis zur Kokosnuss schaffte er es knapp nicht, doch ausser ein paar Kratzern und danach schwabbeligen Adduktoren beurteilte Maja diese Aktion als erfolgreich. Auf ein Weiteres, Palmen gibt es hier zur Genüge!

Im Grossen und Ganzen liessen uns die Inder sehr angenehm in Ruhe, kamen respektvoll nahe und gafften nicht so aufdringlich. Nein, sie waren immer sehr freundlich und hilfsbereit und gaben uns sogar richtige Angaben zu den Strassen. Es bettelte auch niemand, wohl weil es selten Touristen hat. Sowieso haben wir das Gefühl es geht der Bevölkerung hier besser, sie haben schöne und meist auch farbige Häuser in tollen Gärten zwischen hohen Palmen und Bananenbäumen. Uns fiel es auf, dass es unglaublich viele Kinder hat. Jedes Dorf hat mehrere Schulen und alle sind voll, obwohl wir gar nicht so viele Häuser sahen wo alle wohnen könnten. Die Kinder werden oft draussen unterrichtet, alle sitzen auf dem Boden. Wie die letzte Volkszählung bestätigt ist der Bevölkerungswachstum in Indien bei 20% (!), davon sind wir nun überzeugt. Wir standen immer in engem Kontakt mit den Menschen, sie waren oft zu Spässen aufgelegt, grüssten immer freundlich und so machte das Reisen viel Spass. Sogar die Frauen, die neben der Wäsche alles, aber wirklich ALLES auf dem Kopf tragen, sei es eine Sichel zum Äste schneiden oder einen Baumstrunk, brachten unter der Last noch ein Lächeln zustande. Natürlich sind das vorwiegend die Frauen der unteren Kasten die so viel Arbeit leisten und denen verleihen wir an dieser Stelle eine Goldmedaille.

Der Staat Goa nahte. Wir wussten dass hier viele Westler im Urlaub sind, in den 60er Jahren Hippies hier hin kamen und blieben, es Strände gibt an denen Raverparties gefeiert werden, viele Esoteriker hier die Erleuchtung suchen oder Shiva-Anhänger durch die Einnahme von Drogen Reisen in eine andere Welt geniessen. Bereits einige Kilometer vor Goa kreuzten uns westliche Touristen auf Mofas. Voller Freude, wiedermal andere Touristen zu sehen winkten wir ihnen zu, doch wir wurden keines Blickes gewürdigt. Klar in Goa hat es vorwiegend Touris, wieso sollen wir denn auffallen. Unter Overland-Reisenden macht man das so, hier interessiert es niemand von wo man kommt, wohin man geht. Der Wechsel war krass. Kaum hatten wir den Fluss, den Goa von Maharashtra trennt, hinter uns, begegneten wir Touristinnen die in Bikinis auf der Vespa vorbei rasen, coole langhaarige Bärtige die auf ihrer Enfield lässig ihre Braut rumchauffieren. Im Restaurant bot die Speisekarte mexikanisches, italienisches, amerikanisches, tibetisches und chinesisches Essen. Ah und indisches natürlich, denn wir sind ja in Indien obwohl man es gar nicht mehr bemerkt. Wir fühlten uns eher wie in Ibiza oder Mallorca, jedenfalls stellen wir uns diese Feriendestinationen so vor. Für uns stand die Welt Kopf, nach zwei Wochen tiefstem indischem Leben brauchten wir einige Stunden um uns daran zu gewöhnen. Doch wir amüsierten uns über die jungen Frauen die mit Federn im Haar und Nietengurt bei uns vorbei spazierten, über den bereits grauhaarigen Althippie der im Internetcafe die Börsenkurse studierte, über den hühnerbrüstigen Kiffer der die Musik, die durch seine Kopfhörer in seine Ohren drang, laut nachsang und dazu hemmungslos auf der Strasse tanzte. Auf der Suche nach einem Zimmer stiessen wir per Zufall auf einen Hippie mit abgeschossenem FCB-Käppi. Maja sprach ihn auf Baseldeutsch an. Der staunte nicht schlecht und meinte ob sie ihn kennen würde. Nein, aber mit diesem Käppi muss das ja einer aus ihrer Gegend sein. Wie sich herausstellte kommt er aus dem Dorneck, lebt aber schon über 20 Jahre in Goa, den Sommer verbringt er meistens in Thailand. Locker vom Hocker, ein paar lustige Sprüche, so schnell wie er kam so schnell verzog er sich wieder.

Wir genossen in den nächsten Tagen die Vorzüge dieser Touristenoase, assen uns durch jede Speisekarte (es gab sogar Apfelstrudel und Vollkornbrot; wie lange ists her...) schlürften zum Sonnenuntergang einen Pina Colada und wenn wir ein Bier wollten gab es dieses in rohen Mengen. Geradelt sind wir nicht viel, nur von Beach zu Beach. Hier ist auch ein hemmungsloses Bikinibaden erlaubt, die Inder sind es in der Zwischenzeit gewohnt und verdrehen nicht mehr wegen jeder Frau die Augen. Dafür sind sie gut wenn sie den Touristen Waren verkaufen. Indien ist schon so günstig, da denken viele, das kauf ich mir zum angebotenen Preis. Klar, viele kommen nur für ein paar Wochen nach Goa und bezahlen alles. So ist eben auch alles viel teurer in Goa und wir beissen uns die Zähne aus, wenn wir das dreifache bezahlen müssen als bisher. Die letzte Woche verbrachten wir im Süden Goas, an einem ruhigen Beach, wo es keine Parties gibt, nur spezielle Inder die den ganzen Tag die Tophits der indischen Hitparade ohrenbetäubend durch die Strassen scheppern lassen. Wenn schon die Touristen etwas schräg aufkreuzen kann sich ja ein Einheimischer auch mal anders aufführen. Sonst ists friedlich, so friedlich, dass man in den Restaurants sehr lange aufs Essen warten muss. Aber wir haben ja Zeit, konnten uns erholen, fein Essen, im lauwarmen Meer schwimmen, uns mit Reni und Tobi treffen, einem deutschen Paar das mit den Motorrädern bis hier hin gefahren ist. Stundenlang sassen wir zusammen auf der Veranda, haben Tigerprawns und Babyshark gekocht, uns Abenteuer erzählt und über Indien philosophiert.

PS 1: Laut und schräg geht es zu in Indien. Wir sitzen auf der Autofähre und schauen einem Inder zu wie er sein Auto parkiert. Mehrmals muss er vor und zurückfahren, das ist ja normal. Aber dass sein Rückwärtsfahren jeweils von der Melodie des ?Jingle Bells? begleitet wurde, brachte uns zum Lachen, vorallem weil es ein Hindu war, der keine Weihnachten feiert!

PS 2: Der Monsun kommt bald, wir müssen uns beeilen wenn wir noch bis zur Südspitze Indiens radeln wollen. Deshalb schicken wir euch ein paar liebe Grüsse und fahren sofort los...

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

 

19. Reisebericht 29. Maerz 2006

Zur Spitze geradelt

Es schaukelt und ruettelt, die Klimaanlage verteilt kalte Luft im Abteil. Wir sitzen im Zug nach Delhi. Innerhalb 43 Stunden legen wir ueber 3000 Kilometer im Schnellzugstempo zurueck. Waeren wir diese Strecke geradelt wuerden wir ueber zwei Monate unterwegs sein, doch unser Indienvisa laeuft bald aus und sowieso war es nun im Sueden schon sehr drueckend heiss, dass Radeln nach 10 Uhr nur noch eine Qual war. Dafuer sitzen wir nun in diesem Kuehlschrank, den Faserpelz ueber die Schultern gelegt und sehen uns die an uns vorbei fliegende Landschat an, die bereits viel trockener, duerrer, brauner und lebloser aussieht. Den Inder vis-a-vis interessiert es wenig wie sein Indien auf der anderen Seite des verspritzten Zugfensters aussieht, uns jedoch fesselt es immer noch, sind wir doch fast die gleiche Route, wie wir nun in den Norden fahren, suedlich geradelt. Obwohl wir den Sonnenaufgang fast taeglich miterleben konnten, staunen wir auch heute ueber diese pinkige Kugel die zwischen den Kokosnusspalmen zum Vorschein kommt und sich, waehrenddem Steigen, langsam orange dann gelb und letztlich gleissend hell verfaerbt. Der Inder sitzt mit dem Ruecken zum Fenster, die Augen geschlossen; fuer ihn wohl nichts Spezielles. Wir machen uns Gedanken, ob wir uns in der Schweiz auch schon satt gesehen haben von ihrer eigenen Schoenheit wo ein Inder in der Schweiz seine Nase ans Zugfenster druecken wuerde wie wir es hier tun.

Nach den erholsamen Tagen in Goa radeln wir mit unseren frisch geputzten Velos weiter in den Sueden. Der naechste Staat Karnataka faengt an wie Maharashtra vor Goa aufgehoert hat: nicht-touristisch, einfach, neugierig. Frauen tragen wieder Vieles auf dem Kopf, Fische werden in einfachen Booten ohne Motor und Netzen gefischt, die Leute gruessen und winken herzlich, dabei haben sie ein warmes und aufgestelltes Lachen welches uns die Anstrengungen vergessen laesst. Die Landschaft wurde gruener, kraeftiger, es hat bereits Fluesse die sich wunderschoen durch die Gegend schlaengeln; die sogenannten Backwaters. In vier Tagen durchqueren wir Karnataka, suchten uns jeweils die Strassen die am nahesten dem Meer folgen. Wir hatten wieder mehr Muehe einen Platz zum Schlafen zu finden. Doch eines Mittags trafen wir per Zufall in einem Dorf ein das als Hindu Pilgerort gilt. Direkt am Meer thront auf einem Huegel die groesste Shiva-Statue der Welt. Shiva, einer der drei Hauptgoetter des Hinduismus. Und wenn es einen Tempel hat, hats meistens auch Hotels. Da es Sonntag war wurde dieser kleine Ort gaenzlich ueberstroemt. Die Inder pilgerten zu Shiva, zum Tempel und zum Meer. Den Indern beim Baden zuzusehen ist ein weiteres Erlebnis. Denn eigentlich gehen nur die Maenner richtig ins Wasser, schwimmen (sofern sie schwimmen koennen) und toben sich aus. Die Frauen gehen mit den Kleidern ins Wasser, mit den schoensten Saris, und im Kreis der Frauen werden danach die Kleider gewechselt. Niemand liegt auf einem Badetuch, es gibt keine WC-Anlagen oder Duschen, noch weniger Liegestuehle oder Sonnenschirme. Aber Glace- und Fruchtsaftverkaeufer gibt es, die ihre Ware in klapprigen Kisten auf Fahrradraedern durch den Sand schieben.

Nachdem wir in Karnataka dauernd den heiligen Kuehen auf der Strasse ausweichen mussten, sehen wir im naechsten Staat Kerala lange keine mehr. Dafuer wird hier heftig politisiert. Ueberall wehen Kommunistenfahnen, daneben die der Partei von Sonia Gandhi. Die Strassen und Haeuserwaende sind voll geschrieben mit Parteinamen und politischen Parolen. Hier sahen wir auch das erste Mal eine Autofahrschule. Das hat uns recht erstaunt. So wie sie hier fahren haetten wir nie gedacht dass es eine solche gibt. Der Schueler faehrt auf eine Kreuzung zu, hupt und faehrt weiter! Ja, so laeuft das hier, doch dass sie das sogar auch so lernen, haetten wir nie erwartet. Das argste ist, dass der der von hinten kommt alle Verkehrssuenden des Vorderen ausbaden muss und dabei geht es oft nur um Millimeter. Wenn jemand von links kommt (wir haben Linksverkehr) faehrt der einfach auf die Strasse ohne vorher nach rechts zu schauen. Hoechst gefaehrlich; da haben wir schon oft geflucht. Aber Hauptsache so laut wie moeglich hupen, ob es Sinn macht oder nicht!

Kerala bedeutet das Land der Kokosnusspalmen. Dieser schmale Kuestenstaat mit der riesigen Flaeche Backwater und den Palmen empfinden wir wie ein Paradies. Vorallem verwoehnen wir neben unseren Sinnen auch unseren Koerper und schlemmen zuckersuesse, saftige Ananas, fein aromatisierte Papayas, versuchen alle Sorten Bananen die hier in jeder Groesse, Farbe und Konsistenz zu finden sind. Sogar die Mangosaison hat nun angefangen. Selber gekocht haben wir schon lange nicht mehr, denn das indische Essen ist durchs Band immer und ueberall sehr gut. Je suedlicher wir kamen desto mehr wurde von Hand gegessen. Die verschiedenen Saucen des "Thali" werden mit dem Reis vermischt, geknetet, zu einem Klumpen geformt und mit den Fingern in den Mund gestossen. Das macht richtig Spass, obwohl wir die Technik noch lange nicht fehlerfrei beherschen. Dafuer amuesieren sich die Inder sehr ueber uns. In touristischen Restaurants wird das Essen leider nur schwach gewuerzt, dann schmeckt es nur halb so gut wie in den indischen Hotels, so heissen hier die Restaurants. Dort bekommen wir sehr scharf gewuerztes Essen serviert welches wir inzwischen problemlos essen koennen. Man gewoehnt sich an die Schaerfe. Doch dass ein Hotel keine Zimmer anbietet hat bei uns recht lange fuer Verwirrung gesorgt.

Kerala ist ein gut entwickelter Staat, er hat die niedrigste Analphabetenrate Indiens, die Menschen leben in guten Haeusern, entlang des National Highways 17 sogar in prunkvollen Villen. Zeltdoerfer der Aermsten sehen wir keine mehr, obwohl die Bevoelkerungsdichte immens ist. Jeder Meter gehoert jemandem, keinen Halt koennen wir unbeaufsichtigt geniessen. Unterwegs Wasser loesen wird fuer Maja ein echtes Problem. Ueberall hat es Augen und die sind neugierig und gewiss nicht scheu. Privatsphaere gibt es schon lange keine mehr, und wenn wir sie moechten, wird das selten begriffen. Dafuer konnten wir den Einheimischen in den Garten blicken und die verschiedensten Arten der Kokosnussnutzung sehen. Halb aufgeschnitten werden sie an der Sonne getrocknet, das Fleisch danach gepresst um Kokosnussoel zu gewinnen oder sie werden als getrocknete Chips verkauft. Weiter werden die Fasern zu Schnueren verarbeitet die entweder zum Flechten von Teppichen, zum Befestigen beim Bauen oder zum Verpacken gebraucht werden. Mit dem Oel wird gekocht und es wird in die Haare geschmiert. Es dient auch zur Koerperpflege.

Die Backwaters sind ein riesiges Kanalsystem mit kleinen und schmalen bis grossen und breiten Fluessen die entweder ins Meer fliessen oder in einen See. Die Gezeiten bestimmen ihren Fluss. Viele Menschen wohnen direkt am Wasser, es dient ihnen zum Leben. Die Touristen kommen nach Kerala um mit einem Boot durch die Backwaters zu fahren, die sehr idyllisch und exotisch durch Palmen gesaeumt sind. Der groesste Renner, und fuer die Inder ein riesiges Business, ist in einem Hausboot waehrend 22 Stunden rumzugondeln. Wir stellten uns das sehr romantisch vor. Man hat ein Boot mit drei Mann Crew fuer sich alleine, man wird bekocht und die Nacht verbringt man unter dem Sternenhimmel. Dazu loesten wir unser Geschenk zum 10'000. Kilometer von Maja's Eltern ein und setzten uns protzig in die Sessel auf "unserem Boot", direkt hinter dem Captain. Leider entpuppte sich das Ganze aber als nicht so romantisch, da es viele dieser Boote hatte, einige ausgebaut bis zum schwimmenden Palast. Unser Captain steuerte nur durch breite Kanaele weil er meinte auch unser Boot sei zu gross fuer die kleineren Kanaele. Und die Nacht verbrachten wir dann in Reih und Glied mit anderen Booten neben einem Tempel in dem bis spaet in die Nacht getrommelt und gebetet wurde. Mit dem Velo sind wir auch schon viel den Backwaters entlang geradelt, nun aber das Leben vom Wasser aus zu sehen war ganz spannend, aber auch erschreckend. Das Wasser ist bereits recht verschmutzt wegen den vielen Motorbooten und von den Seifenprodukten die die Bewohner gebrauchen. Waehrenddem sich der Vater die Haare einseift waescht die Mutter daneben das Geschirr und die Tocher trinkt etwas entfernt das Wasser. Das alles zu beobachten ist interessant, doch die Veraenderung dieses gewaltigen Oekosystems macht etwas Angst. Stellenweise sind die Kanaele ueberwuchert mit kohlaehnlichen Algen.

Seit ein paar Wochen ziehen Nachmittags vermehrt Wolken auf; ein Vorboote des nahenden Monsuns. Schon bald koennen die Frauen, die jetzt den Schirm wegen der Sonne aufspannen, ihn fuer den Regen gebrauchen. Wir warteten gespannt auf den ersten Regen der dann eines Abends Mitte Maerz, begleitet von Blitz und Donner, erstmals nur spaerlich vom Himmel fiel. Die folgenden Abende konnten wir wunderbare Wetterleuchten beobachten. Von Tag zu Tag wurde es nun heisser und schwueler, der Schweiss lief nur einmal, von Morgens bis Abends. Noch immer sagen aber die Inder es ist erst Fruehling, im Sommer (April und Mai, kurz vor dem Monsun) wirds dann richtig heiss. Das werden wir zum Glueck nicht mehr erleben, aber ein paar Tage heftiger Monsun waeren sicher ein tolles Erlebnis!

Die Religion spielt in Indien eine zentrale Rolle. Waehrend unserer Fahrt der Westkueste entlang sahen wir taeglich Tempel, Moscheen und Kirchen. Erstaunt hat uns die Anzahl der Muslimen, die gewisse Doerfer praegten. Allzu bekannt waren uns die schwarzen Gestalten, die Frauen komplett in den Tschador gehuellt, und die Maenner mit den runden Kaeppis. Erfreut haben uns die ersten richtigen Kirchen die vorallem ab Goa zu sehen waren. Goa war eine portugiesische Kolonie und so kam das Christentum vor ca. 450 Jahren in diese Region. Hindus sind ueberall anzutreffen, vorallem in Kerala waren alle drei Religionen stark vertreten, die Abwechslung vom Tempel ueber die Moschee zur Kirche war beeindruckend. Als Christen haben wir mehrere Kirchen besucht und waren erstaunt zu sehen, dass sie Jesus und weitere Heiligkeiten auch mit Blumenkraenzen und Raeucherstaebli beehren. Die Christen fuehren die gleichen Rituale wie die Hindus durch, sie werfen sich zu Boden, kuessen oder beruehren die Statuen und am Feiertag lassen sie laut Musik laufen. In der Zwischenzeit haben wir erfahren warum Hindus wie auch Christen die Musik ohrenbetaeubend laut abspielen: Sie wollen Gott auf sich aufmerksam machen.

Wir naeherten uns immer mehr der Suedspitze. Unterwegs machten wir Halt an verschiedenen Touristenstraenden wo wir das letzte Mal ins Meer huepften, dann erreichten wir die Gegend die Maja vor fuenf Jahren schon einmal besucht hatte. Fuer sie war es ein erfreuliches Wiedersehen mit wunderschoenen Orten die sie nun auch Marcel zeigen konnte. Ein bewegender Moment war das Eintreffen am suedlichsten Punkt Indiens, in Kanyakumari. Als Dank fuer die treuen Dienste der letzten 10,5 Monate beehrten wir unsere Velos Elif und Tigi mit gutriechenden, wunderschoen geknuepften Blumenkraenzen. Speziell war es dann am anderen Morgen bei der Rueckfahrt. Nun zeigte nach zwei Monaten wiedereinmal die leuchtende Nordnadel des Kompass wo es langgeht und die Sonne schien morgens von rechts anstatt von links.

Der suedlichste Zipfel gehoert zum Staat Tamil Nadu. Das Landschaftsbild veraendert sich grundsaetzlich. Zu den Palmen gesellen sich nun riesige Bananenbaumplantagen die im Sonnenlicht grasgruen leuchten. Daneben hat es grosse Teiche voller Lotusblueten. Leider pfluecken Maenner, die in Metalleimer sitzend durchs Wasser paddeln, die Knospen bevor sie ihre wunderschoenen Blueten zeigen koennen. Doch der Anblick dieser Maenner mitten in einem Meer grosser, gruener, schwimmender Blaetter ist sehr amuesant.

Wir hatten noch ein paar Tage Zeit bevor wir in Trivandrum in den Zug stiegen. Maja moechte gerne Ayurveda machen, Marcel zieht es eher in einen Ashram zum Yoga ueben. Da die Angebote fuer Ayurveda zu teuer waren entschieden wir uns fuer den Ashram wo auch Massagen angeboten werden. Wir hatten ja keine Ahnung was wirklich auf uns zukommt, wir wusten nur dass ein fixer Tagesplan einzuhalten ist, es nur zweimal Essen gibt, sich Maennlein und Weiblein nicht zu Nahe kommen sollten. Nachdem wir uns angemeldet hatten erhielten wir den Tagesablauf: 5.20 Uhr Aufstehen 6.00 Uhr Satsang (Meditieren, gemeinsames Singen und Beten) 7.30 Uhr Tee 8.00 Uhr Asana (Yoga) 10.00 Uhr Brunch 11.00 Uhr Lecture (Vertiefung des Yogiwissens) 12.30 Uhr Karma Yoga (Selbstloser Dienst fuer die Gemeinschaft = Putzen) 13.30 Uhr Tee 14.00 Uhr freiwilliges Yoga ueben 16.00 Uhr Asana (Yoga) 18.00 Uhr Abendessen 20.00 Uhr Satsang 22.30 Uhr Nachtruhe

Uff!! Aber alles halb so schlimm. Am ersten Tag machte uns der fixe Tagesablauf etwas Muehe. Uns von jemandem den Tag bestimmen zu lassen waren wir gar nicht gewohnt und er war so ziemlich voll geladen. Abends zogen wir uns, voll mit neuen Eindruecken und einem bereits leichten Muskelkater von den skurillsten Yogauebungen, in die Geschlechter getrennten Dorms zurueck. Waehrend diesen fuenf Tagen erhielten wir einen Einblick in einen Ashram. Wir konnten auch wiedereinmal alle unsere Muskeln durchdehnen, die etwas vernachlaessigte Muskulatur fordern, gewisse Yogauebungen ganzheitlich verbessern und neu lernen. Maesi jedenfalls ist auf dem besten Weg zum Yogi-Guru kann er doch den Kopfstand mit verschiedensten Steigerungen fuer mehrere Minuten halten. Maja hat ihre Ambitionen eher einem Termin fuer eine Ayurvedamassage gewidnet. Die positive Energie die im gemeinsamen Singen, im Yoga, ja sogar beim stillen Essen zu spueren war staerkte uns sehr, liess die Hektik des indischen Alltags vergessen und half uns die innere Ruhe wieder zu finden. Om shanti, shanti, shanti (Frieden in uns, Frieden um uns, Frieden auf der ganzen Welt)

PS 1: In Suedindien tragen die Maenner einen Schnauz und einen Lunghi (2 Meter langes Tuch das um die Huefte gewickelt wird). Maesi passt sich zu 50% an, ohne Schnauz dafuer mit Rock. Aber ganz so einfach ist es nicht. So passierts dass Maesi das Tuch von der Huefte rutscht und er es im letzten Moment noch fassen kann bevor er nur noch in den Unterhosen auf der Strasse steht. Das richtige Wickeln will geuebt sein!

PS 2: In Delhi wartet ein Vollprogramm auf uns: Fahrraeder reparieren und reinigen, Visas besorgen, Einkaeufe machen und unsere Tante Elsbeth in Empfang nehmen die uns aus der Schweiz besuchen kommt. Darauf freuen wir uns! Weitere Infos betreffend unserer Weiterreise folgen sobald auch wir mehr darueber wissen ;o)

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

Bilder zum 19.Reisebericht

20. Reisebericht 21. April 2006

Ein Jubilaeum jagt das Andere!

Was wir zwei momentan zu feiern haben! Auch wenn es hier im bescheidenen Rahmen ablaeuft, fuer uns sind die Anlaesse sehr wichtig und erfreulich. Erstens fuhren wir Ende Februar den 10'000 sten Kilometer, dann feierten wir den 1. zivilen und den 1. kirchlichen Hochzeitstag. Und wir sind immer noch auf Hochzeitsreise! Genau am 16. April zeigte uns der Kilometerzaehler die magischen 5 Striche: 11111! Auch ein Grund fuer einen dicken Kuss und eine Umarmung, direkt neben der Strasse. Und das in Indien... Nun verlassen wir nach vier Monaten dieses Land der krassesten Gegensaetze und steuern auf einen neuen Abschnitt unserer Reise zu. Im Weiteren feiern wir am 6. Mai unsere bis jetzt 365 Tage auf Achse. Mal schauen wie viele es noch werden. Und ihr, treue Verfolgerinnen und Verfolger, liest die 20. Ausgabe unserer Reiseberichte. Auch ihr beweist Durchhaltevermoegen! Danke vielmals!

Nach der langen Zugfahrt vom Sueden zurueck nach Delhi durften wir uns wieder im Wohnblock neben Dilip und seiner Familie einquartieren. Es war wie ein Heimkommen, waren wir doch bereits Anfangs Jahr ein paar Tage hier. Hier leben viele Menschen auf ziemlich engem Raum in einfachen Zimmern mit improvisierten Kuechen. In der Gasse ist immer etwas los, die kleinen Laeden haben von morgens bis abends geoeffnet, auf Fahrradanhaengern werden die verschiedensten Fruechte und Gemuese angeboten. Fahrende Haendler kommen vorbei mit Plastikwaren oder Gewuerzen auf einem Brett mit Raeder, oder ein Messerschleifer der den Schleifblock direkt am Velo hat und ihn durch Treten ins Drehen bringt. Die Menschen bestaunten uns immer von oben bis unten, doch nach ein paar Tagen waren auch wir einfach Nachbarn. Diese sogenannte Enclave gehoert zum reichen Viertel neben an wo vor jedem Haus ein Security Wache haelt. Zwei verschiedene Welten so nahe bei einander. Ganz klar mochten wir "unsere" Gasse lieber. Hier ist etwas los im Vergleich zur sterilen Stimmung in den breiten, leeren Strassen bei den Villen. Herzlich begruessten uns die Kinder Aasha, Jacob und Usha und obwohl sei nicht so gut englisch sprechen hatten wir viel zu lachen.

Fuer die folgenden zwei Wochen hatten wir ein dichtes Programm. Fuer unsere Weiterreise mussten wir einige Einkaeufe erledigen, Fotos entwickeln, uns um unsere Velos kuemmern und unsere Tante Elsbeth in Empfang nehmen die auch gleich wichtige Ersatzteile, Schoggi und Buendnerfleisch aus der Schweiz mitbrachte. Mitte Februar ueberraschte sie uns mit ihrer Idee uns in Indien besuchen zu kommen. Wir fanden es natuerlich super, ist es doch sehr schoen unterwegs Besuch von zu Hause zu bekommen. Doch Indien ist nicht gerade ein einfaches Land um es alleine zu bereisen und wir werden nicht so viel Zeit fuer sie haben. Sie loeste die Situation aber sehr clever, reservierte sich eine Woche fuer uns und den Rest mit einem Reisefuehrer. Mit ihr besichtigten wir sehenswerte Orte wie das India Gate und die Gedenkstaette Mahatma Gandhis. Wir fuhren aber auch mitten ins hektische Leben von Old Delhi wo tote Huehner zum Verkaufen haengen, Bettler und Behinderte betteln, die Rikschafahrer sich um Passagiere streiten, offene Wasserkanaele gefuellt mit Dreck vor sich hinstinken, diverse Essstaende Duefte verbreiten, die Kuh sich durch den Abfall frisst und uns einer irgendwelchen Plastikkram andrehen will. Natuerlich gibt es genau an solchen Orten viele interessante Gesichter und Situationen zu sehen, vorallem ein Indien gepraegt von den Menschen, nicht von Denkmaelern, Bauten oder futuristischen Einkaufscentren.

Eher spontan organisierten wir uns dann einen Ausflug ins Gruene und fuhren ueber Nacht in einem Schlafwagenzug mit harten Schragen, ohne Leintuch und Kissen, zum Corbett National Park. So coll wie unsere Tante ist machte sie die Zugfahrt voller Freude mit und fand sich einverstanden die billigste Kategorie zu nehmen (CHF 4.- fuer sechs Stunden!) Uns gefiel es, ausser dass wir nachts froren und uns der Chaiverkaeufer an jeder Station aus dem Schlaf riss den wir erst gerade gefunden hatten. Fuer die Safari im Park mieteten wir uns einen Jeep mit Fahrer der uns durch den schoenen Wald chauffierte. Waehrend den ersten Kilometer sahen wir kein einziges Tier, bis mal ein Hirsch ueber die Strasse rannte, uns ein Krokodil vom Flussrand aus beobachtete und eine grosse Echse blitzartig in Bau verschwand. Dann gings aber weiter wie im Zoo. An einem Aussichtspunkt konnten wir schwimmende Wasserschildkroeten, Krokodile und riesige Catfische sehen, weiter vorne wie eine Elefantenherde im Wasser badete. Durch den Feldstecher beobachteten wir wie sie mit dem Ruessel Wasser spritzen und miteinander spielen. Nach einer Mittagspause im Camp des Parks starteten wir die Abendsafari durch den dichten Wald, ueber und durch Fluesse, durch dichtes Gras und Buesche. Elefantenherden, verschiedene Hirsch- und Reharten, kleine bunte Voegel wie auch riesige Geier und Adler, Wildschweine, stolze Pfauen, Schakale und natuerlich Affen konnten wir sehen. Im offenen Jeep fuhren wir ruecksichtsvoll nur auf bestimmten Strassen. Weil die Tiere nie Angst haben mussten, bleiben sie stehen auch wenn wir angefahren kommen. Das fanden wir sehr faszinierend und machte uns gluecklich. Gut gibt es diese Orte noch wo die Tiere regieren und nur sie den natuerlichen Rhythmus bestimmen. Der einzige Feind fuer fast alle Vierbeiner im Park ist der Tiger. Und den wollten wir natuerlich sehen.

Am naechsten Morgen starteten wir vor Sonnenaufgang in eine andere Richtung. Mit scharfem Blick suchten wir das Dickicht ab um den Tiger sicher zu sehen falls er ja vielleicht per Zufall gerade am Strassenrand ruhen sollte. Dann sahen wir seine Pfotenabdruecke auf der Sandpiste. Hier ist er also vorbei spaziert, wo ist er nur? Ploetzlich gibt unser Fahrer Vollgas und schliesst zu einem anderen Jeep vor uns auf. Wir dachten schon spaetestens jetzt ist das Tier weg wenn wir so angebraust kommen, doch nein: da liegt er! Ein wunderschoener, grosser, praechtiger Tigerkopf schaut aus dem Gebuesch, nur ca. 10 Meter von uns entfernt. Er lag gemuetlich da, beobachtete uns, drehte dann aber auch gelangweilt den Kopf. Er hat sich wohl schon an den Anblick von Touristen gewoehnt. So liegt er einige Minuten Modell, steht auf und spaziert gemuetlich in den Wald. Weiter vorne begegneten wir einer Hirschgruppe die sehr aufgeregt ihre Blicke zum Wald gerichtet hatte. Die lauten Warnrufe interpretierte unser Fuehrer dass ein Tiger unterwegs ist. Es gibt nur gegen 150 Tiger in diesem riesigen Park und einen davon haben wir gesehen! Ist wohl gerade dieser auf der Jagd?

Nachdem sich unsere Tante auf den Weg zu den Highlights Indiens begab, hantierte Maesi waehrend vier Tagen an unseren Velos rum. Er wechselte die Felgen, wendete die Ritzel, zog eine neue Kette auf, loeste und oelte jede Schraube, behob kleine Maengel und polierte sie auf Hochglanz. Maja quaelte sich mit ener Magen-Darmverstimmung, las Schweizer Zeitungen und Heftli, sortierte Fotos fuer die Webseite, schrieb Tagebuch und informierte sich ueber die Weiterfahrt. Zusammen organisierten wir das Pakistanvisa, das nach vielen Besuchen und Diskussionen nun doch 60 statt 30 Tage gueltig ist. Wir fuhren x-mal Autorikscha und mussten genau so oft um den Fahrpreis feilschen. In Delhi herrschte eine riesige Hitzewelle die taeglich um die 40 Grad erreichte. In unserem sonnigen Zimmer im dritten Stock hatten wir somit um die 36 Grad tagsueber, und 33 Grad nachts. Der Steinboden und die Waende waren staendig heiss, die Velos gluehten und die Schoggi schmolz bereits kaum war sie aus dem Kuehlschrank. Aus dem Kaltwasserhahn floss heisses Wasser, somit war eine Erfrischung unmoeglich. Aber lieber es kommt heiss als gar nicht, denn einmal hatten wir einen Wasserunterbruch von 40 Stunden im ganzen Quartier. Und das in der Hauptstadt Indiens. Solche Erlebnisse tun uns Westlern gut! Auch der regelmaessige Stromausfall laesst uns bewusst werden wie selbstverstaendlich der Strom fuer uns ist. Wenn man jedoch sieht wie tief und wirr die Stromleitungen haengen sind wir erstaunt, dass es ueberhaupt funktioniert. So schwitzten wir ohne Ventilator und frischem Wasser stinkend vor uns hin. Unsere Ausduenstung hat sich seit Indien sowieso veraendert, wir riechen selbst an uns das andere Essen, die fremden und scharfen Gewuerze und die Umwelteinfluesse die jeweils schwarz an unseren Koerpern kleben.

Wenn man in Indien ist sollte man eigentlich einmal ins Kino gehen und sich einen Bollywoodfilm ansehen. Bei unserer Gastfamilie lief aber oft der Fernseher und so konnten wir in verschiedene Seifenopern und Filme reinschauen und uns die bunt-dramatischen Geschichten ansehen. Aber ganz speziell am indischen Fernseher sind die Sender wo jeweils 24 Stunden lang non-stop Modeschauen gezeigt werden, Wrestling oder Cricket. Cricket der Nationalsport. Auf unserer Reise war bis Iran Fussball das Gespraechstthema (dank unserer Nati!). Seit Pakistan ist es Cricket. Es wird von jungen Maenner und Knaben immer und ueberall gespielt. Auf der Strasse, am Strand, im Park, am Bazaar, auf dem Schulhofplatz. Wenn die aermeren Inder nichts besitzen, aber einen Schlaeger fuers Spiel haben fast alle.

Zum Abschied luden wir unsere Gastfamilie zum Abendessen ein. Obwohl wir sechs uns kugelrund gegessen hatten kostete es uns nur knapp CHF 10.-. Das ist einfach unglaublich! Weiss man wo, dann isst man sensationell und sehr billig. Als Gegensatz loesten wir am Vortag ein Hochzeitsgeschenk ein und tranken in einem fuenf Sterne Hotel zwei Fruchtsaefte und assen zwei Stueck Kuchen, fuer CHF 15.- Ein weiterer Vergleich fuer finanzielle Unterschiede ist der Velorikschafahrer der uns eine Stunde lang durch die Stadt faehrt, sich abmueht, schwitzt, von allen Motorisierten dauernd ausgebremst wird und dann 30 Rupees kassiert (ca. CHF 1.-). In einem besseren Restaurant bekommt man dafuer nur einen halben Teller weissen Reis, in der Fritierbude um die Ecke aber reichts fuers Essen fuer den ganzen Tag.

Die sechs Radtage bis zur pakistanischen Grenze waren eher Pflichtprogramm als unterhaltsam. Doch nach einer fast vierwoechigen Fahrpause sind flache Strassen die besten Trainingsstrecken. Unser Koerper gewoehnt sich wieder an die Anstrengung, das Hinterteil schmerzlich an den Sattel und das Rollen der Raeder widerspiegelt die Qualitaeten von Maesis Reparaturkuensten. Zum Glueck alles einwandfrei! Nach zwei eher unschoenen Uebernachtungsmoeglichkeiten finden wir zu unserer Freude am folgenden Tag ein sauberes, gepflegtes Hotel mit einem netten Besitzer der uns sogleich noch mit einem Journalisten ueberrascht der einen Zeitungsbericht mit Foto ueber uns schreibt. Stolz halten wir am naechsten Morgen den kleinen Artikel in der Hand, geschrieben in der indischen Landessprache Hindi und der Regionalsprache Punjabi.

Nun verlassen wir also das Land wo uns viele gefragt haben ob wir ins Guinessbuch der Rekorde wollen. Die wenigsten konnten sich hier noch vorstellen wo die Schweiz liegt, sie wissen meistens gar nicht wie gross und vielfaeltig ihr eigenes Land ist. Wir wurden oft wie Stars behandelt und mussten unsere Unterschriften in Tagebuecher schreiben. Aber dann wurden wir wieder verachtend von der Strasse gedraengt und eingestaubt. Indien ist eine Reise wert, so oder so. Doch nun zieht es uns in die Berge, in abgeschiedenere Orte, mit weniger Menschen, weniger Verkehr und besserer Luft. Wir wollen den Himalaya sehen!

PS 1: Zur Jubilaeumsausgabe goennt sich Marcel eine kuenstlerische Pause!

PS 2: Der indische Kreis schliesst sich wieder. Wir sind in Amritsar beim Golden Tempel. Hier haben wir die ersten Tage in Indien verbracht, nun auch die Letzten. Unsere Plaene fuer die Weiterreise sehen folgend aus: In Islamabad, Pakistan, versuchen wir ein Visa fuer China zu organisieren und werden unterwegs in den Norden die verlassenen Taeler entlang des Karakorum Highways zu Fuss erkunden. Via Khunjerab Pass (auf 4700 Meter ueber Meer) moechten wir Suedwestchina erreichen; ein langer Aufstieg und viele hohe Paesse und schlechte Strassen fuehren uns dann aufs Hochplateau von Tibet. Via Mount Kailash (ein heiliger Berg) und Lhasa sollten wir im September in Kathmandu, Nepal, einfahren.

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

Bilder zum 20.Reisebericht
 

21. Reisebericht 14. Mai 2006

Hoehen und Tiefen oder Highway To Hell!

Hochs und Tiefs gibt es wahrlich auch auf jeder Reise, nicht nur zu Hause. Wir erlebten sie bisher vorwiegend geografisch, erklimmten schon manchen Pass und genossen danach die rasante Abfahrt. Doch es gab sie auch bereits psychisch und physisch, jedoch nie so schwerwiegend, dass es uns ernsthaft nachhaltig belastet haette. Taeglich den Anforderungen von Strasse, Gegenverkehr, Wetter, Hunger und Durst, frustrierende und aufmunternde Gegenden, Kulturen und Religionen stand zu halten braucht zwar viel Energie, doch sie gehoeren zu solch einer Reise. Wir haben bewusst das Velo gewaehlt, weil wir fuer uns die Eindruecke besser und tiefer erleben und aufnehmen koennen.

Seitdem wir Delhi verlassen haben ist viel geschehen, wir haben viele Hochs und Tiefs erlebt.

Zuerst war die Strecke bis zur Grenze zu Pakistan einfach nur langweilig. Viel Verkehr, flach, stinkig, heiss! Wir mussten taeglich 100 Kilometer abstrampeln um nur etwas vorwaerts zu kommen. Das hiess um 4.30 Uhr aufstehen und spaetestens um 6 Uhr abfahren, denn bereits um 9 Uhr war es schon heiss und da wir dazu um die 5 Stunden radeln muessen lohnte sich das fruehe Aufstehen. Dann hat es auch am wenigsten Verkehr. Am Anfang waren wir stolz, dass wir taeglich unseren Rhythmus so durchzogen, denn wir sind beide eher Abends nicht ins Bett zu bekommen und Morgens ist es jeweils eine Qual aufzustehen. Erstaunlicherweise sind aber auch die Inder, wie spaeter die Pakistanis, bei Tagesanbruch auf den Beinen, nicht nur wir. Das taegliche Leben beginnt sehr frueh. Deshalb muessen wir entlang der Strasse viele Maenner sehen die ihre Morgentoilette im Freien verrichten. Diese Geschmaecke und der Gestank der stehenden, vor sich hin faulenden Gewaesser, begleiten uns dann unumgaenglich.

In Pakistan angekommen quartierten wir uns im Motel bei der Grenze ein um am Abend die zeremonielle Grenzschliessung mitzuerleben. Pakistan und Indien sind ja seit der Partition 1948 Feinde und wissen oft nicht sehr viel Gutes ueber den Nachbarn zu erzaehlen. Deshalb versammeln sich auf beiden Seiten der Grenze taeglich Tausende von Patrioten und Schaulustigen die diese militaerische Zeremonie miterleben wollen. Wir sassen zwar auf der pakistanischen Seite, hatten aber inzwischen fuer beide Laender viel Sympathie und liessen dieses 1,5 stuendige Spektakel neutral auf uns einwirken. Natuerlich rufen auch wir bei "lang lebe Pakistan" mit und die Einheimischen freute es. Es wurde militaerisch geschrien, Befehle gegeben und die Soldaten stampften im Stechschritt die verschiedenen Formationen und bruesteten sich vor den feindlichen Truppen wie Pfaue. Danach wurden die Fahnen spektakulaer eingezogen. Lustigerweise machten die Soldaten beider Laender genau das Gleiche, wie kommt das? Danach deckten wir uns mit Pakistanflaggen ein die wir hinten am Velo befestigten, damit wir hoffentlich auch den konservativen Bergbauern entlang des Karakorum Highways (KKH) sympathisch sind.

Von der Grenze bis Islamabad, der Hauptstadt Pakistans, war es leider genau gleich oede, nur verrusten uns die Lastwagenfahrer noch mehr mit ihrem schlechten Benzin das einfach nur als schwarze Wolke zum Auspuff rauskommt. Wir mussten in ueblen Hotels uebernachten wo das Badezimmer nur mit einem Reisbesen gereinigt wird und die Toilette gar nie einen Putzlappen sieht. Und jeden Abend hatten wir einen Kampf gegen die Muecken die uns hemmungslos verstachen. Als Maja dann wieder zu Husten begann, wurde es uns aber zu bunt und wir stoppten einen Bus der uns die letzte Tagesetappe bis Islamabad mitnahm. Diese Stadt ist sehr neu, deshalb sehr ordentlich, sauber, viel Gruen und der Verkehr rollt gesetzmaessig. Es gibt keine Rikschas und Esel- und Ochsenkarren die Unruhe in den Verkehrsfluss bringen, man hat aber auch nicht mehr die Moeglichkeit guenstig von A nach B zu kommen. Doch wir haben ja unsere Velos und so fuhren wir selber zur chinesischen Botschaft und zurueck. Das Visa erhielten wir ohne Probleme fuer 90 Tage - genial!

Wir quartierten uns auf dem Campingplatz ein wo nur auslaendische Reisende zu treffen sind. Seit wir in Indien angekommen sind haben wir immer wieder Overlander getroffen wie auch hier wieder. Alle warten auf ein Visa zur Weiterreise und einzelne sind etwaqs neidisch, dass sie mit ihrem Auto oder Wohnmobil nicht nach China einreisen duerfen, wir aber mit dem Velo kein problem haben sollten. Wir trafen dort unter anderen Judith und Michi, die in einem umgebauten Lastwagen reisen, wie auch Tina und Heiko mit ihrem Sohn Timo die in einem Postbuessli gleich lange wie wir unterwegs sind. Es war lustig wieder einmal Schweizer zu treffen und die Frauen hatten sich viel zu erzaehlen. Da sich Maja schon lange an ihren Haaren stoerte, die viel zu dick und heiss sind, fragte sie die Maedels ueber ihr Haareschneid-Koennen. Leider hatten beide keine Erfahrung, Tina jedoch eine Coiffeurschere da ihr Mann ihr die Spitzen schneidet. Judith war dann so mutig und schnitt einfach mal drauf los. Sie gab sich erdenkliche Muehe, doch als Maja noch schlimmer wie vorher aussah meinte Marcel, wir sollen doch mit dem Rasierer darueber. Also schor Judith Majas Haarpracht 14 mm und liess noch ein paar laengere Schwaenze stehen. Zuerst nannte Marcel seine Maja nur noch Nena weil nun alle Haare in die Hoehe stehen. Nach ein paar Tagen hat er sich aber an den Lausbubenkopf gewoehnt und sieht ein, dass der Schnitt fuer die kommende Etappe viel geeigneter ist (ist Maja doch nun noch schneller unter der Dusche). Und hier in Pakistan muss sie eh wieder ein Kopftuch tragen. Judith, danke fuer deinen Mut, fuers erste Mal nicht schlecht!

Von Islamabad ging es dann endlich in die Berge, doch auf eine Verbesserung der Luftqualitaet mussten wir bis zum dritten Tag warten. Nun waren wir auf dem Karakorum Highway (KKH). Der heisst so, weil diese Strasse als Verbindungsweg zu China durch das Karakorumgebirge - das westliche Ende des Himalayas - fuehrt. Man darf sich darunter aber keine mehrspurige Autobahn vorstellen, sondern eine einfache Strasse mit mehr Schlagloecher als Gegenverkehr und ohne Mittellinie. Die Landschaft wurde wunderschoen, die Strasse schlaengelte sich dem Berg entlang, meistens bergauf. Neben den vielen saftigen Wiesen und Waeldern und den Reisterrassen die wie Treppen in den steilen Haengen aussehen, sahen wir aber auch die brutalen Zerstoerungen des Erdbebens vom letzten 8. Oktober. Denn wir fuhren sehr nach am Epizentrum vorbei. Immer wieder stehen Zeltdoerfer und mit Wellblech bedeckte Ruinen; verschiedene Hilfsorganisationen sind vor Ort. Wir sehen das Rote Kreuz, Unicef, UNHCR, Johanniter, UN, und so weiter und viele zerfallene Haeuser, Schutthaufen, eingebrochene Daecher und eine beschaedigte Strasse. Ueberraschenerweise waren aber alle Bewohner sehr freundlich zu uns, sie winkten, suchten das Gespraech, wollten uns zu Chai einladen, selten war eine Verzweiflung spuerbar. Die Trauer und die Not sind gross, doch das Leben geht weiter und es scheint dass sie sehr unterstuetzt wurden. Sie freuen sich auch, dass trotzdem noch Touristen kommen, denn Pakistan ist vom Tourismus nicht verwoehnt. Nach diesem, auf einer Seite sehr bedrueckenden, auf der anderen Seite faszinierenden, Tag fanden wir auf 1660 Meter ueber Meer einen wunderschoenen Zeltplatz unter Baeumen mit Sicht auf den Talkessel den wir gerade durchquert haben. Dieser Punkt ist der Hoechste bis Gilgit, von wo es dann bis 4700 Meter ueber Meer zum Khunjerab Pass ansteigt. Unser Plaetzchen gehoert zu einem Governmenthotel das gerade renoviert wird, also stoeren wir niemanden. Daneben hat eine Hilfsorganisation in einem alten Hotel ihre Unterkunft bezogen und fuehrt von hier aus ihren Bereich der Wasserversorgung aus. Bereits am Nachmittag erhielten wir von Olaf Besuch, einem Norweger, der fuer dieses HIlfswerk der "Norwegischen Kirchen Hilfe" arbeitet. Nachdem wir von unserer Reise erzaehlt hatten, wollten wir von ihm Fakten ueber das Erdbeben erfahren. Und die sind haarstraeubend. Er ist zustaendig, dass alle Schulen, Camps und auch Familien eine Toilette oder Latrine erhalten, was noch lange nicht der Fall ist. Dazu gehoert die Wasserversorgung, das heisst das Reparieren der beschaedigten Wasserleitungen und die Aufklaerung der Bevoelkerung betreffend Wasserqualitaet. Bereits sind Cholerafaelle aufgetreten. Da Pakistan ein Entwicklungsland ist hatte die Bevoelkerung auch vor dem Beben nur fragwuerdige Einrichtungen. Die Menschen leben sehr primitiv und rueckstaendig, geben sich mit sehr wenig zufrieden. Im Weiteren erzaehlte er uns von den Doerfern die einfach vom Erdboden verschluckt wurden und all den Tribal-Staemmen in den Bergen die noch nie nach den Gesetzen der Regierung lebten, sondern sich immer selber organisierten. Gerade dort herrscht eine Unklarheit wieviele Menschen umgekommen sind, denn auch bis jetzt liessen sie sich nicht helfen, sondern traten dem Hilfswerk nur schwerst bewaffnet entgegen. Fuer uns toent das wie Wilder Westen vor 150 Jahren. Die Regierung schaetzt demnach die Opferzahl um die 70'000 waehrend andere mit 400'000 Menschen rechnen. Da Pakistan eine Militaerregierung hat war die Hilfe der Armee prompt und sehr wertvoll, sind sie doch diszipliniert, die Soldaten sind vollsten Einsatz gewoehnt und arbeiten speditiv unterstuetzend. Leider schickte die Regierung nach dem Winter alle Bergbauern zurueck in die Berge indem sie die riesigen Camps, die 20'000 Menschen beherbergten, einfach aufloesten. Diese Menschen mussten zurueck in ihre zerstoerte Heimat wo keine Hilfe und Hoffnung mehr hilft mit allen schlechten Erinnerungen und dem Wissen, dass ihre Familienangehoerigen noch unter den Truemmern begraben liegen. Skandaloes! Niemand weiss, wie diese Menschen ueberleben werden, ohne Haus, Vieh, Land und Wasser. Am Abend lud uns der Campmanager zum Abendessen ein und wir lernten viele weitere Entwicklungshelfer kennen. Ausser Maria, auch aus Norwegen, waren es alle Pakistanis und Pakistaninnen. Die Frauen haben die Aufgaben, in Schulen den Kindern Hygieneunterricht zu geben, ihnen zeigen wie man eine Latrine gebraucht, die Haende richtig waescht und sich sauber haelt. Alle des Teams sind in guter Stimmung, sind sie doch recht zufrieden was sie in den letzten Monaten erreicht haben.

Eigentlich wollten wir am naechsten Morgen weiterradeln, doch Maesi bekam Fieber und fuehlte sich mies. Bereits in Islamabad mussten wir unsere Abreise um einen Tag verschieben da er ploetzlich Fieber bekam. Da er auch noch haemmernde Kopfschmerzen hatte, lag leider die Diagnose Malaria auf der Hand. Ein Fahrer des Camps fuhr uns dann am Morgen zurueck in die groessere Ortschaft, damit Marcel einen Arzt konsultieren konnte. Der diagnostizierte Malaria oder Typhus, da die Symptome aehnlich sind. So musste sich Maesi mit Medis vollstopfen. Der Doktor war erstaunt, dass wir ohne Malariaprophylaxe durch die Ebene von Delhi bis Islamabad geradelt sind. Im Sommer kann es dort Malariamuecken haben. Trotz unseren mehrmaligen Besuchen beim Tropenarzt vor unserer Reise war uns dies neu. Das enttaeuschte uns doppelt, war diese Strecke doch ziemlich zermuerbend und nun diese Diagnose. Unser Fahrer, ein Pakistani, raste kriminell in die Berge zurueck, das Auto schuettelte und unsere Nerven lagen blank. Maesis Kopf drohte zu zerplatzen! Er legte sich dann ins Zelt und auch Maja brauchte Erholung. Am naechsten Morgen fuehlte er sich bereits besser, jedoch noch sehr schwach. Zum Glueck spuerte er keine Nebenwirkungen. Ganz toll erfuhren wir die Unterstuetzung aller im Camp. Sie brachten uns Essen, fragten immer ob wir etwas gebrauchen. Vorallem die Pakistanis zeigten ihren grossen Stolz, die Gastfreundschaft, und sie ist wirklich sehr herzlich. Maja freute sich so sehr, dass Marcel einen guten Appetit hatte, bekam dann aber selber heftige Kopfschmerzen. Maria, eine Krankenschwester die jahrelang in Aethiopien arbeitete und somit mit Malariakranken zu tun hatte, riet Maja auch eine Kur zu machen bevor das hohe Fieber ausbricht. Da wir zwei immer zusammen sind, wird diese Muecke wohl auch Maja gestochen haben. Leider verspuerte sie schon kurz nach Einnahme starke Nebenwirkungen, die sie wie eine Vergiftung empfand. Die Medikamente sind sehr stark, damit die gefaehrlichen Erreger vollstaendig abgetoetet werden. Sie hatte zwar kein Fieber, doch musste sie sich uebergeben, hatte Hunger jedoch keinen Appetit. Schon bald war sie nur noch bleich und schwach. Statt aufmunternde Worte zu spenden meinte dann der Campmanager wir sollen nun die Reise abbrechen und nach Hause fliegen. Maja waere nicht transportfaehig gewesen und sowieso braucht eine solche Erkrankung einfach Zeit und vorallem Ruhe. Spaeter erfuhren wir wieso er uns dies riet, denn er wollte uns nicht mehr im Camp haben. Da wir beim Zelt keine Toilette und Dusche, sowie auch kein Wasser haben, waren wir vollkommen von ihnen abhaengig. Alle Pakistanis und auch die Norweger konnten dieses Verbot nicht verstehen, denn uns ging es wirklich beiden sehr schlecht. Von nun an mussten wir uns ums Zelt herum Verstecke fuer die Toilette suchen, quaelende Meter gehen und einander abstuetzen. Wir waren zutiefst enttaeuscht. Das haetten wir von einem Manager einer Hilfsorganisation, bei denen Humanitaet im Vordergrund steht, nicht erwartet. Ueberall bauen sie Toiletten und sichern den Bewohnern die Wasserversorgung, doch wir mussten ins Gebuesch, ein paar Meter neben dem Camp. Aus Mitleid brachte uns aber Rahil, ein Pakistani, immer etwas zu Essen. Bis zum naechsten Laden haetten wir 5 Kilometer mit dem Velo radeln muessen, uns fehlte jedoch absolut die Kraft. Vorallem Maja, sie war am zweiten Tag so schwach, dass wir eine Aerztin konsultierten die ihr ein Energiepulver und ein besseres Malariamittel verschrieb. Danach waren die Nebenwirkungen nicht mehr so stark, sie konnte wieder etwas Essen und die Lebensgeister kamen wieder. Die schlechte Laune des Campmanagers ging so weit, dass wir auch kein Essen mehr bekamen, ohne vorher informiert zu werden. Sobald es auch Maja wieder gut ging, Maesi fuetterte sie eingehend, interessierte sich gar niemand mehr fuer uns. Nur noch die junge Tigerkatze kam taeglich vorbei und jammerte uns die Ohren voll, wie hungrig sie sei! Und da nun auch noch der Kocher ausstieg waren wir total aufgeschmissen. Das pakistanische Benzin verstopfte die Leitung. Also gab es nur noch Rohkost aus der Vorratstasche. Ueber eine Woche hingen wir auf diesem Huegel fest, doch wenigstens die Aussicht, die natuerliche Umgebung und die kuehlen Naechte waren wunderschoen und nett zu uns! Es tut weh wenn man solche Erfahrungen machen muss, doch sie werden uns ein Leben lang praegen. Einfach unglaublich wie man sich in einem Menschen taeuschen kann!

Bevor wir weiter radelten erfuhren wir eine erschuetternde Nachricht vom Leiter des Hotels nebenan. Vor zwei Wochen sei in der Region Kohistan, die wir in zwei Tagen erreichen werden, ein auslaendischer Velofahrer ermordet worden. Schock! Wir hoerten dass zwei unterwegs in den Norden sind und diese Region ist unter Velofahrern bestens bekannt weil die Kinder und Jugendlichen Steine werfen. Seit der Cartoon-Geschichte ist dort die Hoelle los und die konservativen Moslems, die keine Ausbildung erhalten und von den Taliban beeinflusst werden, sehen in jedem Nicht-Moslem einen Feind. Wir beschlossen sofort durch Kohistan den Bus zu nehmen und auf diese interessanten Kilometer dem Indus entlang zu verzichten, so schade es ist. Bei einem Grenzposten der Polizei, wo sich die Auslaender immer einschreiben muessen, erfuhren wir jedoch, dass der deutsche Radler von einem Steinschlag getroffen und getoetet wurde. Zuerst konnten wir das nicht ganz glauben, doch als wir dann im Bus sitzend weiterfuhren wurde es fuer uns immer verstaendlicher. Die Strasse fuehrt wie ein Strich dem Felsen entlang, links von der Strasse die hohe Bergwand, rechts gehts bis zu 300 Meter in die Tiefe, wo der riesige Fluss Indus sich seit Jahrtausenden tosend den Weg bahnt. Die Strasse war non-stop von Steinen flankiert und wir mussten mehr Geroellhalden ueberqueren als dass man den loechrigen Asphalt sah. Zu allem Uebel kam, dass wir unser Leben in die Haende eines jungen, suizidgefaehrdeten Fahrers dieses vollgestopften Minibusses legen mussten an dem ein weiterer Ralleyfahrer verloren gegangen ist. Maja sass ganz aussen und sah oftmals nur noch den Abgrund und keine Strasse mehr! Zum Glueck wechselten wir nach der Haelfte die Flussseite. Vor und hinter uns wurde aus den Fenstern ge..... Als wir vor der Abfahrt fragen wie lange die Fahrt gehe, hiess es: 6 Stunden - inshallah! Damit ist gemeint: Wenn Gott will! Das kann ja alles heissen! In Wahrheit war unser Bus wirklich nur ein Sandkorn in dieser gewaltigen Geroellkulisse. Waehrend dem Bau des Highways von 1966 bis 1978 mussten speziell in diesem Abschnitt viele Maenner ihr Leben lassen. Die Rauheit dieser Gegend widerspiegelt sich in den Gesichtern der Maenner, denen keine Gastfreundschaft nachgesagt wird. Frauen sieht man gar keine mehr.

Ab Chilas radelten wir weiter und waren froh konnten wir wieder selber unser Schiksal in die Hand nehmen. Kurz nach 5 Uhr begann die Sonne schon zu heizen und wir versuchten so gut wie moelgich vorwaerts zu kommen, denn die Strecke war cupiert und doch recht anspruchsvoll. Vorallem wenn man ausser Steinen und Geroell nichts anderes sieht und erst recht keinen Schattenplatz mehr findet. Die Bewohner dieser Gegend sind sehr arm, die Kinder nur in schmutzigen Kleidern zu sehen. Danke den Bergfluessen koennen sie kleinere Landstuecke bewirten und Weizen anbauen. Sonst sahen wir nur noch Geissenherden die wohl Milch und Fleisch liefern. Gegen Mittag, wir hatten unser Tagesziel, sprich eine Unterkunft, noch nicht erreicht, konnte Maja nicht mehr. Das Thermometer zeigte ueber 40 Grad und ihr Kreislauf versagte. Maesi stoppte den naechsten Bus und schon erlebten wir eine weitere, rasante Fahrt bis Gilgit. Hier erfuhren wir, dass dieses Jahr die Temperaturen abnormal hoch sind, um die 10 Grad mehr als der Durchschnitt. Da wir vor einer Woche noch recht krank waren goennen wir uns hier nochmals Ruhe und freuen uns schon sehr auf den hoeheren Norden und die kuehleren Temperaturen.

PS1: Apropos Vogelgrippe: Wenn man hier die riesigen Huehnerfarmen und die vollgestopften Lastwagenhuehnertransporte, wo die Tiere apathisch zum Gitter raus starren und weiss Gott nicht gesund aussehen, sieht, vergeht einem der Appetit auf das Grundnahrungsmittel Nummer 1 in Pakistan.

PS 2: Wir sind also in Gilgit auf 1500 Meter ueber Meer (immer noch 40 Grad!) und wohnen in einem angenehmen Hotel mit ruhigem Garten, wo wir einige Overlander wieder getroffen haben. Tolle Zufaelle, vorallem funktioniert nun der Kocher wieder, Dank Hilfe aller!

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

Bilder zum 21.Reisebericht
 

22. Reisebericht 26. Juni 2006

Der letzte Monat im Muslim-Country

Der Monat Mai hatte es in sich. Eigentlich starteten wir am 2. dieses Monats voller Euphorie Richtung Norden um den Karakorum Highway (KKH) zu entdecken und mussten ja bereits drei Tage spaeter wegen dem Ausbruch der Malaria eine lange Pause einlegen. Die dauerte zuerst einmal acht Tage, dann einen, wieder fuenf und danach haben wir das Zaehlen aufgehoert. Schliesslich fuhren wir nur fuenf Tage und um die 320 Kilometer. Dazu verloren wir beide einige Kilos weil Maja's Verdauungssystem nach der Hard-Core-Medikamentenkur sich jeder Nahrungsaufnahme verweigerte und Maesi den Appetit verlor da es Maja dauernd mies ging und sie schwaecher wurde. In Gilgit, dem Zentrum Nordpakistans, quartierten wir uns laenger im Madina Guest House ein wo wir weitere Hochs und Tiefs erlitten. Ein Aufsteller war aber ganz sicher das junge und sehr freundliche Team, welches sich sehr um uns bemuehte und uns zu Aerzten begleiteten von denen wir uns viel erhofften, aber leider frustiert zurueckkehrten. Oftmals wuenschten wir uns in die Schweiz zurueck, in einen sauberen Wartesaal, zu einem verstaendnisvollen Arzt mit einer humanen Behandlung. Stattdessen wurde die Stuhluntersuchung kaum beachtet und uns nur drei starke Medikamente entgegengestreckt von denen irgendeines Majas Durchfall, die Appetitlosigkeit, das staendige Wuergen und das immer wiederkehrende Erbrechen stoppen soll. Touristen haben immer etwa dieselben Probleme war die Erklaerung des Arztes. Sie solle alle auf einmal nehmen, die Nebenwirkungen werde sie gut ueberstehen. Das taten wir natuerlich nicht, denn Maja fuehlte sich viel zu schwach fuer diese Hammerkur. Innerhalb der naechsten Tage nahm sie eines nach dem anderen ein doch helfen wollte keines so richtig. Nach weiteren Diaettagen mit gekochten Kartoffeln suchten wir einen weiteren Arzt auf der uns wenigstens beruhigen konnte, da der Stuhl in Ordnung sei. Dank vielem Trinken, verschiedenen Saeften und Dehydrationsloesungen ging es dann bald besser und der Speiseplan konnte wieder erweitert werden. Die Medikamente sind hier so billig (ein Antibiotika mit zehn Tabletten 2.- Franken), dass sie sehr ruecksichtlos verschrieben, gekauft und eingenommen werden.

Noch nie auf unserer Reise wie hier in Pakistan hatten wir einen solchen Essensfrust. Nach der feinen und sehr abwechslungsreichen indischen Kueche mussten wir uns mit Huhn und Schaf, Reis, Linsen und Chapatti (Fladenbrot) begnuegen. Das ist die Standartkueche. Schon bald vermissten wir die vegetarischen Gerichte, vorallem nachdem wir die Huehnerfarmen und Huehnertransporter gesehen haben. Die Viecher werden in niedrigen Kaefigen gestappelt auf offenen Pickups transportiert und muessen stundenlang in der Hitze brueten, die Abgase einatmen und wenn der Wagen eine Panne hat, was immer wieder vorkommt, steht die Fracht stundenlang in der Sonne. Immer oefters kochten wir selber, sofern wir passende Zutaten fanden. In kleinen Doerfern kann das sehr schwierig werden, vorallem mit frischen Gemuese, denn oft gibts nur Bisquits und Waschmittel. Der Frust verstaerkte sich logischerweise waehrend unserer Krankheitsphase als das Essen zur Pflicht wurde damit nicht noch mehr Kilos purzelten. Wir begannen vom feinen Schweizeressen zu traeumen, wuenschten uns sogar bei 35 Grad ein Fondue, schwaermten von Cordon-Bleu, rezentem Appenzellerkaese und Rueblitorte. Wie fein waere doch etwas Trockenfleisch, eine Bratwurst oder ein knackiger Salat. Doch Maesis ausdauernde Bemuehungen fuer Maja zu Kochen waren grenzenlos. Er versuchte aus langweiligen Zutaten ein koestliches Essen zu zaubern, stoeberte jeweils lange in verschiedenen Geschaeften mit der Hoffnung auf den Fund einer weiteren Abwechslung. Erfreulicherweise fanden wir in Karimabad, einem Touristendorf schon ziemlich weit im Norden im Hunzatal, das "Hidden Paradise Restaurant" wo der Besitzer Ali Lutfi traditionelles Hunzaessen serviert. Es erinnerte uns sehr an urchige Bauernkost jedoch mit den lokalen Zutaten wie getrockneten Aprikosen und deren zermalenen Kernen, Frischkaese und der Hunzapizza; Chapattis gefuellt mit gehacktem Poulet- oder Rindfleisch. Ganz genial war auch das Brot, es schmeckt wie ein Ruchbrot aus der Heimat. Waehrend fuenf Tagen gingen wir dort jeweils zum Zmittag und Znacht vorbei und nahmen noch eine Aprikosensuppe mit ins Hotel fuers Fruehstueck. Eine Mahlzeit bei Ali kostete uns jeweils um die 8.- Franken, dafuer trinkt ihr in der Schweiz zwei Kaffees... Unsere Verdauung funktionierte nun wieder einwandfrei und die deftige Kost fuellte langsam unsere Speicher wieder auf. Dazwischen genossen wir im Cafe nebenan Crepes mit Nutella und eine Art Engadiner Nusstorte. Da das Wetter durchgehgend regnerisch war kam uns dieser kulinarische Hoehenflug gerade richtig! Auch ist jetzt gerade Mangosaison! Im Dezember fuhren wir an den leeren Mangobaeumen vorbei aber jetzt sind sie reif und super lecker!

Wir entschieden uns den Highway durch das Karakorumgebirge zu fahren damit wir neben dem Radeln einige Wanderungen in die Seitentaeler unternehmen koennen. Da es nun mit dem Radeln nicht wirklich klappen wollte, entschieden wir uns als Erstes fuer eine gemuetliche Wanderung auf Fairy Meadows. Diese Maerchenwiese liegt auf 3300 Meter ueber Meer und bietet eine freie Sicht auf das Nanga Parbat Massiv. Zusammen mit Laurence und Pierre, einem franzoesischen Paar das mit einem Landrover unterwegs ist, mieteten wir uns am KKH einen Jeep mit Fahrer, der uns die ersten 15 Kilometer und 1000 Hoehenmeter auf einer jeepbreiten Geroellstrasse dem Berg entlang ins Tal chauffierte. Obwohl der Fahrer die Strasse kannte und den Jeep gut unter Kontrolle hatte, traten vorallem Maja die Schweissperlen auf die Stirn weil es links wiedermal mehrere hundert Meter in die Tiefe ging und man die kommende Strecke nur als Strich dem Fels entlang wahrnehmen konnte. Weil die Pakistanis "ihren" Karakorumhighway als 8. Weltwunder benennen, gilt diese Strasse als 9. Weltwunder. Es hat aber was, denn alleine die Instandhaltung benoetigt taegliche Handarbeit der lokalen Bevoelkerung. Waehrend wir hochkurvten dachten wir fest an unsere Muetter und sind froh, dass sie immer erst im Nachhinein erfahren was fuer gefaehrliche Sachen wir machen! Danach wanderten wir waehrend drei Stunden bergauf und vor dem Sonnenuntergang stellten wir unser Zelt auf der Wiese auf. Nachdem es die ganze Nacht geregnet hatte war leider der naechste Tag grau und kalt, doch nach einem heftigen Sturm Mitte Nachmittag verschwanden alle Wolken und das Massiv stand schneeweiss leuchtend vor stahlblauem Himmel vor uns. Der hoechste Punkt des Nanga Parbat ist auf 8125 Meter und er ist somit der 9. hoechste Berg der Welt. Maja sah zum ersten Mal einen Achttausender und war, wie auch die anderen, zu tiefst beeindruckt. Um diese Groesse wahrzunehmen stellten wir uns unser geliebtes Matterhorn vor, welches fast 4000 Meter kleiner hier niemals auffallen wuerde und mindestens 30 Mal Platz haette.

Waehrend der Fahrt auf dem KKH kommt man an einer geologisch interessanten Gegend vorbei. Erstens fliesst der riesige Indus aus einem Tal und mischt sich mit dem Gilgitriver. Zweitens treffen die drei Gebirgsketten Himalaya, Karakorum und Hindu Kush aufeinander. Da der Nanga Parbat als Abschluss des Himalayas gilt, wanderten wir als Naechstes zum Rakaposhi (7788 Meter) der als Beginn des Karakorumgebirges die Linie weiterfuehrt. Waehrend fuenf Stunden keuchten wir bis zum Base-Camp hoch wo rechts das Rakaposhi-Massiv, links der Diran (7257 Meter) und dazwischen eine 35 kilometerlange Eis- und Felswand in die Hoehe ragt. Im Vordergrund fliessen die verschiedenen Gletscher zum Minapingletscher zusammen der wegen des Gefaelles sehr zerklueftet ist und skurile Formen bildet. Auf der Krete angekommen ueberwaeltigt uns diese maechtige Eis-, Schnee- und Bergwelt. Hinter der Moraene erstreckt sich eine kilometerlange, wunderschoene, saftig gruene Wiese die man nie und nimmer auf 3400 Meter ueber Meer erwarten wuerde. Hier verbrachten wir zwei kalte Naechte und zwei sonnige Tage und feierten Majas Geburtstag ganz alleine. Innerhalb 24 Stunden sahen wir acht grosse Lawinen die Berge hinabdonnern und erwachten in der Nacht wegen einigen mehr. Waehrend diesen drei Tagen begegneten wir acht Einheimischen und drei Touristen. Pakistans Bergwelt ist so riesig und wird leider so selten besucht. Wir genossen jedoch die Ruhe sehr und es tat gut, wiedereinmal saubere und frische Bergluft in unsere Lungen einzuatmen!

Bis und mit Gilgit, vom Sueden her gesehen, befanden wir uns in einer konservativen Gesellschaft. Alle Maenner tragen einen Shalwar Kameez (weite Hose und lange Bluse in der selben Farbe). Frauen sah man auf der Strasse hoechst selten und wenn, dann ziemlich verschleiert. Und: fotografieren verboten! Sie sind in ihren Wohnungen und fuer die Versorgung der Familie zustaendig. Wir hoerten, dass in gewissen Taelern die Maedchen immer noch nicht zur Schule duerfen. Die Maenner fuehren einen Laden, putzen Hotelzimmer, stehen am Strassenrand und gaffen den Touristen nach. Einige sehen beschaeftigt aus, andere verbringen jeden Tag gleich gelangweilt. Die Strassen sind staubig, in den Wasserkanaelen steht das schmutzige und stinkende Wasser. Neben aufgespiesten Huehnern nimmt der Metzger in seiner offenen Metzgerei, waehrend dem Spaesse machen mit seinen Freunden, eine Geiss aus und haengt sie neben die Huehner. Bis hier hin wars fuer uns das gewohnte Pakistan, eine ganz andere Welt als Europa, und auch so mochten wir es. Die Maennerueberzahl sind wir seit dem Eintritt auf den asiatischen Kontinent gewohnt. Wir vermissten aber sehr den Frauenpower, ihre Innovation, Sauberkeit und die somit fehlende Abwechslung. Nun radelten wir aber vorwaerts ins Hunzatal und ploetzlich waren wieder Frauen auf der Strasse, gruessten freundlich, kamen auf Maja zu und begruessten sie mit einem Haendedruck und Assalam Alaikum und ein paar Worte mehr; wie lange ist's her! Das Kopftuch liegt meistens im Nacken, die aeltere Generation traegt runde Huete und lange Zoepfe, darueber ein weisses Tuch. Wieso dieser Wechsel? Die "Northern Araes" kamen erst 1974 zu Pakistan, vorher waren es noch einzelne Koenigreiche und hatten, wohl weil es bis dahin keine richtige Verbindungsstrasse gab, wenig Kontakt mit dem Sueden. Zudem sind die meisten Einheimischen Ismailis, ein liberaler Zweig des Islams. Sie sind Anhaenger von Aga Khan, ihrem spirituellen Fuehrer und leben eine etwas esoterischere Philosophie aus. Die Frauen haben mehr Rechte und werden gut ausgebildet damit sie ihr Wissen in die Erziehung einfliessen lassen koennen. Zudem beten Ismailis nur zweimal, vor Sonnenauf- und nach Sonnenuntergang. Die Moscheen sind Begegnungszentren ohne Minaretten und Lautsprechern aus denen die Gebete der Mullahs scheppern. Aga Khan unterstuetzt seine Glaeubigen in der Entwicklungshilfe, baut Schulen und Spitaeler und gibt finanzielle Unterstuetzung. Vom Staat selber kommt nicht genug Geld da es lieber fuer die Armee, neue Strassen und die Korruption ausgegeben wird. Uns ist es sehr aufgefallen, dass es viele koerperlich und geistig behinderte Menschen wie auch Albinos gibt. Eine moegliche Folge der Verwandschaftsheirat welche hier gaengige Praxis ist.

Gleich froehlich und offen wie die Einheimischen praesentiert sich auch die Landschaft entlang des KKH. Oft brauchten wir fuer kurze Tagesetappen mehrere Stunden weil wir staunen, fotografieren, entdecken und dank den endlich angenehmen Temperaturen nicht mehr einen fixen Tagesablauf einhalten muessen. In Karimabad befindet man sich auf 2400 Meter ueber Meer und hat eine 360 Grad Sicht auf mehrehre 7000er Berge, ein gewaltiges Panorama. Dieser Ort gilt als Touristenzentrum des Nordens, aber als wir dort ankamen sahen wir nur Einheimische und leere Geschaefte. Ein Souvenirshop steht neben dem anderen und es hat viele Hotels, jedoch keine Touristen. Seit unserer Einreise nach Pakistan hoeren wir von allen Hotelbesitzern, Reisebegleitern, Restaurantbesitzern und Verkaeufern dasselbe: Seit dem 11. September 2001 hat die Touristenzahl um 75% abgenommen. Bereits haben viele ihr Business aufgeben muessen oder haben einen Nebenjob angenommen. Zum Glueck sind die Leute hier aber so einfach und koennen problemlos auch mit weniger Geld auskommen. Es erstaunt uns aber trotzdem, dass jeder Shop eine Menge lokaler Kristalle, Edelsteine und einheimische Handarbeiten zum Kauf anbietet. Wer soll das nur kaufen? Wir wuenschen uns jedenfalls fuer Pakistan, dass die ganze Welt neben den vielen schlechten News auch mal Positives von diesem einmaligen Land zu Ohren bekommt und sich entscheidet dieses Land zu bereisen. Jeder sollte sich selbst davon ueberzeugen dass es eine wunderschoene und zum Teil noch unberuehrte Natur hat und hier viele sehr freundliche Menschen leben.

Eine weitere Wanderung fuehrte uns waehrend fuenf Tagen dem Batura Gletscher entlang der weit im Norden liegt. Zusammen mit Nico, einem Schweizer, und Roger, einem Hollaender, die mit einem umgebauten Bus reisen, heuerten wir einen einheimischen Guide an. Da Maja eher starke Beine statt robuste Nackenmuskeln hat, trug Maesi fast die ganze Fracht fuer fuenf Tage alleine und fuehlte sich wie Tenzing Sherpa oder ein Yak. Aber lieber schonte er Maja und wurde selber wieder etwas kraeftiger. Der Gletscher ist riesig, man koennte ihm tagelang entlang gehen, doch da er sich auch zurueckzieht ist das meiste Eis mit Geroell ueberdeckt und nur in der Mitte ist ein Streifen weiss sichtbar. Am ersten und am letzten Tag ueberquerten wir den Gletscher und mussten genau ueber dieses Geroell das ganz lose auf dem Eis liegt. Das war sehr anstrengend da wir dauernd rutschten, doch die Spalten waren nur schmal. Unsere Zelte stellten wir bei verschiedenen kleinen Siedlungen aus Steinhaeusern auf wo aeltere Frauen vom Tal Schafe und Geissen weiden lassen, sie am Abend eintreiben und melken. Sie begruessten uns sehr herzlich und brachten uns selbstgemachten Joghurt. Das hoechste Lager stellten wir auf 3500 Meter ueber Meer auf und dort schneite es uns ein. Statt auf einen schoenen Aussichtspunkt zu steigen wanderten wir nur kurz im Schneegestoeber und setzten uns den Rest des Tages vors Feuer in einem loechrigen Steinhaus und waermten uns so gut wie moeglich auf. An den anderen Tagen genossen wir die Sonne, die Sicht auf den Gletscher, die Schneeberge, beobachteten Yaks und wanderten uns die Fuesse wund.

Bis vor zwei Monaten fanden wir in jeder Stadt oder sogar in Doerfern ein Internetcafe, damit wir unsere Kontakte einigermassen pflegen konnten oder um uns ueber die Geschehnisse in der Welt zu informieren. Doch in Nordpakistan funktioniert das noch nicht. Ausser man will seine Zeit beim Warten vergeuden bis nach 20 Minuten endlich das erste Email lesbar wird. Kein Problem, darauf konnten wir verzichten, doch da es auch selten Fernseher gibt wars uns klar, dass wir wohl definitiv die Fussball WM verpassen werden. Waehrenddem sich die Teams im sommerlichen Deutschland gegenuebertraten, wanderten wir in den Bergen und unsere Hoffnung sank, dass wir unsere Nati live verfolgen koennen. Doch als wir nach unserem 5-Taeger hundemuede in Passu ankamen erfuhren wir, dass wir im einzigen Fernseher, den es in diesem kleinen Dorf gibt, den Match sehen koennen. Obwohl Pakistan kein Fussballland ist sind sie doch Fussball interessiert. Schliesslich kommen die Baelle von hier, 100% Kinderarbeit. Also verfolgten wir unsere elf Jungs mit chinesischen Kommentar (Central China TV) und stellten uns Beni Thurnheer vor; toent etwa aehnlich. In der Pause konnten wir jedoch etwas weniger mit der Analyse anfangen und vermissten Hueppi und Co. Den zweiten Match sahen wir dann bereits in China, den Dritten verpassten wir leider, leider, leider!

Der Karakorum Highway ist eine Herausforderung fuer viele Veloreisende. Deshalb treffen wir hier so viele wie noch nie. Einer davon ist Norbi aus der Schweiz; seit drei Jahren unterwegs. Kurz vor dem Grenzuebertritt nach China trafen wir ihn bereits zum dritten Mal auf unserer Reise. Da wir in dieselbe Richtung fahren, beschlossen wir die naechsten Tage zusammen zu radeln. Leider muessen aber auch die Velofahrer vom letzten Pakistandorf bis zum ersten Chinadorf, 250 Kilometer, den Bus nehmen, dabei geht es ueber den wunderschoenen Khunjerabpass. Diese Vorschrift kommt von Seiten Chinas, da vor fuenf Jahren einige Velofahrer auf ihrer Seite in ein Tal gefahren sind, was verboten war. Wir wollten uns aber die radlerische Ersterklimmung eines 4700 Meter Passes nicht nehmen lassen und da es auf der pakistanischen Seite erlaubt ist, brachten wir die letzten 2000 Hoehenmeter innert zwei Tagen hinter uns. Die Strasse fuehrte zuerst durch eine Schlucht und oftmals war sie wegen eines Steinschlages mit Geroell uebersaet. Danach fuhren wir in den Khunjerab Nationalpark ein, dessen Landschaft zwar sehr trocken, jedoch durch den quellklaren Fluss und die wechselnden Naturfarben der verschiedenen Gesteine faszinierend war und uns viel Abwechslung bot. Nur die riesigen chinesischen Sattelschlepper donnerten mit hoher Geschwindigkeit an uns vorbei. Der KKH wird fuer die Chinesen in Zukunft fuer den Handel sehr wichtig sein. Ab 2007 werden sie ihn auf vier Spuren ausbauen und zusaetzlich im Sueden von Pakistan, Naehe Karachi, einen neuen Hafen bauen. Somit kann die Exportware via Pakistan schneller in alle Welt verschifft werden. Wir waren schockiert als wir diese Information von den Einheimischen erhielten, denn so wenig Verkehr wie auf dem KKH haben wir schon lange nicht mehr gehabt. Manchmal kreuzten wir an einem Tag nur fuenf Fahrzeuge, waehrend der Fahrt auf den Pass nicht mehr als 15. Vorallem wenn die Strasse sehr breit oder verlassen war, machten wir einen Scherz daraus wie wichtig es doch sei, die Strasse zu verbreitern. Ein riesiger Aufwand wirds auf jeden Fall, die traumhafte Landschaft, bzw. die Natur wird sehr darunter leiden wie auch die Anwohner. Die Passhoehe erreichten wir dank vielen Snackpausen problemlos. Zwar wurde es eisigkalt und die Luft immer duenner, doch die Abfahrt danach war eine tolle Belohnung. Und nun wisen wir, dass wir fuer Tibet bereit sind; dort werden wir uns nur noch auf dieser Hoehe bewegen. Am naechsten Morgen bestiegen wir in Sost den Bus nachdem die Zollbehoerde fast alle unserer Taschen durchstoebert hatte - das war ja muehsam! Danach war es schoen die Strecke nochmals fahren zu koennen, und sobald wir in China waren vermissten wir das Radeln gar nicht mehr. Die Strasse ist noch im Bau und mehrfach grobe Schuettelpiste. Die Gepaeckkontrolle in China war einigermassen anstaendig, ausser dass wir eine feine Mango abgeben mussten, und rechtzeitig zum zweiten Match unserer Nati sassen wir in einem Hotelzimmer vor dem Fernseher, tranken das erste Bier seit Indien und feuerten die Schweizer an!

PS 1: Hanf, Hanf, Hanf! Dem KKH entlang spriesst das gruene Gras wild in rohen Mengen; der Hanfgeruch ist unser staendiger Begleiter. Das muss ein Paradies fuer Kiffer sein!

PS 2: In der Zwischenzeit sind wir in Kashgar angekommen, einer grossen Stadt am Ende des KKH's. Wir sitzen in einem riesigen Internetcafe mit 70 Computern und es funktioniert einwandfrei! Der Wechsel nach China war eine 180 Grad Wende - mehr darueber im naechsten Bericht... und tschuess!

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

Bilder zum 22.Reisebericht
 

23. Reisebericht 17. Juli 2006

Willkommen im Land der Wundernasen

Geplant war eigentlich der Titel "Im Land der Schlitzaugen", doch solche sahen wir hier in Westchina fast keine. Wie waren wir erstaunt als wir die ersten Chinesen sahen und die keine Schlitzaugen hatten. Die Menschen sehen eher aus wie Russen, Kirgisen oder Tatschiken; so kennen wir sie jedenfalls von Fotos. Sie haben runde Augen, oftmals blau, braune oder schwarze Haare, die Maenner tragen Hochwasserhosen, einen abgeschabten Blazer und oftmals ein Perre oder einen sechseckigen Filzhut. Tatsaechlich liegt Tashkurgan, die erste Stadt wenn man von Pakistan einreist, sehr nahe an der kirgisischen und tatschikischen Landesgrenze und daher herrscht hier ein riesiges Voelkergemisch. Dieses Volk, das nicht chinesisch aussieht, nennt sich Uiguren und lebt in der Xinjiang Provinz. Sie moechten gerne unabhaengig sein und da sie wirklich komplett anders aussehen, ihre Kultur und die Religion - sie sind Moslems - verschieden sind und auch ihre Kochkuenste sehr den Zentralasiatischen gleichen, sind sie fuer uns nicht wirklich Chinesen. Dazu kommt ihre andere Sprache die einzelne Woerter tuerkisch enthaelt und gar nicht chinesisch toent. Verschieden ist auch die Schrift. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte sind viele Chinesen hierher umgesiedelt worden, damit sich dieses Volk nicht als Einheit zu stark fuer die Unabhaengigkeit einsetzen kann. Wir empfanden die Leute als sehr interessant, froehlich, freundlich und deshalb blieben wir gerade einige Tage in dieser Stadt und genossen diese neue Ambiance. Obwohl wir uns weiterhin unter Moslems aufhielten, war hier nichts von dieser strengen Glaubenseinstellung zu spueren und zu sehen. Es wimmelte nur so von Frauen in Roecken. Sie sind alle hell geschminkt, laecheln, verstecken sich gar nicht, tragen runde, hohe Huete oder ein Kopftuch neckisch geknotet. Das ist aber, denken wir, eher ein schicker Modegag, vielleicht kombiniert mit dem Kopftuchtragen ihrer Religion. Die Tuecher sind passend zum Kleid, oftmals nur aus Chiffon und lassen somit die Haare durchschimmern. Die Frauen tragen alle Jupes mit weissen Struempfen wo sie das Geld verstecken, darunter enge Hosen mit Spitzenbordueren. Ein ganz spezieller Modestil der aber trotzdem aufreizend wirkt. Nach dem konservativen Pakistan findet man es aber sehr schnell einmal sexy. Waehrend wir in einem kleinen Beizli zum ersten Mal uigurisches Essen probieren, versuchen wir die neuen Eindruecke zu sortieren. Bald kommen wir auf die Feststellung, dass uns dieses Leben hier sehr an die Nachkriegszeit in Russland erinnert die wir nur durch Filme mitbekommen haben. Die altmodische Kleidung der Herren und das etwas nuttige Kleiden der Frauen passt fuer uns zusammen. Weiter tragen die Fraeun knallige Roecke mit glitzernden Pailletten bestickt die in der Sonne funkeln, beim Einkaufen in der Stadt oder beim Schafe hueten auf dem Feld! Im Gegensatz dazu tragen die glaeubigsten Musliminen in Quadrat gestrickte braune Tuecher ueber dem Kopf und sehen die Welt nur durch die Maschen. Ein furchterregender Anblick!

Und Wundernasen sind sie, die Uiguren! Kaum halten wir, bildet sich eine Traube Menschen um uns die uns anstarrt uns vollblabbert. Das ginge ja noch, aber sie fassen alles an, nehmen uns sogar Infoblaetter aus der Hand und schauen sie an. Nach Iran, Pakistan und Indien kann man es sich gar nicht vorstellen, dass die Einheimischen noch gwundriger sind, doch die Westchinesen toppen alles! Wenn die Bikes alleine stehen wird jedes Detail untersucht. Wenn Augen stehlen koennten, waeren unsere Velos schon lange weg. Deshalb sind wir hier besonders vorsichtig wenn wir unsere Raeder irgendwohin stellen. Einer von uns hat immer ein Auge auf sie, in Hotels nehmen wir sie wenn moeglich ins Zimmer und beim Zelten ketten wir sie an einen Baum oder befestigen sie sogar ans Zelt.

Zusammen mit Norbi, unserem Schweizer Radelfreund, radelten wir ab Tashkurgan weiter Richtung Kashgar. Nach einem anstrengenden Tag auf holpriger Piste waren wir nach 65 Kilometern so muede, dass wir leider in einer Geroell- und Sandlandschaft das Zelt aufschlagen mussten. Das ist das Uebelste, vorallem wenn es windet. Und so kam es dass innert kurzer Zeit unser Zelt eine Sandhoehle war, unsere Schlafmatten nur noch beige statt schwarz aussahen, es waehrend dem Essen zwischen den Zaehnen knirschte und auch trotz Plastikverschlag immer noch mehr Sand reingeblasen wurde. Die naechste Nacht dafuer verbrachten wir am Karakulsee auf 4000 Meter auf einer saftigen Wiese mit Sicht auf den Muztagh Ata (7500 Meter), ein Skitourenberg. Obwohl die Strasse auch an diesem Tag nicht viel besser war entschaedigte uns dieser Nachmittag am See mit tollem Wetter und liess uns einen ganzen Fotofilm verknipsen.

Schon als wir uns ueber China informierten erfuhren wir von mehreren Seiten dass sie eine spezielle Taktik im Strassenbau haben. Davon konnten wir uns nun selbst ueberzeugen. Zuerst reissen sie die ganze Strasse auf; zwischen der Grenze und Kashgar sind dies etwa 400 Kilometer. Danach wird an unterschiedlichsten Orten gearbeitet, und das seit Jahren. So hatten wir mal einige Kilometer nur Schotterstrasse, dann seidenfeiner Asphalt dass die Raeder rollten wie auf einer Fluglandebahn. Anschliessend tiefer Kies dass die Raeder versanken oder Sumpf da sie den Boden bewaesserten. Wir koennen dieses Vorgehen nicht ganz nachvollziehen, es macht einen sehr irrationalen Eindruck. Die schlechten Abschnitte waren wirklich ein Graus, die Neuen dafuer ein Traum; doch jeder Traum geht mal zu Ende...

Kashgar war frueher einmal eine wichtige Handelsstadt auf der Seidenstrasse. Heute deutet nur noch der alte Stadtteil und der traditionelle Sonntagsmarkt darauf zurueck. Der Rest der Stadt ist streng chinesisch strukturiert. Sechsspurige Strassen, grosse Kreisel, breite Gehsteige, hohe Haeuser, sauber. Und fast steril, waeren da nicht noch die Uiguren die die chinesische Disziplin mit ihrem etwas chaotischen Leben vermischen. Auf dem Markt entdeckten wir vorallem interessante Gesichter und beobachteten wie frische Nudeln von Hand zubereitet werden. Der Teig wird geknetet, zu einer Rolle geformt, an den Enden gehalten, in die Luft geschwungen, verdreht, die Enden in einer Hand zusammen gedrueckt, in die andere Hand kommt das neue Ende, in die Luft geschwungen, verdreht,... sicher 20 Mal und immer werden die Teigwuerste duenner bis sie Nudelduenn sind. An den Enden wird durchgeschnitten und man hat ueber einen Meter lange Nudeln. Kurz in den Dampfkochtopf, dann frisches Gemuese anbraten, eine magische Sauce dazu, mischen und wir geniessen ein superfeines Nudelgericht! Nun, wie isst man das mit Staebli? Wir schauen in die Runde und lernen schnell: Nudeln fassen, in den Mund stecken und reinziehen, schluerfen so laut wie moeglich und ein paar Gemuesestuecke nachschieben. Also Chinesen machen beim Essen genau das was man bei uns nicht macht (oder machen sollte): Schluerfen, schmatzen, mit vollem Mund reden, waehrend dem Essen rauchen, Essreste auf den Boden werfen, ruelpsen, rotzen,... Wir wurden immer komisch gemustert, wenn es an unserem Tisch ganz ruhig war, doch langsam lernen auch wir die schlechten Manieren - wir hoffen wir verlieren die wieder bevor wir nach Hause kommen!

Wiedereinmal in einer Grossstadt schlenderten wir stundenlang durch die Strassen und waren erstaunt ueber die vielen grossen Einkaufszentren wo man wieder mal alles bekommen koennte, nur wissen wir nicht was es ist. Die Produkte sind nur noch auf chinesisch angeschrieben. Haette es da nicht noch Bildli, wir waeren absolut verloren. Dazu spricht aber gerade kein Chinese ein Wort Englisch ausser "Hello", und das koennen wir dafuer auf Chinesisch! Eine kleine Hilfe sind die nachgemachten Markenprodukte deren Schriftzug gleich ist aber anders heissen wie zum Beispiel Nivea ist Avone oder aehnlich. Sowieso gebrauchen wir hier unser Bilderbuch nun sehr oft, tippen auf die Bilder und meistens bekommen wir was wir haben wollen!

Nach einigen Tagen in Kashgar verabschiedeten wir uns von Norbi, der nun durch Zentralasien Europa ansteuert, und starteten unseren naechsten Reiseabschnitt; den Richtung Tibet. Zuerst durchquerten wir noch einige Tage die Xinjiang Provinz. Nebendem hier so vieles nicht-chinesisch wirkt haben sie auch eine eigene Zeit. Fuer ganz China gilt eigentlich die Pekingzeit; Peking das etwa 4000 Kilometer weiter oestlich liegt. So haetten wir nach Pakistan die Uhr um drei Stunden vorstellen muessen, obwohl wir nur noerdlich reisten. Wir leben auf dieser Reise eigentlich nur noch nach der Sonne und somit spielt die Zeit fuer uns keine Rolle. Doch muss man auf die Bank, dann sollte man die Zeit wissen. Wuerde nun in der Xinjiang Provinz die Pekingzeit gelten, waere es erst um acht Uhr morgens hell, dafuer erst vor Mitternacht dunkel. So gibt es die inoffizielle Xinjiangzeit, -2 Stunden. Aber offizielle Stellen wie Bank und Post oeffnen nach Pekingzeit. Da also das Leben im Westen wegen des Sonnenaufgangs viel spaeter losgeht, verschieben sich auch die Oeffnungszeiten zum Beispiel auf 10.00 - 19.30 Uhr, was in der Xinjiangzeit 8.00 - 17.30 Uhr bedeutet. Also darf man nie vergessen zu fragen, welche Zeit denn gelte.

An unserem zweiten Radelmorgen ueberholte uns ein Chinese auf dem Velo nach dem anderen. Jeder hatte das neuste Bike, tolle, saubere Ausruestung und Radfahrertrikots. Im naechsten Dorf machten sie einen Wassermelonenstopp und wir erfuhren, dass sie zu Zehnt auch nach Lhasa fahren werden. Jeder hatte nur halb so viel Gepaeck wie wir und sie machten einen sportlichen Eindruck. Doch obwohl es nur ein paar Stunden ueber eine Ebene ging, blieben die Meisten weit zurueck und wir zwei "alte Hasen" fuhren mit den Vorderen mit. Maja konnte sich dabei mit einer Chinesin unterhalten die etwas Englisch sprach und aus Ostchina kommt (also mit Schlitzaugen). Auf die Frage wie ihr der Westen Chinas gefalle meinte sie: Schoen, aber die Leute sind sehr arm! Diesen Eindruck hatten wir auch, vorallem nachdem wir diese gutausgeruesteten Chinesen aus dem Osten trafen. Wie es dort Autos gibt, hat hier jede Familie einen Esel mit Karren. Die ganze Zeit kreuzten oder ueberholten wir Esel- oder Maultiergespanne auf dessen Ladeflaeche die ganze Familie sitzt oder Material transportiert wird. In den Doerfern gibt es sogenannte Eselsparking. Dort stehen die Tiere vor ihren Wagen eng neben und hintereinander und wenn mal einer mit "i a" anfaengt, macht dann das ganze Parking mit!

Wir fahren also wieder ein Stueck auf der Seidenstrasse und nach dem dritten Tag gehts von der heissen Flaeche in die Berge. Gleichzeitig hoert auch der Asphalt auf und unsere kuenftige Strasse rollt nicht mehr so schoen. Die ersten Tage muessen wir gerade einige Hoehenmeter leisten; einmal von 1600 auf 3300 Meter und nach einer langen Abfahrt ueber langgezogene Serpentinen schlafen wir das letzte Mal auf einer Wiese auf 2500 Meter. Die naechsten zwei Tage gings bis auf 4950 Meter hoch; ein riesen Chrampf! Danach waren wir todmuede, doch zum Glueck bereits gut anklimatisiert. Wir wissen, dass man in der Hoehe viel Essen und Trinken muss und das macht uns ja, wie man weiss, keine Muehe! Wenn man dann endlich einen solchen Pass geschafft hat, freut man sich sehr auf die Abfahrt. Doch der Strassenzustand war jeweils so schlecht, dass wir bergab nur etwa 2-3 Mal schneller waren. Also statt mit 4-6 km/h bergauf, fuhren wir mit 8-18 km/h bergab, die Bremsen voll angezogen, die Fingermuskeln einem Krampf nahe und die Augen auf die kommenden zwei Meter gerichtet. Wie die Strasse bestand auch die Landschaft die folgenden Tage nur aus Geroell und Sand. Am Abend jeweils ein angenehmer Zeltplatz zu finden war fast unmoeglich. Meistens war kein grosser Stein als Windschutz zu finden also mussten wir uns langsam aber sicher an den Wind gewoehnen der uns waehrend des Tages hartnaeckig entgegen wehte und am Abend den feinen Sand ins Zelt blies. Zusaetzlich sind auch wir und unsere Taschen immer staubig und muessen vor dem Zeltbetreten ausgeklopft werden. Die Fahrraeder erkennt man unter dem klebenden Staub gar nicht mehr. Das Fahren durch diese Geroellkulisse machte vorallem Maja wenig Spass, da die Strasse stets vollste Konzentration erforderte und man kaum nach rechts und links sehen kann, da man sonst schnell vom Velo faellt. Dabei ist doch gerade das Umhersehen so schoen beim Velofahren. Man ist so langsam, dass man die Eindruecke geniessen kann. Die Strasse ist eigentlich nur fuer 4 WD und starke Lastwagen geeignet; und durchgeknallte Velofahrer... Nach ein paar weiteren Paessen erreichten wir das Aksay Chin Plateau und bewegten uns nun ueber 4800 Meter, mit mehreren Paessen ueber 5000 Meter Hoehe. Diese Gegend gehoerte urspruenglich zu Indien, wurde aber von China besetzt, zur gleichen Zeit wie sie Tibet anektiert hatten. Die Veraenderung der Landschaft war sehr auffaellig und nun gefiel es uns auch trotz des sehr starken Gegenwindes um einiges besser. Als wir uns nach zehn Tagen radeln einen Ruhetag goennten, verbrachten wir den an einem See auf 5000 Meter ueber Meer. Voller Freude stellten wir uns ein lockeres Tagesprogramm zusammen, bestehend aus uns selber wieder einmal mit viel Wasser waschen, unsere durchstaubten Kleider im See reinigen, lesen und essen. Doch kaum hatte Maesi eine Waescheleine zwischen den Velos gespannt und ein paar Kleider aufgehaengt kam ein starker Wind auf und kippte alles um. Nach weiteren Versuchen die Waescheleine zu fixieren und dem mehrmaligen Auswaschen der Kleider die bereits wieder voller Dreck waren, brachen wir die Leine ab. Bis alle Kleider trocken waren blies es sie noch mehrmals vom Velo und schliesslich waren sie kein bisschen sauberer als vorher. Unsere Nerven lagen blank. Und da es dann auch noch kalt wurde blieb unser eigenes Waschen im Trockenen und wir konnten uns auch heute nur mit Feuchttuecher reinigen; wenigstens das! Doch wir haben Folgendes gelernt: Kleider waschen bevor der Wind zu blasen anfaengt. Das heisst gar nie damit anfangen, sie werden sowieso wieder schmutzig. Und da wir uns gegenseitig so akzeptieren wie wir sind stoert uns auch nicht der Achsel- und Fussschweiss des anderen bis zur naechsten richtigen Dusche. Apropos waschen: Das Einzige an unseren Koerpern das seit Kashgar wirklich schon viel Wasser bekommen hat sind, neben unserem Verdauungssystem, die Fuesse und Unterschenkel. Bereits elfmal mussten wir die Schuhe ausziehen und unsere Velos durch reissende, eiskalte Fluesse schieben die die Strasse als Flussbett ausgesucht haben. Ein Abenteuer das manchmal recht viel Kraft und Nerven braucht!

Der Wind war die letzten Wochen unser treuer Begleiter, doch leider kam er uns nur immer entgegen, egal in welche Himmelsrichtung wir radelten. Und gerade jetzt wo wir auf dieser Hoehe ueber 5000 Meter sind und die Luft eh schon duenn ist, macht das Bergauffahren mit Gegenwind das Atmen noch viel schwieriger. Der Wind war teilweise so stark, dass er uns von der Strasse drueckte und uns zum Absteigen zwang. Oft mussten wir Elif und Tigi schieben und keuchten wie alte Loks. Wir schaetzten die Windgeschwindigkeiten zwischen 70 und 100 km/h und sie machten uns fix und fertig. Zum Glueck gibt es ab und zu wieder einmal einen Lastwagen-Stopp-Ort wo wir uns mit einer grossen Schuessel frischen Nudeln mit Gemuese staerken koennen! In diesen Beizlis gibt es auch immer Tee so viel man will und wir koennen jeweils einfach unsere Wasserflaschen mit heissem Wasser auffuellen.

Unsere einzige Motivation diese schwierigen und ermuedenden Verhaeltnisse durchzustehen ist Tibet. Seit wir letzte Weihnachten ein paar Tage in Mc Leod Ganj, Indien, verbracht haben, wo der 14. Dalai Lama im Exil lebt und die Tibeter die dort wohnen eine angenehme Atmosphaere verbreiten, wussten wir, nach Tibet wollen wir irgendwann. Leider wird das Einreisen von den Chinesen kontrolliert und man bezahlt entweder eine Menge Geld oder versucht es eben mit dem Velo. Die Motivation war deshalb da es nun auf dieser Reise zu versuchen.

Wenn man eine Weltkarte ansieht, hat es noerdlich von Indien einen weissen Fleck, den Himalaya. Genau dort sind wir nun angekommen und werden auch die naechsten Wochen dort unterwegs sein. Dieser weisse Fleck ist aber ueberhaupt nicht weiss, das wissen wir jetzt. Hier leuchten uns die schoensten Natuerfarben entgegen, zum Teil so knallig dass es unwirklich scheint. Die safirblau und tuerkisfarbigen Seen bilden einen traumhaften Kontrast zu den kupferroten-senfgelben-moccabraunen Felsen und Sandduenen mit schwarzen Marmorierungen oder dem grasgruenen Schimmer kleiner Pflanzen. Weiss ist es nur weit oben - der ewige Schnee auf den Bergspitzen. Und die Wolken am blauen Himmel sind zum Greifen nah. Sie verfaerben sich jeden Abend von gelb zu orange ueber rot zu pink bis sie violett im Dunkel verschwinden. Wir sind angekommen, in Tibet, dem Dach der Welt!

PS 1: Tibetische Harley: Ein umgebauter, geschmueckter, kleiner Traktor mit einem geknuepften Teppich auf dem Sitz. Darauf sitzen die Tibeter ganz laessig mit Cowboyhut und verspiegelter Pilotensonnenbrille und tuckern durch die Gegend. Riders on the storm....

PS 2: Wir sind nun in Ali, der ersten groesseren Stadt in Westtibet. Die Waesche ist im Waschsalon, die Raeder bekamen viel Wasser aus dem Schlauch, wir schrubbten uns im Duschsalon sauber (im Hotel gibts keine Duschen), die Taschen bleiben staubig wie sie sind. Uns gehts sehr gut, und Euch? Liebe Gruesse

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

Bilder zum 23.Reisebericht
 

24. Reisebericht 13. August 2006

Jeden Tag Action!

Der Wechsel von der Xinjiang-Provinz nach Tibet, eben nun auch eine chinesische Provinz, ist sehr steif gekennzeichnet. Ein Schild zeigt zwei Soldaten in Achtungsstellung vor dem heiligen Berg Kailash, ueber die Strasse ist eine Bande mit irgendeinem chinesichen Text gespannt. Fuer uns hatte aber der Kilometerstein am Strassenrand mehr Bedeutung, hatten wir doch die letzten Tage hart gestrampelt um nach Tibet zu kommen. Die schlechte Strasse wird sofort noch schlechter, der Wind blaest uns leider genauso stark entgegen und auch hier gibts Fluesse zu durchqueren. Dennoch, wir sind in Tibet, und wir wussten ja dass es keine Sonntagsfahrt wird. Die naechsten Naechte verbrachten wir immer um die 5000 Meter ueber Meer. Wir schliefen sehr gut, hatten kaum Atmungsstoerungen und auch keine Appetitprobleme. Waehrend der Tage ueberquerten wir mehrere Paesse zwischen 5200 und 5400 Meter ueber Meer. Da wir nun auf dem tibetischen Hochplateau fahren, sind die Steigungen nicht mehr riesig, der Kraftaufwand auf dieser Hoehe jedoch schon und jeder Pass ist harte Arbeit. Vorallem noch mit Gegenwind. Der hoechste Pass auf unserer Westtibetroute war eben der 5400er den wir voller Stolz und voellig ausser Atem erreichten. Fuer die letzten 7 Kilometer brauchten wir, wegen starkem "Gegensturm", zwei Stunden. Als Belohnung goennten wir uns je ein ganzes Snickers die wir seit Pakistan fuer solche Faelle dabei haben. Eine weitere Belohnung sind jeweils die Gebetsfahnen die auf der Passhoehe wehen. Diese Fahnen haben immer fuenf Farbtoene (blau, weiss, rot, gruen, gelb), deren jede ein Symbol des tibetischen Lebens darstellt. Sie werden von den Buddhisten an allen hohen Stellen befestigt damit sie die Gebete fuer eine friedliche Welt durch den Wind in alle Himmelsrichtungen tragen.

Bevor wir nach China einreisten wussten wir, dass das 90 Tage Visum sehr knapp ist fuer die Route die wir fahren wollen. Den weiten Abstecher nach Lhasa, zur Hauptstadt Tibets, wuerde nur drin liegen wenn wir jeden Tag fleissig Kilometer bolzen und Sehenswertes nur kurz besichtigen wuerden. Da wir beide aber sehr gerne Zeit haben fuer Kultur und Menschen war es uns klar, dass wir eher mal eine Transportmoeglichkeit suchen als nur noch auf dem Sattel zu sitzen. Durch mehrere Informationsquellen erfuhren wir dass ein langer Strassenabschnitt vor der westtibetischen Stadt Ali sehr schlecht zu fahren ist. Also nutzten wir die Gelegenheit und stoppten einen Lastwagen. Das ist aber gar nicht einfach, denn oft ueberholte uns stundenlang kein Fahrzeug. Der Chinese nahm uns ohne zu zoegern mit - Glueck gehabt! Bereits wieder erschoepft vom Gegensturm und der holprigen Waschbrettstrasse luden wir alles auf die Ladeflaeche, fixierten es so gut wie moeglich an den Sperrgutwaren die er transportierte und lehnten uns im Sitz zurueck. Wenn ein Chinese nur chinesisch spricht und zwei Schweizer nur hallo und danke sagen koennen happert es ein wenig mit der Kommunikation. Wir schafften es jedoch klarzustellen dass wir bis Ali mitfahren wollen, erfuhren aber natuerlich nicht, dass diese Fahrt wegen der schlechten Strasse eine Ewigkeit dauern koennte. Jedenfalls waren wir nach Sonnenuntergang noch weit weg von unserem Wunschziel und verstanden dann auch die knappen Handbewegungen des Chinesen, dass er erst morgen weiterfahre und wir irgendwo in diesem Ort schlafen sollen. Kurzentschlossen luden wir kurz vor Mitternacht unsere Taschen auf die leere Ladeflaeche des naechsten Trucks, rollten unsere Matten aus und schliefen unter dem Sternenhimmel. Am Morgen weckte uns eine Schulklasse die im Takt der Befehle des Lehrers neben dem Lastwagen vorbeirannte - Schulturnen auf chinesisch. Die kommenden 120 Kilometer waren nicht nur schlimm, sie waren tragisch. Von Anfang bis Schluss eine riesige Baustelle. Sie verbreitern und asphaltieren die Strasse. Dazu braucht es viele Handarbeiter mit Schaufeln und Bickel, Traktore, Lastwagen, Bagger und alle muessen irgendwie irgendwohin. Teilweise ist die Strasse fast fertig, doch gesperrt, da alle hundert Meter die Wasserdurchlaeufe im Bau sind. Die Fahrzeuge bahnen sich somit einen eigenen Weg durch die Landschaft. Mehrere Spuren verschanden die Natur, weil die einen schlammig sind oder schnelle Jeepfahrer nicht hinter langsamen Lastwagen fahren wollen. Das Tal wird immer breiter, der Unterlag wechselt von holprigem Schotter und Dreck zu tiefem Sand oder festgefahrener Waschbrettpiste. Unser Truck faehrt zwischen 5 und 20 km/h und der Driver steuert sein langer Laster gekonnt um und durch jedes Hindernis. Zwischendurch sind wir nicht ganz sicher ob wir uns wirklich auf dem Xinjiang-Tibet Highway befinden oder auf einer Motocrosspiste oder an der Paris-Dakar-Rallye fuer Lastwagen mitfahren. Wir waren jedoch so froh nicht selber radeln zu muessen, denn beim Rausschauen wurde es uns schlecht wenn wir den Strassenzustand sahen. Ganze 10 Stunden brauchten wir fuer die 120 Kilometer und schon war es dunkel als wir in Ali einfuhren. Wie freuten wir uns auf ein richtiges Bett und eine Dusche nach zwei Wochen Leben in der Wildnis. Doch als wir aussteigen wollten schloss uns der Fahrer in der Lastwagenkabine ein und forderte Geld von uns. Wir waren schockiert! Den ganzen Tag ueber fuetterten wir ihn mit unseren Vorraeten, bezahlten ihm das Fruehstueck, bedankten uns dauernd und nun das. Wir boten ihm weniger Geld an, doch er lehnte sich zurueck, zuendete sich eine Zigarette an und losch das Licht. In uns stieg der Groll, auf uns und auf ihn. Warum haben wir nie nach dem Preis gefragt? Warum hat er nie was von Geld gesagt? Nach langem Warten und ausharren wurde dann auch er nervoes und gab sich mit der Haelfte seiner Forderung zufrieden. Mit zittrigen Knien und um eine Erfahrung reicher entfernten wir uns so schnell wie moeglich mit unseren sieben Sachen von ihm und waren erleichtert als wir bald ein Hotelzimmer fanden wo wir uns erholen konnten.

Leider waren die weiteren 300 Kilometer nach Ali auch voll im Bau, doch frisch gestaerkt von der guten chinesischen Kueche radelten wir wieder. Ein Chinese hatte uns bereits vorgewarnt und tatsaechlich war es dann auch so: Zusaetzlich zur miesen Strasse regnete es taeglich. Teilweise stundenlang, meistens die ganze Nacht. Unser Zelt war immer nass, wir wechselten mehrmals pro Tag unsere Kleider. Morgens froren uns fast die Finger ab, spaeter waermte die Sonne dass wir uns wieder einiger Kleiderschichten entledigen konnten. Kaum getan fing es an zu regnen, wieder absteigen, Regenkleider montieren. An einem Tag trafen fuenf verschiedene Gewitterfronten auf uns. Ueber uns graue Wolken, Blitze ueber den Bergen, laute Donner erschreckten uns. Zusehends wurde die Strasse schlammiger, Pfuetzen entstanden, der Dreck klebte zwischen Pneu und Schutzblech. Das Wetter in Tibet zeigte uns die Elemente tagtaeglich. Solche Wetterwechsel haben wir noch nie erlebt. Und dann immer wieder diese Flussdurchquerungen. Einmal standen wir vor einem und hatten keine Ahnung wie wir da heil durchkommen sollen. Weit und breit kein Fahrzeug, es regnete, wir froren. Die einzige Moeglichkeit war mal abzuklaeren wie tief das Wasser ist. Also zog sich Marcel die Hose aus und watete in den Unterhosen, oben noch den Helm auf dem Kopf und die Regenjacke an, ins Wasser das ihm wirklich bis zum Schritt reichte. Im selben Augenblick kam ein Jeep um die Ecke. Auf unser Winken hin hielt er vor dem Fluss und nun kann man sich ja vorstellen wie der Chinese Marcel anschaute der in den Unterhosen vor ihm stand. Seine zwei Soehne erkannten die Situation sofort, lachten recht verschmitzt, und luden unsere Taschen in den Gepaeckraum. Auch fuer Maja hatte es noch einen Platz im Jeep und Marcel schob beide Velos gleichzeitig im Lee des Autos auf die andere Seite.

Kurz vor Darchen, von wo man die Pilgerwanderung um den heiligen Berg Kailash beginnt, blockierte uns ein weiterer riesiger Fluss den Weg. Da es die letzten Tage nur geregnet hatte war der entsprechend tief und hatte eine starke Stroemung. Nun hofften wir auf weitere gute Seelen die uns hinueber helfen. Doch zu unserer grossen Enttaeuschung wollten alle Lastwagenfahrer die leer den Fluss passierten, Geld fuer die nicht mal hundert Meter. Der Frust setzte soviel Adrenalin frei, dass wir es eben doch selber wagten und es dank gemeinsamer Kraft und viel Mut schafften. Wir haben uns die Mentalitaet der Tibeter etwas anders vorgestellt doch wie es scheint, regiert auch hier nun das Geld und sie werden je laenger je mehr Chinesen. Natuerlich haben wir auch nette Tibeter und Chinesen getroffen doch genau ab hier, wo viele Touristen hinkommen spielte Geld immer eine zentrale Rolle. Wir kamen also in Darchen an, dachten es sei ein etwas spiritueller Ort da hier viele Pilger halt machen, doch uns erschreckte das Gegenteil. Wie der ganze Highway ist auch dieser Ort eine riesige Baustelle. Graue Reihenhaeuser werden neben die urspruenglichen tibetischen Lehmhaeuser gebaut, grosse, kantige Hotelgebaeude errichtet, viel Dreck und Abfall produziert und liegengelassen. So schnell wie moeglich wollten wir nun unsere Velos einstellen, Rucksack packen und loswandern; uns hielt nichts in diesem Ort. Noch vor Sonnenuntergang stellten wir unser Zelt im Frieden und der Schoenheit der Natur neben dem Pfad der spirituellen Wanderung auf und freuten uns auf die Erlebnisse der naechsten Tage waehrenddem wir die Kora wandern werden.

Der Kailash bedeutet fuer die Buddhisten und Hinduisten den Sitz der Goetter. Neben vielen Tibetern trafen wir auch auf Inder die in Gruppen die Pilgerreise unternehmen. Die Meisten umrunden den Berg auf dem Pferd da sie sich nicht genuegend anklimatisieren koennen. Die Hinduisten nennen die Umrundung Pamikrama und sehen im Kailash den Palast ihres Lords Shiva. Die Tibeter hingegen gehen alle zu Fuss und legen die 52 Kilometer der Kora, wie sie es nennen, die meisten in einem Tag zurueck. Ausser die Boen, eine Sekte des Buddhismus, wandern alle im Uhrzeigersinn. Wir waren drei Tage unterwegs und hatten somit schoen Zeit die unterschiedlichen Pilger zu beobachten. Viele waren mit schnellem Schritt unterwegs, murmelten das "Om mani padme hum" oder andere Mantras oder sangen Lieder. Einige von ihnen hielten eine Gebetsmuehle in der Hand die sie unaufhoerlich drehen liessen. Dies ist ein Griff an dem eine kleine Trommel befestigt ist. Darin ist eine Papierrolle mit Gebeten und durchs Drehen werden die Gebete in die Welt hinausgetragen. Symbolisch haben die Muehlen die gleiche Bedeutung wie die Gebetsfahnen. Falls man sich kreuzt oder ueberholt gruesst man einander mit dem tibetischen Grusswort "Tashi Delek" das auch viel Glueck oder Gratulation bedeutet. An verschiedenen Orten, meistens dort von wo man den Berg sieht, hat es Steinhaufen. Jeder Pilger legt einen Stein hinzu. Auch Kleider Huete und Schuhe werden geopfert. Die liegen alle entlang des Pilgerweges. Weiter werden Manisteine - Steinplatten mit eingemeiselten Gebeten - hingelegt wie auch Yakschaedel und Hoerner. Die zweite Nacht verbrachten wir vor der Nordwand des Kailash, der beruehmten Seite. Er zeigte sich vor blauem Himmel und seine Schneestreifen leuchteten in der Abendsonne. Am anderen Tag ueberquerten wir den Dolma La, den Pass auf der Pilgerroute. Das heisst 1000 Hoehenmeter hoch bis auf 5600 Meter ueber Meer. Wow, bis jetzt unser hoechster Pass auf dieser Reise. Obwohl wir keuchten und schnauften bis wir mit den schweren Rucksaecken oben waren, und es die Tibeter jeden Alters ohne Probleme auf diese Hoehe schaffen, waren wir stolz auf die Leistung. Die Luft ist doch schon spuerbar duenner so nahe beim Himmel. Kaum war das Gipfelfoto geschossen begann es zu schneien. Unterwegs hat es drei Kloester von denen wir uns eines anschauten und die vielen goldigen Buddhastatuen bewunderten. Eine sehr hingebungsvolle Art um den Glauben zu beweisen sind die Niederwerfungen. Wir wussten, dass es Glaeubige gibt, die die ganze Kora um den Kailash mit ihrer eigenen Koerperlaenge ausmessen. Das ergibt etwa 26'000 Niederwerfungen pro Umrundung. Wir trafen am letzten Tag auf fuenf junge Tibeter die auf diese Art unterwegs waren. Sie trugen Knieschoner aus alten Autoschlaeuchen die mit Stroh gefuellt waren und Holzplatten zum Schutz an den Haenden. Trotz Anstrengung sangen sie Gebete oder kicherten. Voller Bewunderung beobachteten wir ihre Bewegungen und Hingabe. Wie lange sie wohl unterwegs sein werden? Wieder zurueck in Darchen blieb uns nur die Erinnerung an die freundlichen Pilger, die spuerbare Spiritualitaet und die sehr abwechslungsreiche Natur mit dem Kailash als Mittelpunkt. Enttaeuschend auf der ganzen Route war aber der Abfall. Alles wird fallengelassen und der Natur uebergeben. In den Zelten, wo man uebernachten koennte, werden nur noch Instant-Nudelsuppen verkauft, es wird nicht gekocht und die Plastikverpackungen werden neben die Zelte geworfen. Der Fast-Food hats also auch bis hierhin geschafft!

Waehrend der Wanderung hatten wir ziemlich Glueck mit dem Wetter, doch sobald wir wieder auf dem Sattel sassen regnete es wieder. Die ersten zwei Stunden kann man das recht easy nehmen, da schafft man auch acht Flussdurchquerungen innerhalb 2,5 Kilometer ohne Probleme; doch nach fuenf Stunden Regen, acht km/h Durchschnitt, nassen Fuessen, trotz Schoggiriegel und Doerrfruechten immer noch hungrigem Magen und arroganten Jeepfahrern die Vollgas an uns vorbeirasen und sicher jede Pfuetze spritzen lassen, sind die Nerven langsam angespannt und die Lust am Weiterradeln recht klein. Unsere Gefuehlswelt macht manchmal eine Achterbahnfahrt durch: Wegen der schlechten Strasse, dem schoenen und miesen Wetter, freundlichen und sehr unfreundlichen Einheimischen, gutem und langweiligem Essen usw. Doch immer geht irgendwo ein Licht auf. Als Maja mitten im Nowhere Fieber mit Verdacht auf Angina bekam war die einzige Loesung die, einen Jeep zu stoppen der uns bis ins naechste Dorf mitnimmt. Wieder recht schwierig, denn welcher misstrauische Chinese - und das sind viele - will zwei Vagabunden mit schmutzigen Velos mitnehmen? Waehrend wir stundenlang auf Jeeps warteten und einige Absagen erhielten, dachten wir an die sechs jungen Studenten aus Polen die wir ein paar Tage zuvor trafen. Da man als Auslaender offiziell nur mit viel Geld nach Tibet einreisen kann, das heisst einen Jeep mit Fahrer und Guide plus die Bewilligungen bezahlen muss, hat man als Budget-Reisender nur die Chance per Autostopp Tibet zu bereisen. Die Busse nehmen nur Chinesen mit, also ist man auf gutmuetige Menschen angewiesen. Von Westen her kommend hatten sie bis zum Kailash wenig Probleme. Sie zeigten ein paar Saetze auf tibetisch und chinesisch auf denen es hiess dass sie Studenten sind und nichts bezahlen koennen. Doch ab Darchen laeuft ohne Geld gar nichts mehr. Wir sahen sie nie mehr, hoerten aber dass sie tagelang festsassen weil sie sich die geforderten Betraege nicht leisten konnten. Wir hatten Glueck als uns junge und sehr nette Chinesen gratis mitnahmen und Maja sogar beim Medikamentebesorgen behilflich waren.

Wir hielten uns also illegal, ohne Bewilligung, in Tibet auf und liessen es darauf ankommen erwischt zu werden. In diesem Falle haetten wir den gleichen Betrag als Busse bezahlt wie wenn wir uns freiwillig als illegal gemeldet haetten (100 Fr. Busse, 20 Fr. Bewilligung). Das Geld fliesst in den chinesischen Besetzungsapparat welchen wir moeglichst nicht unterstuetzen wollen. Nachdem wir uns in Darchen von den zustaendigen Behoerden nicht ertappen liessen war der letzte Knackpunkt eine militaerische Strassensperre in Saga. Andere Reisende wurden zurueckgeschickt oder mussten Busse bezahlen. Mit klopfendem Herzen naeherten wir uns um 7.30 Uhr morgens der Barriere. Mit einem kurzen Blick auf das Wachhaeuschen erkannten wir den schlafenden Soldaten und schoben schnell und lautlos unsere Velos an ihm vorbei. Erst hinter der naechsten Kurve getrauten wir uns laut zu jubeln.

In Indien hatten wir einen tibetischen Kochkurs besucht und freuten uns daher sehr auf das feine Essen. Doch wir wurden sehr enttaeuscht. In jedem Dorf versuchten wir ans lokale Essen zu kommen doch das einzige was uns angeboten wurde war diese graessliche Instant-Nudelsuppe oder Tsampa. Letzteres ist zwar tibetisch, doch fuer uns kein Leckerbissen. Dazu wird nur Gerstenmehl mit Buttertee angeruehrt, fertig. Man hat das Gefuehl man esse rohen Brotteig ohne Hefe. Also waren wir vorwiegend auf unsere Vorratstaschen angewiesen die sich in den kleinen Doerfern auch nur schwierig mit feinen Esswaren auffuellen liessen. So beschraenkte sich unser Essen auf Polenta mit Wurst, ab und zu Spiegeleier, wenn sie das Geschuettel der holprigen Strasse ueberstanden, Doerrfruechte, Nuesse, Schoggiriegel und getrocknetem Yakfleisch (Yak = eine langhaarige Rinderart die nur ab 3000 Meter ueber Meer leben kann). Teigwaren und Reis koennen wir auf dieser Hoehe nicht mehr gar kochen. Die Einheimischen benutzen dazu den Dampfkochtopf. Obwohl wir lieber die Tibeter unterstuetzt haetten, mussten wir in den Doerfern oft die chinesischen Restaurants aufsuchen wenn wir unsere Maegen mit wirklich gutem und frischem Essen fuellen wollten. Diese Doerfer im Westen Tibets sind nur eine Ansammlung einiger Lehmhuetten der Tibeter und Backsteinhaeuser der Chinesen. Die tibetischen Haeuser haben alle Gebetsfahnen auf dem Dach und die Stuben sind mit farbigen Waenden, wunderschoen bemalten Moebeln und einem kleinen Altar ausgestattet. Die chinesischen Haeuser daneben sind trostlos grau, nur ein paar kitschige Bilder zieren die Waende der spartanisch eingerichteten Restaurants. Toiletten sucht man vergebens. Hier gilt das Motto: help yourself! Also geht man hinter das naechste Haus und sucht sich muehevoll einen Platz zwischen den bereits bestehenden Stink-Haeufchen. Welch ein Leben. Immer und ueberall sieht man jemanden kauern - und wir daneben. Die tibetischen Frauen mit ihren Roecken haben es da gut, sie koennen hinkauern wo sie wollen, man sieht nicht ob sie gerade ihr Geschaeft verrichten oder einfach nur warten. In einem kleinen Hotel nahmen wir uns einmal ein Zimmer. Es hatte fuenf Betten und ein Plastikbecken. Die Besitzerin brachte uns einen Thermoskrug mit heissem Wasser und deutete auf den Ziehbrunnen im Hof von wo wir Kaltes bekommen koennen. Das gebrauchte Wasser wird einfach vor die Tuere geleert. So funktioniert das hier. Zu unserem Erstaunen hatte es eine Toilette. Auf einem Sockel hatte es zwei Raeume, die Mauer jedoch nur einen Meter hoch, fuer Frauen und Maenner je zwei Schlitze im Boden. Zum Glueck regente es, so konnte das Wasser etwas den Geschmack unterdruecken. In Staedten sind es meist Raeume mit mehreren Schlitzen, keine Trennwaende, keine Tueren, im Kanal kann man alles sehen was da liegen kann, es gibt auch kein Wasser. Nicht mal zum Haende waschen. Da einige Chinesen auch kein WC-Papier benuetzen haben wir also keine Ahnung wie die Hygiene ohne Wasser gepflegt wird! In jedem Fall versuchen wir wenn moeglich die Toiletten in grossem Bogen zu umgehen. Die chinesischen Toiletten sind die Widerlichsten die wir je gesehen (und gerochen) haben!

Statt einen tibetischen Reisefuehrer haben wir uns das Buch von Heinrich Harrer, Sieben Jahre in Tibet, besorgt. Einen Teil unserer Strecke deckt sich mit einem Abschnitt seiner Wanderung, respektive Flucht, durch Westtibet. Seine Erzaehlungen und Beschreibungen faszinierten uns sehr und brachten uns die tibetische Kultur etwas naeher. Obwohl wir ein wenig wissen was sich geschichtlich in den letzten 60 Jahren veraendert hatte, waren wir immer wieder enttaeuscht, ja sogar schockiert, wenn wir die krassen Veraenderungen wahrnahmen. Der chinesische Einfluss ist enorm und in unseren Augen eher negativ. Da wir kein tibetisch sprechen, konnten wir niemanden persoenlich fragen wie er die Veraenderungen empfindet. Sicher hat es auch positive Seiten wie zum Beispiel die durchgehenden Stromleitungen die Elektrizitaet bringen. Doch wenn wir sehen wie die Chinesen hier Strassen bauen, breite Striche durch die fantastische Landschaft reissen und das teilweise durch Nomadendoerfer, dann bekommen wir das Gefuehl, dass Tibet nicht mehr lange seine Identitaet bewahren kann. Gewiss bauen die Nomaden ihre Zelte nicht mehr lange dort auf wenn bald eine breite Autostrasse ihre Ruhe stoert. Tibet ist im Baufieber, zweifellos, auch in den Doerfern. Haeuser werden in Reihen aufgebaut, eines gleicht dem andern. Sicher werden hier Chinesen hingeschickt, so schnell koennen sich die Tibeter gar nicht vermehren. Kaum kommen wir in einem Dorf an rennen Kinder heran und betteln, wollen money, money, greifen in die Jackentaschen, ziehen an den Hosen. Aehnlich die alten Tibeter, sie betteln ziemlich aufdringlich. Das haben wir noch nie erlebt und fanden es ziemlich abstossend. Betteln ist auch eine alte Tradition in Tibet, doch so hat es Heinrich Harrer nicht beschrieben. Oft fragen wir uns wo denn der Glaube geblieben ist, den die Buddhisten mit ihren Gebetsfahnen auf jedem Pass darstellen. Aeltere Tibeter sieht man noch mit der Gebetsmuehle, Junge nicht mehr. Vaeter geben ihren 6-jaehrigen Soehnen Zigaretten zum Rauchen, der Abfall wird nur neben das Haus geworfen, fuer jede kleine gute Tat wird Geld verlangt. Innerhalb vier Tage wurden uns drei, fuer uns wichtige Sachen, von den Velos geklaut, vor dem Restaurant als wir gerade eine Minute die Raeder nicht sahen. In der Zwischenzeit sind bereits sechs Sachen weggekommen. Mao hatte ja immer gesagt: Religion ist Gift - aber Geld und Habgier auch und das bestimmt hier sehr das Leben! Das Einzige was wir aus den Beschreibungen Harrers noch hunderprozentig nachvollziehen koennen ist der unbeschreibliche Blick auf die Berge des Himalayas. Am Horizont tauchen sie bei gutem Wetter auf, die hohen, weissen Gipfel. Das geniessen wir dann, das Zelt in der Einsamkeit und Ruhe aufstellen und die Natur und Aussicht abseits der Strasse zu bewundern.

Unterwegs nach Lhasa war die Strasse wiedermal schlimmste Baustelle. Als Umfahrung diente das Flussbett. Alles war unter Wasser, nur tiefer Schlamm, es regnete und schneite. Die Baeche stroemten von ueberall rotbraun die Berge hinunter. Fuer uns war die Strasse nicht mehr radelbar. Ein einwandfrei funktionierender Pickup lud uns auf, doch schon nach wenigen Kilometern schlug er vorne bei einer Flussdurchquerung die Verschalung samt Nummernschild ab. Wegen den tiefen Fahrrinnen riss es ein Loch in den Tank und bald darauf blieben wir im Sumpf stecken. Nach langem Warten zog uns endlich ein Truck raus und im naechsten Dorf liessen unsere netten Mitnehmer das Auto zum ersten Mal reparieren. Nach einem Plattfuss versperrte uns ein weiterer, tiefer, breiter Fluss den Weg. Es war bereits Mitternacht und Maja sah das Unheil kommen: Wir blieben im Fluss stecken, Wasser stroemte bis zum Sitz hinein, die starke Stroemung riss am Fahrzeug, es gurgelte um uns herum. Nach 15 Minuten kam endlich ein Lastwagen der uns rausziehen koennte. Doch zuerst musste bei einer Zigarette weitere 15 Minuten ueber den Preis fuer diese Rettungsaktion diskutiert werden. Nach dem dritten Versuch standen auch wir wieder auf festem Boden. Doch einige Minuten spaeter ging nichts mehr, das Auto blieb stehen. Zwei der drei Chinesen sprangen auf den naechsten Truck um im naheliegenden Dorf Hilfe zu holen. Wir verbrachten eine kalte Nacht auf dem nassen Ruecksitz, ohne Schlafsack, denn der war auch nass. Am naechsten Morgen wurden wir abgeschleppt und waehrend Stunden bastelten sie in einer primitiven Garage am Auto. Unsere drei Glueckspilze schlossen auch noch die Schluessel im Auto ein was die Aktion noch um eine Stunde verlaengerte. Obwohl der Wagen noch klabberte und in den letzten Stunden um Jahre gealtert hatte, fuhr er wieder!

PS 1: Wir sitzen gerade beim Essen, haben Huhn bestellt. Es sieht nicht so aus, es schmeckt auch nicht so und steht immer noch unberuehrt neben uns!

PS 2: Wir sind in Lhasa, haben bereits das faszinierendste Gebaeude unserer Reise, den Potala Palast, besichtigt, Maesi hat sich den groessten Durchfall seines Lebens eingefangen, wir besuchten ein Festival in einem Kloster, versuchen unsere verlorenen Kilos wieder anzuessen und bestaunen in den riesigen Supermaerkten mit Nasenruempfen das exklusive chinesische Essen: Schweinsgesicht, marinierte Huehner- und Schweinsfuesse, Meerschweinkoepfe und weitere undefinierbare Leckereien (siehe PS 1)!!!

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

Bilder zum 24.Bericht
 

25. Reisebericht 29.August 2006

Lhasa und das Drumherum

Einige Kilometer vor Lhasa wechselte die Vegetation. Nachdem wir wochenlang im Westtibet keinen einzigen Baum gesehen haben, ueberraschte uns ihr Erscheinen sehr positiv. Wie oft haben wir uns einen Baum als Schattenspender gewuenscht wenn die Sonne runterbrannte oder als Unterstand wenn es regnete? Gleichzeitig wurde die Landschaft gruener, Wasserkanaele bewaesserten die Aecker, die Getreidefelder leuchteten goldig, ja sogar Kuehe sahen wir wieder einmal. Wir verloren also an Hoehenmeter und kamen nach Wochen wieder unter 4000 Meter ueber Meer. Nun wurden die Abstaende von Dorf zu Dorf immer kuerzer und viel regelmaessiger winkten uns freundliche Tibeter zu. Nach vielen Tagen Regen und Niemandsland freute uns dieser Wechsel.

Kurz vor Lhasa fielen uns die vielen Reihenhaeuser entlang der Strasse auf. Alle sind im tibetischen Baustil mit den holzigen Fenster und den farbigen Bemalungen. Auf jedem Dach wehen die Gebetsfahnen - und die Chinafahne, auffaellig viele. Wohl um den ankommenden Touristen vom Flughafen zu zeigen, dass sie nun in China's Tibet sind. Sobald wir aber bei der grossen Kreuzung rechts abbogen war kein Tibet mehr in Sicht. Reihenhaeuser im Blockstil, garagengrosse Laeden, einige noch durch Rolladen geschlossen. Sechsspurige Strasse, beidseitig ein Fahrradstreifen, grosse, farbige Reklameschilder mit grosser chinesischer Schrift und kleinem tibetischem Untertitel. Zehn Kilometer lang begleitet uns diese Strasse schnurgerade ins Zentrum von Lhasa. Nun werden die Haeuser noch hoeher, Leuchtreklamen blinken, dichter Verkehr rollt an uns vorbei, unberechenbare Velorikschafahrer kommen uns entgegen. Wir sahen kein einziges tibetisches Gesicht, nur Chinesen mit grossen Einkaufstaschen aus den riesigen Supermarkts kommen oder gestresst hinter dem Steuer ihres neuen Autos sitzen. Verzweifelt suchten wir den Potala Palast der doch majestaetisch ueber der Stadt thronen soll, doch das "China Mobile" Hochhaus, Fernsehtuerme und weitere Bauten liessen keinen Blick frei. In uns stieg die Panik! Gibt es kein tibetisches Lhasa mehr? Ohne Reisefuehrer und Stadtplan hatten wir keine Ahnung wo wir hin mussten. Natuerlich wussten wir dass die Hauptstadt Tibets nicht mehr aussehen wuerde wie zu Heinrich Harrers Zeiten, doch gerade so viel Moderne hat uns schockiert.

Es begann schon zu dunkeln als wir ihn dann endlich, endlich sahen: den Potala Palast, die Winteresidenz der Dalai Lamas. Wunderschoen und sehr eindruecklich thront er in weiss und weinrot auf dem Huegel. Goldene Daecher mit vielen Tuermen ragen in den Himmel. Fuer einen kurzen Moment schwinden unsere Gedanken zu Seiner Heiligkeit dem 14. Dalai Lama der von hier fluechten musste und diesen Anblick wohl nie mehr erleben darf. Vielleicht ist es auch besser so, denn vor dem Palast gibt es schon lange keinen See mehr, nein, hier geht die breite Hauptstrasse vorbei und dahinter folgt ein grosser Platz mit einem Denkmal zur Befreiung Tibets. Davor die Chinafahne, im Gruen daneben leuchten schon die farbigen Lampen kitschig in die Nacht. Aus Lautsprechern droehnt klassische Musik und aus Hunderten von Duesen spritzt Wasser im Takt in die Luft. Innerhalb eines Quadratkilometers treffen mehrere Jahrhunderte aufeinander die den Widerspruch in sich tragen. Der architektonische Wunderbau der Tibeter und der beinahe schon Disneyland-taugliche Pomp der Chinesen.

Am folgenden Tag schlendern wir zuerst stundenlang durch die Einkaufsstrassen bevor wir einen Stadtplan finden auf dem wir endlich den tibetischen Viertel entdecken. Tatsaechlich, es gibt ihn noch. Das Zentrum ist der Barkhor in dessen Mitte das Jokhang Kloster steht. Der Platz wie auch die Strasse darumherum sind voller Marktstaende und bilden gleichzeitig auch die Kora um das Kloster. Unaufhoerlich pilgern Glaeubige im Uhrzeigersinn um das Gebaeude, murmeln Gebete, lassen die Gebetsmuehlen drehen und opfern Gruenzeug in den Brennoefen. Viele werfen sich mehrmals vor dem Tempel nieder. Hier finden wir wieder den tibetischen Spirit den wir schon lange suchten. Obwohl dieser Ort sehr touristisch ist hat er doch seinen Charm. Sogar das muehsame "looki, looki, very cheap" der Marktleute nehmen wir gelassen und lassen uns in der Menge treiben.

Die Tibeter sind sehr lustige und froehliche Menschen. Ob alt oder jung, Mann oder Frau, sie laecheln uns immer herzlich an und erwidern unser "Tashi Delek". Natuerlich unterstuetzt ihre Neugier den unkomplizierten Kontakt. Sie staunen ueber unsere helle Haut und Maja's blonde Haare. An Maesi interessiert sie am Meisten die Haare an den Armen. Einmal besuchten wir einen kleinen Tempel mit einer riesigen Gebetsmuehle. Ueber zehn aeltere Frauen und Maenner gingen darum herum, beteten, mit der rechten Hand gaben sie der Muehle den Schwung, in der Linken hielten sie den Gebetskranz (Rosenkranz). Auch wir gesellten uns in die Runde nachdem sie uns freundlich dazu einluden. Als Marcel spaeter Fotos machte hielt eine Frau waehrend des Betens an, griff nach seinen Haaren an den Armen und begann zu schwaermen. Sie stoppte somit den Fluss der Gruppe, dass alle wie Dominosteine ineinander putschten. Statt zu beten war nun der Haarwuchs das Thema und alle kicherten und beruehrten Marcel am Arm. Ein anderes Mal zeigte ein Tibeter seine nackten Unterarme. Als Marcel ihm dann noch seine Brusthaarpracht offenbarte schreckte er zuerst zurueck, lachte dann aber laut schallend. Er oeffnete sein Hemd und meinte: "nothing"!!!

In Lhasa und Umgebung hat es viele Kloester. Waehrend unserem Aufenthalt besuchten wir ein paar Ausgewaehlte. Eines davon war das Ganden Kloster. Wir bekamen von anderen Radfahrern gerade noch rechtzeitig die Information, dass dort ein Festival stattfindet, so lohnte sich dieser Ausflug um so mehr. Einmal im Jahr wird waehrend einer Zeremonie ein riesiges Thanka (Wandbild) auf eine Gebaeudemauer aufgezogen. Die Moenche in ihren weinroten Gewaendern trugen die gelbe Kopfbedeckung die ihrer Sekte entspricht. Einige bliesen in lange Trompeten, andere trommelten oder schlugen die Tschinellen. Viele Tibeter draengten sich vor das Kloster und nach dem Oeffnen des Thankas warfen sie weisse Seidenschleifen und Geld als Opfergaben zum Bild. Anschliessend konnten wir jeden Raum betreten, sehen wie und wo die Moenche beten und leben. Sozusagen Tag der offenen Tuer. Wir sahen unzaehlige kleine Tempel mit Hunderten von goldigen Stauen und Buddhas in jeder Groesse. Ueberall werden kleine Noten, Tsampamehl, Getreidekoerner und Butter fuer die Butterlampen gespendet. Waehrenddem wir alles bestaunten, beteten die Glaeubigen, warfen sich nieder, beruehrten Statuen mit der Stirn und rieben die Gebetsketten an bedeutenden Stellen.

Hier trafen wir zum ersten Mal drei Schweizer Weltenbummlerpaare die mit ihren Wohnmobilen unterwegs sind. Um in Tibet mit dem eigenen Auto reisen zu koennen brauchts viele Bewilligungen und einen Reisebegleiter. Da alle Paare vor einigen Jahren schon mal in Tibet waren, ermoeglichten sie sich den Traum nun nochmals. Spannend war der Austausch unserer Reiseerlebnisse, doch mehr interessierte uns der Unterschied von Tibet frueher und jetzt. Vergleichen wir die Schilderungen von ihnen mit dem heutigen Aussehen, hat sich wohl ziemlich alles veraendert. Tibet verliert allmaehlich seine Identitaet und wird genauso China wie der Rest des Landes. Die Entwicklung hat die Tibeter ueberrollt, und zwar in kuerzester Zeit. Viele sind ungluecklich. Bis vor etwa sieben Jahren war die groesste Strasse noch eine Dreckspur, Esel und Kuehe zogen Karren; heute rasen die teuersten Autos vorbei, Tiere sieht man keine mehr. Sicher hatte es auch noch mehr Velofahrer, heute dafuer Mofas oder Elektroroller.

Vor und waehrend der kulturellen Revolution zerstoerten die Chinesen ziemlich alle Kloester, pluenderten und brannten sie nieder. Auch das Ganden Kloster wurde nicht verschont, ist heute zwar wieder vollstaendig aufgebaut, doch einige Ruinen sind immer noch sichtbar. Vor 20 Jahren war das Kloster im Wiederaufbau von den Chinesen und erst teilweise erneuert. Eigentlich paradox: zuerst zerstoeren sie die Gebaeude und Religion der Tibeter, zwingen die Moenche zu Strassenarbeit, helfen spaeter wieder beim Aufbau und heute kostet jeder Eintritt in ein sozusagen neues Kloster nach alten Plaenen viel Geld, das dem Staat zu Gute kommt. Nur die Spenden im Kloster selber gehen an die Moenche. Die Religion ist wieder erlaubt und zieht mit ihren Besonderheiten viele Touristen an. Wir staunen dass die Tibeter immer noch ihr Lachen bewahren koennen.

Seit dem 1. Juli ist die neue Eisenbahn Peking - Lhasa eroeffnet, man hoerte es in den Medien. Vier Zuege pro Tag bringen tausende, vorwiegend chinesische, Touristen nach Tibet. Die Hotelpreise schnellten in die Hoehe sowie die Eintrittspreise fuer die Sehenswuerdigkeiten. Fuer die Chinesen ein Super Coup, fuer die Tibeter wohl das endgueltige Aus fuer eine Unabhaengigkeit. In Tibet werden Haeuser gebaut ohne Ende und dank der guten Verbindung werden sicher einige Chinesen ihren Wohnsitz ins noch nicht luftverschmutzte Tibet verlegen (muessen). Die recht wohlhabenden Ostchinesen kommen mit den groessten und neusten Digitalkameras daher, stehen vor alles Interessante und Uninteressante und lassen sich tausend Mal fotografieren. In Gruppen werden sie durch den Potala Palast geschleust - wieviel Wahres erzaehlt wohl ihr Guide ueber die Geschehnisse der letzten Jahrzehnte?

Auch die Bettler profitieren von der hohen Touristenzahl, sitzen an jeder Ecke, ja kommen sogar ins Restaurant hinein und verlangen Geld waehrenddem wir noch am Essen sind. Penetrant aufdringlich sind aber gewisse Moenche, wenn es ueberhaupt Echte sind. Aber irgendwie muessen sie sich ja die Kosten fuers Handy verdienen... auch sie gehen mit der Zeit.

In einem Buchladen wollten wir einen Reisefuehrer kaufen. Von der Verkaeuferin erfuhren wir, dass in Tibet der Verkauf von auslaendischen Guidebooks wie Lonely Planet oder Footprint verboten ist. Waehrenddem wir dann in einem chinesischen Buch in deutscher Sprache lasen, stockte uns der Atem, steht da doch drin: "Nachdem Tibet von den Chinesen friedlich befreit wurde..." Friedlich? Befreit? Von was denn? Weiter stand da auch noch dass der groesste Anteil der Bevoelkerung Tibeter sind - stimmt nicht mehr! Sie sind sogar im eigenen Land in der Minderheit!

Nach den anstrengenden Tagen in Westtibet genossen wir in Lhasa zwei interessante Wochen. Wir assen feine einheimische Kost, mischten uns unter die Touristen, bestaunten immer wieder den Potala Palast, besuchten verschiedene Kloester und regelmaessig unsere Schweizer Freunde. In einer gemuetlichen Schwatzrunde und ein paar Schluecken Lhasabier genossen wir die nette Gesellschaft und das suesse Nichtstun. Da sie als Naechstes nach Westtibet fahren werden, nahmen sie mit einem Bekannten in Darchen, beim heiligen Berg Kailash, Kontakt auf. Er erzaehlte von der misslichen Wetterlage der letzten Wochen. Seit Jahren habe es nicht mehr so viel geregnet, 21 Tage non-stop. Den Kailash hat es eingeschneit, die Kora war nicht mehr begehbar. Wir sehen uns an, rechnen zurueck und wissen nun: M&M's waren wiedermal mittendrin statt nur dabei!!!

PS 1: Die chinesischen Verkaeuferinnen im Supermarkt sind sehr hilfsbereit. Sie scheuen keinen Aufwand um den Umsatz zu steigern. Als Maja fuer Marcel Rasierschaum kaufen will, moechte die Verkaeuferin Maja das Produkt zeigen. Als sie auf das chinesiche Geplapper nicht reagiert drueckt sie auf den Knopf und spritzt Maja voll! Sofort entschuldigte sie sich mit rotem Kopf: "solly, solly!"

PS 2 : Nach dieser Pause in Lhasa brauchte es einen heftigen Ruck dass wir uns wieder auf den Sattel schwangen. Vorallem weil wieder eine anstrengende Etappe vor uns liegt. Nun sind wir aber bereits in Shigaze und steuern Richtung Everest Base Camp. Dazwischen hats ein paar 5000er Paesse... keuch...

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

Bilder zum 25.Reisebericht
 

26. Reisebericht 21. September 2006

Die letzten Kilometer in Tibet

Bereits fuenf Kilometer ausserhalb der Grossstadt Lhasa waschen die Frauen ihre Kleider und Kuechenutensilien wieder im Fluss. Zu unserer Ueberraschung trafen wir in der Stadt in Restaurants und Hotels meist ansprechend saubere Toiletten. Hier muss man wieder hinter das naechste Haus um sein Geschaeft zu erledigen. 30 Kilometer weiter duerfen wir sogar einmal ein Kloster besuchen ohne Eintrittspreis - gibt es das noch! Junge, aufgestellte Moenche luden uns sofort zum Tee ein und wir durften uns frei in den heiligen Raeumen bewegen. Sie freuten sich wenn wir sie fotografierten, baten uns in ihre Mitte zu sitzen, praktizierten weiterhin ihre Gebetsrituale, ja sogar zum Mittagessen mussten wir bleiben. Zum Abschied segneten sie uns durch eine Muschelmassage und meinten: "you friends!" Nach mehrmaligem Umarmen und alles Gute wuenschen fuhren wir mit einer Dankbarkeit fuer eine wunderschoene, bleibende Begegnung weiter.

Statt uns direkt auf die Suedroute Richtung Nepal aufzumachen, fuhren wir fuer einen Abstecher ins Brahmaputratal. Mehrere Tage radelten wir diesem maechtigen Fluss entlang. Er ist einer der vier Fluesse die beim heiligen Berg Kailash entspringen. In diesem Tal besuchten wir weitere Kloester, eines davon ist das Kloster Samye. Auch dieses wurde waehrend der kulturellen Revolution fast vollstaendig zerstoert, noch heute sind sie am Wiederaufbau. Wir erfuhren dass auch hier, wie in anderen Kloestern, bis in die 80er Jahre Schweine und andere Bauernhoftiere in den heiligen Raeumen gehalten wurden bis der Wiederaufbau anfing und die Religion wieder erlaubt wurde. Neben vielen Kapellen voller Statuen und den kunstvollen Wandmalereien beobachteten wir die Moenche beim Debattieren. Fordernd stellt einer schnell eine Frage, klatscht in die Haende und schon muss die Antwort vom Moench gegenueber kommen. Mehrere Gruppen fuellen den Garten, der Laermpegel ist hoch, die Dynamik spuerbar. Es war sehr interessant die Moenche auch mal energiegeladen und voller Euphorie zu sehen wie sie einader verbal herausfordern und ihr Wissen gegeneinander ausspielen.

Die ersten paar Tage rollen wir auf schoenem Ashalt und der macht es uns einfach den ersten Pass und die vielen Hoehenmeter bis zum Yamdruk See zu bewaeltigen. Die Passhoehe ist ein Ausflugsort fuer viele Touristen weil die Aussicht auf den See gewaltig ist. Waehrend wir uns die endlosen Kurven hochkaempfen ueberholen uns saemtliche Fahrzeuge aus deren Fenster sich Chinesen kruemmen die uns fotografieren oder filmen. Viele lehnen hinaus und jubeln uns zu, strecken den Daumen hoch oder klatschen. Oben angekommen stellen sie sich stolz vor unsere Fahrraeder und lassen sich selber fotografieren, als Erklimmer der Berge. Oftmals muessen wir aber auch mit aufs Bild. Als Scherz verlangen wir von ihnen "wu quai" (fuenf Yuan, knapp 1 Franken). Dann kichern sie ganz verlegen und freuen sich dass wir nur einen Scherz gemacht haben. Tatsaechlich verlangen viele Tibeter Geld von uns wenn wir sie fotografieren und wir werden in China radelnd sehr oft abgelichtet. Grundsaetzlich sind die Chinesen ein lustiges Volk, unternehmungs- und kontaktfreudig wenn sie am Reisen sind. Angestellte in einem Laden oder Restaurant koennen aber manchmal recht rauh und abweisend sein. Sicher auch weil wir uns gegenseitig nur schlecht verstaendigen koennen. Wir versuchen zwar mit jensten Mitteln ihnen unser Beduerfnis zu erklaeren, ihre Fantasie stimmt aber oft nicht mit unserer ueberein. Schwierig wars zum Beispiel immer in Restaurants wo es keine englischen Menus gibt. Zu Beginn versuchten wir Huhn durch Gesten und kikiriki zu bestellen doch es kam Ente. Trotz Mandarin-Sprachfuehrer schwamm in der feinen Sauce Rind statt Tofu und als wir unsere Oelflasche fuers Kochen auffuellen liessen schaeumte es nach einem Tag radeln so fest dass wir enttaeuscht feststellten dass es Abwaschmittel ist - also keine Bratkartoffeln zum Abendessen! Danach spazierten wir immer direkt in die Kueche und tippten auf die Zutaten die wir wollten. Noch besser ist es aber den Chinesen in den Teller zu schauen und das Gleiche zu bestellen. Das finden wir und meist auch die Chinesen sehr lustig. Noch lustiger finden sie es wie wir mit den Staebchen essen - in der Zwischenzeit sind wir aber Profis!

Die Strecke Lhasa - Kathmandu (Nepal) ist sehr beliebt bei Fahrradfahrer. Das chinesische Gouvernment schraenkt aber den Individualtourismus mit ihren Bewilligungen so ein, dass viele Radler eine organisierte Tour buchen anstatt sich selber durchzuschlagen. Viele wissen auch gar nicht, dass man unabhaengig dieselbe Route radeln kann, wie wir es taten, was aber offiziell nicht ganz legal ist. So trafen wir unterwegs verschiedene Gruppen an. Die Sportler haben ihre eigenen gefederten Mountainbikes dabei, das Gepaeck wird in einem Lastwagen transportiert. Fast jede Gruppe hatte einen Fahrradguide, sicher aber einen Jeep dabei der sie begleitet und die mueden Radler mitnimmt. Kommen sie am Tagesziel an stehen bereits die Zelte, der Koch bereitet das Essen zu, am Morgen koennen sie unbeschwert weiterradeln. Eine teure aber tolle Sache, schade finden wir alleine dass sie recht schnell diese wunderschoene Strecke hinter sich bringen und viele Sehenswuerdigkeiten nicht besuchen koennen. Den regen Tourismusfluss, auch von den Jeeps zum noerdlichen Everest Base-Camp, spueren wir vorwiegend wegen den vielen nach Geld oder Kugelschreiber (Pen, Pen) bettelnden Kinder. In einem Tal waren die Kinder sehr aufdringlich, versuchten waehrend unserer Fahrt an den Taschen zu ziehen, wurden zornig und warfen uns Gegenstaende nach, als sie merkten dass wir nichts geben! Oft bildeten die Kinder eine Menschenkette und versperrten uns den Weg. Dann fahren wir direkt auf sie zu damit sie zur Seite springen, sonst wirds fuer uns und sie gefaehrlich.

Sakya gilt als Ursprungsort einer der vier Hauptsekten des tibetischen Buddhismus. Auf Empfehlung radelten wir dort hin. Der Besuch im Kloster war besonders. An jenem Tag feierten die Glaeubigen ein Festival im Vorhof. Die Moenche hatten die letzten 1,5 Monate Ausgangssperre und feierten den Abschluss mit einem Tanz zu Trommel und Horntoenen, trugen spezielle Gewaender und bewegten sich sehr bedacht zu den Naturklaengen. Die Tibeter sassen alle in Gruppen ringsum auf dem Boden, hatten einen Thermoskrug Buttertee vor sich, blauderten oder schauten andaechtig zu. Als ein Gewitter aufzog hockten sie einfach enger zueinander, erst als es wirklich stark hagelte verkrochen sie sich unter Vordaecher. Niemand hatte einen Schirm dabei, das kennen Tibeter nicht. Wir waren schon laengst in unsere Regenkleider gestiegen doch sie machten den Eindruck als seien sie wasserfest. Sie sind eben Urmenschen, man sieht es ihnen an. Vorallem aeltere Menschen erzaehlen mit ihren zerfurchten Gesichtern Geschichten. Wir hatten das Gefuehl dass Hinz und Kunz auch vom hintersten Winkel dieses Tals anwesend waren; vor dem Kloster warteten ihre Pferde mit ihren primitiven Anhaengern die sie wieder nach Hause brachten. In laendichen Regionen bewegen sich die Tibeter eigentlich nur so oder mit einem kleinen Traktor in dessen Anhaenger mehrere Familien rumchauffiert werden. Sehen wir dann die protzigen Jeeps an ihnen vorbeirasen dann fragen wir uns schon wer denn vom Tourismus in Tibet am meisten profitiert! Aber eben, Tibet ist so im Baufieber, dass sie bald nur noch asphaltierte Strassen haben und die laessigen Jeepfahrer ihre grossen und starken Autos nicht mehr wirklich gebrauchen koennen; nur noch fuers Prestige!

Die Tibeter haben trotz des chinesichen Einflusses ihre eigene Kleidungsart. Die Frauen tragen farbige, oft leuchtende Blusen unter einem dunklen Traegerrock den sie auf den Seiten einfalten und durch eine gestreifte Schuerze nach hinten binden. Teilweise tragen sie eine grosse silberne Schnalle auf dem Bauch. Ihre Haare sind lang und durch eingeflochtenes, farbiges Garn verlaengert. Die Zoepfe wickeln sie entweder wie ein Kranz um den Kopf oder verflechten die Enden Mitte Ruecken zusammen. Die Kleinkinder werden vorwiegend von den Frauen auf dem Ruecken getragen, durch ein Band um Oberkoerper und Knien an die Mutter gebunden. Lustig sind dann jeweils die nackten Backen der Kleinen die wegen des Schlitz in der Hose rausschauen. Praktisch ist ja so ein Schlitz schon. Da sie keine Windeln tragen koennen sie sich jederzeit der Sache durch den Schlitz entledigen. Oft sind sie so gut erzogen, dass sie ganz vorne am Gehsteig hinkauern und ... ja, fast wie Hunde... dafuer geht nichts in die Hose !!! Die Kinder auf dem Land sind allgemein immer recht schmutzig - Gesicht wie Kleidung - tragen unvollstaendige, zu kleine oder zu grosse Kleider, husten und ein dicker Rotz laeuft aus der Nase. Doch ihr Lachen ist herzlich und ihr hello, hello nimmt kein Ende. Die Maenner tragen grobe Falthosen oft mit kaputtem Hosenladen, eine Groesse zu gross, die richtigen Cowboys auf dem Land einen Yakfellmantel nur mit einem Arm im Aermel, um die Taille mit einem Band geschnuert und natuerlich einen Cowboyhut. Ihr Pferd ist mit farbigen Baendern, Gloeckchen und einem Teppich als Sattel bestueckt. Maenner wie Frauen tragen rote Filzstiefel - geben wohl richtig schoen warm - auch im Sommer. Auffaellig sind die Maenner mit langen Haaren in deren Ende rotes Garn eingeflochten ist. Das rote Ende wird auffaellig ueber den Kopf gelegt, in ihren Ohren stecken tuerkisgruene und koralrote Steine. Das sind die Khampas, frueher gefuerchtete Raeuber in gewissen Regionen. Heute leben sie auch in den Doerfern, tragen noch immer ein grosses Messer bei sich, sind aber meist recht friedlich. Ihre Frauen tragen sehr auffaellig ihren Schmuck, bestehend aus Tuerkissteinen und Goldeinsaetzen um den Kopf und den Hals, um den Reichtum zu zeigen. Lustigerweise knoten sie auch ihren Yaks und Kuehen rotes Garn an die Ohren. Uns duenkts, die Tibeter trinken Bier wie Wasser. In jedem Dorf werden die Lhasabierflaschen vor den Haeusern gestapelt. Trotzdem hat es immer wieder Scherben auf der Strasse. Besonders fuer uns Velofahrer eine leidige Sache. Tibeter und Innen singen gerne - auch ohne Bier - und immer sehr laut, nur mit der Kopfstimme.

Bereits in Indien haben wir uns kleine Bilder vom 14. Dalai Lama besorgt die wir verbotenerweise nach China mitnahmen um den Tibetern zu schenken. Wir wussten, dass wir sicher einigen eine Freude machen koennen. Natuerlich wollten wir sie nur an Menschen verteilen die wir mochten oder die nett zu uns waren als kleines Dankeschoen. Da es verboten ist Bilder des 14. Dalai Lama auszustellen - er ist ja in den Augen der Chinesen ein Krimineller - mussten wir vorsichtig mit dem Verteilen sein. Das erste Bild verschenkten wir dem Besitzer eines Guest Houses in Darchen bei dem wir unsere Velos und das ganze Gepaeck gratis einstellen durften waehrenddem wir die Kora wanderten. Seine Augen strahlten beim Anblick seiner Heilikeit, er hielt das Bild ueber die Stirn und steckte es schnell in seine Brieftasche. Ein anderes Bild gaben wir einem Bettler bei einem Kloster. Er liess sich fotografieren, versuchte mit uns zu kommunizieren, lachte sehr herzlich. Wir wollten seine Froemmigkeit testen. Zuerst streckte ihm Marcel eine Note hin, dann das Bild. Er wollte sofort das Geld nehmen, doch als er das Bild sah strahlte er so innig, nahm es an sich, hob es zur Stirn und steckte es voller Dankbarkeit in seinen Yakmantel. Fuer ihn wars keine Frage ob Geld oder Bild. Das freute uns.

Kaum hatten wir Lhasa verlassen regnete es wieder taeglich. Wir hatten in den 14 Monaten bevor wir nach Tibet kamen die Regenkleider zusammen nie so viel gebraucht wie die letzten zwei Monate hier - nun wissen wir auch weshalb wir sie mittragen. Der 4. September war ein Tag der Besonderheit. Wir wussten dass wir heute unseren 15'000sten Kilometer fahren werden, doch nicht, dass wir nach einem anstrengenden Passaufstieg von 42 Serpentinen, 18 Kilometern, 1000 Hoehenmetern und Dreckstrasse eine Aussicht auf die hoechsten Berge der Welt haben werden. Kaum hatten wir die Gebetsfahnen auf der Passhoehe passiert tauchten sie hinter der naechsten Kurve auf: Mount Everest, Makalu, Cho Oyu und Shishapangma, vier 8000er! Zuerst noch verhangen doch spaeter in vollster Pracht. Fuenf Kilometer unter der Passhoehe stellten wir unser Zelt auf und feierten diesen erfolgreichen Tag, seit langem regenfrei. Am Morgen begruessten uns die Riesen wolkenfrei waehrenddem die Sonne die ersten Spitzen streifte. 64 Spitzkehren spaeter waren wir wieder im Tal und die naechste Steigung wartete auf uns. Diesmal gings hoch nach Rhombuk von wo man ins noerdliche Everest Base-Camp wandern kann. Um uns einen gewissen Luxus zu leisten bezahlten wir einen Kutscher mit Pferd anstatt selber hochzuradeln. Das Pferd war jedoch so lahm dass uns unsere mueden Oberschenkel schneller hoch gebracht haetten. Dafuer war die Talfahrt rasant und die klabbrige Kutsche preschte ueber Stock und Stein. Haette die Abfahrt noch laenger gedauert waere eine Diskushernie vorprogrammiert gewesen. Den Everest sahen wir gluecklicherweise vor blauem Himmel. Seine Nordseite praesentierte sich maechtig!

Eines Tages sahen wir weit vor uns einen einzelnen Velofahrer mit vollbepacktem Fahrrad. Es ist Coco aus Japan der in vier Jahren um die Welt radeln will. Da er die naechsten Tage die gleiche Route wie wir radelt verbringen wir sie gemeinsam. Abends kochen wir zusammen und so duerfen wir von seinen japanisch improvisierten Kochkuensten probieren - eine tolle Abwechslung in unserem langweiligen Speiseplan. Bevor wir uns trennten und er zum Berg Kailash radelte verbrachten wir einen Tag bei heissen Quellen. In der Naehe eines teuren, chinesischen Hotels das ein Bad im Thermalwasser anbietet, fanden wir weitere kleine Quellen deren Wasser den Fels hinunter laeuft und nutzten sie fuer eine warme Dusche und um Kleider zu waschen. Coco der Pfadfinder war ganz clever und steckte den Schlauch des Wasserfilters in eine kleine Quelle so dass wir staendig fliessendes Wasser bequem in unseren Wasserbeutel fliessen lassen konnten. Nun ist unser Freund bereits eingie Kilometer und hohe Paesse entfernt von uns - alles Gute Coco, war schoen mit dir - see you in Switzerland!

Tibet verabschiedete uns wie es uns begruesst hatte, mit starkem Gegenwind. Die letzten zwei 5000er Paesse waren eine harte Angelegenheit doch wiederum entschaedigte uns die Aussicht auf die gewaltigen Eis- und Schneeberge dafuer. Zum einen waren wir sehr froh konnten wir das tibetische Hochplateau verlassen, haben uns die letzten 2,5 Monate doch sehr geschlaucht. Doch die Erinnerungen an die einsamen, friedlichen Zeltplaetze, die Naehe zu den Wolken und Berge, das brutale Spueren der Wetterwechsel waren einmalig und bleibend. Noch nie in unserem Leben haben wir so oft von feinem Essen getraeumt, uns die trockene Polenta die wir gerade assen mit einer dicken Schicht Raclettekaese ueberbacken vorgestellt in den Mund gestossen. Unser Eierverzehr hat nicht nur die mangelnden Proteine ersetzt, sondern sicher auch die Eiernachfrage im Lande erhoeht. Trotz weniger guter Schokolade haben wir viel abgenommen - das einzige Fett das wir noch hatten klebte in den Haaren! Unsere Hygienebilanz sieht dementsprechend aus: Innerhalb neun Wochen konnten wir acht Mal duschen (ausser in Lhasa), teils nur mit einem knapp 10 Liter Wassersack - fuer beide natuerlich. Ansonsten haben wir genug Wasser gesehen, haben einige Fluesse durchquert, 34 Mal mit Schuhe ausziehen und schieben. So oder so ging unsere Rechnung nicht ganz auf, dass wir mit dieser Etappe den Monsun umgehen koennten - wie oft haben wir ueber uns selber gelacht! Nach 12 Paessen ueber 5000 Meter ueber Meer und 11 Paessen ueber 4000 Meter ueber Meer stand nun die laengste Abfahrt der Welt vor uns: Von 5150 Meter ueber Meer gings innerhalb von ca. 150 Kilometern auf 700 Meter ueber Meer runter, wobei ca. 50 Kilometer am Stueck wirklich nur bergab gingen - einen Tag die Bremse druecken. Am Morgen fuhren wir mit Daunenjacke, doppelten Socken und Handschuhen los, am Abend schwitzten wir nur noch im T-Shirt bekleidet. Nepal empfing uns weiterhin mit ueblen Dreckstrassen aber nun mit tropischem Wetter. Der Monsun ist heute noch nicht vorbei, Wasserfaelle spritzen zwischen der dschungelartigen Vegetation hervor, Landrutsche blockieren die Strasse, den Regen giessts wie aus Kuebeln. Trotz den Umstaenden ein toller Wechsel nach den Wochen oberhalb der Baumgrenze.

Tibet hat uns recht aufgewuehlt, uns auch betreffend der politischen Situation sehr beschaeftigt. Ganz klar haetten wir uns dafuer gar nicht interessieren muessen, doch wir wollen immer mit dem Land leben in dem wir uns befinden. Durch das Lesen von Heinrich Harrers Buch "Sieben Jahre in Tibet" haben wir eine Grundlage dafuer erhalten. Fuer uns ist es unbegreiflich dass dieses froehliche und friedliche Volk mit einer solch wunderschoenen Kultur, von der heute nur noch ein Teil uebrig ist, so brutal zerstoert wurde und von der restlichen Welt keine Unterstuetzung bekam. Werden die Tibeter in ihrem eigenen Land wohl jemals ihren Frieden finden?

PS 1: OM MANI PADME HUM

PS 2: Und wenn wir nicht bereits in Kathmandu angekommen waeren wuerden wir noch heute bergab fahren...

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

Bilder zum 26.Reisebericht
 

27. Reisebericht 10. Oktober 2006

Grosses Pech

Von der Grenze bis Kathmandu radelten wir drei Tage. Zuerst durch eine wilde, tropische Landschaft auf einer Dreckstrasse die durch die Monsunniederschlaege und Landrutsche sehr sumpfig und "verfahren" war. Wir schwitzten wie schon lange nicht mehr - nach den Monaten auf der Hochebene Tibets war dieser Klimawechsel innerhalb 24 Stunden unglaublich krass. Weiter gings auf Teerstrassen die, je naeher wir der Stadt kamen, immer voller wurden bis wir schliesslich im kilometerlangen Stau standen. Umringt von einer dicken Abgaswolke und Tausenden von Motorraedern kaempften wir uns noch bei einer Demonstration vorbei und fanden schliesslich den touristischen Stadtteil Thamel. Die naechsten Tage verbrachten wir "velo-frei", erholten uns, assen viel, bummelten durch die Strassen, trafen uns mit anderen Fahrradreisenden, reparierten die Velos, lasen viel, schauten wiedermal durchs multikulturelle Fernsehprogramm usw. Und: freuten uns auf den Besuch von Maja's Bruder Jörg. Seit seinem letzten Besuch in Istanbul sind bereits 13 Monate vergangen. Mit ihm besuchten wir eindrueckliche Tempel der Hinduisten, Stupas und Kloester der Buddhisten.

Nepal hat so viel zu bieten, sei es sportlich, landschaftlich oder kulturell. Um dies zu verbinden planten wir zuerst eine kleine Velotour zum Chitwan National Park wo wir Nashoerner sehen wollen. Beim Fahrradmechaniker mieteten wir ein top Mountainbike plus Helm fuer Jörg und duesten los. Fuer ihn sicher ein spezielles Erlebnis mal auf asiatischen Strassen zu radeln die voll und unberechenbarer wohl nicht sein koennen. Er meisterte dies aber souveraen und liess sich sein Unverstaendnis fuer haarstraeubende Fahrsuenden der nepalesischen Strassenbenuetzer kaum anmerken. Nachdem wir den Highway verlassen hatten, kurvten wir auf einer wundervollen Panoramastrasse in die Hoehe wo wir am naechsten Morgen frueh einen fantastischen Blick auf einige 8000er Berge hatten. Muede vom ersten Tag, an dem wir so lange wie noch nie auf unserer Reise geradelt sind, genossen wir 54 Kilometer downhill ins Terai. Eine Kurve nach der anderen und mit ihr wurde es immer ein Stueck waermer und feuchter. Da Jörg von seinem Beruf her am oeffentlichen Verkehr interessiert ist, wollten wir eh einmal eine Busfahrt auf nepalesisch erleben und entschieden uns nach der Abfahrt die naechste Tagesetappe gleich heute noch hinter uns zu bringen anstatt morgen selber zu radeln. Ein Minibus stand gerade bereit, wir luden die Velos aufs Dach und los gings. Zuerst war der Bus noch normal gefuellt, doch alle die am Strassenrand standen wurden mitgenommen, dass der Bus bald aus allen Naehten quillte. Wir sahen einander nicht mehr, verstaendigten uns nur noch durch zurufen. Jörg sass am Fenster, alle Taschen vor und auf ihm gestapelt, Maja hatte ein Kind auf dem Schoss und Maesi stand irgendwo. Ploetzlich knallte es, ein Pneu war geplatzt. Der Bus kam ins Schwanken, der Fahrer bremste. Sofort dachten wir, er bekommt das Auto in den Griff, doch nein, der Wagen schleuderte, wendete um 180 Grad und stuerzte auf die Seite wo Jörg sass. Glassplitter flogen durch die Luft, Leute schrien, Panik entstand. Wir wissen nicht mehr genau wie, doch wir konnten aus dem Auto klettern. Gottenfroh fielen wir uns in die Arme, wir haben ueberlebt. Danach setzte sich Maesi hin und stand nicht mehr auf. Sein Gesaess und Ruecken schmerzte. Am Unfallort herrschte totale Hektik und Panik, die Menschen schrien, weinten, bluteten... Unsere Velos lagen neben dem Bus, sind vom Dach geschleudert worden, verbeult und zerkratzt. Mit einem Taxi brachte Maja Maesi ins naechste Spital, Jörg blieb bei den Velos und Taschen. Die naechsten Stunden waren Horror! Anderes Land, andere Sitten, haarstraeubende Umstaende! Ohne Marcels Rueckenschmerzen ernst zu nehmen wollten sie ihn aus dem Auto zerren bis er vor Schmerzen laut aufschrie. Auf einer, bereits vom Vorgaenger blutigen Barre, wurde er in den ueberfuellten Notfallraum geschoben. Kein Vorhang zwischen den Betten, keine Privatssphaere. Hier liegt einer in der Unterhose, Infusion im Arm, Bandage um den Kopf, am Bein wird rumhantiert. Dort wird einem Kind das gebrochene Schluesselbein fixiert, die Frau mit dem blutigen Kopf wird schon das dritte Mal umplatziert - sie schreit und weint. Einem alten Mann ziehen sie das Leintuch ueber den Kopf - er ist gerade gestorben. Nach mehreren Untersuchungen und Roentgenaufnahmen stand Maesi's Diagnose: zwei Brueche am Schambein und zwei am Handgelenk. Uff!!! Musste das sein! Am darauffolgenden Tag wechselten wir mit einem Ambulanzwagen in ein besseres Spital und bekamen die Diagnose bestaetigt plus dass er am Handgelenk operiert werden muss. Damit die Brueche im Becken zusammen wachsen koennen und die gequetschte Wirbelsaeule entspannen kann, verordneten sie, so als allerletzter Hammerschlag, vier Wochen Bettruhe! Noch im Schock von dem schrecklichen Unfall und der schlechten Diagnose wurde uns langsam bewusst, dass unsere wunderschoene Hochzeitsreise nach 17 Monaten wohl ein ploetzliches und schmerzendes Ende nimmt!

Mit der Unterstuetzung der Rega und dank dem unermuedlichen Einsatz von Jörg betreffend Organisation und Motivation haben wir die Unfallwoche nun hinter uns gebracht. Marcel ist mit der Rega unterwegs in die Schweiz zu seinen Eltern, wo er die verbleibenden Wochen liegend verbringen wird. Maja bleibt mit Jörg noch zwei Wochen in Nepal bevor sie in die Schweiz zurueck kehrt. Jörg kam extra um uns zu besuchen und da die erste Woche mit einer solchen Katastrophe endete, entschieden wir uns, uns zu trennen damit Jörg seine restlichen Ferien nicht alleine verbringen muss. Marcel wird von seiner Familie sicher super betreut und Maja geht mit Jörg in die Himalayaberge wandern und sich erholen. Er kann sie gut ablenken und unterhalten.

Wir sind alle sehr traurig, musste dieser Unfall passieren. Es haette jedoch viel schlimmer kommen koennen - wir hatten tausend Schutzengel! Das einzige was uns ueber den unerwuenschten Abbruch unserer Reise hinweg hilft ist der Gedanke, dass wir unsere Familien all unsere lieben Freunde zu Hause wieder sehen werden. Darauf freuen wir uns!

Zur Erinnerung an die letzten schoenen Monate werden wir bald unsere Tibet-Fotos auf unserer Webseite praesentieren.

Unsere Reise ist nicht vorbei und zu Ende, sie geht weiter. Momentan nur in unseren Herzen und Gedanken, doch irgendwann steigen wir sicher wieder auf unsere Fahrraeder Elif und Tigi und radeln weiter durch unsere wunderschoene und spannende Welt. Zeit heilt Wunden! Liebe Gruesse Maja und Marcel

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

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28. Reisebericht 01. November 2006

Die letzten Tage in Asien     aus der Sicht von Maja

Am Freitag den 6. Oktober 2006 klingelt das Telefon in unserem Hotelzimmer in Kathmandu. Ein Inder meldet sich am anderen Ende und sagt: Mister Zbinden, morgen holen wir sie ab und verlegen sie nach Delhi. Uff, morgen schon?! Seit dem Unfall waren wir stets mit der Rega in der Schweiz in Kontakt. Zu Beginn erhielten wir viele Informationen und Anhaltspunkte, doch die verschwammen immer mehr. Nun teilt uns ein Inder mit was der nächste Schritt in der Rückschaffung von Marcel ist. Wir sind etwas verwirrt und wissen gar nicht warum Marcel nun nach Indien muss. Ich beginne jedenfalls mal sein Gepäck zu packen. Ich fühle mich elend und will gar nicht dass Marcel nun geht. Eigentlich will ich auch gar nicht akzeptieren was vor ein paar Tagen geschehen ist. Ich bin sehr traurig.
Jörg hat uns sehr viel Bergsteigematerial mitgebracht wie auch diverse Esswaren die wir in Tibet vermisst haben. Wir wollten uns die Tage während der eigentlich geplanten Bergtour zu Fuss damit versüssen. Nun kann ich alles wieder einpacken, ungebraucht. In der Hoffnung dass Marcel an den Flughäfen sein Gepäck nicht wägen muss, habe ich ihm so viel wie möglich eingepackt. Schliesslich ist er verletzt und die nette Dame am Check-in drückt deshalb vielleicht ein Auge zu. Wenn Jörg und ich alles mitnehmen müssten würden wir wohl viel Geld für Übergewicht bezahlen. Nun kommt ja auch noch das ganze Reisegepäck dazu, alle Sachen die uns während den letzten Monaten begleitet haben. Von einigen nehmen wir Abschied, anderes packe ich in die schweren Taschen.

Am anderen Morgen weckt uns das Klingeln des Telefons. Diesmal ist es die Récéption dass da jemand auf uns wartet. Was? Sind die schon da? Ein Doktor aus Indien wartet in der Eingangshalle. Er sei hier um Marcel abzuholen, wolle den Patient aber zuerst sehen und danach müsse er auf der indischen Botschaft ein Visa für ihn organisieren. Um 16 Uhr werde Marcel abgeholt, mit einem Ambulanzflugzeug nach Delhi geflogen und dort in einer Klinik nochmals untersucht. Nach Rücksprache mit der Rega werde er dort nochmals geröngt um entscheiden zu können wie er transportiert werden kann. Da mir der Arzt von der Rega mitteilte dass er nur kurz in Delhi bleiben wird, das heisst zwei Nächte, bestand Marcel darauf dass ich nicht mitgehe, sondern mit Jörg für weitere drei Wochen in Nepal bleibe. Er kam ja extra um uns zu besuchen und wir wollten ihn wirklich nicht in Nepal alleine seine verdienten Ferien verbringen lassen. Da wir ja grosse Hoffnung hatten dass Marcel somit in ein paar Tagen in der Schweiz ist und auf Unterstützung von guten Ärzten und seiner Familie zählen darf, fiel auch mir diese Entscheidung einfacher.

Abschied nehmen ist für mich immer schwer. Und dieses Mal besonders da ich meinen geliebten Ehemann und Teampartner, der schwer verletzt vor mir auf dem Bett liegt, einfach alleine lassen muss. Jeder Abschied wäre wohl einfacher gewesen, wären die Folgen von diesem Unfall nicht so schlimm und gleichzeitig auch noch unsere Traumhochzeitsreise abgebrochen worden. Nach so vielen Monaten Gemeinsamkeit funktioniert man nur noch als Team, spürt was der Partner will ohne Worte von ihm zu hören. Entscheide werden immer zusammen gefällt. Hat der eine mal einen Durchhänger motiviert der andere. Schwierige Situationen werden zusammen gemeistert, Schöne umso mehr zusammen genossen!
Unser Hotelzimmer ist nun leer. Mein Herz schwer. Ich liege alleine hier ohne Marcel. Der Arme muss noch durch viele Untersuchungen und Behandlungen bis er wieder mit mir durch die Welt radeln kann.

Am anderen Tag telefonieren wir. Er sei gut in Indien angekommen, da aber am Flughafen keine Barre für ihn bereit stand musste er ins Flugzeug humpeln. Super! Er müsse nun in die Röhre. Vier Tage später liegt er immer noch dort. Die Untersuchung sei gemacht nun suche man ein Flugzeug das Platz habe für eine Barre, denn er müsse liegend transportiert werden. Im CT habe man noch gesehen dass auch das Kreuzbein doppelt gebrochen sei. Also bereits sechs Brüche.

Ich verliess Kathmandu zusammen mit Jörg Richtung Khumbuvalley in einem kleinen Propellerflugzeug. Es hat also nicht geklappt dass Marcel nach zwei Tagen Indien in die Schweiz fliegt. Die folgenden zehn Tage verbringe ich mit einem komischen Gefühl im Magen da ich nicht weiss wie es Marcel geht. Denn wenn man in Nepal wandern geht, sind die Verbindungen in die Aussenwelt oftmals gar nicht vorhanden.

Trotzdem versuchte ich die Tage mit Jörg in dieser unglaublich schönen Gegend zu geniessen. Wir wanderten fast täglich, immer ein wenig höher und waren fasziniert von der gewaltig Bergkulisse. Von Lukla auf 2700 Meter über Meer bis nach Chukhung auf 4800 Meter über Meer brauchten wir eine Woche, danach wanderten wir eine andere Route zurück. Die Ama Dablam, der Berg den Marcel vor vier Jahren bestiegen hat, blieb während mehreren Tagen in unserem Panorama. Somit sahen wir ihn von fast allen Seiten. Wir entschieden uns ohne Guide und Träger zu gehen da wir die Unabhängigkeit geniessen wollten. Tatsächlich waren aber die wenigsten Touristen so unterwegs wie wir und mussten sich das schwere Rucksacktragen nicht antun. Jörg, der sich vorher noch nie auf dieser Höhe bewegt hat, spürte die Höhe gut und musste seinen zügigen Wanderschritt verlangsamen, doch Probleme hatte er nie und so war ich sehr stolz auf ihn. Schliesslich schleppte er auch noch für mich Esswaren und anderes mit, da ich mit meinen eigenen Sachen schon genug zu kämpfen hatte. Ich habe eben nur starke Oberschenkel  ;o)

Höhepunkte dieses Treks waren sicher die Sicht auf Everest, Lhotse, Ama Dablam und viele hohe Berge mehr. Die schönen Wanderwege, die Träger die unglaublich schwere Lasten den Berg hoch trugen und der stahlblaue Himmel. Eher weniger schön waren die vielen Touristen die wie Ameisen die Wege verstopfen und Abfall liegen lassen. Mühsam waren auch die vielen Yaks die für den Transport von Waren auf den Berg getrieben werden. Sie machten sich auf den Wanderwegen recht schön breit.

Zurück von der Wanderung erfahre ich dass Marcel neun Nächte in Delhi lag, alleine in einem Einzelzimmer, nur wenig und schlechtes Essen bekam und sich selten jemand bei im zeigte. Er konnte sein Bett nie verlassen.
Nun war er endlich im Spital Muri /Aargau. Das Wiedersehen mit seiner Familie geschah aber mit Mundschutz und Gwändli da er zuerst drei Tage in Quarantäne lag. Weitere Untersuchungen zeigten dass er sogar noch einen Lendenwirbel gebrochen hat. Ein Dreipunktekorsett sollte die nächsten Wochen seine Wirbelsäule stabilisieren. Seine Eltern organisierten ein Krankenbett für ihn und stellten es in den Wintergarten, so wusste ich dass er sicher nun der schönste Platz für die nächsten liegenden Wochen hat.

Während der letzten Tage in Kathmandu assen sich Jörg und ich nochmals durch die internationale Küche und kauften diverse Souvenirs. An einem Morgen fuhren wir auf einen Hügel um den Sonnenaufgang zu geniessen und staunten über das 180 Grad Panorama voller Schneeberge über einem gewaltigen Nebelmeer. Die Hindus feierten das Lichterfest. Sie stellten und hängten so viele Lämpchen auf dass es uns sehr an Weihnachten erinnerte. Nun war es definitiv Zeit in die Schweiz zu reisen.

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch

Bilder zum 28.Reisebericht
 

29. Reisebericht 20. Dezember 2006

Das Wechselbad der Gefühle     aus der Sicht von Maja

Nicht nur wir müssen heim, auch unsere Velos Elif und Tigi. Bei Sonam, dem besten Velomech in Kathmandu, liessen wir sie nach dem Unfall wieder fahrtüchtig machen. Leider wollte sie die Lufthansa nur mitnehmen wenn wir viel zu viel Geld dafür bezahlen, also entschieden wir uns für einen Cargotransport der sie innert einer Woche nach Zürich bringen soll. Dafür schraubten wir die Velos so weit auseinader dass sie so wenig Platz wie möglich in Anspruch nahmen und übergaben sie in fremde Hände. Beim Einpacken sträubten sich bei Maja die Nackenhaare – wie die mit unseren Velos umgehen! Das tut vorallem weh wenn man sich vorher 17,5 Monate lang viel Mühe gegeben hat damit die Räder keinen Schaden nehmen.

Jörg konnte in den vier Wochen viel vom nepalesischen Feeling mitbekommen, freute sich aber wieder sehr aufs Schweizer Leben. Der starke Verkehr und die Rücksichtslosigkeit gegenüber den Fussgängern, dass man immer Angst haben muss man werde angefahren, und einfach keinen Platz für sich hat, störte ihn sehr. Auch ihr Fahrstil machte ihn halb rasend – ich sass neben ihm und amüsierte mich prächtig – bins eben schon gewohnt. Die Luftverschmutzung ist ein weiterer Aspekt der auch mich sehr störte, obwohl ich bis vor unserer Reise durch Tibet dauernd stark vergast wurde. Der Geschmack bleibt aber störend.
Anstatt das nepalesische Dhal Bhat (Linsen und Reis) verliebte er sich eher ins chinesiche Chowmein und wollte nur noch ins kleine Beizli sich einen Teller Nudeln genehmigen. Brilliant schlug er sich mit Heggeln. Er wurde ein guter Charmeur wenn es ums Preisdiskutieren ging dass er bald ohne meine Hilfe Spass daran hatte ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen.

Der Heimflug dauerte lange, mit vielen Verspätungen und Wartezeiten. Ich zählte die Stunden bis ich wieder bei Marcel bin. Endlich in Zürich angekommen fehlte ein Gepäckstück – also auch in Europa läuft nicht alles reibungslos, denn ich sah es in Frankfurt neben unserem Fluzeug stehen, doch niemand wollte es einladen.

Zu meiner grossen Freude empfingen uns Mami und Papi und Bruder Dieter mit einem grossen Plakat „Welcome Maja, back after 555 days“. Nach einigen Minuten waren sie überzeugt: „Ausser den kurzen Haaren bist du noch die gleiche Maja wie vor der Reise“ – das freute mich sehr! Nach einem Willkommensprosecco wurde ich in Papis Auto nach Muri chauffiert – wiedermal auf einer Schweizer Autobahn fahren. Alles geordnet, kein Gedränge, gute Autos, keine Eselskarren, aus dem Radio dringen bekannte Stimmen in einer Sprache die ich verstehe... Obwohl die Schweiz meine Heimat ist kommt sie mir recht fremd und doch vertraut vor. Eigentlich freute ich mich auf die Rückkehr, doch in Asien fühlte ich mich zur Zeit auch zu Hause. Wäre da nicht dieser Unfall gewesen, würden wir immer noch in Asien sein und unser Reiseleben weiter geniessen. Nun fängt jedoch ein neuer Abschnitt an – den wollte ich jedoch gar nicht.

Mäsi begrüsste mich stehend mit den Krücken in den Achselhöhlen, danach musste er aber wieder ins Bett. Dankdem ihm die Ärzte nun endlich Krücken erlaubten konnte er sich wieder etwas bewegen. Sonst lag er nur.
Zusammen versuchten wir die Gegenwart zu geniessen. Dies war zwar zeimlich schwierig aber es blieb uns ja nichts anderes übrig. Um mein Fernweh etwas zu stillen las ich gerne andere Reiseberichte und sah unsere Fotos an. Marcel hingegen wollte gar nichts sehen und lesen - jeder hat seine Methoden sich mit dem Schicksal abzufinden.

Ich bin sehr stolz auf Mäsi wie ruhig er geblieben ist und die Situation, nur zu liegen, gut akzeptieren konnte. Natürlich wurde er auch rundum betreut und genoss das vielleicht auch ein bisschen. Mir machte das nichts aus, schliesslich wollte ich nur das Beste für ihn. Mich nun aber wieder mit Haushaltarbeiten rumzuschlagen fiel mir recht schwer. Wie schön war es doch mit unseren sieben Sachen... Dafür hat man immer Licht und Heizung, man kann nachts unter eine Daunendecke schlüpfen, das Wasser aus dem Wasserhahn trinken, muss nicht mehr von Hand Kleider waschen, das Toilettenpapier darf man in die Toilette werfen; im Supermarkt bekommt man alles was man will – Hunger ade!
Ich schätze den Luxus, doch er bringt mich sehr zum Nachdenken. Wieviele Menschen in Pakistan haben nach dem Erdbeben vom Oktober 05 immer noch kein Haus und frieren auch diesen Winter? Wie einfach essen die Tibeter und sind trotzdem gesund und zufrieden? Wie gerne hätten die Kinder in Nepal ein paar Spielsachen?
Mir wird bewusst mit wie wenig wir die letzten Monate zufrieden waren. Die Begegnungen und Landschaften haben uns alles gegeben was wir gebraucht haben! Die Strassen waren selten menschenleer, es war immer etwas los, eine Dynamik war spürbar. Jeder hatte Zeit für den anderen, keiner begrenzte seinen Besitz mit einem Zaun, einer Mauer oder hohen Rabatten. Was wir in der Schweiz dafür sehr schätzen ist der Respekt gegenüber den Mitmenschen. Wenn jemand vor dem Fussgängerstreifen steht wird angehalten und auf dem Trottoir wird gegrüsst. Beim Arzt oder Physiotherapeuten vereinbart man einen Termin und man weiss dass man ernsthaft betreut wird.
Marcel macht täglich Fortschritte. Statt auf der Strasse radelt er zwar auf einem Hometrainer doch die Muskeln kommen zurück und hoffentlich werden auch die Nerven im Fuss bald wieder normal arbeiten.

Wenn man einmal vom Reisevirus angesteckt wird, möchte man immer wieder gehen. Das Reisen bleibt eine Leidenschaft von uns, auch wenn sie vorerst in unseren Träumen und Ideen stattfinden. Die vielen Dias unserer Hochzeitsreise holen uns immer wieder an wunderschöne Orte, zu netten und interessanten Menschen zurück, sie beleuchten unser Leben während der letzten Monate. Wir sind bemüht sie zu einer Diashow zusammenzustellen. Gerne teilen wir Euch mit, wann wir soweit sind Euch die Bilder zu zeigen.
SchweizerIn zu sein ist ein grosses Glück. Überall auf der Welt waren wir willkommen, viele schwärmen von unserem Land obwohl sie es noch nie besucht haben. Es sei so friedlich, sauber, gerecht, schön und reich. Tatsächlich ist es ein Privileg in einer solchen Welt aufgewachsen zu sein, nur deshalb konnten wir uns diese Reise ermöglichen. Und diese Eindrücke möchten wir mit Euch teilen.
Via Internet konnten wir immer die grosse Distanzbarriere zwischen uns und unseren Lieben verkürzen. Immer noch verbindet es uns mit der ganzen Welt und unseren Freunden die wir unterwegs getroffen und kennengelernt haben. Auch die vielen netten Worte von Euch, liebe Leserinnen und Leser, haben uns sehr gefreut. Wir danken Euch sehr dafür.

Ich und Marcel wünschen Euch ein frohes Weihnachtsfest und ein zufriedenes und gesundes neues Jahr. Auf weitere spannende Abenteuer – wer weiss!

Eure M&M’s
 

PS 1: Mäsi macht bereits wieder Witze und Grimassen - das ist doch ein sehr gutes Zeichen!!!

PS 2: Unser Webmaster Michael Job hat uns in seiner Wohnung ein Zimmer angeboten. Nun wohnen wir also in der Nähe von Aarau und geniessen das WG-Leben. Danke Jobli, uns gefällts bei dir!!!

Maja und Marcel www.2bicycles1world.ch